Das internationale System ist zu Beginn des 21. Jahrhunderts – sowohl aus wirtschaftlicher als auch aus politischer als auch aus sozio-kultureller Perspektive heraus betrachtet – in zunehmendem Maße durch Interdependenz gekennzeichnet. Eine Pluralität von Akteuren ist in einer Pluralität von Sach- und Problembereichen mittels einer Pluralität wechselseitiger Wirkungszusammenhänge miteinander verflochten. Derartige wechselseitige Verflechtungen manifestieren sich in vielgestaltigen Interaktions-zusammenhängen, an denen die verschiedenen Akteure in unterschiedlichem Ausmaß und mit unterschiedlicher Intensität partizipieren. Verursachen derartige Interaktionszusammenhänge für die in sie involvierten Akteure „wechselseitige Kostenwirkungen [...] liegt Interdependenz vor.“ Verflechtung und Interdependenz sind demnach voneinander zu unterscheidende strukturelle Voraussetzungen für das Akteurshandeln innerhalb des internationalen Systems und den diesem Handeln vorgelagerten Interessen.
Es bedeutet in diesem Zusammenhang für die politikwissenschaftliche Analyse des Interesses, welches das Akteurshandeln innerhalb des internationalen Systems maßgeblich mitbestimmt, einen Unterschied, ob der zu untersuchende Akteur in Bezug auf den interessierenden Sach- und Problembereich im Rahmen von Verflechtungs- oder von Interdependenzzusammenhängen agiert und welches Ausmaß und welche Intensität diese Verflechtungs- beziehungsweise Interdependenzzusammenhänge bezogen auf diesen Akteur annehmen. Die Potentialität autonomer Interessenformulierung und -implementierung durch Akteure innerhalb des durch Verflechtung und Interdependenz gekennzeichneten internationalen Systems erscheint insofern problematisch, als daß sowohl die für die Akteure nicht-kostenwirksamen Verflechtungszusammenhänge als auch die für die Akteure wechselseitig-kostenwirksamen Interdependenzzusammenhänge den Handlungsspielraum der Akteure in den internationalen Beziehungen sowohl erweitern als auch einschränken können. Es läßt sich demnach die folgende Hypothese formulieren: Die Geartetheit der strukturellen Eingebundenheit eines Akteurs innerhalb des internationalen Systems wirkt sich auf die Potentialität autonomer Interessenformulierung und -implementierung dieses Akteurs aus.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der Begriff des nationalstaatlichen Interesses - eine Skizze
- Das internationale System als eine Pluralität von Interdependenzzusammenhängen
- Der Begriff der internationalen Interdependenz - eine Skizze
- Internationale Interdependenz und nationalstaatliches Interesse - zwei exklusive Begriffe?
- Deutsche sicherheitspolitische Interessen in einer interdependenten Welt
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Auswirkungen der internationalen Interdependenz auf die Formulierung und Implementierung deutscher nationalstaatlicher Interessen in der Sicherheitspolitik. Sie analysiert die strukturelle Eingebundenheit der Bundesrepublik Deutschland innerhalb des internationalen Systems und die daraus resultierenden Handlungsspielräume für die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik.
- Der Begriff des nationalen Interesses im Kontext des internationalen Systems
- Die Bedeutung von Interdependenz für das Akteurshandeln in den internationalen Beziehungen
- Die Herausforderungen der Interessenformulierung und -implementierung in einer interdependenten Welt
- Die Rolle Deutschlands in der internationalen Sicherheitspolitik
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung führt in das Thema ein und stellt die zentrale Forschungsfrage nach dem Einfluss der internationalen Interdependenz auf die deutsche Interessenformulierung und -implementierung in der Sicherheitspolitik.
- Der Begriff des nationalstaatlichen Interesses - eine Skizze: Dieses Kapitel untersucht den Begriff des nationalen Interesses und seine Relevanz für die Analyse des Akteurshandelns innerhalb des internationalen Systems.
- Das internationale System als eine Pluralität von Interdependenzzusammenhängen: Dieser Abschnitt befasst sich mit dem Konzept der internationalen Interdependenz und seinen Auswirkungen auf die Akteure in den internationalen Beziehungen.
- Deutsche sicherheitspolitische Interessen in einer interdependenten Welt: Dieses Kapitel analysiert die deutschen sicherheitspolitischen Interessen im Kontext der internationalen Interdependenz und untersucht die Herausforderungen für die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die folgenden Schlüsselwörter: Internationales System, Interdependenz, Nationalstaatliches Interesse, Deutsche Außen- und Sicherheitspolitik, Handlungsspielraum, Interessenformulierung und -implementierung.
- Quote paper
- Oliver Westerwinter (Author), 2005, Nationalstaatliche Interessen und internationale Interdependenz, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/40570