Wendet man sich der Meuterei der rheinischen Legionen im Jahr 14 zu, so kann davon ausgegangen werden, dass ebenso eine Beschäftigung mit dem Feldzug desselben Jahres erfolgen muss. Beide Ereignisse stehen in einer engen Verbindung. Viele Fragen zeigen sich im Zusammenhang mit den Meutereien am Rhein und den Germanienfeldzügen in Folge der schwierigen Quellenlage als schwerlich zu beantworten. Die Quellen, welche uns vorliegen, zeichnen kein einheitliches Bild und gewichten verschiedene Aspekte sehr unterschiedlich. Auch geben sie keine Auskunft über die mit den Kriegen verbundenen politischen Ziele der römischen Führung. Es ist in der Forschung umstritten, erscheint jedoch im Zusammenhang mit der Meuterei von großer Bedeutung, worin die Feldzüge des Germanicus ihren Auslöser fanden. Eine Reihe von Hypothesen wurde gebildet, welchen jeweils ein gewisser Wahrscheinlichkeitsgehalt zu bestätigen ist. Letztlich lässt sich schwer klären, ob die Feldzüge auf Augustus oder Tiberius zurückreichen, oder ob sie Germanicus eigenmächtig unternahm, um das Heer befrieden zu können, was für das Jahr 14 mit ziemlicher Sicherheit anzunehmen ist. Wahrscheinlich wäre die Frage auch für jeden Augenblick neu zu stellen und neu zu beantworten. Unstrittig scheint, wie eben erwähnt, dass zumindest die Marserexpedition des Jahres 14 in einer engen Verbindung mit den Meutereien der Legionen am Rhein steht. Aber diese Verbindung wirft auch Fragen auf, welche im Verlaufe dieser Arbeit benannt und zu beantworten versucht werden sollen.
Doch es müssen auch gleich die Einschränkungen genannt werden: Nur aus einer Gesamtschau des vorliegenden Quellenmaterials, was an dieser Stelle als unmöglich erscheint, lässt sich ein vorsichtiges Bild der Vorgänge ab dem Jahr 14 in Germanien zeichnen. Für die Germanienfeldzüge scheint Tacitus die einzige existente ausführlichere Quelle zu sein. Dennoch berühren auch einige anderer Autoren, wenn auch nur knapp und beiläufig – woraus sich wiederum bereits Schlüsse ziehen lassen – das besagte Thema. Sie müssen beachtet und in die Bewertung der Vorgänge mit einbezogen werden, da sie eine Multi- anstatt einer Monoperspekivität, welche sich nur auf Tacitus stützt, ermöglichen. Denn auch die taciteische Darstellung der Geschehnisse, wenn sie auch recht ausführlich erscheint, bedarf der äußerst vorsichtigen Bewertung. Timpe spricht eine Reihe von Punkten an, welche in diesem Zusammenhang der Beachtung bedürfen.
INHALT
Historischer Kontext, Bedeutungszusammenhänge und Fragestellungen
Das Germanien-Problem: Einordnung des Feldzuges des Jahres
Das Agieren des Germanicus während der Meuterei
Die Ziele des Aufstandes
Das Verhältnis zwischen Germanicus und Tiberius
Zusammenfassende Betrachtung
Literaturverzeichnis
Historischer Kontext, Bedeutungszusammenhänge und Fragestellungen
Wendet man sich der Meuterei der rheinischen Legionen im Jahr 14 zu, so kann davon ausgegangen werden, dass ebenso eine Beschäftigung mit dem Feldzug desselben Jahres erfolgen muss. Beide Ereignisse stehen in einer engen Verbindung. Viele Fragen zeigen sich im Zusammenhang mit den Meutereien am Rhein und den Germanienfeldzügen in Folge der schwierigen Quellenlage als schwerlich zu beantworten. Die Quellen, welche uns vorliegen, zeichnen kein einheitliches Bild und gewichten verschiedene Aspekte sehr unterschiedlich. Auch geben sie keine Auskunft über die mit den Kriegen verbundenen politischen Ziele der römischen Führung. Es ist in der Forschung umstritten, erscheint jedoch im Zusammenhang mit der Meuterei von großer Bedeutung, worin die Feldzüge des Germanicus ihren Auslöser fanden. Eine Reihe von Hypothesen wurde gebildet, welchen jeweils ein gewisser Wahrscheinlichkeitsgehalt zu bestätigen ist. Letztlich lässt sich schwer klären, ob die Feldzüge auf Augustus oder Tiberius zurückreichen, oder ob sie Germanicus eigenmächtig unternahm, um das Heer befrieden zu können, was für das Jahr 14 mit ziemlicher Sicherheit anzunehmen ist. Wahrscheinlich wäre die Frage auch für jeden Augenblick neu zu stellen und neu zu beantworten. Unstrittig scheint, wie eben erwähnt, dass zumindest die Marserexpedition des Jahres 14 in einer engen Verbindung mit den Meutereien der Legionen am Rhein steht. Aber diese Verbindung wirft auch Fragen auf, welche im Verlaufe dieser Arbeit benannt und zu beantworten versucht werden sollen.
Doch es müssen auch gleich die Einschränkungen genannt werden: Nur aus einer Gesamtschau des vorliegenden Quellenmaterials, was an dieser Stelle als unmöglich erscheint, lässt sich ein vorsichtiges Bild der Vorgänge ab dem Jahr 14 in Germanien zeichnen. Für die Germanienfeldzüge scheint Tacitus die einzige existente ausführlichere Quelle zu sein. Dennoch berühren auch einige anderer Autoren, wenn auch nur knapp und beiläufig – woraus sich wiederum bereits Schlüsse ziehen lassen – das besagte Thema. Sie müssen beachtet und in die Bewertung der Vorgänge mit einbezogen werden, da sie eine Multi- anstatt einer Monoperspekivität, welche sich nur auf Tacitus stützt, ermöglichen. Denn auch die taciteische Darstellung der Geschehnisse, wenn sie auch recht ausführlich erscheint, bedarf der äußerst vorsichtigen Bewertung. Timpe spricht eine Reihe von Punkten an, welche in diesem Zusammenhang der Beachtung bedürfen.[1]
Ebenfalls bereitet das Fehlen einer Beschreibung von politischen Zielen, ja das Fehlen einer Darstellung der Motivation zum Krieg erhebliche Schwierigkeiten bei der Einordnung dieser Feldzüge. So kann, um diese Schwierigkeiten an einem Beispiel zu demonstrieren, für das Jahr der Meuterei, es wird noch darauf einzugehen sein, durchaus angenommen werden, dass der Feldzug eben dieses Jahres 14 keineswegs geplant, sondern lediglich eine Reaktion des Germanicus auf die Meuterei der Legionen war. Insofern kann überhaupt nicht davon gesprochen werden, dass der Herbstfeldzug des Jahres 14 den Auftakt zu einem lange vorbereiteten Krieg darstellte. Er war offenbar eine direkte Reaktion auf das eben Vorgefallene und entspringt der Logik der Situation, auch wenn er sich oberflächlich betrachtet in einen größeren zeitlichen Abschnitt dauerhafter Grenzkonflikte einordnen lässt, welcher etwa die Jahre 10 bis 16 umfasst. Somit besitzen die Kämpfe des Jahres 14 offenbar eine eigene, andere Qualität als jene der folgenden Jahre. Insofern soll, auch wenn es notwenig erschiene, auf eine umfangreichere Darstellung dieser Feldzüge[2] verzichtet und sich auf die Geschehnisse im Jahr 14 beschränkt werden. Auch erscheint es nicht sinnvoll, eine detaillierte Beschreibung des Ablaufes der Meuterei vorzulegen. Diese ist bereits ausreichend dokumentiert. Es kann meines Erachtens davon ausgegangen werden, dass man sich aus der taciteischen Beschreibung durchaus ein Bild der Geschehnisse entwerfen kann, welchem ein akzeptabler Wahrscheinlichkeitsgehalt zuzusprechen ist. Die von ihm gezogenen und implizierten Schlüsse müssen und dürfen jedoch nicht widerspruchslos geteilt werden. So soll die reine Beschreibung in dieser, nur sehr beschränkten Betrachtung, keine große Rolle spielen. Stattdessen soll es in erster Linie um die Rolle des Germanicus während der Meuterei gehen. Die folgenden Ausführungen sollen auch um die Frage kreisen, welche Bedeutung die Marserexepition im Jahr 14 hatte. War sie der Auftakt zu einer groß angelegten Offensive, oder war sie eine Maßnahme zur Beruhigung der Legionen?
Noch einer rein technischen Bemerkung bedarf es. Es wird in diesen Ausführungen, und ich hoffe auf gnädige Zustimmung zu stoßen, auf eine aufgefächerte Gliederung, letztlich auf die übliche Form einer Seminararbeit verzichtet, da mir eine eben solche mehr als hinderlich erscheint, das Thema auf dem sehr beschränkten Raum von etwa zwölf Seiten darstellen zu können. Stattdessen soll der Leser lediglich durch Zwischenüberschriften geleitet werden.
Das Germanien-Problem: Einordnung des Feldzuges des Jahres 14
Es kann davon ausgegangen werden, dass es unter Augustus starke Bestrebungen gab, Germanien zu okkupieren. Sowohl Tiberius als auch der ältere Drusus konnten in diesem Zusammenhang nicht unbedeutende Erfolge verbuchen, welche jedoch durch die Katastrophe der Varusschlacht zunichte gemacht wurden. Jene Schlacht bildete, um es hier nur sehr verkürzt darzustellen, eine Zäsur in der römischen Politik in Hinblick auf die Ziele in Germanien. Römische Legionen blieben auch nach der Varusschlacht in Germanien präsent, doch hatten sich die politischen Vorgaben gewandelt. Ab dem Jahr 10 n. Chr. stand Tiberius, mit Unterbrechungen, quasi ständig in jenem Gebiet, um eine Art Pufferzone für das römische Imperium schaffen zu können und gleichzeitig Gallien zu schützen.[3] Augustus hatte offenbar angeordnet, keine größeren Expeditionen mehr stattfinden zu lassen, da dass Imperium Grenzen erreicht hätte, welche seine Sicherheit garantierten (Tac. ann. 1, 9). Timpe hält dem entgegen, dass es als nicht schlüssig gelten könne, dass ein Verzicht auf die Besetzung Germaniens in Erwägung gezogen und in praktische Politik umgesetzt wurde.[4] Er argumentiert, dass es keinen ersichtlichen Grund gäbe, welcher es erlaube zu glauben, dass Germanien für die Römer vor der Varusschlacht wertvoll erschien und dies nach jenem Ereignis nicht mehr der Fall gewesen sei. Dies mag so durchaus richtig sein, unterstellt aber, dass die römische Führung nicht in der Lage gewesen sei, Realitäten zur Kenntnis zu nehmen. Die Realität bedeutete jedoch, dass eine dauerhafte Besetzung germanischen Gebietes kaum möglich war.
Es lässt sich daraus schlussfolgernd sagen, dass offenbar seit dem Jahr 10 eine umfangreiche Reorganisation der römischen Position im germanischen Raum stattfand, welche stets durch kriegerische Auseinandersetzungen begleitet war, jedoch nicht der dauerhaften Besetzung germanischen Gebietes galt. Es kann demnach auch, wie bereits angesprochen wurde, behauptet werden, dass es wenig sinnvoll erscheint, von einer Art „bellum Germanicum“ zu sprechen, da es sich um eine lange Kette militärischer Auseinandersetzungen handelt, welche der Varusschlacht folgten und die das Ziel, um es vorsichtig zu formulieren, der Grenzsicherung verfolgten. Lediglich der Feldzug des Jahres 14, und auch dies wurde bereits angetönt, entspringt offenbar einer anderen Motivation. Darauf wird im Folgenden noch einzugehen sein.
Das Agieren des Germanicus während der Meuterei
Die Anwesenheit des Germanicus am Rhein ist das erste Mal für das Jahr 11 belegt (Dio 56, 25,2). Dort wurde er Tiberius zur Seite gestellt, verbrachte aber das Jahr 12 offenbar als Konsul in Rom und kehrte erst im Januar 13 wieder an den Rhein zurück, diesmal jedoch bereits um Tiberius abzulösen. Laut Tacitus (Tac. ann. 1, 31) führte er das Kommando über Gallien sowie über die beiden Heere am Rhein. Größere kriegerische Auseinandersetzungen sind für diese Zeit nicht überliefert.
[...]
[1] Timpe, Dieter: Der Triumph des Germanicus. Untersuchungen zu den Feldzügen der Jahre 14-16 n. Chr. in Germanien, Bonn 1968, S.3f. Timpe weist darauf hin, dass es sich bei der taciteischen Darstellung um eine äußerst diskontinuierlich vorgetragene handele, dass die Gewichtung der einzelnen Geschehnisse offenbar nicht zwangsläufig die tatsächliche Bedeutung verdeutlicht, dass gar der Realitätsgehalt zu Weilen angezweifelt werden müsse sowie, dass eine gewisse Parteilichkeit des Tacitus deutlich werde.
[2] Es kann meines Erachtens davon ausgegangen werden, dass es sich im besagten Zeitraum um eine Reihe von Feldzügen handelte. Es erscheint mir unangebracht, von einem einzigen, durchgehenden Krieg zu sprechen, da beispielsweise die Motivation für die Kampfhandlungen im Jahre 14 eine durchaus andere gewesen ist als jene in den Jahren 15 und 16.
[3] Vgl. Christ, Karl: Drusus und Germanicus. Der Eintritt der Römer in Germanien, Paderborn 1956, S.76. Hier wird dezidiert die Auffassung vertreten, dass die Grenzen des römischen Imperiums durch eine Art Pufferzone geschützt werden sollte.
[4] Timpe, a.a.O., S.32ff.
- Arbeit zitieren
- Stefan Mielitz (Autor:in), 2004, Germanicus und die Meuterei am Rhein, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/40703
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