[...] Aufgrund von bruchstückhaften Funden wollte die ältere Forschung in Worms ein monströs anmutendes Kastell sehen, das mit einer Mauer, die einen Umfang von 3900m bei einem Flächeninhalt von 65ha, wesentlich größer als die doch sehr viel bedeutenderen Städte Mainz, Trier oder Köln gewesen wäre. Nicht allein die Tatsache, daß die Ausgrabungen ein solches immenses Kastell nicht beweisen wollten, so ist es doch überhaupt recht unwahrscheinlich, daß das vergleichsweise unbedeutende Worms so groß gewesen sein sollte. Seit den Forschungen von Koehl 1903 und denen Armknechts 1971 schien diese Größe der Stadtmauern jedoch gesichert zu sein. Aufgrund der negativen Grabungsbefunde mußte man sich in jüngster Zeit jedoch von „Groß- Worms“ verabschieden; Mathilde Grünewald bemühte sich in den letzten Jahren durch zahlreiche Grabungen besonders, die römische Mauer sowie das ebenfalls nicht verifizierbare Kastell zu finden und somit ein auf Fakten begründetes Bild der römischen Stadt aufzuzeigen. Nach ihren Ergebnissen entspricht die römische Stadtmauer mit 1950m Länge der einer römischen Kastellmauer mit einem Flächeninhalt von etwa 23ha. Die mittelalterliche Stadtmauer und ihre Erweiterungen ist natürlich ungleich einfacher auszumachen, ist sie doch in großen Teilen noch erhalten. Besonders der Name Burchard, Bischof von Worms 1000- 1025, wird mit der mittelalterlichen Erweiterung der Mauer in Verbindung gebracht. In dieser Arbeit sollen die römischen und mittelaterlichen Verhältnisse der Stadt Worms und ihrer Mauer aufgezeigt und verglichen werden. Erweiterungen waren des öfteren nötig. Interessant ist natürlich, wer für diese Erweiterungen verantwortlich war und aus welchen Gründen sie durchgeführt wurden. Ich werde mich dabei ausschließlich auf die neueste Froschung zu den Mauern stützen, so daß die alten Schätzungen des ungleich größeren römischen Worms außer acht bleiben.
Inhalt
1 Einleitung
2 Das römische Worms
2.1 Rekonstruktionsversuche
3 Die mittelalterliche Mauer
3.1 Reduktion oder Erweiterung
3.2 Der Mauerverlauf
3.2.1 Der Wormser Hafen
3.3 Die Mauerbauordnung
4 Der Bischof und die Mauer
4.1 Die Erweiterung Burchards
5 Weitere Erweiterungen der Stadtmauer
6 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
450 Jahre römisches Leben in Worms müssen gewiß ihre Spuren hinterlassen haben; man schätzte die römische Zivilisation mit ihren perfekten Konsumgütern, die der germanischen Ware um einiges voraus war. Römische Funde lassen sich bereits in Merowingergräbern ausmachen und auch ihre Bauten haben die Jahrhunderte überdauert. Römische Inschriften sammelte bereits der Wormser Bischof Johann von Dalberg, 1482- 1503, im Bischofshof seiner Residenz neben dem Dom. Die Abschriften sind erhalten geblieben, die Originale gingen wohl schon früh im Zuge kriegerischer Auseinandersetzungen verloren. Vasen, Sarkophage und ähnliches wurden wiederverwendet und zierten das Haus so manches Wormser Bürger noch in der Neuzeit.
Mit der Gründung des Altertumsvereins 1879 änderte sich die Situation grundlegend: jetzt sollten die römischen Überbleibsel wissenschaftlich erforscht werden. Besonders schwierig aber gestaltete und gestaltet sich die Erforschung der Stadtmauer. Aufgrund von bruchstückhaften Funden wollte die ältere Forschung in Worms ein monströs anmutendes Kastell sehen, das mit einer Mauer, die einen Umfang von 3900m bei einem Flächeninhalt von 65ha, wesentlich größer als die doch sehr viel bedeutenderen Städte Mainz, Trier oder Köln gewesen wäre. Nicht allein die Tatsache, daß die Ausgrabungen ein solches immenses Kastell nicht beweisen wollten, so ist es doch überhaupt recht unwahrscheinlich, daß das vergleichsweise unbedeutende Worms so groß gewesen sein sollte. Seit den Forschungen von Koehl 1903 und denen Armknechts 1971 schien diese Größe der Stadtmauern jedoch gesichert zu sein.[1] Aufgrund der negativen Grabungsbefunde mußte man sich in jüngster Zeit jedoch von „Groß- Worms“ verabschieden; Mathilde Grünewald[2] bemühte sich in den letzten Jahren durch zahlreiche Grabungen besonders, die römische Mauer sowie das ebenfalls nicht verifizierbare Kastell zu finden und somit ein auf Fakten begründetes Bild der römischen Stadt aufzuzeigen. Nach ihren Ergebnissen entspricht die römische Stadtmauer mit 1950m Länge der einer römischen Kastellmauer mit einem Flächeninhalt von etwa 23ha.
Die mittelalterliche Stadtmauer und ihre Erweiterungen ist natürlich ungleich einfacher auszumachen, ist sie doch in großen Teilen noch erhalten. Besonders der Name Burchard, Bischof von Worms 1000- 1025, wird mit der mittelalterlichen Erweiterung der Mauer in Verbindung gebracht.
In dieser Arbeit sollen die römischen und mittelaterlichen Verhältnisse der Stadt Worms und ihrer Mauer aufgezeigt und verglichen werden. Erweiterungen waren des öfteren nötig. Interessant ist natürlich, wer für diese Erweiterungen verantwortlich war und aus welchen Gründen sie durchgeführt wurden. Ich werde mich dabei ausschließlich auf die neueste Froschung zu den Mauern stützen, so daß die alten Schätzungen des ungleich größeren römischen Worms außer acht bleiben.
2.Das römische Worms
Die römischen Eroberer waren nicht die ersten, die an dieser Stelle des fruchtbaren Rheintals eine Siedlung errichteten; Besiedelung läßt sich in Worms seit etwa 5000 v.Chr. nachweisen, so wurde beispielsweise im Süden der Stadt am Adlerberg ein linearbandkeramisches Grab nachweisen. Wie die Siedlung aussah, kurz bevor die Römer ankamen, ist ungewiß. Ein befestigtes Oppidum scheint nicht existiert zu haben, lediglich der Name ist bekannt: Borbetomagus oder Bormitomagus.
Das Jahr 15 v.Chr. ist schließlich ein Schlüsseljahr für die Gebiete nördlich der Alpen, als Rom die Gebiete nördlich der Alpen unterwarf und den Machtbereich bis zur Donau sicherte. Ein römisches Hilfstruppenkastell wurde auch in Worms stets vermutet, da Worms nicht nur direkt am Rhein liegt, sondern auch am Treffpunkt der Nordsüdstraße mit einer Verbindung aus dem Westen über die Kaiserslauterner Senke. In dem Gebiet finden sich zudem eine Reihe von Soldatengrabsteinen, die meist Reitern von Hilfstruppen gewidmet sind.
Bereits im 19. Jahrhundert wurden im Innenstadtbereich Fragmente früher Terra Sigillata gefunden[3] ; dieses feine Tafelgeschirr findet sich oft in militärischen Anlagen und ist somit ein weiteres Indiz für das Vorhandensein eines Kastells in Worms. Unter den Böden der Keramiken sind zudem auch immer wieder
Besitzanagaben eingeritzt, diese sind in militärischen Ansiedlungen natürlich wesentlich häufiger als in reinen privaten Siedlungen. Eine Kartierung der Fundorte grenzt das Gebiet ein, auf dem die Kasernen zu suchen sind:
eine hochwasserfreie Terrasse in der heutigen Innenstadt, so daß das Kastell irgendwo zwischen dem Paulusstift und dem Tafelacker liegen muß.
Reste des eigentlichen Kastells aber können in Worms kaum lokalisiert werden; trotz wiederholter Grabungen konnte das Kastell nicht gefunden werden. Sicher ist, daß sich um das Kastell herum eine „Lagersiedlung“ gebildet haben dürfte, so wie es bei Legionslagern der Römer durchaus nicht selten war, daß Zivilstadt und Militärlager nebeneinander existierten.
Das Areal dieser römischen Stadt muß durch die Lage der bereits erwähnten Friedhöfe eingegrenzt werden: „im Süden das Gelände des ehemaligen Klosters Maria Münster, etwa östlich der heutigen Kreuzung der Bahnlinie mit der Speyrer Straße bis zur Klosterstraße gelegen. Im Westen sind die Gräberfelder Bollwerk und Kirschgartenweg zu nennen. Gräber lagen wohl auch im heutigen Bahngraben im Bereich der Alzeyer Straße. Im Norden ist die Situation etwas weniger eindeutig“4, mit Bestimmtheit lassen sich nur in der Judengasse Gräber lokalisieren. Der Pfeddersheimer Arzt Dr. Carl Koehl zeichnete einen Plan des römischen Straßennetzes nach Grabungen des Altertumsvereins im Süden der Stadt und nach eigenen Beobachtungen an Baustellen und Kanalarbeiten; für Worms ergibt sich somit ein regelmäßiges Rasternetz, das die Stadt in einzelne Abschnitte, insulae, unterteilt. Wie aber sah die Mauer aus, die diese römische Stadt umgrenzte? Wie groß war sie und wo genau ist sie- und damit die Stadt?
2.1 Rekonstruktionsversuche
Westlich des Dombezirkes ist ein Stück der angeblichen Stadtmauer in Worms zu bestaunen: ein maximal 3,50 m hohes Stück Mauerwerk von etwa 9 m Länge, das in die bekannte Stadtmauer eingebunden ist. Die Mauer besteht aus handlichen, in Mörtel gesetzten Kalksteinen, oben versehen mit einigen großen, alternierend grauen und roten Sandsteinen; darüber und zu beiden Seiten befindet sich noch weiteres Mauerwerk. Grünewald stellt fest, daß dieses Mauerstück unzweifelhaft aus römischer Zeit stammt. Jedoch wiesen diese Reste große Ähnlichkeit mit einer bei St. Paul nicht völlig abgetragenen Hausmauer auf. Damit handelt es sich nicht um ein Stück der tatsächlichen Stadtmauer, sondern um eine Hauswand, die möglicherweise in Zusammenhang mit dem Tempelbezirk der römischen Hauptgötter zu setzen ist. Keinesfalls aber sei diese Mauer als ein Stück Stadtmauer geplant gewesen.5
Besonders Grünewald hat sich sehr bemüht, die römische Mauer zur Gänze zu rekonstruieren; aufgrund mangelnder Fundergebnisse kann sie jedoch nur Hypothesen aufstellen, die zwar plausibel, aber eben doch (noch) nicht beweisbar sind.
So erscheint es ihr unmöglich eine durchgehende römische Mauer auf der Westseite nachzuvollziehen. Köhl sah die Westseite als gesichert an, obwohl er sich hier nicht auf die bereits erwähnten Gräberfunde stützen konnte, sondern er gab lediglich ein Areal an, in dem er römische Bebauung, römische Straßen oder sonstige Reste beobachtet hatte. Auch die anderen Seiten der Mauern können nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden; Gräberfunde sind ein Hinweis, aber natürlich kein Beweis, daß an diesen Stellen auch die Mauer existiert haben muß. Auch müssen nicht alle römischen Bauwerke und Überreste etc. während der Römerzeit gleichzeitig und nebeneinander existiert haben und schließlich bestand ja auch zu keiner Zeit ein Zwang, sich innerhalb der Mauern anzusiedeln.
So anzweifelbar für Grünewald das Oval der Stadtmauer ist, so einleuchtend ist für sie die Existenz eines spätantiken, mauerumwehrten Kastells. Das bereits erwähnte Kastell ist wohl zu einer späteren Zeit als die ungewisse Stadtmauer entstanden. Um das Jahr 270 fällt der Odenwaldlimes und Worms wird nun von einer friedlichen Handelsstadt inmitten des Reiches zu einer Grenzstadt mit all ihren Vor- und Nachteilen. „Die Notitia Dignitatum nennt Worms um 400 n.Chr. als Sitz des Präfekten einer Truppe namens MILITES II FLAVIAE“.6
Daraus und aus den zahlreichen Funden im Innenstadtbereich geht hervor, daß die innere Stadt bis in das 5. Jahrhundert hinein kontinuierlich bewohnt war; das Wormser Areal teilte sich also in spätrömischer Zeit in einen Teil unter staatlich- militärischer Anleitung und einen einen anderen, wohl ebenfalls mauerumwehrten Teil, der bewohnt war.7
[...]
[1] Vgl. Armknecht, der Koehl in wenigen Einzelheiten korrigiert; besonders eindrucksvoll ist sein „Rundgang“ durch die Mauern des römischen Drusus- Kastells und der Stadt, der einen schönen Eindruck von der Ausdehnung und Größe seines römischen Worms vermittelt.
[2] Vgl. zu dieser korrigierten Größe auch besonders Brühl, der sich in seinen Auffassungen mit Grünewald deckt und zu bestechend ähnlichen Ergebnissen gelangt.
[3] Zu den römischen Funden in Worms und dem Leben in der Stadt vergleiche Grünewald, Grabungen und besonders Grünewald, Römer.
4 Grünewald, Römer, S. 26
5 Vgl. Grünewald, neue Thesen, S. 13 und zu den Grabungen bei St. Paul ausführlich Grünewald, Grabungen.
6 Grünewald, neue Thesen, S. 17
7 Den genauen angenommenen Verlauf der Stadtmauer will ich hier nicht im einzelnen wiedergeben; für eine genaue Beschreibung siehe Karte 2 und Grünewald, neue Thesen, S. 12- 16
- Quote paper
- Kathrin Lamm (Author), 2003, Römische und mittelalterliche Stadtmauer in Worms, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/40586
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