Noch vor 25 Jahren war die Elfenbeinküste eine Perle im Westen Afrikas. Fernab der europäischen Demokratien hatte sich im für diese Werte im Normalfall nicht bekannt gewesenen Schwarzafrika ein stabiler und allem Anschein nach florierender und der demokratischen Grundordnung verpflichteter Staat entwickelt. Der zeichnete sich durch exzellentes Benehmen seiner Politiker auf dem internationalen Parkett aus, mit der ehemaligen Besatzungsmacht wurde nicht nur ein höflicher Dialog geführt, sondern engste wirtschaftliche Verbindungen gepflegt. In ökonomischer Hinsicht war man der heimischen westafrikanischen Nachbarschaft auf fast unheimliche Weise schon lange entwachsen. Manch einen Beobachter mag dies alles vor allem im Hinblick auf eben diese Nachbarschaft mehr als stutzig gemacht haben. Zu welchem Preis hatte sich die Elfenbeinküste ihre Prosperität erkauft? Im Jahr 1999 kam es schließlich zum großen Knall, die Illusion des hellen Stelle im dunklen Afrika zerplatzte in einer alle vier Ecken des quadratischen Staats durchziehenden Rebellion. Seitdem ist das Land von mehreren Armeen geteilt, die sich in den von internationalen Organisationen verordneten Waffenpausen stillschweigend mit mehr Munition versorgen, um anschließend um so grausamer aufeinander einzuschlagen. Einheimische Politiker werfen mit Haßtiraden um sich auf ihre politischen Feinde und jene ehemalige Kolonia lmacht, die ein Jahr zuvor noch willkommener Gast gewesen war, rassistische Ausschreitungen drohen hinter jeder Straßenecke. Kurz: Afrika wie man es kennt. Die Frage, die sich diese Arbeit stellt, ist, wie der ivorische Sonderfall in Westafrika entstehen konnte, und warum er jetzt genauso schell und spektakulär zerfällt wie er in der Blüte seiner Jahre gestrahlt hat. Im Hinblick auf das Seminar soll ferner ein Blick auf die europäische Seiten in diesem Konflikt geworfen werden und untersucht werden welche Gefahren und Chancen sich aus ihm für Frankreich, Deutschland und die EU ergeben könnten. 1. Entstehung und Selbstverständnis des Staates ‚Côte d’Ivoir
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Entstehung und Selbstverständnis des Staates ‚Côte d’Ivoire’
1.1 Vorkoloniale Zeit
1.2 Die Elfenbeinküste unter kolonialer Herrschaft
1.2.1 Herausbilden einer Nationalen Bewegung
1.2.2 Einfluß französischer Parteipolitik
1.3 Der Weg in die Unabhänigkeit
2. Politische Verselbständigung in Zusammenarbeit mit der Kolonialmacht
2.1 Das politische System nach der Unabhängigkeit
2.2 Die sozio-ökonomische Entwicklung der Côte d'Ivoire
als Binnenmarkt Frankreichs
2.3 Die ökonomische Krise seit Ende der 1970er Jahre
3. Die Entwicklung der Côte d'Ivoire ab
3.1 Wirtschaftsgeographische Lage Ende der 1980er Jahre
3.2 Die Reformversuche von
3.3 Politische Entwicklung nach dem Tod Houphouet-Boignys
3.3.1 Die Elfenbeinküste unter Konan Bédié
3.3.2 Der Militärputsch von
3.3.3 Beginn der kriegerischen Auseinandersetzungen
3.3.4 Ereignisse seit dem Abkommen von Linas-Marcoussis
4. Europäische Positionen
4.1 Frankreichs Interessen
4.2 Deutsche Interessen
4.3 Motive der Europäische Union
5. Schluß
6. Quellenverzeichnis
Einleitung
Noch vor 25 Jahren war die Elfenbeinküste eine Perle im Westen Afrikas. Fernab der europäischen Demokratien hatte sich im für diese Werte im Normalfall nicht bekannt gewesenen Schwarzafrika ein stabiler und allem Anschein nach florierender und der demokratischen Grundordnung verpflichteter Staat entwickelt. Der zeichnete sich durch exzellentes Benehmen seiner Politiker auf dem internationalen Parkett aus, mit der ehemaligen Besatzungsmacht wurde nicht nur ein höflicher Dialog geführt, sondern engste wirtschaftliche Verbindungen gepflegt. In ökonomischer Hinsicht war man der heimischen westafrikanischen Nachbarschaft auf fast unheimliche Weise schon lange entwachsen. Manch einen Beobachter mag dies alles vor allem im Hinblick auf eben diese Nachbarschaft mehr als stutzig gemacht haben. Zu welchem Preis hatte sich die Elfenbeinküste ihre Prosperität erkauft?
Im Jahr 1999 kam es schließlich zum großen Knall, die Illusion des hellen Stelle im dunklen Afrika zerplatzte in einer alle vier Ecken des quadratischen Staats durchziehenden Rebellion. Seitdem ist das Land von mehreren Armeen geteilt, die sich in den von internationalen Organisationen verordneten Waffenpausen stillschweigend mit mehr Munition versorgen, um anschließend um so grausamer aufeinander einzuschlagen. Einheimische Politiker werfen mit Haßtiraden um sich auf ihre politischen Feinde und jene ehemalige Kolonialmacht, die ein Jahr zuvor noch willkommener Gast gewesen war, rassistische Ausschreitungen drohen hinter jeder Straßenecke. Kurz: Afrika wie man es kennt.
Die Frage, die sich diese Arbeit stellt, ist, wie der ivorische Sonderfall in Westafrika entstehen konnte, und warum er jetzt genauso schell und spektakulär zerfällt wie er in der Blüte seiner Jahre gestrahlt hat. Im Hinblick auf das Seminar soll ferner ein Blick auf die europäische Seiten in diesem Konflikt geworfen werden und untersucht werden welche Gefahren und Chancen sich aus ihm für Frankreich, Deutschland und die EU ergeben könnten.
1. Entstehung und Selbstverständnis des Staates ‚Côte d’Ivoire’
1.1 Vorkoloniale Zeit
In der vorkolonialen Zeit gehörte der größte Teil der Elfenbeinküste zum Königreich Mali, nach dessen politischen Zerfall sich eigene Herrschaftseinheiten auf dem Territorium herausbildeten. So entwickelte sich im 17. Jahrhundert das Dagombareich der Bouma im Nordosten des Landes, während weiter westlich die Kong ein Handelsreich etablierten. Zudem wanderten von Nordwesten zahlreiche Mitglieder der Malinke, des alten Staatsvolkes von Mali, ein, die nun zu keinem Zusammenschluß mehr fähig waren. Der Malinke-Führer und westafrikanische Freiheitsheld Samory Touré zerstörte diese Reiche, indem er Ende des 19. Jahrhunderts das gesamte Gebiet eroberte.[1]
Französische Kaufleute aus Dieppe waren die ersten Europäer, die die Küste der Côte d’Ivoire Ende des 14. Jahrhunderts befuhren. Aufgrund der rauhen Beschaffenheit des Küstenstreifens gelang es ihnen aber erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts sich dort niederzulassen, indem Handels- und Militärstützpunkte in Küstennähe errichtet wurden. Im Jahre 1830 machten sich die Franzosen daran, das Festland zu erforschen und bis 1889 hatten sie mit sämtlichen Königen und Herrschern des Hinterlandes Protektionsverträge abgeschlossen. Anfangs wurde das Gebiet von Guinea aus mitverwaltet, im Jahre 1893 errichteten die Franzosen offiziell die Kolonie Elfenbeinküste.[2]
War die französische Durchdringung in der Elfenbeinküste bislang relativ friedlich verlaufen und die Entwicklung des Landes zu einer weltmarktorientierten tropischen Landwirtschaft in Gang gesetzt, wurde sie im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts mehr und mehr vom antikolonialen Kampf des Malinke-Führers Samory Touré behindert, der bis zu seiner Verhaftung im Jahre 1898 den französischen Truppen erbitterten Widerstand leistete.
1.2 Die Elfenbeinküste unter kolonialer Herrschaft
Das Eindringen Frankreichs in die Elfenbeinküste verläuft archetypisch für den Prozeß der Kolonialisierung europäischer Kolonialmächte in Afrika. Claus Zeller beschreibt den Integrationsprozeß postkolonialer afrikanischer Staatengebilde als drei typische Entwicklungsphasen, die den Weg zum autonomen Staat markieren: In der ersten Phase, der des Kolonialismus, wird das Eindringen der Kolonialmächte in die Isolation der afrikanischen Kleingesellschaften skizziert. Die Abgrenzung der Einflußsphären, die mit dem Zusammentreffen der imperialistischen Mächte einhergeht, und bei der auf die räumlichen Erstreckungen der autochtonen Stammesgesellschaften bekanntermaßen nur bedingt Rücksicht genommen wurde, sind eine weitere wichtige Determinante im idealtypischen Kolonisierungsvorgang, werden damit doch nahezu unabänderlich die Grenzen des späteren Nationalstaates festgesetzt. Als zweiten Entwicklungsfaktor wird von Zeller die Unterwerfung der lokalen Wirtschaft angeführt, die „Kolonie gerät in Abhängigkeit von der Wirtschaft des Mutterlandes und ist [langfristig] auf deren Bedürfnisse abgestellt“[3].
Der französische Imperialismus ist, was diese drei Entwicklungsschritte betrifft, ein vergleichsweise humaner. Hannah Ahrend hebt in diesem Zusammenhang hervor: „Frankreich ist die einzige Nation Europas, die im Zeitalter des Imperialismus immerhin versucht hat, ‚ius’ und ‚imperium’ miteinander zu verbinden.“[4] Doch auch in der Elfenbeinküste gingen gesellschaftliche und wirtschaftliche Abhängigkeitmachung rasch vonstatten: Bereits kurz nach der Errichtung der Kolonie wurde von den Colons Kaffee und Kakao eingeführt. Als Resultat dessen bildete sich in der Elfenbeinküste anders als in anderen frankophonen Kolonien Westafrikas bereits vor dem Zweiten Weltkrieg eine elitäre afrikanische Schicht heraus, die sogenannte ‚Pflanzerbourgeoisie’. Sie wurde geschaffen, indem die Franzosen aus den traditionellen Häuptlingen, der ‚chefferie traditionelle’, Pflanzer zu rekrutierten, und diese auch als unterste Einheit der kolonialen Verwaltungshierarchie einsetzten.[5] Den Häuptlingen erlaubte dieses Vorgehen die Beibehaltung des gewohnten elitären Status und ein Mindestmaß an Autorität.[6]
1.2.1 Herausbilden einer Nationalen Bewegung
Der zweite Zeitabschnitt auf dem Weg zur Bildung eines autonomen Staates bezeichnet Zeller als den der ‚Nationalen Bewegungen’. Diese sind „Frucht der ‚kolonialen Situation’, sind Ausdruck des Protests gegen die koloniale Unterwerfung“, gleichzeitig symbolisieren sie „das Bewußtwerden einer kulturell-sozialen Eigenheit gegenüber dem Assimilationsanspruch des Kolonialherren“[7]. Beides verdichtet sich schließlich zu der Forderung, diese Eigenheit auch politisch zu verwirklichen. Ursprung ‚Nationaler Bewegungen’ ist dabei immer die mit dem „Bewußtsein schwarzer Sonderheit“[8] einhergehende ökonomische und soziale Benachteiligung der einheimischen Eliten und der Bevölkerung.[9]
In der Elfenbeinküste ging die erste ‚Nationale Bewegung’ das ‚Syndicat Agricole Africain’ (SAA) aus der Gruppe der politisierten ‚Pflanzerbourgeoisie’ hervor. Das SAA war im Jahr 1944 als Interessenvertretung afrikanischer Pflanzer gegen die wirtschaftliche Diskriminierung beim Kakao- und Kaffeeanbau entstanden. Es stand allen Afrikanern offen, deren Anbauflächen bei Kaffee 2 ha und bei Kakao 3 ha überstiegen, schloß Kleinbetriebe somit aus. Ein erster Erfolg konnte das SAA bei der Zuweisung von Arbeitskräften, die durch Zwangsarbeit rekrutiert wurde, und bei denen französische Pflanzer eindeutig bevorzugt wurden, verzeichnen. Seinem Vorsitzenden, dem Großpflanzer und Häuptlingssohn Félix Houphouet-Biogny, gelang es, ein Abkommen mit einflußreichen traditionellen Chefs im Norden zu treffen, die den Pflanzern im Süden freiwillige Arbeitskräfte zusicherten. Bei den ersten Wahlen in der Elfenbeinküste, den Wahlen zur verfassungsgebenden Nationalversammlung im Herbst 1945, bot das SAA seinem Führer Houphouet auch den nötigen organisatorischen und ideologischen Rückhalt, sich durchzusetzen. Im April 1946 gelang dem SAA unter seiner Führung, die Zwangsarbeit abzusetzen, Grundstein für Houphouets bis heute andauernde Popularität.[10]
Die SAA verfolgte weiter die idealtypische Entwicklung einer ‚Nationalen Bewegung’, wie sie Zeller beschreibt. War sie ursprünglich nur als Interessenvertretung für Großpflanzer gegründet, welche nicht die „Schaffung einer politischen Gemeinschaft innerhalb territorialer Grenzen“ im Sinn hatte, sondern lediglich zur Verbesserung der kolonialen Situation gedacht war, nahm sie mit den erreichten institutionellen Veränderungen in den Beziehungen zur Metropole nun mehr und mehr parteiähnliche Züge an.[11]
Houphouet hatte das Ziel der Absetzung der Zwangsarbeit erreicht, im selben Monat gründete er den ‚Parti Démocatique de Côte d’Ivoire’ (PDCI), der im Oktober 1946 bei der Gründung der panafrikanischen „interterritorialen Sammlungsbewegung“[12] ‚Rassemblement Démocratique Africain’ (RDA) im eine der wichtigsten Parteien darstellte. 1946-48 gewann der PDCI mit überwältigender Mehrheit alle vier in der Elfenbeinküste an Afrikaner zu vergebende Sitze in der Französischen Nationalversammlung und in der Territorialversammlung.[13]
1.2.2 Einfluß französischer Parteipolitik
Der PDCI wurde – wie RDA-Sektion in anderen Territorien von ‚Afrique Occidentale Française’ auch – von den französischen Kommunisten unterstützt. Diese hatten als einzige metropolitane Partei bereits die Gründung der RDA unterstützt, der zwar eine breite westafrikanische Emanzipationsbewegung darstellte, nicht aber jedoch auf eine vollständige Unabhängigkeit von Frankreich hinarbeitete. Die ‚Parti Communiste Français’ (PCF) arbeitete damit darauf hin, in den von Frankreich abhängigen Gebieten „Fuß zu fassen und gegebenenfalls von dort aus auch auf die Metropole einzuwirken.“[14] So erhielt auch der PDCI „intellektuelle Schulung und organisatorische Unterstützung durch französische Kommunisten, die ‚Groupes d’Ètudes Communistes’ organisierten“[15]. Die dem RDA angehörigen Abgeordneten in der Französischen Nationalversammlung in Paris schlossen sich fast zwangsläufig der Fraktion der PCF an. In den Augen des Parteiführers Houphouet war diese Allianz allerdings mehr taktischer als ideologischer Natur, insbesondere, was aus der Verwurzelung der PDCI in der elitären ‚Pflanzerbourgeoisie’ ersichtlich wird. Als die PCF 1947 aus der französischen Regierung ausschied und Houphouet sich trotzdem weigerte, die Allianz mit ihr in der Nationalversammlung aufzugeben, begann die antikommunistischen Kolonialverwaltung zunehmend Druck auf den PDCI auszuüben, was in eine Verfolgungswelle ausartete, wie sie nirgendwo in Westafrika ihresgleichen fand. Erst der in den Jahren 1950 und 1951 von Houphouet vollzogene Bruch mit den Kommunisten in Frankreich, auf den der konservative damalige Überseeminister und spätere Präsident Francois Mitterand maßgeblich Einfluß nahm, bereitete der Verfolgung schrittweise ein Ende.[16]
1.3 Der Weg in die Unabhänigkeit
War die PDCI bis zu den 1950er Jahren noch eine Bewegung des Antikolonialismus gewesen, läutete sich mit Houphouets Bruch mit der Kommunistischen Partei Frankreichs ein weitreichender Wandel ein. Die künftige sozio-ökonomische Entwicklung der Elfenbeinküste sollte in Zusammenarbeit mit und nicht „im antikolonialen Kampf gegen Frankreich“[17] gestaltet werden. So arrangierte sich die PDCI allmählich sowohl mit der Kolonialverwaltung als auch mit den größer werdenden französischen Wirtschaftsinteressen. Innenpolitisch versuchte die PDCI ab Mitte der 1950er Jahre konkurrierende oppositionelle Gruppen zu absorbieren; erleichtert wurde dies durch Patronagemöglichkeiten, die der Elfenbeinküste seit den Kommunalwahlen 1956 und den ersten Wahlen zur Territorialversammlung 1957 zur Verfügung standen. Die Tolerierung von französischen Interessen ging so weit, daß Houphouet 12 der 60 Plätzen auf PDCI-RDA-Listen zur Wahl der Territorialversammlung französischen Staatsbürgern einräumte, die nach 1956 über keinerlei gesetzlich festgelegte Mitbestimmungsrechte mehr verfügten.[18] Davon abgesehen entwickelte sich die PDCI innerparteilich mehr und mehr zu einer „‚political machine’, deren Hauptzweck mehr in der Befriedigung materieller Interessen ihrer Führungskräfte als in der Erfüllung programmatischer Ziele bestand.“[19] Bis Ende der 1950er Jahre hatte die PDCI dank relativ reichlicher öffentlicher Mittel nahezu alle wettbewerbenden Gruppen oder Personen in sich vereinigt, bei den Territorialversammlungswahlen von 1957 kandidierten zum letzten Mal Oppositionsparteien, die schlußendlich jedoch keine Sitze erringen konnten.[20] Houphouet gehörte von 1956 bis Anfang 1959 allen französischen Regierungen als Minister an und war maßgeblich an der Ausarbeitung der die ‚Communauté Francaise’ betreffenden Teile der Verfassung der V. Republik beteiligt. Die ‚Communauté Francaise’ räumte den Kolonien mehr Autonomie gegenüber dem Mutterland ein,[21] verpflichtete Frankreich aber auch umgekehrt zur Unterstützung.[22] Houphouet war mehr an dieser tiefergehenden wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Frankreich gelegen, als an völkerrechtlicher Unabhängigkeit und der Status der Elfenbeinküste als autonome aber privilegierte Provinz im Rahmen der ‚Communauté Francaise’ wurde von ihm als absolut ausreichend empfunden. Als „Versuchung, der alle kolonialen Völker ausgesetzt sind“[23], betrachtet er die staatliche Unabhängigkeit vor der Nationalversammlung: „Wir wissen, daß dieses Stadium überholt ist, und wir suchen den Weg einer aktiven Zusammenarbeit mit Frankreich“[24]. Houphouet befürchtete, daß die dem Rückzug Frankreichs folgenden zentrifugale Kräfte das neue Staatengebilde auseinanderreißen könnten, wie bereits in anderen Kolonien geschehen.[25] Als im Jahre 1960 Senegal und dem Französischen Sudan die Unabhängigkeit gewährt wurden, sah er sich jedoch unter politischem Zugzwang und wollte „auch für die Elfenbeinküste keinen ‚minderen Status’“[26]. So erhielt die Elfenbeinküste im August 1960 die Unabhängigkeit vom Mutterland Frankreich.[27]
2. Politische Verselbständigung in Zusammenarbeit mit der Kolonialmacht
2.1 Das politische System nach der Unabhängigkeit
Laut Claus Zeller setzt der letzte Abschnitt der Entkolonialisierung, die Entwicklung zur Nation, mit der Entstehung eines neuen politischen Gebildes ein. Dieses wird bestimmt durch „die Schaffung staatlicher Organisationen, die Besetzung der Führungsstellen dieser Organisation durch die Leiter der nationalen Bewegung und durch die Entstehung eines neuen Subjekts im internationalen Verkehr.“[28] Im Falle der Elfenbeinküste war es Houphouet, der als Führer des PDCI nach der Unabhängigkeit die Regierungsgeschäfte übernahm.[29] Die neugeschaffene Verfassung kombinierte Züge der der V. Republik mit solchen der US-Verfassung. Sie schuf ein präsidentielles System das voll und ganz auf eine starke Führungspersönlichkeit wie ihn zugeschnitten war. Formal wurde der Staatspräsident für fünf Jahre in einer allgemeinen Wahl gewählt, er war gleichzeitig Regierungschef und verfügte somit über sehr umfangreiche exekutive Kompetenzen. Das Parlament, dem laut Ziemer zwar „Haushalts- und Gesetzgebungskompetenz nur innerhalb eines genau festgelegten Rahmens“[30] zustand, bildete kein wirkliches legislatives Gegengewicht.[31]
[...]
[1] Frey, Ulrich (1986): Entwicklungsländer im Systemvergleich. Sozialistische Verelendung und marktwirtschaftliches Wachstum, Kreuzlingen und Bern, S. 73.
[2] Ebenda.
[3] Zeller, Claus (1969): Elfenbeinküste. Ein Entwicklungsland auf dem Weg zur Nation, Freiburg, S. 20.
[4] Arendt, Hannah (1955): Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Stuttgart, S. 215.
[5] Die Implementierung der archaischen Stammesstrukturen war aber nur dort möglich, wo die politische Organisation soweit fortgeschritten war, daß sie über Dorfebene hinaus reichte. In den Gebieten der Kru sowie der Mande, die zusammen fast ein Drittel der Bevölkerung stellten, war dies nicht der Fall. (Ziemer, Klaus (1984): Demokratisierung in Westafrika, Paderborn, S. 79.)
[6] Ziemer, Klaus (1984): Demokratisierung in Westafrika, Paderborn, S. 79.
[7] Zeller, Claus (1969): Elfenbeinküste. Ein Entwicklungsland auf dem Weg zur Nation, Freiburg, S. 21.
[8] Ebenda, S. 21f.
[9] Ebenda.
[10] Ziemer, Klaus (1984): Demokratisierung in Westafrika, Paderborn, S. 80.
[11] Zeller, Claus (1969): Elfenbeinküste. Ein Entwicklungsland auf dem Weg zur Nation, Freiburg, S. 22.
[12] Ziemer, Klaus (1984): Demokratisierung in Westafrika, Paderborn, S. 80.
[13] Ebenda, S. 81.
[14] Zeller, Claus (1969): Elfenbeinküste. Ein Entwicklungsland auf dem Weg zur Nation, Freiburg, S. 49.
[15] Ziemer, Klaus (1984): Demokratisierung in Westafrika, Paderborn, S. 81.
[16] Ebenda. S. 48-55.
[17] Ziemer, Klaus (1984): Demokratisierung in Westafrika, Paderborn, S. 82.
[18] Ebenda.
[19] Ebenda.
[20] Ziemer, Klaus (1984): Demokratisierung in Westafrika, Paderborn, S. 82.
[21] Ruscio, Alain (2004): Wenn die Perlenschnur reißt, in: le monde diplomatique Nr. 7404 vom 9.7.2004.
[22] Zeller, Claus (1969): Elfenbeinküste. Ein Entwicklungsland auf dem Weg zur Nation, Freiburg, S. 85.
[23] Houphouet-Boigny vor der nationalen Vereinigung der regionalen Tagespresse in ‚Information’ vom 13.10.56.
[24] Ebenda.
[25] Zeller, Claus (1969): Elfenbeinküste. Ein Entwicklungsland auf dem Weg zur Nation, Freiburg, S. 87.
[26] Ziemer, Klaus (1984): Demokratisierung in Westafrika, Paderborn, S. 83.
[27] Ebenda.
[28] Zeller, Claus (1969): Elfenbeinküste. Ein Entwicklungsland auf dem Weg zur Nation, Freiburg, S. 23.
[29] Zeller, Claus (1969): Elfenbeinküste. Ein Entwicklungsland auf dem Weg zur Nation, Freiburg, S. 23.
[30] Ziemer, Klaus (1984): Demokratisierung in Westafrika, Paderborn, S. 89.
[31] Ebenda.
- Arbeit zitieren
- Tobias Senzig (Autor:in), 2005, Die Côte d'Ivoire und die europäische Sicherheitspolitik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/40919
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