Vielleicht eins dieser Schlagwörter die zur Mode geworden sind, aber sicherlich auch ein wichtiger Punkt in der offenen Kinder- und Jugendarbeit. Dabei stellt sich die Frage: Warum muss Sozialarbeit oder Sozialpädagogik sich in die Jugendkultur einmischen? Wenn man soweit gehen kann, hat Jugend doch ihre eigene Kultur – oft genug fällt doch der Begriff. Persönlich ist mir bei meiner Arbeit im Jugendzentrum aufgefallen, dass sich Jugendliche gern durch ihr Äußeres von anderen abgrenzen und sich Gruppen zugehörig fühlen. Dabei gibt es verschiedene dress-codes, die sich hauptsächlich am jeweiligen Musikgeschmack der Jugendlichen orientiert.
Jeder kennt die Hip-Hopper, die mit ihren viel zu weiten, mit dem Schritt in der Kniekehle hängenden Hosen herumlaufen, oder die Punks, die mit bunt gefärbten Irokesen-Haarschnitt und zerrissenen Armeeparkern in der Stadt herumhängen.
Wenn sich Jugendliche schon so kleiden, um einer Gruppe anzugehören oder sogar ihr ganzes Äußeres darauf ausrichten, muss Musik in ihrem Leben schon eine wichtige Rolle spielen.
Meiner Meinung nach bestätigt dies auch eine kurze mündliche Umfrage unter einigen zwischen 13-18 Jahren alten Jugendlichen, die unsere Einrichtung besuchen. Sicherlich ist sie nicht repräsentativ, aber sie zeigt doch deutlich wie wichtig ihnen ihre Musik und Musik überhaupt ist. Die häufigsten Antworten waren: „Ich höre immer Musik und zwar nur…“ oder „Ohne Musik komm ich gar nicht aus dem Bett“ oder „Die einzig wahre Musik ist …“
Deswegen wird das weite Feld der Kulturarbeit hier nach einer allgemeinen Einführung in das Thema in den ersten Kapiteln auf die spezielle Arbeit in der offenen Kinder- und Jugendarbeit eingegrenzt, um sich anschließend mit der Musik und Musikprojekten in diesem Gebiet der Sozialen Arbeit zu beschäftigen. Im Zentrum wird dabei das oben genannte Projekt „Tonstudio“ stehen, dass sicherlich schon ein sehr großes Feld abdeckt. Daran schließt sich die Publikation und Bekanntmachung der Früchte der Jugendkulturarbeit an, um schließlich mit einem Fazit zur momentanen Situation und einigen Verbesserungsvorschlägen zu enden.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
1. Einleitung
2. Jugendkulturarbeit – Was ist das?
2.1 Jugendkulturarbeit –Versuch einer Definition
2.3 Lebenswelten der Jugendlichen
2.4 Jugendkulturarbeit in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit
2.5 Stichwort Medienpädagogik
3. Jugendkulturarbeit in der Praxis
3.1 Bürgerfunk als Medium für Kinder und Jugendliche
3.2 „Radio Wigwam“
3.3 Eine eigene Band – Hey, ich hab was zu sagen
3.4 Krieg der Welten – Hörspiele für Kinder und Jugendliche
4. Projekt Tonstudio – Ein Erfahrungsbericht
Finanzierung
Organisation des Betriebs
Technische und Bauliche Umsetzung
Das Konzept
5. Fazit:
6. Anhänge:
Anhang 2 „Sendungsverlaufsplan“
Anhang 3 Interview mit Stefan und Kai
Anhang 4 Email von Benjamin
Vorwort
Durch das 40-tägige Praktikum in meinem Studium kam ich zur Jugendfreizeiteinrichtung „Wigwam“. Zum besseren Verständnis möchte ich hier kurz die Geschichte dieser Einrichtung erwähnen:
Das Wigwam wurde vor rund 40 Jahren in Straelen gegründet, einer Kleinstadt am Niederrhein mit heute 17.000 Einwohnern. Die Einrichtung steht unter kirchlicher Leitung, die festangestellten Mitarbeiter werden jedoch von der Stadt finanziert. Zunächst als „Vereinsheim“ für kirchliche Gruppen gegründet wurde es Mitte der ´80er zu einer Kleinen Offenen Tür. Als 1995 die von allen Kindern und Jugendlichen geliebte und engagierte Leiterin zugunsten ihrer Schwangerschaft und Familie ihren Beruf aufgab, traten nacheinander zwei wenig interessierte und geeignete LeiterInnen die Aufgabe an, die diese aber nur als Sprungbrett sahen und nach spätestens anderthalb Jahren die Einrichtung wieder verließen. Aufgrund von Kompetenzgerangel zwischen Kirche und Kommune sowie Personalstreitereien wurde keine passende Leitung gefunden und das Wigwam geschlossen.
Ich kam in die Einrichtung nachdem sie ca. ein Jahr geschlossen war und sich gerade im Aufbau befand. Das „Wigwam“ war gerade in Eigenregie des neuen Leiters renoviert und erst vor 4 Monaten wiedereröffnet worden. Die Strukturen mussten sich erst bilden und ich gehörte nun bald zum festen Team. Im Wigwam gab es viele Räume um sich selbst auszuprobieren und eigenverantwortlich zu handeln und trotzdem immer einen kompetenten Ansprechpartner zu finden. So nahm ich nach Ablauf des Praktikums auch eine Honorartätigkeit dort auf.
Durch die Ausbildung im Projekt „Abenteuer- und Erlebnisorientierte Soziale Arbeit“ und meine Kenntnisse im Bereich der Informatik wurden mir diese beiden Bereiche in unserer offenen Kinder- und Jugendarbeit zugeteilt.
Der Leiter der Einrichtung ist ausgebildeter Heilpädagoge und sehr interessiert an dem Nutzen der Musik in der offenen Kinder- und Jugendarbeit. Von anderen Jugendzentren hatten wir gehört, dass diese sich über ihr Bühnenequipment ein einfachstes Tonstudio realisiert hatten.
Unsere Überlegung war es nun, selbst ein semiprofessionelles Studio in unserer Einrichtung zu schaffen. Nachdem die Finanzierung über Fördermittel des Kreises Kleve und Spenden unserer Pfarrgemeinde gesichert worden war, konnten wir an die technische Umsetzung gehen. Dabei stand uns ein bekannter Berufsmusiker und Produzent ehrenamtlich und einige Fachliteratur zur Seite.
Da ich schon während meines Zivildienstes in einer anderen Einrichtung Erfahrungen mit Audiotechnik sammeln konnte, fiel diese Arbeit in meinen Bereich. Ein Erzieher im Anerkennungsjahr im „Wigwam“ konnte die baulichen Veränderungen, die für unsere Tonstudio nötig waren, durchführen.
Durch viel ehrenamtliches Engagement, viele Telefonate und Koordinations- und Organisationsgespräche konnte das Studio im Wigwam im September 2003 endlich fertiggestellt und eingeweiht werden.
Nun fehlte eigentlich nur noch ein vollständiges schriftliches Konzept: Viele Gedanken und Ideen sind zwar schon eingeflossen, doch es war lange Zeit noch unvollständig, da immer weitere Teile (zum Beispiel „Radio Wigwam“) noch hinzukamen.
Diese Lücke soll nun im Rahmen meiner Diplomarbeit geschlossen werden.
Eine Anmerkung zur Verwendung der männlichen und weiblichen Form: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit und der Einfachheit wurde in dieser Arbeit auf die weibliche Form verzichtet. So sind immer beide Geschlechter gemeint, es sei denn, es wird speziell unterschieden.
1. Einleitung
Jugendkulturarbeit. Vielleicht eins dieser Schlagwörter die zur Mode geworden sind, aber sicherlich auch ein wichtiger Punkt in der offenen Kinder- und Jugendarbeit. Dabei stellt sich die Frage: Warum muss Sozialarbeit oder Sozialpädagogik sich in die Jugendkultur einmischen? Wenn man soweit gehen kann, hat Jugend doch ihre eigene Kultur – oft genug fällt doch der Begriff.
Persönlich ist mir in meiner Zeit im Jugendzentrum aufgefallen, dass sich Jugendliche gern durch ihr Äußeres von anderen abgrenzen und sich Gruppen zugehörig fühlen. Dabei gibt es verschiedene dress-codes, die sich am jeweiligen Musikgeschmack der Jugendlichen orientiert.
Jeder kennt die Hip-Hopper, die mit ihren viel zu weiten, mit dem Schritt in der Kniekehle hängenden Hosen herumlaufen, oder die Punks, die mit bunt gefärbten Irokesen-Haarschnitt und zerrissenen Armeeparkern in der Stadt herumhängen.
Wenn ich mich schon so kleide, um einer Gruppe anzugehören oder sogar mein ganzes Äußeres darauf ausrichte, muss Musik im Leben der Jugendlichen schon eine wichtige Rolle spielen.
Meiner Meinung nach, bestätigt dies auch eine kurze mündliche Umfrage unter einigen zwischen 13-18 Jahren alten Jugendlichen, die unsere Einrichtung besuchen. Sicherlich ist sie nicht repräsentativ, aber sie zeigt doch deutlich wie wichtig ihnen ihre Musik und Musik überhaupt ist. Die häufigsten Antworten waren: „Ich höre immer Musik und zwar nur…“ oder „Ohne Musik komm ich gar nicht aus dem Bett“ oder „Die einzig wahre Musik ist …“
Deswegen möchte ich das weite Feld der Kulturarbeit in meiner Arbeit nach einer allgemeinen Einführung in das Thema in den ersten Kapiteln auf die spezielle Arbeit in der offenen Kinder- und Jugendarbeit eingrenzen, um mich anschließend mit der Musik und Musikprojekten in diesem Gebiet der Sozialen Arbeit zu beschäftigen. Im Zentrum wird dabei das oben genannte Projekt „Tonstudio“ stehen, dass sicherlich schon ein sehr großes Feld abdeckt. Von dort aus möchte ich zur Publikation und Bekanntmachung der Früchte der Jugendkulturarbeit kommen, um schließlich mit einem Fazit zur momentanen Situation und einigen Verbesserungsvorschlägen zu enden.
2. Jugendkulturarbeit – Was ist das?
2.1 Jugendkulturarbeit –Versuch einer Definition
Um sich dem Begriff Jugendkulturarbeit anzunähern möchte ich mich zunächst mit den einzelnen Teilen des Wortes beschäftigen. Beginnend mit der Jugend möchte ich mich anschließend mit dem Begriff der Kultur auseinandersetzen um zum Schluss dieses Kapitels einen Vergleich zwischen den verschiedenen Einzeldefinitionen und dem Begriff als ganzes durchführen.
Jugend:
In der Umgangsprache genauso wie in der Soziologie gibt es keine einheitliche Definition von Jugend.[1] Deshalb werde ich zunächst einige Punkte, die für die Definition in dieser Arbeit wichtig sind, auflisten und anschließend zu einer eigenen Definition zusammenfassen.
Biologisch gesehen ist Jugend nicht existent, da direkt nach der Kindheit mit einsetzen der Sexualreife das Erwachsensein beginnt. Allerdings ist diese ein wichtiger Auslöser für das Lebensalter[2] Jugend.
In unserer heutigen Gesellschaft kann man Jugend als einen Teil des Lebenszyklus eines jeden Menschen sehen, der eben mit dem Beginn der Pubertät eingeleitet wird. Die Jugend folgt auf die Kindheit und geht dem Erwachsensein und dem Alter voraus.
Die Festlegung auf genaue Punkte zum Eintritt in und Austritt aus dem Lebensalter Jugend ist sehr schwierig. Das Lexikon für Sozialarbeit und Sozialpädagogik schlägt eine doppelte negative Abgrenzung vor:
„Als J. [Jugend] wird die Übergangsphase aufgefaßt, bei der man nicht mehr Kind ist, aber auch nicht den Erwachsenenstatus inne hat.“[3]
Diese Definition ist zwar schön knapp, allerdings wenig aussagekräftig. Deswegen werde ich im folgenden näher ausführen, wann man nicht mehr Kind und noch nicht erwachsen ist. Hierzu bediene ich mich der soziologischen und psychologischen Abgrenzungen.
Psychologisch gesehen ist man kein Kind mehr, wenn man beginnt auf die körperlichen Ereignisse der Pubertät zu reagieren. Es müssen dazu verschiedene Verhaltensmuster geändert werden, da nun andere Anforderungen an den jungen Menschen gerichtet werden. So treten beispielsweise „psycho-physische und psycho-soziale Veränderungsprozesse“[4] in Gang, die im Gegensatz zur Kindheit meist nur durch inner Ablösung von den Eltern (oder andere primäre Bezugspersonen) möglich ist. Die Entwicklungsprozesse unterscheiden sich qualitativ sehr von denen der Kindheit, nun wird eine größere Selbstständigkeit erwartet und höhere Anforderungen gestellt, so dass man hier von einer eigenen Entwicklungsphase sprechen kann:
„Während für das frühe Kindheitsalter der Aufbau des seelischen Vertrauens, das sozialen Bindungsverhaltens, der Entwicklung der sensomotorischen Intelligenz und des vorbegrifflichen Denkens sowie die Entwicklung grundlegender motorischer Fertigkeiten und symbolischer und sprachlicher Ausdrucksfähigkeiten charakteristisch sind, sind es für die späte Kindheit die Entwicklung von Wissen, Moral und Wertorientierungen, oder Aufbau von Konzepten und Denkschemata, die grundlegenden Fertigkeiten und erste Schritte zur sozialen Kooperation mit Altersgleichen“[5]
In dem Lebensalter Jugend sind die Anforderung anderer Natur. Sie lassen sich nach Hurrelmann in vier Entwicklungsbereiche einteilen. Zum einen muss eine intellektuelle und soziale Kompetenz erworben werden. Sie dient dazu, selbstständig der beruflichen (einschließlich der schulischen) Qualifikation nachzukommen um eine ökonomische und materielle Existenz aufbauen zu können.[6]
Als zweites muss die Geschlechtsrolle entwickelt werden, hierzu gehört auch die Erlernung des Bindungsverhalten zum anderen Geschlecht. Ziel ist der Aufbau einer Partnerbeziehung und späterer Familiengründung.
Drittens muss ein Handlungsmuster für die Konsum- und Freizeitnutzung entwickelt werden. Hierunter fällt auch der Umgang mit den Medien und der Ausbildung eines eigenen Lebensstils. Außerdem sollte ein gesteuerter Umgang zur Bedürfnisbefriedigung erlernt werden.
Als letzte Entwicklungsaufgabe ist der Aufbau eines Werte- und Normensystems zu sehen, dass ein ethnisches und politisches Bewusstsein beinhaltet und mit dem eigenen Verhalten kongruent ist und die Annahme von verschiedenen Rollen im kulturellen und politischen Raum ermöglicht.[7]
Die Fähigkeiten zur Problembewältigung dieser Prozesse müssen über den ganzen Lebenslauf entwickelt werden, die Basis hierfür wird im Kindesalter gelegt.[8]
Soziologisch gesehen wird
„Beim Übergang vom Status Kindheit in den Status Jugend […] eine schrittweise Erweiterung der Handlungsspielräume erkennbar, die eine gleichzeitige Erweiterung der Rollenvielfalt mit sich bringt.“[9]
Diese sozialen Veränderungen sind so bedeutend, dass die Soziologen den Übergang von Kindheit in die Jugend als Statuspassage sehen. Allerdings findet sich in modernen Industriegesellschaften kaum eine Form von Riten oder anderer klarer Zeitpunkten, die den Übergang vom Kind zum Jugendlichen fixieren. Ehemals klassische Zeitpunkte wie Kommunion, Firmung oder Konfirmation haben ihre säkulare Bedeutung verloren. Vielmehr wird in verschiedene soziale Bereiche untergliedert:
Im ersten Bereich geht es um Leistungskompetenzen. Genaugenommen beginnen die Anforderungen schon mit dem Schulbesuch, da die Kinder schon die, an sie gestellten gesellschaftlichen Erwartungen erfüllen müssen. Deshalb ist der Übergang in diesem Bereich fließend und zeichnet sich dadurch aus, dass die Leistungsanforderung stetig zunimmt.
Der zweite Bereich ist ähnlich wie der zweite bei den psychologischen Kriterien. Hier geht es um die Verschiebung der sozialen Kontakte. Es findet eine Ablösung vom Elternhaus und ein Aufbau von Gleichaltrigenkontakten statt. Dies ist wichtig um die Rollenkompetenz in der Gesellschaft zu erweitern und die sozialen Kompetenzen zu Verselbständigen. Hierzu gehört auch die Einordnung und Platzsuche in der Gesellschaft: Während in der Kindheit noch die Eltern Freunde und Umgang bestimmten, so nimmt dies während dieser Statuspassage immer mehr ab.[10]
Die Gleichaltrigengruppen sind auch für den nächsten Punkt sehr wichtig, bei dem es sich um die Freizeit- und Konsumorientierung handelt. Sie unterstützen den Jugendlichen, indem sie gemeinsam eine Lebenswelt aus der gleichen strukturellen Situation heraus definieren. Dies ermöglicht diesem nun ein Training im Umgang mit zukünftigen Rollen und den gesellschaftlichen Erwartungen an sein Konsumverhalten.
Ein letztes soziologisch wichtiges Feld, dass sich während der Jugend verändert, ist die „politische Partizipation“[11]. Der Jugendliche hat nun mehr Einflussmöglichkeiten auf sein Umwelt und kann sich zunehmend selbstständig orientieren. Gleichzeitig schwinden die Bestimmungsmöglichkeiten der Eltern. So sind die Jugendlichen im Alter von 14 Jahren religionsmündig, haben Mitbestimmungsrechte bei der Wahl des Berufes, bei vorgesehen klinischen Operationen usw., ab 16 dürfen sie in der Öffentlichkeit Rauchen und sich in Gaststätten aufhalten sowie eine Ehe eingehen.[12] Diese Rechte und Pflichten machen aber eine Selbstdefinition ohne Eltern auf den immer vielfältigeren sozialen Feldern und in den verschiedenen Rollen notwendig.
Diese soziologischen Kriterien zeigen, dass es keinen Sinn macht, diese an biologische Auslöser zu koppeln, wodurch eine Differenz zwischen psychologisch und sozial deutlich wird.
Bei der Abgrenzung zum Erwachsenenalter sieht dies anders aus, denn hier korrelieren die beiden Sichtweisen:
Psychologisch gesehen ist das Erwachsenenalter erreicht, wenn die oben genannten Entwicklungsprozesse abgeschlossen sind. Als besonders wichtig wird die soziale und psychische Ablösung von den gewertet. Wenn die unruhige Testphase, welche charakteristisch für die Jugend ist, abgeschlossen und die Fähigkeit, mit den persönlichen, inneren Anforderungen ebenso wie mit den äußeren Einflüssen umzugehen ausgebildet ist, dann kann die Persönlichkeitsfindung als abgeschlossen gelten und der Eintritt ins Erwachsenenalter ist vollzogen.
Soziologisch gesehen ist dies ähnlich: In unserer Gesellschaft hat man laut Schäfer die Erwachsenenrolle inne, wenn man in allen wichtigen Bereichen seine vollständige Selbstständigkeit als Gesellschaftsmitglied gezeigt hat.[13]
Dies beinhaltet die den Übergang in den verschiedenen Teilrollen, die oben schon benannt wurden: berufliche, interaktiv-partnerschaftliche, politische und kultureller. Dabei ist es nicht zwingend notwendig, dass diese Rollen gleichzeitig übernommen werden, sondern es kann sich eine stufenweise Annäherung an die Erwachsenenrolle vollziehen.
Diese aufwendigen Beschreibungen sind wichtig um das Lebensalter Jugend zu definieren und seine Aufgaben kenntlich zu machen. Man sollte diese genaue Beschreibung kennen und auch im Hinterkopf haben, jedoch soll für diese Arbeit zunächst eine einfachere Definition genügen, da ich im Verlauf der Arbeit auf die Themen, die die jungen Menschen in diesem Alter bewegt im nächsten Kapitel genauer beschreiben werde:
Jugendliche sind heranwachsende Menschen im Alter von 13 bis ca. 20 Jahren, die in ihrer Sozialisation und psychologischen Entwicklung schon vorangeschritten sind, aber diese noch nicht vollendet haben.
Kultur:
Wenn man Kultur philosophisch erklärt, stößt man auf folgende Definition: Kultur ist
„die Pflege und Vervollkommnung eines der Verbesserung und Veredelung fähigen Gegenstandes durch den Menschen, besonders seiner eigenen Lebenstätigkeit“[14]
Damit hebt sich Kultur von der absoluten Notwendigkeit des Überlebens ab: Durch Kultur kann mehr geschaffen werden als zum Überleben notwendig ist, beispielsweise Gedanken auszudrücken und eben nicht nur als eine bloße Notiz, sondern auch durch eine bestimmte Form, wie ein Gedicht oder ähnliches.
Oskar Weggel hingegen erweitert in seinem Buch die Definition von Kultur um die Komponente der Gesellschaft:
Kultur ist die
„Gesamtheit der erlernten Verhaltensweisen und der übernommenen Einstellungen, Wertesysteme und Kenntnisse (...), die von Mitgliedern einer Großgruppe geteilt und tradiert werden. ‚Kultur‘ ist sowohl Ausdruck als auch Bedingungsstruktur für das Verhalten der Mitglieder einer bestimmten Gesellschaft.“[15]
Hier zeigt sich, dass Kultur nicht aus einem Menschen allein heraus bestehen kann und es wichtig ist, mit einer Kultur umgehen zu können. Denn nur der überwiegend sichere Umgang mit Kultur ermöglicht die Partizipation an der oben genannten Großgruppe, also die mich umgebende Gesellschaft.
Wenn man nun die Bedeutungen dieser beiden Teilbegriffe zusammensetzt ergibt sich also eine Definition in Richtung: Jugendkultur ist etwas, was von ca. 13 bis 20jährigen, die sich in einer Übergangsphase zwischen Kind- und Erwachsensein befinden, als Summe ihrer Werte und Einstellungen geteilt wird.
Daraus würde dann die Frage erwachsen, ob Jugendkultur etwas eigenständiges ist oder ein Teil der Gesamtkultur.
In der Literatur gibt es hierzu keine einheitliche Meinung:
Bell stellte vor einigen Jahren diese Definition auf:
„Unter Teilkulturen verstehen wir `relativ kohärente kulturelle Systeme, die innerhalb des Gesamtsystems unserer nationalen Kultur eine Welt für sich darstellen`. Solche Subkulturen entwickeln strukturelle und funktionale Eigenheiten, die ihre Mitglieder in einem gewissen Grade von der übrigen Gesellschaft unterscheiden.“[16]
Diese Definition ist abstrakt und sehr inhaltslos, da Begriffe wie relativ kohärent und in einem gewissen Grad unterschiedlich nicht präzise genug sind. Baake versucht die aufkommende Frage, warum es sich nur um kulturelle Systeme handelt, damit zu beantworten, dass die Jugendlichen nur in ihre Freizeit ihre Kultur leben und ansonsten in die Gesellschaft eingegliedert bleiben.[17]
Wenn dieser Erklärungsansatz stimmig sein sollte, so müsste meiner Meinung nach die Teilkulturdefinition an die Jugend gekoppelt sein.
Des weiteren erklärt Baake die relative Kohärenz, das verschiedene Subsysteme nicht zeitlich und räumlich von der nationalen Kultur zu trennen sind. So können Schüler ihre Teilkultur nur in ihrer Freizeit ausleben, da sie ansonsten an die andere gebunden sind.[18]
Gegen diese Erklärung spricht das Beispiel Punks oder Wohnungslose: Ihre Teilkultur ist nahezu nicht kohärent zu der nationalen Kultur und ihre Eigenheiten unterscheiden sich nicht nur zu einem bestimmten Grad.
Schäfer hingegen bezeichnet Jugendkultur als spezifische Inhalte und Formen auf der materiellen, aber besonders auf der geistigen Ebene der allgemeinen Kultur.[19]
Schwendter erstellte 1978 eine eigene These und sein Schichtungsmodell von Subkulturen. Dabei geht er davon aus, dass zum Establishment die Kapitaleigentümer, die politischen und apolitischen Eliten des Landes, höhere Beamte, die Medien, der Militärapparat sowie leitende Funktionäre von großen Verbänden gehören. Alle anderen gehören zur kompakten Majorität und an den Rändern der sozialen hierarchischen Gesellschaft stehen die Subkulturen. Diese unterscheiden sich durch ihre Haltung zur Gesellschaft: So wollen die progressiven Subkulturen die heutige Gesellschaft verändern, beispielsweise linke Alternative; und auf der anderen Seite die regressiven Subkulturen, die die alten Werte wieder einführen möchten, beispielsweise die Neonazis. Schwendter versucht die Zuordnung zu den Subkulturen zu verfeinern, indem er zwischen emotional und rationalistisch oder zwischen freiwillig und unfreiwillig unterscheidet.[20]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Problematisch bei dieser Theorie finde ich, angelehnt an Baake, dass der Begriff Subkultur abwertend wirkt und als scheinbar weniger Wert als die elitäre Kultur einzuschätzen ist. Außerdem impliziert dieser Begriff, dass es sich um klar abgrenzbare Gruppen handelt. Dies erweist sich allerdings als äußerst schwierig, da Personen, die keinen hohen Bekanntheitsgrad in einer Teilkultur besitzen, meist nicht eindeutig zuzuordnen sind: Ein Schüler, der beispielsweise am Wochenende sich als Punk fühlt, indem er sich so kleidet, auf Konzerte geht und sich betrinkt müsste in dieser Zeit zur progressiven Subkultur gerechnet werden. Doch von Montags bis Freitags würde er allerdings zur kompakten Majorität gezählt werden, da er eine gewisse Systemtreue hat.[21]
Meiner Meinung nach sind alle der oben genannten Definitionsversuche für die Jugendkultur nur unzureichend funktional, allerdings enthalten alle mindestens einen wichtigen Aspekt für diese Definition. Für diese Arbeit möchte ich gerne die folgende Definition verwenden, die aus den oben aufgeführten zusammengesetzt ist:
Jugendkulturen unterscheidet sich von der sie umgebenden Kultur indem sie in den Bereichen Mode, Musik, Sprache und Sozialverhalten eigene Ideen und Konzepte dem Repertoire der Umgebungskultur hinzufügt. Dabei orientiert sie sich an dieser, meist in konträrer Form. Die Jugendkulturen haben ein breites Spektrum zwischen den jeweiligen Extremen, so dass man nicht mehr von der Jugendkultur sprechen kann.
Nun stellt sich die Frage, was denn die Soziale Arbeit mit den Jugendkulturen zu tun hat und was unter Jugendkulturarbeit zu verstehen ist.
Ich meine, kulturelle Jugendarbeit hat einen Hauptgrund, der sich auf zwei Unterpunkte aufteilen lässt. Das Ziel von Jugendkulturarbeit ist, die Persönlichkeitsentwicklung des Jugendlichen zu fördern. Dies geschieht, indem dem Jugendlichen Möglichkeiten und Wege gezeigt werden, sich für sich selbst oder auch für andere auszudrücken, anderen etwas mitzuteilen. Dabei sollten die jungen Menschen
„zur aktiven Teilnahme am kulturellem Leben befähigt werden. Hierzu gehört die differenzierte Wahrnehmung ihrer Umwelt, die Aufnahmefähigkeit für künstlerische Darstellungsformen, der kritische Umgang mit Inhalt und Methoden der Massenmedien und die Entwicklung der eigenen schöpferischen Ausdrucksfähigkeit insbesondere durch den Erwerb musikalischer, darstellender und gestaltender Fähigkeiten.“[22]
Der Schwerpunkt liegt bei der Jugendkulturarbeit auf dem Aneignen von Fähigkeiten und nicht auf der Ebene der Professionalisierung:
„Kulturelle Jugendbildung akzentuiert weniger die Leistungsmotivation, die Herausbildung junger Künstler, als das Bestreben, jedem jungen Menschen die Möglichkeit des Umgehens auch mit künstlerischem Ausdrucksformen zu geben, kulturelle Medien zu vermitteln. Dazu gehört wesentlich auch die Förderung bislang vernachlässigter Bereiche und Zielgruppen.“[23]
Dabei gibt es zwei Felder: Der eine ist der Umgang mit der Allgemeinkultur. Dies beinhaltet das der Jugendliche lernt, das Wesen dieser Kultur zu verstehen und für sich nutzbar zu machen. Hierdurch erreicht der junge Mensch eine weitere Ebene zur Kommunikation, da er die Wege der Malerei, der bildenden Künste und der Musik versteht und sie ansatzweise selbst nutzen kann.
Der andere Bereich ist die ihm eigene Kultur. So eröffnen sich Wege, die eigenen Ideen aus einem Bereich zu formen und gegebenenfalls zu publizieren.
Meiner Meinung nach und angelehnt an Zacharias gibt es die Notwendigkeit für gezielte Angebote in der offenen Jugendarbeit, bei denen die Klienten die Möglichkeit besitzen, eigene selbstbestimmte Projekte anzugehen, die von den Pädagogen wahr- und ernstgenommen werden.[24] Denn
„Viele (Kultur-, Lern-, Handlungs-)Formen der Erwachsenen erweisen sich für sie als nicht tauglich, nicht sinnstiftend für ihren Wirklichkeitsausschnitt und den Gegenstandsbereich, der ihr aktuelles Problem oder Interesse ist. Es gilt also zunächst, die Autonomie und Berechtigung der uns auch oft wenig sinnvoll, >>unkultiviert<< erscheinende Artikulations- und Ausdrucksformen der Kinder und Jugendlichen als subjektive Phänomene zu akzeptieren, ihnen Kompetenz und materielle Möglichkeiten zuzugestehen in der Einsicht, daß wir als Erwachsene, als Erziehende im Detail und in vielen konkreten Situationen gar nicht wissen können, was das >>Richtige<< ist. Und selbst wenn wir es wüßten, verhindern wir mit dessen Durchsetzung oft, daß die Kinder [und Jugendlichen] selbst in Bezug auf die Realität herauskriegen, was >>richtig<< und weiterführend ist und was nicht.“[25]
Allerdings sollte beachtet werden, dass ein gewisses Hintergrundwissen im Bereich der Jugendforschung von großem Vorteil ist. Um zu ergründen, was die Jugendlichen bewegt, ist es sinnvoll sich ihre Lebenswelt anzusehen und ihre Werte zu verstehen versuchen.
2.3 Lebenswelten der Jugendlichen
„Jugendliche leben in ihrer eigenen Welt“, wie oft hat man diesen Satz schon gehört. Im folgenden Kapitel soll das Umfeld und die Strukturen der Jugendlichen beschrieben werden, was sie prägt und womit sie sich beschäftigen.
Ein großer Teil des Tages der Jugendlichen ist fremdbestimmt, sie haben also die meiste Zeit sich den Regeln der Erwachsenenkultur unterzuordnen. Hierzu gehört neben der Familie auch die Schule. Diese spielt eine große Rolle im Leben der Jugendlichen: Man erlebt sehr oft, wenn sich beispielsweise Gymnasiasten treffen, dass sich schnell als einziges Gesprächsthema die Schule herausbildet. Dies ist ja auch nicht weiter verwunderlich, da die Schule ihr Leben dominiert. Sie beansprucht nicht nur den Vormittag, sondern auch einen Teil des Nachmittags für sich und ihre Hausaufgaben. Deshalb findet in der Schule auch ein großer Teil der Sozialisation und des öffentlichen Lebens der Jugendlichen statt, da sie hier auf Gleichaltrige treffen, die, wie oben beschrieben, wichtig und charakteristisch für das Jugendalter sind. Allerdings spiegelt die Schule nicht den repräsentativen Schnitt der sozialen Schichten wider, sondern es zeigt sich noch heute, dass die Angehörigen der höheren Schichten häufiger auf den Gymnasien und seltener bei den anderen Schulformen zu finden sind. Im Gegensatz verändert sich der Anteil zugunsten der Hauptschule, je weiter es die soziale Leiter nach unten geht. Die Kinder besuchen immer noch größtenteils die selbe Schulform wie ihre Eltern, Ausnahmen sind eher selten.[26] Begründet wird dies durch die unvorhersehbaren Kosten beim längeren Schulbesuch für Nachhilfe oder Klassenwiederholungen und die Befürchtungen zur Entfremdungen aus der eigenen sozialen Schicht.
Die Jugendlichen verbinden unterschiedliche Ziele mit dem Schulbesuch. Für einen Teil steht der Erwerb von Wissen und die Möglichkeit zum sozialen Aufstieg, beziehungsweise der Erhalt des sozialen Status im Vordergrund, andere kommen nur zur Schule um ihre peers zu treffen. Damit versuchen sie den eigentlichen Auftrag der Schule als Wissensvermittler und intellektuellem Kompetenzbilder zu unterlaufen.[27]
Das soziologische Aufgabengebiet der Schulen ist aber nicht hierauf beschränkt, sie sollen ebenfalls die Schüler
„auf die vorherrschenden Normen und Werte einstimmen und ihre Anpassungsbereitschaft gegenüber den gesellschaftlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen fördern. Sie haben zusätzlich eine Auslesefunktion, indem sie die soziale Plazierung im Arbeitsprozeß vorbereiten und legitimieren helfen. Das Kriterium für diesen Selektionsprozeß sind die individuellen Leistungen, die die einzelnen Schülerinnen und Schüler erbringen, und die nach möglichst objektivierbaren Maßstäben bewertet werden.“[28]
Des weiteren zeigt die Schule auch den Leistungscharakter unserer Gesellschaft auf und führt die Jugendlichen in die Wettbewerbsgesellschaft ein, bei der eigentlich nur die persönliche Leistung zählt. Die Bildungseinrichtungen vermitteln den jungen Menschen die Vorstellungen von sozialer Rangfolge und ermöglichen Erfahrungen von Er- und Misserfolg mit der Begründung auf die Vorbereitung auf das Arbeitsleben.[29] Das dies auch von den Schülern so wahrgenommen wird, zeigt eine Studie von Wolf und Hurrelmann aus dem Jahr 1986: Dort merkten die Schüler an, dass die Schule eine soziale Plazierungsfunktion inne hat. Außerdem offenbarte die Studie, dass die Schüler sehr auf das Abschlusszeugnis fixiert sind und dies als Eintrittskarte für ihr zukünftiges Leben sahen.[30] Dadurch entsteht eine hohe Gefahr aufgrund der Furcht vor dem Leistungsversagen. Diese ist mit der Bedrohung gekoppelt, keine Entfaltungsmöglichkeiten für die eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Das Problem bildet sich zu einem Teufelskreis heraus, da die Gefahr bei Jugendlichen mit einer kleinen Schnittmenge von subjektiven Handlungskompetenzen und schulischen Anforderungen, besonders groß ist. Die Situation verschärft sich, da die Anforderungen immer weiter wachsen und die Kompetenzen nicht mitwachsen können, also relativ gesehen kleiner werden. Auffällig viele Schüler aus sozial benachteiligten Familien sind von dieser Spirale betroffen, was zusätzlich zu einer Nichtidentifikation mit der Institution Schule führt.[31] Eben diese ist besonders wichtig um Erfolg in dem System zu haben, da sie die Kompetenzen im Umgang mit selbigen erhöhen. So müssen die Jugendlichen verschiedene Wertmaßstäbe bei der Bewertung durch verschiedene Lehrer verkraften und auf die sozialen Beziehungen zu ihnen reagieren können.
„In der Schule wird also ein hohes Maß von sozialer Anpassung und Virtuosität in den Beziehungsstrukturen verlangt, zugleich eine intensive Disziplinierung und Zurückstellung eigener Bedürfnisse und Neigungen, um auf die Inhalte des Unterrichts und der damit verbundenen sozialen Anforderungen einzugehen. Nur Schülerinnen und Schüler, die mit diesen fein verästelten Anforderungen im Leistungs- und Sozialbereich kompetent umgehen können, haben auch die Möglichkeiten, einen Gewinn für ihre Persönlichkeitsentwicklung aus dem Schulbesuch zu ziehen.“[32]
So kommt es in den Bildungseinrichtungen immer zu einem Spannungsverhältnis zwischen Integration und Individuation. Die Jugendlichen müssen sich in die Zwangseinrichtung integrieren aber auch gleichzeitig ihr eigenes Ich entwickeln.
Etwas anders gelagert sind die Chancen und Probleme im Bereich der beruflichen Ausbildung. Ein Vorteil für die Jugendlichen in der Berufsausbildung ist eine beginnende wirtschaftliche Unabhängigkeit und damit verbunden ein großer Schritt in Richtung des Erwachsenwerdens, da sie ja eine der soziologischen Bedingung für das Erwachsensein erfüllen. Allerdings erhalten sie gerade auch aus diesem Grund eine Möglichkeit, trotz ihres recht straffen Tagesplanes, am jugendlichen Leben zu partizipieren.
Da Jugendliche in den seltensten Fällen noch den Wunschberuf ergreifen können, ist es für einige schwierig, mit der Disharmonie zwischen Traum- und Ausbildungsberuf klarzukommen,. Mit der Wahl eines Berufes beziehungsweise eines Ausbildungsplatzes schränken sich natürlich die weiteren Wahlmöglichkeiten weiter ein. In Studien zeigte sich, dass die Auszubildenden besonders viel Wert auf Selbstverwirklichung legen, erst danach Punkte wie Sicherheit vor Arbeitslosigkeit und kreativer Tätigkeit folgen.[33]
Schule und Ausbildung sind allerdings nicht die einzigen Bereiche, in denen sich junge Menschen integrieren müssen, eine weitere, für die Sozialisation sehr wichtige Bezugsgruppe ist die Familie. Allerdings kann man heutzutage nicht mehr von der Familie sprechen, da es im Gegensatz zu der Familiensituation von vor 50 Jahren, wo es nahezu ausschließlich die klassische Kleinfamilie, Mutter, Vater, zwei Kinder gab, heute eine Vielzahl von Familienformen vorhanden sind:
„eheliche und nichteheliche Lebensgemeinschaften, getrennt lebende Eltern, alleinerziehende Eltern, wiederverheiratete Eltern mit Kindern und Stiefkindern, usw. Dem entspricht eine ebensolche Vielfalt von individuellen Entwicklungsbedingungen für Jugendliche mit allen Chancen und Risiken, die sich aus einem derartig tiefgreifendem sozialen Wandel ergeben.“[34]
Daraus resultiert das Problem, dass Jugendliche besonders stark von diese Problemen betroffen sind, da sie für ihre persönliche Entwicklung stabile soziale Strukturen benötigen, die sie verstehen, begreifen und als Vorbild nehmen können. Dabei ist nicht die Art des Familienmodells, sondern die Qualität entscheidend: Nicht nur die Beziehung Eltern-Kind sondern auch die Partnerbeziehung der Eltern untereinander ist von großer Bedeutung. Qualitätskriterien sind hier Anregungsreichtum, gegenseitige Akzeptanz und Berücksichtung der persönlichen Eigenheiten des Kindes.[35]
Ein für Kinder und Jugendliche sehr einschneidendes Erlebnis ist die Trennung oder Scheidung der Eltern. Dies hat verschiedene Gründe, zum einen fällt meist die Beziehung zu einem Elternteil der Trennung zum Opfer und damit auch oft ein Vorbild in der Geschlechterrolle weg, zum anderen muss oft der Freundeskreis gewechselt werden, falls es zu einem Umzug kommt. Der großteilige Wegfall der beiden wichtigsten Beziehungssystem kann zu großer Verunsicherung und Schulproblemen führen. Des weiteren haben Scheidungskinder vermehrt Probleme mit der eigenen zukünftigen Partnerbindung, da es sich als auffällig zeigte, dass ihnen das Modell der liebevollen Partnerschaft fehlte, obwohl sie sich sehr danach sehnten. Wilk führt dies auf starke Schuld- und Angstgefühle zurück.[36]
Aus Trennungen und Scheidungen können auch innerfamiliäre Gewalthandlungen resultieren, zurückzuführen auf instabile und wechselnde Partnerbeziehungen der Eltern. Auch eine schwierige wirtschaftliche Situation gekoppelt mit einem eingeschränkten Selbstwertgefühl der Eltern kann solche Gewalthandlungen auslösen, ebenso wie ein gewaltbereites Umfeld oder die soziale Isolation durch Nachbar- oder Verwandtschaft. Als weitere Risikofaktoren sind früh auftretende Behinderungen oder sonstige Auffälligkeiten des Kindes, sowie Misshandlungserfahrungen der Eltern und Normlosigkeit oder -unsicherheit im Sexualbereich einzustufen.[37]
Generell entstehen aus dem sozialem und familiärem Wandel Probleme mit den Werten: Wo früher das Kind im Mittelpunkt der Familie stand, so ist es heute die elterliche Paarbeziehung, in die die Jugendlichen mit eingeflochten werden. Die Individualisierung unsere Gesellschaft wirkt sich auch auf die Minderjährigen aus: So werden die Jugendlichen immer mehr als eigenständige Individuen anerkannt und emanzipieren sich immer mehr aus den traditionellen Bindungen. Dies führt dazu, dass ein neuer Herausforderungsbereich für die Jugendlichen entsteht: Zum einen hat das Erziehungsziel Selbstständigkeit und freier Wille das in den 50iger Jahren vorherrschende Ziel von Gehorsam und Unterordnung abgelöst, allerdings blieb der gesellschaftliche Wert von Ordnungsliebe und Fleiß erhalten. Eltern möchten, dass die Jugendlichen im Leistungsbereich gut abschneiden, allerdings sehen sie Verbote und Verhaltenskorrekturen nicht als akzeptabel an. Sie zielen auf die Selbststeuerung der Jugendlichen ab.[38] Dadurch entsteht eine kleine Chance und ein großes Risiko: Wenn der Jugendliche diese Herausforderung meistert, kann er sich viele Lebensbereiche zu eigen machen und seine Freiräume erweitern. Allerdings besteht die große Gefahr, dass der Jugendliche im Herausforderungsbereich Selbststeuerung nicht die nötige Kompetenz erreicht und sich überfordert fühlt, da ihm die nötige Unterstützung und sozialer und psychischer Halt fehlt.[39]
[...]
[1] Bernhard Schäfer, Jugendsoziologie, Seite 17
[2] Jugend wäre nur schwer als eine Phase zu sehen, da sie sich nicht eindeutig differenzieren lässt.
[3] Stimmer, Franz (Hrgs.) Lexikon der Sozialpädagogik und der Sozialarbeit Oldenbourg Verlag 2000 München, Wien Seite 344
[4] Hurrelmann, Klaus Lebensphase Jugend – Eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Jugendforschung Juventa Verlag 6. Auflage Weinheim und München 1999 Seite 32
[5] Hurrelmann, Klaus Lebensphase Jugend – Eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Jugendforschung Juventa Verlag 6. Auflage Weinheim und München 1999 Seite 33
[6] vgl. Hurrelmann, Klaus Lebensphase Jugend – Eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Jugendforschung Juventa Verlag 6. Auflage Weinheim und München 1999 Seite 33
[7] vgl. Hurrelmann, Klaus Lebensphase Jugend – Eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Jugendforschung Juventa Verlag 6. Auflage Weinheim und München 1999 Seite 34
[8] vgl. Hurrelmann, Klaus Lebensphase Jugend – Eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Jugendforschung Juventa Verlag 6. Auflage Weinheim und München 1999 Seite 32
[9] Hurrelmann, Klaus Lebensphase Jugend – Eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Jugendforschung Juventa Verlag 6. Auflage Weinheim und München 1999 Seite 39
[10] vgl. Hurrelmann, Klaus Lebensphase Jugend – Eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Jugendforschung Juventa Verlag 6. Auflage Weinheim und München 1999 Seite 40
[11] Hurrelmann, Klaus Lebensphase Jugend – Eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Jugendforschung Juventa Verlag 6. Auflage Weinheim und München 1999 Seite 41
[12] Schäfers, Bernhard Jugendsoziologie 7. Auflage Leske+Budrich Verlag Opladen 2001 Seite 22
[13] vgl. Hurrelmann, Klaus Lebensphase Jugend – Eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Jugendforschung Juventa Verlag 6. Auflage Weinheim und München 1999 Seite 42
[14] Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung (Hrsg.) Jugendkulturarbeit – Beispiele für Planung und Praxis Julius Klinkardt Verlag Bad Heilbrunn 1983 Seite 28
[15] Oskar Weggel: Die Asiaten, München o.V. 1989, S. 22
[16] Bell, R. Kultur der Jugendlichen in L. v. Friedeburg (Hrsg.) Jugend in der modernen Gesellschaft NWD 1965 Köln nach Schäfer, Bernhard Jugendsoziologie 7. Auflage Leske und Budrich 2001 Seite 144
[17] vgl. Baake, Dieter Jugend und Jugendkulturen –Darstellung und Deutung 3, überarbeitete Auflage Juventa Weinheim und München 1999 Seite 127
[18] vgl. Baake, Dieter Jugend und Jugendkulturen –Darstellung und Deutung 3, überarbeitete Auflage Juventa Weinheim und München 1999 Seite 127
[19] Schäfers, Bernhard Jugendsoziologie 7. Auflage Leske+Budrich Verlag Opladen 2001 Seite 143
[20] Schwendter Theorie der Subkultur Frankfurt am Main (ohne Verlagsangabe) 1978 nach vgl. Baake, Dieter Jugend und Jugendkulturen –Darstellung und Deutung 3, überarbeitete Auflage Juventa Weinheim und München 1999 Seite 132
[21] vgl. Baake, Dieter Jugend und Jugendkulturen –Darstellung und Deutung 3, überarbeitete Auflage Juventa Weinheim und München 1999 Seite 133 und 134.
[22] Gondolf, Walter Kulturelle Jugendbildung in aktueller Kulturentwicklungs- und Jugendhilfeplanung – Eine Bestandsaufnahme in Jugendkulturarbeit Beispiele für Theorie und Praxis Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung (Hrsg.) Regensburg 1983 Seite 154
[23] Bockhorst, Hildegard; Gondolf, Walter; Ortmann, Peter Fachorganisationen in der Jugend- und Kulturarbeit in Jugendkulturarbeit Beispiele für Theorie und Praxis Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung (Hrsg.) Regensburg 1983 Seite 29/30
[24] vgl. Zacharias, Wolfgang Funktion und Bedeutung Ästhetischer Erziehung in der Kulturpädagogik in Jugendkulturarbeit Beispiele für Theorie und Praxis Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung (Hrsg.) Regensburg 1983 Seite 63/64
[25] Zacharias, Wolfgang Funktion und Bedeutung Ästhetischer Erziehung in der Kulturpädagogik in Jugendkulturarbeit Beispiele für Theorie und Praxis Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung (Hrsg.) Regensburg 1983 Seite 63/64
[26] vgl. Schäfers, Bernhard Jugendsoziologie 7. Auflage Leske+Budrich Opladen 2001 Seite 120
[27] vgl. Schäfers, Bernhard Jugendsoziologie 7. Auflage Leske+Budrich Opladen 2001 Seite 120
[28] Fend, H. Theorie der Schule München Urban und Schwarzberg 1980 nach Hurrelmann, Klaus Lebensphase Jugend – Eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Jugendforschung Juventa Verlag 6. Auflage Weinheim und München 1999 Seite 107
[29] vgl. Hurrelmann, Klaus Lebensphase Jugend – Eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Jugendforschung Juventa Verlag 6. Auflage Weinheim und München 1999 Seite 108
[30] vgl. Wolf, H.K. und Hurrelmann K. Schulversagen im Jugendalter Juventa Verlag Weinheim 1986 nach Hurrelmann, Klaus Lebensphase Jugend – Eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Jugendforschung Juventa Verlag 6. Auflage Weinheim und München 1999 Seite 109
[31] vgl. Hurrelmann, Klaus Lebensphase Jugend – Eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Jugendforschung Juventa Verlag 6. Auflage Weinheim und München 1999 Seite 108
[32] Hurrelmann, Klaus Lebensphase Jugend – Eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Jugendforschung Juventa Verlag 6. Auflage Weinheim und München 1999 Seite 108
[33] vgl. Hurrelmann, Klaus Lebensphase Jugend – Eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Jugendforschung Juventa Verlag 6. Auflage Weinheim und München 1999 Seite 121
[34] Liegle, L. Welten der Kindheit und Familie. Beiträge zu einer pädagogischen und kulturvergleichenden Sozialforschung Juventa Weinheim 1987 in Hurrelmann, Klaus Lebensphase Jugend – Eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Jugendforschung Juventa Verlag 6. Auflage Weinheim und München 1999 Seite 128
[35] vgl. Hurrelmann, Klaus Lebensphase Jugend – Eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Jugendforschung Juventa Verlag 6. Auflage Weinheim und München 1999 Seite 128
[36] vgl. Wilk, l. 1990 Forschungsbericht zur Analyse der Lebenssituation von Kindern Linz 1990 nach Hurrelmann, Klaus Lebensphase Jugend – Eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Jugendforschung Juventa Verlag 6. Auflage Weinheim und München 1999 Seite 131
[37] vgl. Hurrelmann, Klaus Lebensphase Jugend – Eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Jugendforschung Juventa Verlag 6. Auflage Weinheim und München 1999 Seite 137
[38] vgl. Hurrelmann, Klaus Lebensphase Jugend – Eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Jugendforschung Juventa Verlag 6. Auflage Weinheim und München 1999 Seite 141
[39] vgl. Oswald und Boll Das Ende des Generationenkonflikts? Zum Verhältnis von Jugendlichen zu ihren Eltern. Zeitschrift für Sozialisationsforschung und Erziehungssoziologie nach Hurrelmann, Klaus Lebensphase Jugend – Eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Jugendforschung Juventa Verlag 6. Auflage Weinheim und München 1999 Seite 140
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