Die Frage, was unter Toleranz zu verstehen ist und bis zu welchen Grenzen sie reicht, hat bis zum heutigen Zeitpunkt an Aktualität nicht verloren. Eine Toleranzdiskussion ist in Deutschland besonders seit der durch Luther 1517 ausgelösten Reformation, die zur religiösen Spaltung Deutschlands führte, immer wieder aufgekommen: Der Kampf erst um religiöse Neugestaltung, dann auch um nationale Interessen erreichte im Dreißigjährigen Krieg, der in Deutschland Formen eines Bürgerkrieges annahm, seinen Höhepunkt. Erst mit Beendigung dieses Krieges kam es durch die Vereinbarungen im Westfälischen Frieden zur Rechtsgleichheit der verschiedenen Religionen (Katholiken, Lutheraner und Reformierte). Eine rechtliche Gleichstellung nichtchristlicher Religionen – von sozialer Gleichstellung ganz zu schweigen - war ein Jahrhundert später zu Lessings Zeit nicht vorgesehen, wie es in dem Drama Die Juden zum Ausdruck kommt.
Immer noch, besonders aber seit den Terroranschlägen in den USA spielt der Gegensatz zwischen einer „fundamentalistischen“ und einer „toleranten“ Religion oder Kultur in der öffentlichen Diskussion wieder eine große Rolle. Doch schon in den vergangenen Jahren ist der Begriff der Toleranz allgegenwärtig gewesen.
In der vorliegenden Arbeit soll es um die Toleranzauffassung Gotthold Ephraim Lessings gehen, welche an seinem dramatischen Gedicht Nathan der Weise explizit gemacht werden soll. Anhand Lessings Nathan der Weise und sein Verständnis von Wahrheit sowie seine Einstellung zur Reli-gion möchte ich Lessings Toleranzidee herausarbeiten. Dabei soll Lessings Umgang mit Sprache zeigen, inwieweit diese zu Toleranz und Humanität erziehen kann. „In der Tat ist Nathan der Weise, es zählt dies zur einhelligen communis opinio der Forschung, jenes Werk Lessings, in dem dieser wie in keinem anderen seiner Dramen konsequent die Grenzen und Möglichkeiten von Bildung und Umbildung des Individuums unter dem Aspekt der Befriedung von Gewalt und der Erzeugbarkeit von Toleranz reflektiert.“
Letztendlich geht es mir darum, deutlich zu machen, dass sich das Toleranzverständnis Lessings nicht mit dem des 18. Jahrhunderts deckt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der Begriff Toleranz zu Lessings Zeiten
- Nathan der Weise
- Verständigung: Sprache der Toleranz
- Der widerspenstigen Zähmung des Tempelherrn
- Saladin und die Frage nach der wahren Religion
- Recha und der Glaube an wahre Wunder
- Teilzusammenfassung
- Der Patriarch - Intoleranz in Person
- Die „gute böse Daja“
- Teilzusammenfassung
- Wahrheitsbesitz vs. Wahrheitssuche
- Verständigung: Sprache der Toleranz
- Lessings Toleranzbegriff
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht Gotthold Ephraim Lessings Toleranzauffassung am Beispiel seines dramatischen Gedichts "Nathan der Weise". Ziel ist es, Lessings Verständnis von Wahrheit und Religion zu analysieren und daraus seine Toleranzidee herauszuarbeiten. Dabei wird Lessings Umgang mit Sprache im Hinblick auf seine Fähigkeit, zu Toleranz und Humanität zu erziehen, betrachtet.
- Lessings Toleranzbegriff im Kontext des 18. Jahrhunderts
- Die Rolle von Sprache und Dialog in der Förderung von Toleranz
- Die Darstellung von unterschiedlichen Religionen und deren Konflikte in "Nathan der Weise"
- Die Bedeutung von Vernunft und Empathie für Lessings Toleranzgedanken
- Der Einfluss von "Nathan der Weise" auf die Toleranzdebatte
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die Aktualität des Toleranzbegriffs und führt in die Thematik der Arbeit ein. Kapitel 2 untersucht den Begriff Toleranz im 18. Jahrhundert und beleuchtet dessen Verständnis im Kontext der damaligen Zeit. Kapitel 3 analysiert das dramatische Gedicht "Nathan der Weise" und untersucht darin die Sprache und Handlung als Mittel der Toleranzförderung. Dabei werden verschiedene Figuren und ihre Konflikte sowie Lessings Darstellung unterschiedlicher Religionen betrachtet. Kapitel 4 präsentiert Lessings Toleranzbegriff und beleuchtet seine Bedeutung im Kontext seiner Zeit und im Hinblick auf die heutige Diskussion über Toleranz.
Schlüsselwörter
Toleranz, Religion, Aufklärung, Nathan der Weise, Gotthold Ephraim Lessing, Dialog, Vernunft, Empathie, Sprache, Glaube, Wahrheit, Wahrheitsbesitz, Wahrheitssuche, Intoleranz, Religionskrieg, friedliches Zusammenleben, christlicher Missionsauftrag, Duldung, taktische Toleranz, politische Toleranz, gesellschaftliche Toleranz.
- Quote paper
- Susan Grüßner (Author), 2004, Lessings Toleranzgedanke am Beispiel seines dramatischen Gedichtes 'Nathan der Weise', Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/40679