„Die menschliche Vernunft hat das besondere Schicksal in einer Gattung ihrer Erkenntnisse: daß sie durch Fragen belästigt wird, die sie nicht abweisen kann; denn sie sind ihr durch die Natur der Vernunft selbst aufgegeben, die sie aber auch nicht beantworten kann, denn sie übersteigen alles Vermögen der menschlichen Vernunft. [...] (Versucht die menschliche Vernunft dennoch diese sich ihr mit natürlicher Notwendigkeit aufdrängenden Fragen zu beantworten, so) stürzt sie sich in Dunkelheit und Widersprüche“. Dieses von Immanuel Kant zu Beginn der ersten Auflage der „Kritik der reinen Vernunft“ angedeutete Problem der Vernunftantinomie manifestiert sich in seiner engsten begriffstheoretischen Fassung (siehe hierzu Kapitel 2.1 der vorliegenden Untersuchung) als „eine ganz natürliche Antithetik, auf die keiner zu grübeln und künstlich Schlingen zu legen braucht, sondern in welche die Vernunft von selbst und zwar unvermeidlich gerät“. Diese natürliche Antithetik der reinen menschlichen Vernunft tritt in der Form vierer Widerstreite der kosmologisch-transzendentalen Ideen (siehe hierzu Kapitel 2.2 der vorliegenden Untersuchung) auf. Diese vier Widerstreite der kosmologisch-transzendentalen Ideen weisen unter anderem zwei grundlegende Gemeinsamkeiten auf. Zum einen behandeln sie jeweils eine spezifische Ausformung des Problems der „Totalität in der Reihe der Prämissen“ in Bezug auf ein bestimmtes Bedingtes in der Welt der Erscheinungen und zum anderen ist in ihrem Kontext eine transzendentale Dialektik – mit Kant verstanden als eine transzendentale Scheinlogik – zu erkennen, welche es der reinen menschlichen Vernunft – sofern sie im Stadium des Nicht-Selbstkritisierens verharrt – verunmöglicht, in Bezug auf ihre hervorragendsten, sich ihr natürlich aufdrängenden Fragestellungen Antworten im Sinne wissenschaftlicher Aussagen zu erarbeiten. [...] Diese Hypothese und die skizzierte ihr zugrundeliegende Problematik der Vernunftantinomie wird nachfolgend anhand der leitenden Fragestellung „Inwieweit wird die Behebung der Vernunftantinomie durch den Vollzug der ´Revolution der Denkart´ in der Philosophie überhaupt erst ermöglicht?“ eingehender analysiert werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Vernunftantinomie bei Immanuel Kant
- Der Antinomie-Begriff Immanuel Kants – eine Skizze
- Die begriffstheoretische Verortung der Antinomie und die Darlegung ihres Entstehungszusammenhanges
- Die Ursache und die Behebung der Vernunftantinomie - das regulative Prinzip der reinen Vernunft
- Die „Revolution der Denkart“ als „doppeltes Standnehmen“
- Das „doppelte Standnehmen“ als Grundvoraussetzung der Behebung der Vernunftantinomie
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht den Zusammenhang zwischen der Vernunftantinomie und der „Revolution der Denkart“ in Immanuel Kants „Kritik der reinen Vernunft“. Ziel ist es, zu erforschen, inwieweit die Behebung der Vernunftantinomie durch die „Revolution der Denkart“ ermöglicht wird. Die Analyse konzentriert sich auf die Behebung der Vernunftantinomie und die Rolle des „doppelten Standnehmens“ in diesem Prozess.
- Der Antinomie-Begriff Immanuel Kants
- Die Entstehung und Ursache der Vernunftantinomie
- Das regulative Prinzip der reinen Vernunft
- Die „Revolution der Denkart“ in der Philosophie
- Die Behebung der Vernunftantinomie durch die „Revolution der Denkart“
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema der Vernunftantinomie ein und präsentiert Kants Problematik der Unvereinbarkeit von Vernunftfragen und deren Beantwortbarkeit. Kapitel 2 analysiert die Vernunftantinomie im Detail, wobei der kantische Antinomie-Begriff, seine begriffstheoretische Verortung und der Entstehungszusammenhang des Problems beleuchtet werden. Zudem wird die Ursache der Antinomie sowie deren Behebung durch das regulative Prinzip der reinen Vernunft untersucht. Kapitel 3 widmet sich der „Revolution der Denkart“ und erklärt deren Bedeutung als „doppeltes Standnehmen“. Abschließend wird in Kapitel 4 die zentrale Rolle des „doppelten Standnehmens“ für die Behebung der Vernunftantinomie hervorgehoben.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit zentralen Begriffen aus Kants „Kritik der reinen Vernunft“, insbesondere mit der Vernunftantinomie, der „Revolution der Denkart“, dem regulativem Prinzip der reinen Vernunft, der transzendentalen Dialektik und dem „doppelten Standnehmen“.
- Quote paper
- Oliver Westerwinter (Author), 2005, Vernunftantinomie und 'Revolution der Denkart' in Immanuel Kants 'Kritik der reinen Vernunft' - eine Skizze ihres Zusammenhanges, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/40885