Der deutsche Neufahrzeugmarkt ist ein bedeutender und komplexer Markt, der sich vom Anbieter zum Nachfragermarkt entwickelt hat. Nachdem deutsche Hersteller und Importeure mit dem Ziel der Konsolidierung die Zusammenarbeit mit der Zulieferindustrie optimiert und neu strukturiert haben, gewinnt die Vertriebsnetzgestaltung für den Unternehmenserfolg an Bedeutung. Ursächliche Gründe sind die GVO 1400/2002 und aktuelle Marktentwicklungen, wie z.B. gestiegene Kundenerwartungen, geringe Markenloyalität, verstärkter Wettbewerbs- und Kostendruck sowie immer schnellere technologische Weiterentwicklungen. Die traditionellen Vertriebsnetzstrukturen sind zur Bewältigung der anstehenden Herausforderungen ungeeignet.
Bestandteil dieser Arbeit ist eine Ist- und eine Trend-Analyse der Vertriebssysteme deutscher Neufahrzeughersteller und -importeure. Neben der Auswertung aktueller Literatur wurden 24 Interviews mit deutschen Vertriebsorganisationen auf nationaler Ebene durchgeführt, die 79% des deutschen Neufahrzeugabsatzes repräsentieren. Die gewonnenen Daten fanden in allen Teilbereichen Anwendung.
Die traditionell einstufigen Vertriebssysteme deutscher Hersteller bzw. Importeure mit vertraglich gebundenen Absatzmittlern sind in den letzten zwei Jahren zweistufig geworden, wobei oftmals ein weiterer direkter Vertriebskanal hinzugekommen ist. Die Trendanalyse zeigt, welche Trends kurz-, mittel- und langfristig eintreten werden und welche nur kurzfristige Erscheinung sind. Dabei wird verdeutlicht, wie Transaktionskosten gesenkt und die Umsatzrendite erhöht werden können.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Glossar
Zusammenfassung
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielstellung
1.3 Vorgehensweise
2 Grundlagen
2.1 Begriffe
2.1.1 Automobil
2.1.2 Vertrieb
2.1.2.1 Einordnung und Definition des Vertriebs
2.1.2.2 Distributionspolitik
2.1.3 Verkauf
2.2 Die GVO als Rahmenbedingung
2.3 Methoden
2.3.1 Situationsanalyse
2.3.2 Interview und Marktforschung
3 Ist-Zustand der aktuellen Vertriebsstrukturen im Automobilbereich
3.1 Allgemeine Marktsituation im Automobilhandel
3.2 Grundlagen der Vertriebsstruktur im Automobilbereich
3.2.1 Absatzkanal, Absatzweg und Absatzmittler
3.2.2 Rechtliche Grundlagen des Automobilvertriebs
3.3 Horizontale Absatzkanalstruktur
3.3.1 Intensives Vertriebskonzept
3.3.2 Selektives Vertriebskonzept
3.3.3 Exklusives Vertriebskonzept
3.4 Vertikale Vertriebsstruktur
3.4.1 Direkt vs. Indirekt
3.4.2 Einstufig vs. Mehrstufig
3.4.3 Kombinationen aus direktem und indirektem Vertrieb
3.5 Aktuelle Absatzkanalstruktur
3.5.1 Aktuelle Ausgestaltung
3.5.2 Vertragliche Ausgestaltung / Kontraktkonzept
3.5.2.1 Vertragshändlervertrag
3.5.2.2 Vermittlervertrag
3.5.2.3 Kommissionsvertrag
3.5.3 Besondere Relevanz der Vertriebskosten
4 Trends im Automobilvertrieb
4.1 ... bei Endabnehmern
4.2 ... bei Herstellern und Importeuren
4.2.1 Direktvertrieb
4.2.2 Renditeorientierung
4.2.3 Preisharmonisierung
4.3 ... bei Absatzmittlern
4.3.1 Automall und Automeile
4.3.2 Einzelhandel
4.3.3 Vermittler
4.3.4 Spezialisierung der Handelsformate
4.3.5 Konzentration der Handelsformate
4.3.5.1 Systemhändler
4.3.5.2 Satellitenhändler
4.3.5.3 Mehrmarkenhändler
4.3.5.4 Megadealer
4.3.5.5 Handelsbranding
4.3.6 Konsolidierung der Händlernetze
4.4 ... im Allgemeinen
4.4.1 Internet
4.4.1.1 Internet im Vertriebskanal
4.4.1.2 Internet außerhalb des Vertriebskanals
4.4.2 Professionalisierung der Handelsorganisationen
5 Fazit
6 Anlagen
6.1 Anlage 1: GVO 1400/2002
6.2 Anlage 2: GVO 1475/95
6.3 Anlage 3: Anschreiben für das Interview
6.4 Anlage 4: Interviewleitfaden
6.5 Anlage 5: Kurzzusammenfassung der Interviewresultate
6.6 Anlage 6: Neufahrzeugabsatzentwicklung in Deutschland
6.7 Anlage 7: Anzahl der Mehrmarkenbetriebe pro Marke
6.8 Anlage 8: Betriebsstätten in Deutschland pro Marke
6.9 Anlage 9: Betriebsstätten- und Eigentümervergleich pro Marke
6.10 Anlage 10: Entwicklung der deutschen Niederlassungen
6.11 Anlage 11: Trendeinordnung nach dem Faktor Zeit
Literaturverzeichnis
Ehrenwörtliche Erklärung
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Die Distribution als Teil des Marketing-Mix im Marketing -Managementprozess nach Meffert
Abbildung 2: Der Vertrieb im Absatzvollzug des Marketing-Instrumental-Mix
Abbildung 3: Interviewarten im Vergleich
Abbildung 4: Interviewte Marken und ihre Marktanteile
Abbildung 5: Entwicklung der deutschen Neufahrzeugzulassungen
Abbildung 6: Umsatzentwicklung des deutschen Neufahrzeugmarktes
Abbildung 7: Durchschnittlicher Neufahrzeugpreis in Deutschland
Abbildung 8: Betriebsstättenentwicklung in Deutschland
Abbildung 9: Kaufort von Gebrauchtfahrzeugen
Abbildung 10: Vertriebsformenwahl des Herstellers bzw. Importeurs
Abbildung 11: Der direkte Vertrieb
Abbildung 12: Der indirekte Vertrieb
Abbildung 13: Der einstufig indirekte Vertrieb
Abbildung 14: Der mehrstufig indirekte Vertrieb
Abbildung 15: Absatzkanalstrukturen deutscher Neufahrzeughersteller und –importeure im Jahr 1997
Abbildung 16: Absatzkanalstrukturen deutscher Neufahrzeughersteller und –importeure im Vergleich der Jahre 2003 und 1997
Abbildung 17: Entwicklung der Rückrufe von PKW in Deutschland
Abbildung 18: Umsatzrendite des US-, EU- und deutschen Autohandels
Abbildung 19: Umsatz- und Zulassungssteuern in Europa
Abbildung 20: Typologie der Systemhändler
Abbildung 21: Entwicklung von Mehrmarkenbetrieben
Abbildung 22: Betriebsstätten- und Eigentümerentwicklung 2003 und 2004
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Zusammenfassung
Der deutsche Neufahrzeugmarkt ist ein bedeutender und komplexer Markt, der sich vom Anbieter zum Nachfragermarkt entwickelt hat. Nachdem deutsche Hersteller und Importeure mit dem Ziel der Konsolidierung die Zusammenarbeit mit der Zulieferindustrie optimiert und neu strukturiert haben, gewinnt die Vertriebsnetzgestaltung für den Unternehmenserfolg an Bedeutung. Ursächliche Gründe sind die GVO 1400/2002 und aktuelle Marktentwicklungen, wie z.B. gestiegene Kundenerwartungen, geringe Markenloyalität, verstärkter Wettbewerbs- und Kostendruck sowie immer schnellere technologische Weiterentwicklungen. Die traditionellen Vertriebsnetzstrukturen sind zur Bewältigung der anstehenden Herausforderungen ungeeignet.
Bestandteil dieser Arbeit ist eine Ist- und eine Trend-Analyse der Vertriebssysteme deutscher Neufahrzeughersteller und -importeure. Neben der Auswertung aktueller Literatur wurden 24 Interviews mit deutschen Vertriebsorganisationen auf nationaler Ebene durchgeführt, die 79% des deutschen Neufahrzeugabsatzes repräsentieren. Die gewonnenen Daten fanden in allen Teilbereichen Anwendung.
Die traditionell einstufigen Vertriebssysteme deutscher Hersteller bzw. Importeure mit vertraglich gebundenen Absatzmittlern sind in den letzten zwei Jahren zweistufig geworden, wobei oftmals ein weiterer direkter Vertriebskanal hinzugekommen ist. Die Trendanalyse zeigt, welche Trends kurz-, mittel- und langfristig eintreten werden und welche nur kurzfristige Erscheinung sind. Dabei wird verdeutlicht, wie Transaktionskosten gesenkt und die Umsatzrendite erhöht werden können.
1 Einleitung
Die Gestaltung von Neufahrzeug-Vertriebssystemen wird für Hersteller und Importeure immer mehr zur Herausforderung. Einerseits ist das Automobil ein hoch komplexes Produkt. Es ist als Investitionsgut äußerst beratungsintensiv, sozial relevant und mit hohem mentalen Involvement bei der Kaufentscheidung verbunden.[1] Andererseits muss sich der Vertrieb auf ständig wechselnde Marktbedingungen einstellen. Im Folgenden werden die Problemstellung, das Ziel und das Vorgehen für diese Arbeit einleitend beschrieben.
1.1 Problemstellung
Die wirtschaftliche Relevanz der Automobilbranche ist in Deutschland - trotz einer „rückläufigen Tendenz“[2] seit dem Jahr 2000 - sehr hoch. Im Jahr 2003 haben Hersteller und Importeure in Deutschland 3,2 Mio. Neufahrzeuge abgesetzt. Dies entspricht einem Umsatz von 208,3 Mrd. €.[3] Die Nutzung des Automobils repräsentiert für den deutschen Arbeitsmarkt einen hohen Stellenwert. Allein auf die Produktion entfallen 1,8 Mio. Arbeitsplätze. Insgesamt ist jeder siebente Arbeitsplatz, ein Viertel der Steuereinnahmen und „nahezu ein Fünftel des Sozialproduktes“[4] in Deutschland vom Automobil abhängig.[5] Diese Auswahl an Kennzahlen verdeutlicht den Stellenwert der Automobilbranche für die „Entwicklung der gesamten deutschen Volkswirtschaft“[6].
Das deutsche Neufahrzeug-Vertriebsnetz bestand 1998 aus 23.584 Betriebsstätten, die zu 78% einstufig und indirekt in den Absatzkanälen der Hersteller und Importeure integriert waren. Diese Vertriebsstruktur führte zu gravierenden Einschränkungen des Wettbewerbs. Rechtlich war dies durch die GVO 1475/95 möglich.[7] Nachdem Hersteller und Importeure aus Kostengründen die Zusammenarbeit mit der Zulieferindustrie optimiert und neu strukturiert haben, befindet sich der Neufahrzeugvertrieb nun „in den gravierendsten Strukturveränderungen der letzten Jahrzehnte.“[8] Von den ursprünglich im Jahre 1993 bestehenden 30.000 Zulieferbetrieben verblieben lediglich 5.600.[9] Ein ähnlicher Prozess ist momentan in seinen Anfängen im Vertrieb zu beobachten. Zu den ursächlichen Gründen zählen die gesteigerten Kundenerwartungen, der verstärkte Wettbewerbs- und Kostendruck sowie immer schnellere technologische Weiterentwicklungen. Aufgrund dieser Entwicklungen hat die Vertriebsnetzgestaltung bei Herstellern und Importeuren eine hohe Priorität, da die traditionellen Vertriebsnetzstrukturen zur Bewältigung der anstehenden Herausforderungen als ungeeignet angesehen werden.[10] Bisher gibt es nur wenige praxistaugliche Konzepte. Die Vorhandenen sind meist firmenspezifischer Natur.[11] Die hohe Priorität wird den Prozess der Neustrukturierung zukünftig an Dynamik gewinnen lassen. Die ersten Hersteller und Importeure haben diese Entwicklung begonnen.[12]
Marktentwicklungen und die GVO 1400/2002 mit Ihren „grundlegenden Änderungen“[13] bewirkten ein Aufbrechen der traditionell mit Vertragshändlern einstufig und indirekt organisierten Vertriebsnetze. Durch den vermehrten Einsatz von Haupthändlern (zweistufiges Vertriebssystem) und herstellereigenen Niederlassungen (direktes Vertriebssystem) gingen die Neufahrzeugvertriebsstätten im Jahr 2001 um 1.250 und im Jahr 2002 um weitere 1.035 zurück. Im Jahr 2003 gab es eine Erholung um 93 Betriebsstätten.[14] Diese Entwicklung wird jedoch nicht von Dauer sein. Der einstufige Absatzkanal ist zweistufig geworden. In ihm bilden Haupt- bzw. Systemhändler das Bindeglied zwischen Handel und Hersteller.[15] Der vermehrte Einsatz von an Haupthändler angeschlossenen Händlern stellt die zweite Stufe dar. Für den Hersteller bzw. Importeur lassen sich Transaktionskosten senken. Eine gegenteilige Politik wird mit herstellereigenen Niederlassungen verfolgt. Diese stehen für teuren, direkten Vertrieb. Auch wenn die Kostendeckung von herstellereigenen Niederlassungen immer wieder bestätigt wird, bleibt das höhere wirtschaftliche Risiko beim Hersteller bzw. Importeur. Die Gründe für herstellereigene Niederlassungen sind neben Notsituationen (z.B. Insolvenz eines wichtigen Absatzmittlers), die zunehmende Wertigkeit der Modelle und die Preisgestaltungsmöglichkeiten im Vertrieb von Dienst- und Gebrauchtfahrzeugen.
1.2 Zielstellung
Ziel dieser Arbeit ist es, einen aktuellen Überblick über die Vertriebsstrukturen deutscher Hersteller und Importeure nach Inkrafttreten der GVO 1400/2002 und weiterer aktueller Marktentwicklungen zu geben, da die Vertriebsstrukturen von enormer Bedeutung für die Wettbewerbssituation des einzelnen Herstellers bzw. Importeurs sind. Z.B. ermöglicht die GVO 1400/2002 den Einsatz von Mehrmarkenbetrieben sowie die Werbe-, Niederlassungs- und Einkaufsfreiheit des Handels. Hersteller und Importeure stehen heute am Anfang einer Reihe von Entwicklungen, welche die Anzahl der mit Neufahrzeugen handelnden Unternehmer weiter reduzieren wird.
Weiterhin sollen aktuelle Trends im Vertrieb neuer Kraftfahrzeuge in Deutschland beschrieben und kritisch beurteilt werden. Die zentrale Frage dabei lautet: Welche Änderungen stehen uns im Neufahrzeugvertrieb in Deutschland kurz- (bis zu ein Jahr), mittel- (ein bis fünf Jahre) und langfristig (über fünf Jahre) bevor? Die hierbei zu erörternden Trends werden nach Absatzmittlern gruppiert.
1.3 Vorgehensweise
Im ersten Teil erfolgt eine Thematisierung der zentralen Begriffe. Anschließend werden die GVO 1400/2002 in ihren Neuerungen, die Situationsanalyse und das Interview als zentrale Techniken der Marktforschung vorgestellt. Nachfolgend wird im zweiten Teil eine kritische Analyse der Ist-Situation deutscher Neufahrzeug-Vertriebsstrukturen vorgenommen. Hierbei werden die allgemeine Marktsituation, die Grundlagen von Vertriebsstrukturen, die horizontale Absatzkanalstruktur, die vertikale Vertriebsstruktur und die Vertriebskosten thematisiert. Eine vollständige Situationsanalyse ist aus Gründen der Restriktion nicht möglich. Die Analyse der Ist-Situation soll hier ausreichen. Der abschließende dritte Teil ist den wesentlichen Trends im Vertrieb neuer Automobile in Deutschland gewidmet.
Um die Situations- und die Trendanalyse mit aktuellen Daten zu untermauern, wurden nach der systematischen Auswertung der Quellen und Fachliteratur Interviews durchgeführt. Zuerst wurden 30 deutsche Hersteller und Importeure per Anschreiben über Anliegen, Ziel, benötigte Zeit und Angebot der Überstellung dieser Arbeit informiert. Dieses Anschreiben liegt als Anlage 3 bei und richtete sich hauptsächlich an die Vertriebsleitung, da die Netzstruktur nicht immer eine unabhängige Abteilung darstellt. Nach diversen Kontakten und Übermittlung des Interviewleitfadens mit allen Fragestellungen wurde die Vorbereitungsphase abgeschlossen und mit 24 deutschen Herstellern bzw. Importeuren das Interview durchgeführt. In sechs Fällen konnte das Gespräch vor Ort beim Hersteller bzw. Importeur erfolgen. In einem Fall wurde die Befragung schriftlich und in den restlichen 17 Fällen per Telefon geführt. Der Interviewleitfaden ist die Grundlage für die Interviewdurchführung und in drei Teile unterteilt. Somit ist er dieser Arbeit angelehnt und liegt als Anlage 4 bei. Nach Abschluss der Durchführungsphase erfolgt in der Auswertungsphase eine anonyme Zusammenfassung der Daten, die als Anlage 5 einsehbar ist. Bei der Auswertung der Daten wurden als Techniken die Häufigkeitsanalyse mit vorgefertigten Antworten, die Gegenüberstellung der Antworten, die Hypothesenauswertung und das Herausstellen von Unterschieden und Gemeinsamkeiten angewandt. Die gewonnenen Daten untermauern diese Arbeit. Auf weitere Details zu der Befragung wird in 2.3.2 eingegangen.
2 Grundlagen
Die für das Thema dieser Arbeit relevanten Grundlagen werden im folgenden Abschnitt erläutert. Dabei handelt es sich um die zentralen Begriffe, die GVO 1400/2002 als Rahmenbedingung und die angewandten Methoden.
2.1 Begriffe
Zuerst werden die zentralen Begriffe ‚Automobil’, ‚Vertrieb’ und ‚Verkauf’ definiert und danach in Bezug zu dieser Arbeit gesetzt. Die dabei entscheidungserheblichen Kriterien werden herausgearbeitet.
2.1.1 Automobil
Der erste Teil des Wortes Automobil kommt aus dem Griechischen ‚autos’ und bedeutet ‚selbst’. Dagegen leitet sich der Wortbestandteil ‚mobil’ vom Lateinischen ‚mobilis’ ab und bedeutet ‚beweglich’. Demnach ist ein Automobil ein Objekt, das scheinbar selbständig eine Bewegung ausführt. In der GVO 1400/2002 werden Automobile in Artikel 1 (n) als Kraftfahrzeuge „mit Selbstantrieb und mindestens drei Rädern, die für den Verkehr auf öffentlichen Straßen bestimmt sind“[16], bezeichnet.
Aus vertrieblicher Perspektive werden Automobile in Neu-, Dienst- und Gebrauchtfahrzeuge unterschieden. Was genau ein Neufahrzeug ist, beschäftigte in den letzten Jahren die europäischen Gerichte. Hat ein Fahrzeug weniger als 6.000 km zurückgelegt oder sind seit der ersten Inbetriebnahme im Zeitpunkt des Erwerbs weniger als sechs Monate verstrichen, ist es nach EU-Definition im steuerlichen Sinne ein neues Landfahrzeug.[17] Die derzeit gültige Definition von fabrikneuen Fahrzeugen geht weiter. Ein unzugelassenes und nicht beschädigtes Fahrzeug mit einem klaren Kilometerstand muss hinsichtlich der Technik und Ausstattung dem neuesten Modell entsprechen und nicht älter als ein Jahr ab Produktionsdatum sein.[18] Diese Arbeit verwendet die Definition eines fabrikneuen Fahrzeugs.
2.1.2 Vertrieb
Der Vertrieb ist der Absatz von Waren. Er kann direkt vom Hersteller an den Endabnehmer oder indirekt über Absatzmittler erfolgen. Im Folgenden wird auf die wirtschaftswissenschaftliche Definition und die Distributionspolitik eingegangen.
2.1.2.1 Einordnung und Definition des Vertriebs
Im Marketing-Managementprozess ist nach Meffert der Vertrieb als Teil der Distribution eindeutig in den Marketing-Mix einzuordnen. In dieser zentralen Position ist der Vertrieb ein integraler Bestandteil des Marketings.[19] Witt bezeichnet den Vertrieb sogar als Speerspitze des Marketings.[20]
Der Vertrieb ist der Austausch von Leistungen nach einem Interaktionsvorgang und muss als Teil des Marketing-Instrumentenmix sachlich und zeitlich mit der Marketingstrategie abgestimmt werden. Die Marketingstrategie wird wiederum aus der Unternehmensstrategie hergeleitet.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 : Die Distribution als Teil des Marketing-Mix im Marketing-Managementprozess nach Meffert [21]
Pepels unterteilt den Marketing-Mix weiter, indem er zwischen einem absatzvorbereitenden und einem absatzvollziehenden Bereich unterscheidet. Den absatzvorbereitenden Bereich unterteilt Pepels weiterführend in die logistische und die akquisitorische Distributionspolitik. Im absatzvollziehenden Bereich sind die Distributions- und die Verkaufspolitik angesiedelt. Den Vertrieb definiert er als Kombination der akquisitorischen Distributions- und der Verkaufspolitik. Diese Definition liegt dieser Arbeit zu Grunde, da sie dem Vertrieb als Absatzerbringer eher entspricht.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2 : Der Vertrieb im Absatzvollzug des Marketing-Instrumental-Mix[22]
2.1.2.2 Distributionspolitik
Die Distributionspolitik umfasst die Planung, Koordination, Durchsetzung und Kontrolle sämtlicher auf den Absatzkanal gerichteter Maßnahmen. Ziel ist die mengen-, art- und termingerechte Bereitstellung von Produkten mit minimalem Aufwand. Durch das Automobil als ein wartungs- und reparaturbedürftiges Produkt erfährt die Distributionspolitik eine strategische Bedeutung, da hier materielle und immaterielle Leistungen zwischen den Wirtschaftseinheiten übermittelt werden.[23]
Sowohl Pepels als auch Diez teilen die Distributionspolitik in zwei grundsätzliche Entscheidungsbereiche (den logistischen bzw. „physischen“[24] und den akquisitorischen) auf. Der logistische Bereich beinhaltet die Gestaltung des Warentransportes.[25] Bei Herstellern, Importeuren und Absatzmittlern wird diese Aufgabe durch die Dispositionsabteilungen erfüllt. Die akquisitorische Distributionspolitik beinhaltet dagegen die Gestaltung der Absatzwege.
2.1.3 Verkauf ...
Der Verkauf ist der betriebswirtschaftliche Austauschprozess von Waren, Gütern oder Dienstleistungen gegen zumeist Geldleistungen. Er stellt die letzte Funktion in der betrieblichen Wertschöpfungskette bzw. die Liquidation von Privatbesitz dar. Dieser austauschbezogenen Sichtweise steht die meist verwendete persuasive Interpretation gegenüber. Sie beinhaltet alle Bemühungen zum Verkaufsabschluss zu kommen.
Im Marketing gehört der Verkauf in den absatzvollziehenden Bereich und wird nach dem Medieneinsatz im Verkaufsprozess in persönlich, semipersönlich und unpersönlich-medial unterschieden. Kennzeichnend für den persönlichen Verkauf ist der Interaktionsprozess zwischen Käufer und Verkäufer, der im Rahmen des Dialogs ein direktes Feedback ermöglicht (z.B. Außendienstverkauf, stationärer Verkauf, Messeverkauf und Party- bzw. Event-Verkauf). Ein semipersönlicher Verkauf liegt dementsprechend vor, wenn es kein direktes Gegenübertreten der Teilnehmer gibt (z.B. Telefonverkauf). Erfolgt der Verkauf über ein Medium, liegt ein unpersönlicher oder medialer Verkauf vor. Dieser erfolgt z.B. über Automaten, Printmedien (z.B. Kataloge), Elektronik (z.B. Teleshopping) und Multimedia (z.B. CD-Rom).[26] Neufahrzeuge werden an Endverbraucher überwiegend im persönlichen Verkaufsgespräch mit unterstützender Anwendung verschiedener Medien (z.B. Computer, Anzeigen, Internet und Präsentationsflächen) verkauft. Die Ursache liegt in den Eigenschaften eines Automobils, welche einleitend bereits genannt wurden (s.a. 1). Des Weiteren unterscheidet die GVO 1400/2002 den aktiven und den passiven Verkauf. Beim aktiven Verkauf spricht der Verkäufer den Kunden direkt an. Beim passiven Verkauf geht der Kunde auf den Verkäufer zu.[27]
In den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts erfüllte der Verkauf im Verkäufermarkt reine „Verteilungsfunktionen“[28]. Diese rückten in den 80er Jahren zu Gunsten des Verkaufsprozesses in den Hintergrund, da sich der Verkäufermarkt zu einem Käufermarkt entwickelte. Momentan ist zu beobachten, dass die Verkaufsphasen nicht mehr allein betrachtet werden. Daneben werden auch den Auslieferungs-, den Nutzungs- und den Vorkaufsphasen im Verkaufprozess Beachtung geschenkt.[29] Der gesamte Kundenlebenszyklus ist in den Fokus des Verkäufers gerückt. Der Wettbewerb um den Kunden nimmt stetig zu. So ist der Abschluss eines Kaufvertrags nicht mehr ausreichend, da Informationen gewonnen, verwaltet und vermittelt, Verkaufsunterstützungsprogramme eingesetzt, eine aktive Kundenbindung betrieben, aktive Neukundengewinnungsprogramme durchgeführt, logistische Aufgaben erfüllt und ein Image erstellt und gepflegt werden müssen.[30] Im Verkauf werden heute „Marketinguniversalisten“[31] und „Verkaufsspezialisten“[32] in Einem benötigt, um den inflationär wachsenden Ansprüchen gerecht zu werden.
2.2 Die GVO als Rahmenbedingung
Wie in allen Bereichen des Zusammenlebens sind auch im Automobilhandel die verschiedensten rechtlichen Bestimmungen zu beachten. Hierzu zählen unter anderem das Handels- und das Bürgerliche Gesetzbuch sowie das Steuerrecht. Essentiell für Wettbewerbsregelungen ist der Artikel 85 Abs.1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft.[33] Dieser sagt aus, dass alle Vereinbarungen widrig sind, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen könnten. Die BMW AG erwirkte für ihr Vertriebsnetz die erste Ausnahmeregelung mit der Begründung, das Automobil benötigt aufgrund seines Erklärungsbedarfs ein qualifiziertes und somit geschlossenes Vertriebsnetz. Dieser Ausnahmeregelung folgte eine Flut von Anträgen. Um diese nicht einzeln bearbeiten zu müssen, wurde im Jahre 1985 mit der ersten GVO Nr. 123/85 der Vertrieb von Automobilen als Gruppe von dem Artikel 85 des EWG-Vertrages freigestellt. Diese GVO manifestierte über viele Jahrzehnte die weit reichenden Wettbewerbsbeschränkungen im Automobilhandel.[34] Die Legitimation für dieses Vorgehen wurde mit der hohen Preisintensität und dem hohen Erklärungsbedarf des Produktes erreicht.
Die GVO Nr. 123/85 war in ihrer Gültigkeit auf 10 Jahre beschränkt. Deshalb trat im Jahr 1995 eine zweite GVO mit der Nummer 1475/95 in Kraft. Die GVO war von Auflockerungen bezüglich der Markenexklusivität und des Akquisitionsverbots außerhalb des eigenen Gebiets gekennzeichnet.[35] Diese Neuerungen erschwerten den Intra-Brand-Wettbewerb, die Verkäufe eines Händlers in das Ausland, den Wettbewerb im Service und die Stellung der Händler gegenüber dem Hersteller bzw. Importeur. Der Ursprung für die Einschätzung der europäischen Wettbewerbshüter war eine Vielzahl von Verbraucherbeschwerden.
Da sich die Europäische Union der Schaffung freier Wettbewerbsstrukturen verpflichtet hat, wurde auch der Automobilhandel intensiv über mehrere Jahre hinweg untersucht. Das Resultat ist die dritte GVO mit der Nummer 1400/2002. Sie trat am 1. Oktober 2002 in Kraft. Auf diese von vielen Herstellern und Importeuren als positiv eingeschätzte GVO wird im Punkt 3.2.2 näher eingegangen.[36]
2.3 Methoden
Im Folgenden werden die in dieser Arbeit angewandten Methoden – die Situationsanalyse und das Interview – definiert. Anschließend wird jeweils ein Bezug zum Thema dieser Arbeit hergestellt, um ihre Anwendung zu begründen.
2.3.1 Situationsanalyse
Eine Situation ist einerseits eine Lage bzw. Stellung, auf die sich alle Umstände bzw. Einflüsse beziehen. Andererseits stammt das Wort Analyse vom Griechischen ‚analysis’ ab, bedeutet Auflösung und kann quantitativ als auch qualitativ erfolgen. Demnach ist eine Systemanalyse die Zergliederung einer Lage, um eine genaue Untersuchung zur Bestimmung von Komponentenbeziehungen zu ermöglichen. Dabei werden die objektorientierte und die wissensbasierte Systemanalyse unterschieden. Bei beiden Analysen wird schrittweise vorgegangen. Zuerst werden die Ziele spezifiziert und die gegebene Ausgangslage dargestellt, indem die Ist-Position der Unternehmung im Markt und im Wettbewerb herausgefiltert wird (Ist-Analyse). Hierbei ist eine genaue Untersuchung der Umweltzustände sowie der internen und externen Variablen Ausgangspunkt. Im Anschluss an diesen Analyseschritt werden Alternativen untersucht und auf Zielerfüllung bewertet. Münden kann dies in einer Ressourcen- bzw. Chancen-Risiken-Analyse, die immer Teil der Planung sein sollten. Hierdurch können bereits in der Planung Anpassungen vorgenommen werden, um eine Zielkonformität mit der Unternehmensstrategie und den strategischen Geschäftsfeldern zu erreichen. Die Situationsanalyse kann bei allen Entscheidungen und Problemen Anwendung finden.[37]
Die Komponenten einer Situationsanalyse sind der Markt (Gesamt-, Branchen- oder Teilmarkt), Marktteilnehmer (Hersteller, Wettbewerber, Absatzmittler, Absatzhelfer oder Konsumenten), Instrumente (Produkt-, Kommunikations-, Kontrahierungs- und Distributionsmix) und Umwelt (Natur, Wirtschaft, Gesellschaft, Technologie, Recht und Politik). Die Vielzahl der Beziehungen zwischen den Komponenten und ihre Anzahl können zu Problemen in Form von Überschneidungen führen.[38]
Ziel dieser Arbeit ist neben der Feststellung und Analyse von Trends die Beschreibung der aktuellen Situation des Neufahrzeugvertriebs deutscher Hersteller bzw. Importeure. Die Situationsanalyse erfolgt in dieser Arbeit in Form einer Ist-Analyse im dritten Kapitel und der Trendfindung und –prüfung im vierten Kapitel. Eine Ist-Analyse ist die „quantitative und qualitative Erfassung des Ist-Zustandes eines abgegrenzten Systems unter Berücksichtigung des Untersuchungszweckes.“[39] Sie besteht aus den Teilphasen Erfassung, Beschreibung, Schwachstellen- und Mängelanalyse des Ist-Zustandes und der Bewertung des möglichen, verbesserten Ist-Zustandes. Hierbei können als Methoden die Fragebogenmethode, die Inventurmethode, die Interviewmethode, die Beobachtungsmethode, die Berichtsmethode und viele andere angewendet werden.[40] In dieser Arbeit erfolgt die praktische Umsetzung mittels der Interviewmethode.
2.3.2 Interview und Marktforschung
Marktforschung ist das „systematische Bemühen um möglichst vollständige Informationen aus einem jeweils definierten Teilmarkt“[41]. Eine Gliederung ist unter anderem nach den zu befragenden Zielgruppen Industrie, Handels- und Absatzmittler, Personal, Endverbraucher und Meinungsmittler möglich. Die Industriemarktforschung kann sich auf Konsum- als auch auf Investitionsgüter beziehen und beinhaltet die Befragung von Entscheidungsträgern der Industrie.[42] Das durchgeführte Interview bedient sich dieses Teilbereiches der Marktforschung.
In der Marktforschung wird zwischen der Primär- und der Sekundärerhebung unterschieden. Bei der Sekundärerhebung wird auf bereits vorhandenes Datenmaterial zurückgegriffen. Die Primärerhebung beinhaltet das Gegenteil und bezeichnet die direkte Beschaffung von Informationen über Meinungen, Motive oder Verhaltensweisen bestimmter Personen. Die Befragung bzw. das Interview sind ein Teil der Primärerhebung. Das Wort ‚Interview’ kommt aus dem englischen und bedeutet Unterredung oder auch Befragung. Es werden von Personen schriftliche, telefonische oder persönliche Aussagen eingeholt.[43]
An die in der Marktforschung erhobenen Informationen gelten konkrete Anforderungen. Die für die Entscheidungen relevanten Informationen müssen vollständig, zuverlässig und aktuell erhoben werden. Die Kosten für die Informationen müssen in einem vernünftigen Verhältnis zu dem aus ihnen gewonnenen Nutzen stehen.[44]
Um dieser Arbeit Praxisnähe zu verleihen, wurde eine Teilerhebung aller deutschen Hersteller bzw. Importeure in Form eines Interviews durchgeführt. Bezüglich der Ausschöpfungsquoten weisen persönliche, telefonische oder postalische Befragungen nur geringe Differenzen aus. In Deutschland findet die persönliche Befragung die häufigste Anwendung. Jede Art hat ihre Vor- und Nachteile, wie die folgende Darstellung in Bezug auf die Befragung im Vorfeld dieser Arbeit verdeutlicht.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3 : Interviewarten im Vergleich[45]
Die Ergebnisse einer Umfrage sind „nicht von der Interviewmethode abhängig.“[46] Die Umfrage kann in die schriftliche (per Fragebogen) und in die mündliche Befragung (persönlich oder per Telefon) unterteilt werden.[47] Im Vergleich zur schriftlichen Befragung, die in dieser Arbeit nur einmal Anwendung fand, stellt die mündliche Befragung durch ein Interview eine hohe Erfolgsquote sicher. Des Weiteren ist der Fragebogenumfang nicht so stark eingeschränkt, die Situation der Befragung mit taktischen Instrumenten besser zu kontrollieren und zusätzliche Informationen können gewonnen werden. Negativ sind die Verzerrungsgefahr und die hohen Kosten. Aus diesen Gründen wurde die telefonische Befragung am häufigsten durchgeführt. Sie ist kurzfristiger einsetzbar und verursacht bei den Interviewpartnern weniger Kosten. Negativ macht sich hier die Anonymität bemerkbar, die mehr Kontrollfragen verlangt.[48]
Die inhaltlichen Anforderungen des Fragebogens an die Auskunftspersonen schränken den Kreis der Ansprechpartner bei deutschen Herstellern bzw. Importeuren stark ein. Nur die Vertriebsleiter bzw. die Verantwortlichen für die Vertriebsnetze der deutschen Hersteller bzw. Importeure können diese Fragen beantworten. 30 Hersteller und Importeure wurden in einem Anschreiben, das als Anlage 3 dieser Arbeit beiliegt, über das Ansinnen unterrichtet. In den folgenden Wochen wurde telefonisch nachgehakt, da mit mehreren Kontaktaufnahmen die Beteiligungsbereitschaft steigt.[49] Nach Übermittlung des Interviewleitfadens erklärten sich viele Ansprechpartner bereit, an dieser Befragung teilzunehmen.
Der Fragebogen besteht aus drei Teilbereichen (s.a. Anlage 4). Im ersten Teil fanden Einleitungs-, Kontakt und Eisbrecherfragen Anwendung. Sie sollten Befangenheiten oder Reserviertheiten bei den Auskunftspersonen abbauen. Im zweiten Teil, der wiederum aus drei diese Arbeit widerspiegelnden Teilbereichen besteht, wurden Sachfragen mit Kontroll- und Plausibilitätsfragen eingesetzt. Die Sachfragen „stellen den Hauptteil der Befragung dar und beziehen sich primär auf den eigentlichen Untersuchungsgegenstand.“[50] Um diese Auskünfte auf Richtigkeit zu prüfen, sind vereinzelt Kontroll- bzw. Plausibilitätsfragen in den Interviewleitfaden eingebaut. Alle Fragen wurden direkt als auch indirekt sowie offen als auch geschlossen gestellt. Der dritte Teilbereich beendete das Interview.[51]
Bis auf eine schriftliche Beantwortung des Interviewleitfadens und sechs persönlichen Interviews wurden alle weiteren Interviews telefonisch durchgeführt. Die folgende Übersicht stellt die für diese Arbeit interviewten Marken inkl. Absatzstufe und Marktanteil (Januar bis November 2004) dar.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4 : Interviewte Marken und ihre Marktanteile[52]
Die mit vier Herstellern und 20 Importeuren durchgeführten Interviews decken ca. 79% des deutschen Neufahrzeugabsatzes ab. Diese Struktur der Interviewteilnehmer stellt ein repräsentatives Ergebnis sicher. Die gewonnenen Daten wurden einer Kurzzusammenfassung unterzogen (s.a. Anlage 5). Es wurden Zuordnungsregeln in Form von Skalen eingesetzt. Skalen sind „die Meßlatte, auf der die Ausprägungen einer Eigenschaft abgetragen werden“[53]. Sie können nach ihrem Messniveau in nicht-metrische (Nominal- und Ordinalskala) und metrische (Intervall- und Ratio-Skala) unterteilt werden. Das in der Interviewauswertung verwandte Nominalniveau ist die einfachste Form der Messung und wird zur Analyse von Häufigkeiten genutzt.[54]
3 Ist-Zustand der aktuellen Vertriebsstrukturen im Automobilbereich
In diesem Kapitel wird der Ist-Zustand der aktuellen Neufahrzeug-Vertriebsstrukturen in Deutschland dargelegt. Hierfür wird zuerst auf die allgemeine und aktuelle Marktsituation mit Ihren Chancen und Risiken eingegangen. Im Anschluss folgt eine Erläuterung der für den Vertrieb von Neufahrzeugen in Deutschland relevanten Grundlagen. Danach wird auf die horizontale Absatzkanalstruktur, die vertikale Vertriebsstruktur und abschließend deren aktuelle Gestaltung in der Praxis eingegangen.
3.1 Allgemeine Marktsituation im Automobilhandel
Bis zum Ende des Jahrzehnts werden weltweit ca. 17% mehr Neufahrzeuge als 2003 abgesetzt. Diese Annahme beruht auf einem prognostizierten Wirtschaftswachstum in den USA, Europa und Asien, das ein Absatzplus von derzeit ca. 60 Mio. auf 70 Mio. Fahrzeuge im Jahr 2010 bedeutet.[55] Eine Betrachtung der Automobildichte verdeutlicht dies. In den USA kommen ca. 900 Pkw auf 1.000 Menschen, während es in Europa nur 500 und in China weniger als zehn Pkw sind. "Der Unterschied zwischen den USA und dem Rest der Welt zeigt, dass es ein weiteres Marktpotenzial"[56] für diese Branche gibt. Von weltweit 36 Mio. abgesetzten Fahrzeugen im Jahr 1990 ist die Anzahl auf über 60 Mio. Fahrzeuge im Jahr 2003 gestiegen.[57] Des Weiteren ist zu beachten, dass sich die Anzahl der in Betrieb befindlichen Fahrzeuge von derzeit „835 Millionen Pkw und Nutzfahrzeugen“[58] auf eine Milliarde Fahrzeuge im Jahr 2012 bei einem prognostizierten Wachstum von 2% erhöhen wird.[59] Demnach ist ein weltweites Potential vorhanden, dass aufgrund der natürlich begrenzten Ressourcen wie Öl, Stahl usw. und der somit steigenden Rohstoffpreise nur mit alternativen Antriebskonzepten ausgeschöpft werden kann.
In Deutschland, dem wichtigsten Automobilmarkt Europas, stellt sich folgende Situation dar. Die Besitzumschreibungen gingen 2003 in Deutschland das vierte Jahr in Folge zurück. Im Vergleich zum Jahr 2002 wurden mit 6.770.821 Pkw-Umschreibungen 0,9% weniger getätigt. In den alten Bundesländern inkl. Berlin betrug das Minus 1,1%. In den neuen Bundesländern stiegen die Besitzumschreibungen dagegen um 0,2% an. In diesem Marktumfeld reduzierten sich auch die Neuzulassungen 2003 in Deutschland zum vierten Mal in Folge auf hohem Niveau.[60]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5 : Entwicklung der deutschen Neufahrzeugzulassungen[61]
Mit 3.236.938 erstmals registrierten Pkw reduzierte sich der Absatz im Jahr 2003 um 0,5%. Auch hier gingen die alten Bundesländer und Berlin um 0,7% zurück, während die neuen Bundesländer um 0,6% zulegten.[62] Der Neufahrzeugumsatz stieg von 71,34 Mrd. € im Jahr 2002 um 1,04 Mrd. € auf 72,38 Mrd. € im Jahr 2003.[63]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6 : Umsatzentwicklung des deutschen Neufahrzeugmarktes[64]
Obwohl sich der Umsatz der Branche weiter erhöht hat gehen das KBA und Prognoseinstitute davon aus, dass in Deutschland ein neuer Tiefstand an Neufahrzeugzulassungen erreicht wird. „Der letzte datiert von 1993, als 3,194 Mio. neue Pkw registriert wurden"[65]. Dass dies „trotz diverser neuer, attraktiver Modelle in der Kompaktklasse“[66] eintritt, wird der Zunahme der Arbeitslosigkeit und der hohen Unsicherheit aufgrund von Sozialreformen zugeschrieben. Dies belegen auch der Zuwachs im Flottengeschäft von ca. 1,2% und der Rückgang von ca. 4,5% im Privatkundengeschäft in diesem Jahr. Hinzu kommt, dass der durchschnittliche Neufahrzeugpreis in Deutschland von 19.225 € im Jahr 1998 auf 22.360 € im Jahr 2003 angestiegen ist, was zu einer weiteren Senkung der Umsatzrendite auf 0,5% führte.[67]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7 : Durchschnittlicher Neufahrzeugpreis in Deutschland [68]
Die absatzstarken Jahre nach der Wiedervereinigung Deutschlands mit dem Rekordjahr 1991 (4,158 Mio. Neufahrzeugzulassungen) sind vorbei.[69] Da mehr Fahrzeuge produziert werden, als tatsächlicher Bedarf besteht, liegt ein Käufermarkt vor.
Wie die folgende Tabelle verdeutlicht, reduzierte sich die Anzahl der Neufahrzeuge vertreibenden Betriebsstätten weiter.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 8 : Betriebsstättenentwicklung in Deutschland[70]
Parallel zu dieser Betriebsstättenreduzierung „hat sich die Summe der Eigentümer durch Fusionen, Übernahmen, Betriebsaufgaben und Insolvenzen dezimiert.“[71] In Deutschland wissen sehr wenige, dass „der größte Autohändler die Nürnberger Versicherung ist."[72] Der leichte Anstieg der Betriebsstätten im letzten Jahr lässt sich mit der gestiegenen Zahl von Werkstätten erklären. Festzustellen ist, dass Deutschland mit Betriebsstätten gut ausgestattet ist. In den USA beträgt der Absatz von Neufahrzeugen bei etwa gleich großer Anzahl an Betriebsstätten mehr als das Fünffache.[73]
Ein wesentlicher Grund für diese Entwicklung ist die nach der GVO 1400/2002 nötigen „Zwangszulassung von Servicebetrieben, sofern die festgelegten Standards erfüllt werden.“[74] Für die Hersteller bzw. Importeure besteht bei der Gestaltung der Servicenetze nur bei den Standards die Möglichkeit, nicht jede Werkstatt aufnehmen zu müssen.[75] Vertragswerkstätten werden Ihren Marktanteil im Aftermarket von 47% im Jahr 2002 auf 49% im Jahr 2010 ausweiten. Diese Entwicklung wird hauptsächlich zu Lasten des Reifen-Fachhandels gehen.[76] Aufgrund der angespannten Situation im Neuwagenvertrieb (sinkende Absatzzahlen und schwindende Umsatzrenditen) konzentrieren sich viele Absatzmittler auf die gewinnbringenden Geschäftsbereiche Service und Gebrauchtwagenvertrieb. Dazu kommt, dass viele Hersteller bzw. Importeure immer noch keine Preisharmonisierung in Europa vorgenommen haben. Sie vereinheitlicht den Abgabepreis eines Neuwagens in Europa und macht den Import solcher Fahrzeuge unrentabel (s.a. 4.2.3). Viele Absatzmittler verlieren das Interesse am Neufahrzeugvertrieb, da hohen Investitionskosten geringe Umsatzrenditen und hohes Risiko gegenüber stehen. Im November 2004 gaben „25% der befragten Autohändler“[77] an, eine Bewerbung für einen Werkstattvertrag abgegeben zu haben. Reformen wie Basel II und die neue GVO 1400/2002 zwingen die Absatzmittler sich auf die gewinnbringenden Unternehmensbereiche zu konzentrieren.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 9 : Kaufort von Gebrauchtfahrzeugen[78]
Als Kaufort von Gebrauchtfahrzeugen ging der Neufahrzeughandel von 40% im Jahr 1998 auf 34% im Jahr 2003 zurück, wogegen der Gebrauchtfahrzeughandel als Kaufort konstant blieb und der Privatmarkt um 6% stark zulegen konnten. [79] Der Vertrieb von Gebrauchtfahrzeugen ist für Autohäuser weiterhin sehr interessant, da hier im Gegensatz zum Neufahrzeuggeschäft eine gute Umsatzrendite erwirtschaftet werden kann.
Des Weiteren haben die Händler erkannt, dass der Pkw-Bestand in Deutschland ansteigt. Folgerichtig ist der Markt für Reparatur- und Wartungsarbeiten in 2003 um 4% gegenüber 2002 angestiegen und macht jetzt ein Volumen von 91,9 Mio. € aus. Ein Autofahrer gab mit 245 € im Jahr 2003 15 € mehr für die Wartung seines Fahrzeuges aus.[80] Diese Steigerung setzt den Trend der letzen Jahre fort.[81]
Die am 1. Oktober 2002 in Kraft getretene GVO 1400/2002 behandelt den Vertrieb weniger restriktiv als dies bisher der Fall war. Deshalb ist der Markt in Bewegung gekommen.[82] Die Auswirkungen werden in den nächsten Jahren spürbar.[83] Begünstigende Ursache ist derzeit ein niedriges Zinsniveau in Deutschland. Es ist abzusehen, dass viele Betriebsstätten-Eigentümer schließen oder verkaufen müssen, wenn der Leitzins in Deutschland wieder Normalniveau erreicht, da sie nicht in der Lage sein werden, die dann gestiegenen Zinsen zu erwirtschaften. „Wie das Kaninchen vor der Schlange, so hocke der deutsche Autohändler vor seinem Hersteller, gebannt auf neue Entwicklungen starrend“[84]. Besonders in den neuen Bundesländern wird in den nächsten Jahren eine Übernahme- und Insolvenzwelle einsetzen, da "im Osten zu viele, zu große, zu teure Autohäuser gebaut worden"[85] sind.
[...]
[1] Vgl. GVO 1400/2002 Leitfaden, Seite 7
[2] Eybl International (2004), Seite 2
[3] Vgl. VDA (2004)b
[4] VDA (2004)a, Seite 2
[5] Vgl. zu den Ausführungen VDA (2004)a, Seite 2
[6] VDA (2004)a, Seite 1
[7] Vgl. zu den Ausführungen Diez (2001)b, Seite 410
[8] Cell Consulting (2004), Seite 8
[9] Vgl. Eybl International (2004), Seite 3
[10] Vgl. Cell Consulting (2004), Seite 1
[11] Vgl. zu den Ausführungen Cell Consulting (2004), Seite 8
[12] Vgl. Cell Consulting (2004), Seite 1
[13] GVO 1400/2002 Leitfaden, Seite 3
[14] Vergl. zu den Ausführungen Meunzel (2004)b und Anlage 8
[15] Vgl. Meffert (2000), Seite 620
[16] GVO 1400/2002, Artikel 1 (n)
[17] Vgl. zu den Ausführungen ADAC (2004), Seite 4 und s.a. § 1b Abs. 3 Nr. 1 UStG
[18] Vgl. zu den Ausführungen ADAC (2004), Seite 5
[19] Vgl. Meffert (2000), Seite 886
[20] Vgl. Witt (1996)
[21] Vgl. Meffert (2000), Seite 14
[22] Vgl. Pepels (2002), Seite 9
[23] Vgl. zu den Ausführungen Diez (1997), Seite 165
[24] Diez (1997), Seite 165
[25] Vgl. Diez (1997), Seite 165
[26] Vgl. zu den Ausführungen Meffert (2000), Seite 888
[27] Vgl. zu den Ausführungen GVO 1400/2002 Leitfaden, Seite 32
[28] Meffert (2000), Seite 895
[29] Vgl. zu den Ausführungen Meffert (2000), Seite 895
[30] Vgl. Meffert (2000), Seiten 896 und 897
[31] Loss/Belz (1994), Seite 5
[32] Meffert (2000), Seite 897
[33] Vgl. Diez (2001)b, Seite 120
[34] Vgl. Creutzig (1995), Seite 29
[35] Vgl. zu den Ausführungen Diez (1997), Seite 171
[36] Vgl. Anlage 5, Position 2.2.3
[37] Vgl. zu den Ausführungen Markscheffel (2004)
[38] Vgl. zu den Ausführungen Markscheffel (2004)
[39] Markscheffel (2004)
[40] Vgl. zu den Ausführungen Markscheffel (2004)
[41] Salcher (1995), Seite 4
[42] Vgl. zu den Ausführungen Salcher (1995), Seite 4
[43] Vgl. zu den Ausführungen Salcher (1995), Seiten 7 bis 15
[44] Vgl. zu den Ausführungen Meffert (2000), Seiten 145 und 146
[45] Vergl Mathias (1996) und Meffert (2000), Seite 156
[46] Mathias (1996)
[47] Vgl. Meffert (2000), Seite 155
[48] Vgl. zu den Ausführungen Meffert (2000), Seite 156
[49] Vgl. zu den Ausführungen Mathias (1996)
[50] Meffert (2000), Seite 157
[51] Vgl. zu den Ausführungen Meffert (2000), Seite 157
[52] Vgl. KBA (2004)a
[53] Backhaus (1996), Seite XV
[54] Vgl. zu den Ausführungen Meffert (2000), Seiten 148 und 149 und Backhaus (1996), Seite XVII
[55] Vgl. zu den Ausführungen autohaus-online.de (2004)b
[56] Herr Panke in autohaus-online.de (2004)b
[57] Vgl. zu den Ausführungen autohaus-online.de (2004)b
[58] Volpert (2004), Seite 1
[59] Vgl. Volpert (2004), Seite 1
[60] Vgl. zu den Ausführungen DAT Report (2004), Seite 2
[61] Vgl. VDA (2004)c, Seite 2 und Anlage 6
[62] Vgl. zu den Ausführungen DAT Report (2004), Seite 2
[63] Vgl. DAT Report (2004), Seite 3
[64] Vgl. DAT Report (2004), Seite 5
[65] Gaide (2004)a
[66] Gaide (2004)a
[67] Vgl. DAT Report (2004), Seiten 4 und 5
[68] Vgl. DAT Report (2004), Seite 5
[69] Vgl. VDA (2004)c, Seite 2
[70] Vgl. Meunzel (2004)b und Anlage 8
[71] Meunzel (2003), Seite 18
[72] Wächter (2001)
[73] Vgl. zu den Ausführungen Meunzel (2004), Seite 4
[74] Meunzel (2003), Seite 19
[75] Vgl. Meunzel (2003), Seite 19
[76] Vgl. Gaide (2004)e, Seite 1
[77] Meunzel (2003), Seite 19
[78] Vgl. DAT Report (2004), Seite 3
[79] Vgl. DAT Report (2004), Seite 3
[80] Vgl. zu den Ausführungen DAT Report (2004), Seite 6
[81] Vgl. kfz-gewerbe (2004)a
[82] Vgl. Ceyp (2003), Seite 2
[83] Vgl. Meunzel (2003), Seite 19
[84] Wächter (2001)
[85] Wächter (2001)
- Quote paper
- Carl Biedermann (Author), 2004, Der Vertrieb neuer Automobile in Deutschland vor dem Hintergrund der GVO 1400/2002 und aktueller Marktentwicklungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/41045
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