Behinderte Menschen gehören in unserer Gesellschaft einer Randgruppe an, die größtenteils Isolierung erfährt und meist lebenslang benachteiligt ist. Aber gerade in der heutigen Zeit, die für Toleranz, Gleichberechtigung und Aufgeschlossenheit steht, sollte es möglich sein, diese Menschen in die verschiedenen Bereiche des Lebens zu integrieren, wie z. B. in der Familie, in der Nachbarschaft, am Arbeitsplatz, in Erziehungseinrichtungen. Wichtig ist dabei, die Behinderten nicht nur am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen, sondern ihnen das subjektive Gefühl des Integriertseins, des Geachtetseins, zu vermitteln. Unter Integration ist kein Prozess zu verstehen, der einseitig die Anpassung der gehandicapten Menschen an die Normen der „normalen“ Bevölkerung fordert, stattdessen ist eine aktive Beteilung, keine passive Eingliederung, der Behinderten gewünscht.
Ein gutes Beispiel für die Zusammenarbeit mit behinderten Menschen sind die Integrationsansätze in Regelschulen. Sicherlich werden auch in Zukunft die Sonderschulen mit ihren spezifischen Förderprogrammen an Bedeutung nicht verlieren, dennoch gibt es seit einigen Jahren den Anspruch, behinderte Schüler in einer Regelschule zu unterrichten. Um einen Einstieg in das Thema der gemeinsamen Erziehung zu geben, wird zunächst auf die Gründe für eine Integration eingegangen, um dann zwei Schulmodelle vorzustellen, die den Integrationsansatz verkörpern, die integrativen Schulen und das additiv-kooperative Modell. Dabei werden nicht nur die Schulen charakterisiert, sondern anhand von Erfahrungsberichten, die vom Leben behinderter Schüler in den jeweiligen Regelschulen erzählen, versucht, ein genaueres Bild zu vermitteln. Das Kernstück der Abhandlung besteht aus den Meinungen, Ansichten und Verhaltensmerkmalen der drei an den Integrationsklassen direkt beteiligten Gruppen: den Schüler, Eltern und Lehrern. Nacheinander werden Probleme und Chancen, Vor- und Nachteile aufzeigt, die sich durch das gemeinsame Erziehen ergeben.
Gliederung
1. Einleitung
2. Warum Integration
3. Integrative Schulmodelle
3.1 Integrative Schulen
3.1.1 Erfahrungsberichte geistigbehinderter Kinder in integrativen Schulen
3.2 Additiv-kooperative Schulformen
3.2.1 Erfahrungsbericht einer additiv-kooperativen Schule
4. Schülerverhalten in Integrationsklassen
5. Integrationsklassen aus Sicht der Eltern
6. Integrationsklassen aus Sicht der Lehrer
7. Schlussbetrachtung
1. Einleitung
Behinderte Menschen gehören in unserer Gesellschaft einer Randgruppe an, die größtenteils Isolierung erfährt und meist lebenslang benachteiligt ist. Aber gerade in der heutigen Zeit, die für Toleranz, Gleichberechtigung und Aufgeschlossenheit steht, sollte es möglich sein, diese Menschen in die verschiedenen Bereiche des Lebens zu integrieren, wie z. B. in der Familie, in der Nachbarschaft, am Arbeitsplatz, in Erziehungseinrichtungen. Wichtig ist dabei, die Behinderten nicht nur am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen, sondern ihnen das subjektive Gefühl des Integriertseins, des Geachtetseins, zu vermitteln. Unter Integration ist kein Prozess zu verstehen, der einseitig die Anpassung der gehandicapten Menschen an die Normen der „normalen“ Bevölkerung fordert, stattdessen ist eine aktive Beteilung, keine passive Eingliederung, der Behinderten gewünscht.
In meiner Hausarbeit möchte ich die Integrationsansätze in Regelschulen vorstellen. Sicherlich werden auch in Zukunft die Sonderschulen mit ihren spezifischen Förderprogrammen an Bedeutung nicht verlieren, dennoch gibt es seit einigen Jahren den Anspruch, behinderte Schüler in einer Regelschule zu unterrichten. Um einen Einstieg in das Thema der gemeinsamen Erziehung zu geben, werde ich kurz auf die Gründe für eine Integration eingehen, um dann zwei Schulmodelle vorzustellen, die den Integrationsansatz verkörpern, die integrativen Schulen und das additiv-kooperative Modell. Dabei werde ich nicht nur eine kurze Charakterisierung der Schulen darstellen, sondern anhand von Erfahrungsberichten, die vom Leben behinderter Schüler in den jeweiligen Regelschulen erzählen, versuchen, ein genaueres Bild zu vermitteln. Das Kernstück meiner Hausarbeit besteht aus den Meinungen, Ansichten und Verhaltensmerkmalen der drei an den Integrationsklassen direkt beteiligten Gruppen: den Schüler, Eltern und Lehrern. Nacheinander möchte ich Probleme und Chancen, Vor- und Nachteile aufzeigen, die sich durch das gemeinsame Erziehen ergeben. Meine Schlussbetrachtung wird nicht nur ein einfaches Fazit beinhalten, sondern meine eigene Meinung zu diesem Thema, da ich als Lehramtstudentin gegebenenfalls später auch in die Situation geraten kann, in einer integrativen Klasse zu unterrichten.
2. Warum Integration
Integration beinhaltet nicht nur den Aspekt, dass nichtbehinderte und behinderte Kinder in einer Klasse oder einer Schule zusammen unterrichtet werden, viel relevanter für die gelungene Integration ist das gemeinsame Leben und Lernen der Schüler, was bedeutet, dass sie zu bestimmten Gelegenheiten gemeinsame Aktivitäten ausführen und soziale Kontakte aufbauen können. Besonders großen Wert legen die Erzieher auf die Interaktion zwischen gehandicapten und gesunden Kindern, da aus der sozialpsychologischen Forschung bekannt ist, dass sich die eigene Einstellung durch intensivere Kontakte verbessert. So stellte Homans bereits 1950 fest, dass „wenn sich die Häufigkeit der Interaktion zwischen zwei oder mehr Personen erhöht, so wird auch das Ausmaß ihrer Neigung füreinander zunehmen [...]“[1]. In diesem Fall bedeutet das einerseits, dass die gesunden Kinder ihre Vorurteile gegenüber den behinderten abbauen, und andererseits dass die benachteiligten Schüler gegenüber ihren Klassenkameraden ihre Scheu und eventuelle Minderwertigkeitsgefühle ablegen können.
In die gemeinsame Erziehung werden vorrangig positive Erwartungen gesetzt. So sollen die Behinderten durch den Umgang mit gesunden Kindern in einer „normalen“ Umgebung lernen, ihre Behinderung zu akzeptieren und durch das gemeinsame Unterrichten Anreize und Ideen erfahren, denen sie in einer Sonderschule nicht ausgesetzt wären. Zudem stärken sie durch Auseinandersetzungen mit nichtbehinderten Kindern ihr Selbstbewusstsein. Für die gesunden Schüler steht die Toleranz im Vordergrund; sie sollen lernen, ihre behinderten Klassenkameraden als gleichberechtigte Partner anzusehen, ihnen aber auch hilfreich zur Seite zu stehen. Für die Eltern der behinderten Schüler erhofft man sich durch die Integration in Regelschulen ebenfalls positive Auswirkungen, indem die Isolation ihrer Kinder aufgehoben wird.[2]
3. Integrative Schulmodelle
Die Formen der Integration behinderter Kinder im Bereich der Schule sind mannigfaltig; sie reichen von totaler Separation bis zur absoluten Eingliederung. Im Folgenden möchte ich zwei Modelle vorstellen, die als Ziel die gemeinsame Erziehung von behinderten und nichtbehinderten Schülern beinhalten.
3.1 Integrative Schulen
Integrative Schulen sind in Deutschland vielfältig. Um einen Einblick in diese Schulform zu geben, möchte ich an dieser Stelle die erste integrative Schule vorstellen, die von Maria Montessori ins Leben gerufen wurde. Das Konzept dieser Schulform basiert auf integrativen Klassen, die aus 20 bis 24 Schüler bestehen, wobei fünf bis sechs davon behindert sind. Bei den Behinderungen handelt es sich um Körper-, Sprach- und Lernbehinderungen, leichte Verhaltensstörungen, Seh- und Hörschädigungen und leichte geistige Behinderungen. Bei der Zusammenstellung der Klassen wird darauf geachtet, dass keine zu großen Lernheterogenitäten entstehen, da sich mit zunehmenden Alter das Lernniveau entscheidend verändert, so dass sich insbesondere für die Geistigbehinderten Probleme ergeben. Unterrichtet werden die Schüler mindestens von einem Lehrer und einem Assistenten. Der Tagesablauf ist schematisch gegliedert, nach einer zweistündigen Freiarbeitsphase, in der die Schüler lernen, selbstständig zu arbeiten, folgt eine längere Pause nach der Fachunterricht erteilt wird.
Trotz der Strukturiertheit weisen Montessori-Schulen Defizite in der Organisation auf; sie sind z. B. in der großen Schüleranzahl in den einzelnen Klassen, den wenigen Sonderschullehrern und der langen Freiarbeitsphase zu finden. Der Unterricht besitzt nicht genügend Handlungsbezogenheit, um den behinderten Kindern den Weg in die außerschulische Welt zu ebnen. Vor allem geistigbehinderte Schüler wechseln nach einer kurzen Zeit in den integrativen Klassen auf eine Sonderschule. Eine Studie von Hellbrügge[3] besagt, dass von 17 geistigbehinderten Kindern, die acht bis neun Jahre Unterricht in den integrativen Klassen erfahren haben, zwei den Hauptschulabschluss, sieben den Abschluss der Lernbehindertenschule und acht den Abschluss der Geistigbehindertenschule erreichten.[4]
3.1.1 Erfahrungsberichte geistigbehinderter Kinder in integrativen Schulen
Vor allem die schulische Integration geistigbehinderter Kinder wirft viele Probleme und Schwierigkeiten auf, da diese Form der Behinderung zieldifferenziertes Unterrichten erfordert. Dennoch sind auch die positiven Aspekte einer gemeinsamen Erziehung nicht zu verachten. Zur Verdeutlichung des Dilemmas zwischen Vor- und Nachteilen möchte ich nachfolgend zwei Erfahrungsberichte von Schülern mit geistiger Behinderung vorstellen, die in einer integrativen Klasse unterrichtet werden:
An einer Grundschule in Bonn-Friesdorf wurde Jessica, ein Mädchen mit Down-Syndrom, in den gemeinsamen Unterricht integriert. Sie nahm am Sportunterricht teil und aufgrund ihrer relativ guten Sprachfähigkeiten teilweise auch am Sprachunterricht. Sie konnte verhältnismäßig gut lesen, traute sich aber das Vorlesen nicht zu. Trotz ihrer Fähigkeit, Buchstaben und Wörter deutlich zu schreiben, neigte sie zum Kritzeln. Am Rechenunterricht nahm sie teil, da sie bis 12 addieren konnte. Um Jessica leistungsgerecht zu fördern, wurden ihr andere Aufgaben erteilt als ihren Mitschülern. Es störte das Mädchen nicht, dass an ihre Nachbarn wesentliche schwierigere Anforderungen gestellt wurden; sie wählte sich ihre Arbeit und blieb eigenwillig dabei.[5]
Folgendes Beispiel soll zeigen, dass sich durch die gemeinsame Erziehung das Sozialverhalten der behinderten Kinder verbessern kann:
Ein geistig- und sprachbehinderter sowie verhaltensauffälliger Junge wurde in einer Berliner Grundschule eingeschult, in der sich sein Verhalten positiv entwickelte. Gegenüber seinen Lehrern und Mitschülern war er freundlich, zu ihm fremden Personen teilweise distanzlos. Er lernte sich im Unterricht situationsgerecht zu verhalten, was sich so auswirkte, dass er weniger störte, länger an seinem Platz sitzen blieb und Aufgaben alleine bewältigte. Durch Unterricht und Spracherziehung verbesserte sich seine Äußerungsfähigkeit. Große Schwierigkeiten bereiteten ihm Aufgaben mit kognitiven Anforderungen, z. B. die Mengenlehre. In der Klasse war er akzeptiert und mit Hilfe seiner Lehrer und Mitschüler gelang es ihm, sein Sprach- und Sozialverhalten zu normalisieren.[6]
[...]
[1] Zitiert nach Dumke/Krieger/Schäfer. S. 14. Homans. Theorie der sozialen Gruppe. Opladen: Westdeutscher Verlag 1972.
[2] Vgl. Mühl. Integration von Kindern und Jugendlichen mit geistiger Behinderung. Gemeinsame Erziehung mit Nichtbehinderten in Kindergarten und Schule. Berlin: Marhold 1987. S. 6 f.
[3] Valtin/Sander/Reinartz. Gemeinsam leben – gemeinsam lernen. Behinderte Kinder in der Grundschule, Konzepte und Erfahrungen. Frankfurt/M.: Arbeitskreis Grundschule e. V. 1984. S. 65-76.
[4] Vgl. Mühl. Integration von Kindern und Jugendlichen mit geistiger Behinderung. Gemeinsame Erziehung mit Nichtbehinderten in Kindergarten und Schule. Berlin: Marhold 1987. S. 46 f.
[5] Vgl. ebd., S. 51 f.
[6] Vgl. Mühl. Integration von Kindern und Jugendlichen mit geistiger Behinderung. Gemeinsame Erziehung mit Nichtbehinderten in Kindergarten und Schule. Berlin: Marhold 1987. S. 53.
- Arbeit zitieren
- Antje Minde (Autor:in), 2005, Integration behinderter Kinder in Regelschulen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/41132
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