Die Eroberung Englands und die Folgen für die Stadt - Eine Untersuchung zum Städtewesen Englands vor und nach 1066 mit besonderer Berücksichtigung Londons


Trabajo Escrito, 2005

24 Páginas, Calificación: 2,0


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Quellenlage

2. Die Stadt
2.1. Was ist eine Stadt?
2.2. Die drei Funktionen einer Stadt – Ein Modell

3. Die allgemeine Entwicklung des Städtewesens in England vor und nach 1066
3.1. Das Städtewesen in England vor 1066
3.2. Das Städtewesen in England nach 1066

4. Der Fall London
4.1. Eine kurze Geschichte Londons bis 1066
4.2. London im Vergleich zur allgemeinen Entwicklung nach 1066

5. Resümee

6. Literaturverzeichnis

7. Anhang
7.1. Wichtige Städte in England um 1086
7.2. Die Stadt und die Burg
7.3. Die Stadt und die Klöster
7.4. London

1. Einleitung

Als Wilhelm der Eroberer die Streitkräfte Harolds II bei Hastings 1066 besiegt hatte, war seine Herrschaft im eroberten England bei weitem noch nicht gesichert. In vielen Regionen im Land wehrte sich der alteingesessene Adel gegen den neuen König und Wilhelm musste schon kurz nach seiner Thronbesteigung einsehen, dass seine sanfte Politik der Schaffung einer englisch-normannischen Aristokratie nicht funktionierte. Er musste zu härteren Mitteln greifen, um seine Macht zu festigen. Der Aufbau eines strengen feudalen Systems, wie es auf dem europäischen Festlands gang und gebe war, schien da als wirksamstes Mittel. Die Burg und die Kirche spielten zusammen mit der Stadt in dieser Maßnahme zur Herrschaftssicherung eine Schlüsselrolle – um die wechselseitigen Beziehungen zwischen den Institutionen Kirche und Burg auf der einen Seite, und der Stadt auf der anderen, wird es hier gehen.

Um das Wesen der Stadt im England des 11. Jahrhunderts zu verstehen, werde ich im ersten Abschnitt dieser Arbeit ein Modell von Grenville präsentieren, das die Stadt nach ihrer Funktion entschlüsselt. Dieses Modell werde ich dann auf die Shire-Towns anwenden, um daraufhin die Veränderungen herauszufiltern, die durch die Mechanismen der Herrschaftssicherung der Normannen nach 1066 entstehen. Dieser allgemeinen Beschreibung der Auswirkungen der Eroberung Englands wird dann ein Überblick über die Entwicklungen in London folgen, um anschließend nach Ähnlichkeiten und Unterschieden zu suchen.

1.1. Quellenlage

Das Domesday Book ist unbestreitbar eine einzigartige Quelle zur mittelalterlichen Geschichte Englands und ist auch in dem Kontext dieser Arbeit nicht wegzudenken. Mit Hilfe dieses Werks ist es möglich, die Größe und den Reichtum der Städte Englands statistisch recht verlässlich nachzukonstruieren und zu vergleichen. Eine weitere unverzichtbare Quelle ist die Archäologie. Sie ermöglicht über die rein statistischen Angaben aus dem Domesday Book hinaus ein geographisches Verständnis der Stadt. Eng an die Archäologie geknüpft spielt auch die Numismatik eine wesentliche Rolle, denn durch die Prägung unterschiedlicher Münzen in den verschiedenen Städten ist es heute möglich, anhand der Häufigkeit von aufgefundenen Münzen in bestimmten Regionen, Rückschlüsse auf das Handelsverhalten und die wirtschaftliche Prosperität einer Stadt zu ziehen.

All diese Quellen kann ich leider nicht direkt verwenden, da dies den Rahmen dieser Arbeit sprengen würden. Deshalb muss ich mich hier weitgehend auf die Ergebnisse der Quellenanalyse anderer Autoren verlassen.

2. Die Stadt

2.1. Was ist eine Stadt?

Die auf den ersten Blick banal wirkende Frage, was denn überhaupt eine Stadt sei, bietet bei näherer Untersuchung einen Einblick in die Probleme der Begriffsdefinition im Umgang mit dem Mittelalter. Da schon die Zeitzeugen der Ereignisse um 1066 sehr ungenau mit den jeweiligen Bezeichnungen für städtische Siedlungen umgegangen sind, ist es heute nur schwer möglich, einheitliche Kriterien für Städte im Mittelalter zu entwickeln. Denn die Ungenauigkeit im Umgang mit diesen Bezeichnungen führte letztendlich dazu, dass die in den Quellen wie dem Domesday Book verzeichneten Orte alles andere als homogene Charakteristika haben: Zwar war sicherlich die Einwohnerzahl ein nicht völlig unwichtiges Kriterium – andere Faktoren waren meist jedoch ausschlaggebender. Es war durchaus möglich, dass eine Ortschaft mit 300 Einwohnern nicht als Stadt betrachtet wurde, während dies beim Nachbarort mit 200 Einwohnern durchaus der Fall war – weil sie mehr Rechte besaß. Es ist im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich, zu erörtern welche Kriterien aus heutiger Sicht am sinnvollsten das Wesen einer Stadt von dem einer anderen Ortschaft unterscheidet – deshalb werde ich an dieser Stelle die folgenden Charakteristika für die Städte in England um 1066 formulieren die ich für die Bedeutensten halte, wohl wissend, dass dies eine Verkürzung darstellt:[1]

- Sie sind (meistens) im Verhältnis zu anderen Ortschaften ihrer Umgebung recht groß. Dabei kann jedoch schon die Einwohnerzahl von 200-300 Einwohnern genügen um die größte Stadt einer Region zu bilden.
- Sie besitzen meistens eindeutige Rechte, die ihnen eine privilegierte Stellung gegenüber anderen Ortschaften verschaffen. Vom Zollrecht über Sonderregelungen bei der Steuerabgabe bis zur eigenen Gerichtsbarkeit können solche Privilegien reichen.
- Sie sind meistens mit einer Mauer umgeben. Die Rolle dieser Ummauerung darf jedoch nicht überschätzt werden, da sie im England des Mittelalters nicht die gleiche Funktion wahrnahm, wie auf dem Festland der selben Zeit.[2]

2.2. Die drei Funktionen einer Stadt – Ein Modell

Nach Astill Grenville gibt es drei Dimensionen, in denen die mittelalterliche Stadt eine bestimmte, charakteristische Funktion wahrnehmen kann:[3]

Die politische Dimension – Um eine einigermaßen verlässliche Steuererhebung durchführen zu können, waren Zentren nötig, von denen aus eine solche Erhebung organisiert und überblickt werden konnte. Diese Zentren erhielten mit der Zeit auch weitere Befugnisse und bauten somit ihre Bedeutung im bürokratischen System Englands aus.[4] Mit der steigenden Bedrohung der Städte Englands durch die vom Norden her regelmäßig einfallenden Wikinger kam vor allem im neunten Jahrhundert häufig auch eine militärische Funktion hinzu: Wenn auf der einen Seite Steuern von der Bevölkerung erhoben wurden, musste man auf der anderen Seite auch Schutz vor Feinden bieten.[5]

Die religiöse Dimension – Ein Problem bei der Herrschaft von Monarchen über größere Gebiete im Mittelalter ist die mangelnde Präsenz des Herrschers in den einzelnen Regionen. Die permanente Präsenz der Kirche in der Stadt konnte jedoch die spärliche und temporäre Präsenz des Monarchen in der Region ersetzen, da die Kirche ihre eigene strenge Hierarchie besaß und nur die Spitze der Kirche fest an den jeweiligen Herrscher gebunden werden musste, um auch die Basis und deren Einflussbereich zu sichern.[6]

Die ökonomische Dimension – Ein Phänomen, dass vor allem in Mitteleuropa die Bedeutung der Stadt stärkte, war die Wahrnehmung von Funktionen im Bereich des Fernhandels. Der Fernhandel benötigte eine zentrale Organisation, die in den Städten ihre Basis hatte. Zwar war diese Funktion in England keineswegs so dominant wie in anderen Teilen Europas, sie ist jedoch nicht zu vernachlässigen.[7]

Diese drei Dimensionen sind nur relativ unabhängig zu einander – nur relativ, da bereits in den obigen Erläuterungen klar wird, dass sich beispielsweise die religiöse und politische Dimensionen überschneiden. Selbstverständlich ist dieses auf drei Dimensionen beschränkte Modell nicht in der Lage, die Entstehung und die Entwicklung jeder Stadt zu erklären – aber dennoch wird nach der Invasion der Normannen deutlich, dass sich dieses Modell tatsächlich der Realität annähert und ein Verständnis der Städtepolitik der Normannen ermöglicht.

3. Die allgemeine Entwicklung des Städtewesens in England vor und nach 1066

3.1. Das Städtewesen in England vor 1066

In diesem Abschnitt werde ich kurz auf die Verfassung der Städte Englands vor der Eroberung eingehen. Es ist im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich, die Entwicklung der Städte in England allgemein zu skizzieren, weshalb ich nur einen kurzen und knappen Überblick über die Städtelandschaft Englands vor 1066 biete und die Shire-Towns als verdeutlichendes Beispiel heranziehe. Für eine ausführliche Beschreibung der Geschichte des Städtewesens vor 1066 verweise ich hier auf Reynolds´ umfassendes Werk zur Geschichte der Städte Englands im Mittelalter.[8]

3.1.1. Ein Überblick über die Städte Englands vor der normannischen Invasion

London besitzt nach Schätzungen 1089 etwa 25.000 Einwohner und bildet mit großem Abstand die größte Stadt Englands im Mittelalter, gefolgt von 14 weiteren Städten mit mehr als 5.000 Einwohnern.[9] Es existierten schätzungsweise weitere 24 Städte mit einer Einwohnerzahl größer als 1.000 und 21 Städte mit 100-1.000 Bewohnern.[10] Insgesamt lebten laut Keene etwa 6% der Gesamtbevölkerung Englands zu dieser Zeit in den 15 größten Städten (Vergleiche hierzu die Karte unter 7.3).[11] Es ist zu vermuten, dass sich diese Daten vor allem bei den größeren Städten nicht extrem von den entsprechenden Zahlen vor 1066 unterscheiden, vom Zuzug weniger französischer Adeliger und der Bildung von jüdischen Gemeinden abgesehen, und sie deshalb durchaus verwendbar sind.[12]

Vor 1066 lag der Schwerpunkt der Funktionen, die eine Stadt in England wahrnahm, hauptsächlich im Bereich der politischen und ökonomischen Dimensionen. Die Steuererhebung wurde meist über die größeren Städte organisiert, das Recht Zölle zu erheben wurde in eben diesen Städten zentralisiert und die Koordinierung des Handels wurde hier durchgeführt.[13] Auch die eng an den Handel geknüpfte Münzprägung spielte eine wichtige Rolle. Es bildeten sich spezialisierte Gewerbezweige in den Städten und sie bildeten Rechtszentren für das jeweilige Umland.[14] Die militärische Funktion, also die Beherbergung von Truppen in der Stadt, betraf jedoch nur einige wenige Städte, die direkt einer Bedrohung ausgesetzt waren. Auch die Kirche spielte noch nicht die gewichtige Rolle im Städtewesen Englands, die sich nach der Eroberung durch die Normannen herauskristallisiert.

Die Stadt bildete vor 1066 also nur einen losen Baustein in der englischen Bürokratie, wie auch Campbell behauptet: Es sei durchaus richtig, “towns as communities with powers of independent action” zu betrachten, wie “particular royal arrangements with particular towns” verdeutlichen würden.[15] Tatsächlich ist es so, dass viele Städte verschiedene Rechte die sie von alters her für sich beanspruchen, nach einiger Zeit vom König bestätigt bekamen und somit einen bestimmten Sonderstatus wahrnahmen. Es fehlte vor 1066 also eine strenge Hierarchie mit eindeutigen Regelungen und Verpflichtungen.

3.1.2. Das Innenleben einer Stadt und Stadtentstehung

Wodurch kommt es überhaupt zur Bildung einer Stadt? Oder besser gesagt: Wodurch kommt es überhaupt erst zu einer Anhäufung von Bewohnern in einer Ortschaft? Eine Antwort auf diese Fragen ist sehr komplex und müsste eine Großzahl verschiedener Fälle berücksichtigen, ist in solcher Ausführlichkeit hier jedoch nicht möglich. Meist lässt sich jedoch die Konzentration von Einwohnern auf die Präsenz von einer Burg (und damit auch Adligen), einer bedeutenden Stellung im Handelssystem (durch günstige Lage), einer größeren kirchlichen Institution (beispielsweise einer Kathedrale), oder mehrerer dieser Institutionen zurückführen. Denn die Haushalte, die in solchen Fällen entstehen, haben weitreichende Auswirkungen:[16]

- “First, such households generated a considerable demand for household services of many kinds […] and the resulting coming together of dependants could be sufficiently large to constitute the core of a landless or nearly landless community.”
- “Secondly, though large households might depend upon materials and provisions drawn from afar, they often required local craftsmen to work for them.”
- “Thirdly, they often employed local people in the business of procuring supplies.”
- “Fourthly, large households commonly attracted a stream of visitors who needed temporary accommodation or other services.”

Letztendlich lebt eine Stadt im Mittelalter also davon, ob sie eine größere Zahl von Proletariern unterhalten kann – ob sie also in der Lage ist, eine ausreichende Menge an Arbeitsplätzen zu schaffen, die nicht an den Besitz von Land gekoppelt sind.

3.1.3. Das Beispiel der Shire-Towns

Um zu verdeutlichen, wie sich das Wechselspiel zwischen der Stadt und dem umgebenden Land gestaltete, werde ich nun auf das Beispiel der Shire-Towns eingehen.

“By 1066 there were sixteen shires between Thames and Humber, and west of East Anglia and Essex, which took their names from their shire towns. In seven of these shires the shire town was the only Domesday place with any urban status.”[17]

[...]


[1] Alternative Kriterien gibt es beispielsweise bei Reynolds, Susan, An Introduction to the History of English Medieval Towns, Oxford, 1977, Seite ix: „The working definition [...] is that a town is a permanent human settlement with two chief and essential attributes. The first is that a significant proportion […] of its population lives off […] non-agricultural occupations. […] The second […] is that it forms a social unit more or less distinct from the surrounding countryside.” Positiv an diesen Kriterien ist zu bemerken, dass die Unabhängigkeit der Stadtbewohner vom Land betont wird, problematisch ist jedoch, dass in diesem Schema die Unterscheidung zwischen bedeutenden Städten, die auch als solche wahrgenommen wurden, und anderen Ortschaften keinen Platz hat.

[2] Vgl. Walker, David, The Normans in Britain, Oxford, 1995, Seite 15: Die Engländer versuchten meist nicht, eventuelle Feinde erst nach deren Landung im Inland zu schlagen, sondern diese bereits an der Küste bei der Landung zu bedrängen. Dadurch erhielt die Stadtmauer in England natürlich eine weniger bedeutende Stellung.

[3] Vgl. Grenville, Astill, General Survey 600-1300, in: Palliser, D. M. [Hrsg.], The Cambridge Urban History of Britain, Bd. 1 (600-1540), Cambridge, 2000, Seiten 27-49, hier: Seiten 29 und 30

[4] Vgl. ebd., Seite 29

[5] Vgl. ebd., Seite 35

[6] Vgl. ebd., Seite 30

[7] Vgl. Keene, Derek, s.v. Die Städte Englands vor und nach 1066, in: LexMa 7, Spalten 2197-2200, hier: Spalte 2197

[8] Reynolds, Susan, An Introduction to the History of English Medieval Towns, Oxford, 1977

[9] Vgl. Keene, LexMa7, Spalte 2198

[10] Vgl. Reynolds, Seite 35

[11] Vgl. Keene, LexMa 7, Spalte 2198

[12] Vgl. Holt, Richard, Society and Population 600-1300, in: Palliser, D. M. [Hrsg.], The Cambridge Urban History of Britain, Bd. 1 (600-1540), Cambridge, 2000, Seiten 79-104, hier: Seiten 84 und 93

[13] Vgl. Grenville, Seite 29

[14] Vgl. Keene, LexMa 7, Spalte 2197

[15] Vgl. Campbell, James, Power and Authority 600-1300, in: Palliser, D. M. [Hrsg.], The Cambridge Urban History of Britain, Bd. 1 (600-1540), Cambridge, 2000, Seiten 51-78, hier: Seiten 58 und 59

[16] Vgl. Britnell, Richard, The Economy of British Towns 600-1300, in: Palliser, D. M. [Hrsg.], The Cambridge Urban History of Britain, Bd. 1 (600-1540), Cambridge, 2000, Seiten 105-126, hier: Seiten 109 und 110

[17] Campbell, Seite 53

Final del extracto de 24 páginas

Detalles

Título
Die Eroberung Englands und die Folgen für die Stadt - Eine Untersuchung zum Städtewesen Englands vor und nach 1066 mit besonderer Berücksichtigung Londons
Universidad
Humboldt-University of Berlin  (Institut für Geschichtswissenschaften)
Curso
Die Eroberung Englands 1066
Calificación
2,0
Autor
Año
2005
Páginas
24
No. de catálogo
V40857
ISBN (Ebook)
9783638392709
ISBN (Libro)
9783656854296
Tamaño de fichero
3354 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Eroberung, Englands, Folgen, Stadt, Eine, Untersuchung, Städtewesen, Englands, Berücksichtigung, Londons, Eroberung, Englands
Citar trabajo
Martin Meingast (Autor), 2005, Die Eroberung Englands und die Folgen für die Stadt - Eine Untersuchung zum Städtewesen Englands vor und nach 1066 mit besonderer Berücksichtigung Londons, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/40857

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