[...] Im Wesentlichen erfolgt die Reduzierung der Personalkosten durch Stellenabbau, Änderungskündigungen, Versetzung innerhalb des Konzerns oder durch endgültige Aufhebungsverträge oder Aufhebungsverträge mit einer weiterführenden Beschäftigung im Betrieb/Konzern oder Auffanggesellschaft. Als Beispiel für eine Vielzahl von Abfindungsverträgen sei die Adam Opel AG aufgeführt, bei der bis 2007 ca. 6.000 Stellen in Deutschland durch Abfindungsvereinbarungen abgebaut werden. Die effektivste Reduzierung der Lohn- und Lohnnebenkosten wird für den Arbeitgeber jedoch durch Entlassungen erreicht. Um bei diesen Rationalisierungsmaßnahmen streitige Auseinandersetzungen zu vermeiden, leistet der Arbeitgeber oftmals im Rahmen eines Aufhebungsvertrages oder eines Vergleichs Ausgleichszahlungen, die soziale Härten abmildern sollen und als „Abfindung“ oder „Entlassungsentschädigung“ bezeichnet werden. In der Regel werden Abfindungen in einer Summe zu einem bestimmten Zeitpunkt, gezahlt, deren Höhe sich aus den jeweiligen gesetzlichen oder vertraglichen Ansprüchen des Arbeitnehmers bestimmt. Die Abfindungszahlung kann aber auch in Form einer Einmal- oder Mehrfachzahlung erfolgen. Dabei sind nicht nur Geldleistungen denkbar, sondern auch Sachzuwendungen (z. B. bei Outplacementberatung). Die arbeitsrechtlich bedingte Zahlung von Abfindungen wird steuerrechtlich privilegiert, da das Einkommensteuerrecht dem Arbeitnehmer für Abfindungen steuerliche Vorteile gewährt. Soweit die Auflösung des Dienstverhältnisses vom Arbeitgeber veranlasst oder gerichtlich ausgesprochen wird, ist die Abfindungszahlung bis zu bestimmten Höchstgrenzen steuerbefreit (§ 3 Nr. 9 EStG). Diese Grenze erhöht sich mit zunehmender Betriebszugehörigkeit und zunehmendem Alter. Ansonsten gilt nach §§ 24 Nr. 1 i. V. m. 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 EStG ein ermäßigter Steuersatz. Mit dem Ziel, die einkommensteuerliche Behandlung von Arbeitnehmerabfindungen umfassend darzustellen, erfolgt zunächst ein kurzer Überblick über die betriebliche Abfindungspraxis. Die Erläuterung, was das Einkommensteuerrecht unter dem Begriff der Abfindung versteht, wird der einkommensteuerlichen Behandlung der Arbeitnehmerabfindungen vorangestellt. Nach der Klärung einiger problematischer Einzelfälle folgt ein kurzes Besteuerungs-Beispiel und abschließend eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
A. Einleitung
B. Die Abfindung auf arbeitsrechtlichen Grundlagen
I. Der Begriff der Abfindung
II. Beendigung des Arbeits- oder Dienstverhältnisses
1. Durch Aufhebungsvertrag
a) Außergerichtliche Aufhebungsverträge
b) Gerichtliche Aufhebungsverträge
2. Durch gerichtliche Aufhebung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag
3. Durch weitere arbeitsrechtliche Aufhebungstatbestände
a) § 1a KSchG
b) Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG
aa) Sozialplan
bb) Nachteilsausgleich
c) Auffanggesellschaft oder
4. Durch Tarifvertrag
III. Abfindung und Arbeitslosengeld
C. Das Rechtsinstitut der Arbeitnehmerabfindung 14
I. Steuerrechtliche Begriffsdefinition der Abfindung
II. Sinn und Zweck der Abfindung im Steuerrecht
III. Die Steuerbarkeit von Arbeitnehmerabfindungen
1. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
2. Abfindungen als steuerbare Einnahmen
3. Die Begründung der Steuerfreiheit der Arbeitnehmerabfindungen
D. Die steuerfreien Abfindungen des § 3 Nr. 9 EStG 21
I. Begünstigter Personenkreis
1. Steuerrechtlicher Arbeitnehmerbegriff
2. Abgrenzung zur selbständigen Tätigkeit
II. Steuerfreibetrag der Abfindung
III. Lebensalter und Betriebszugehörigkeit
IV. Voraussetzungen für eine steuerfreie Abfindung
1. Dienstverhältnis im Sinne des § 3 Nr. 9 EStG
2. Auflösung des Dienstverhältnisses
a) Freistellung des Arbeitnehmers
b) Durch Änderungskündigung
c) Versetzung innerhalb des Konzerns
d) Betriebsübergang nach § 613a
e) Wechsel in eine Beschäftigungsgesellschaft
f) Neues Arbeitsverhältnis
3. Veranlassung der Auflösung durch Arbeitgeber oder Urteil
a) Veranlassung durch den Arbeitgeber
aa) Entscheidende Ursachen für die Auflösung durch Arbeitgeber
(1) Kündigung des Arbeitgebers
(2) Einvernehmliche Auflösung
(3) Auslaufen eines befristeten Dienstverhältnisses
(4) Vorruhestand, Eintritt ins Rentenalter und Altersteilzeit
(5) Tod des Arbeitnehmers
(6) Auflösung durch Arbeitnehmerkündigung
(7) Mitveranlassung des Arbeitnehmers
bb) Unzumutbarkeit einer weiteren Zusammenarbeit
b) Gerichtliche Auflösung des Dienstverhältnisses
4. Kausaler Zusammenhang zwischen Auflösung und Abfindung
V. Zeitlicher Zusammenhang
E. Ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 1 und 2 EStG 43
I. Voraussetzungen für die Steuerermäßigung
1. Außerordentliche Einkünfte
a) Entschädigungen im Sinne des § 24 Nr. 1 EStG
aa) § 24 Nr. 1a EStG
bb) § 24 Nr. 1b EStG
cc) Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten
2. Zusammenballung von Einkünften
a) In einem Kalenderjahr (1. Prüfung)
b) Durch höhere Jahreseinkünfte (2. Prüfung)
II. Ermäßigte Besteuerung nach der Fünftelregelung
III. Ausnahmen im Sinne von steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten
F. Die Durchsetzung des staatlichen Steueranspruchs 55
I. Lohnsteuerabzug
II. Einkommensteuerveranlagung
G. Ein Beispiel für die Besteuerung der Abfindung
H. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Eidesstattliche Erklärung
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Höhe einer Abfindungszahlung nach Gerichtsurteil Quelle: eigene Abbildung
Abbildung 2: Freibeträge des § 3 Nr. 9 EStG In Anlehnung an: Deutsche Steuerberater Richtlinien (DSR), Verlag für Deutsche Steuerberater AG (VDS), Offenburg, Ergänzungslieferung 1/2005 „Abfindung/Auflösung des Dienstverhältnisses“, S.
Abbildung 3: Voraussetzungen für den Erwerb der Steuerfreiheit In Anlehnung an: DSR 2005, a. a. O., S.
Abbildung 4: Bedingungen einer ermäßigten Besteuerung In Anlehnung an: DSR 2005, a. a. O., S.
Abbildung 5: Prüfungsschema zur ermäßigten Besteuerung In Anlehnung an: DSR 2005, a. a. O., S.
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
A Einleitung
In der Bundesrepublik Deutschland ist das Wirtschaftswachstum der letzten Jahre nur gering gestiegen. Es wurde sogar wegen eines zeitweiligen negativen Wachstums von einer „Rezession“ gesprochen.
Durch die Globalisierung und eine geringe Inlandsnachfrage entsteht in Zeiten geringen Wirtschaftswachstums ein außergewöhnlicher Kostendruck auf die Unter-nehmen. Damit diese noch Gewinne erzielen, hat sich das Stichwort des „lean management“ etabliert. Da Arbeitskraft wesentliche Ressourcen des Produktions-prozesses darstellt und - damit einhergehend - Personalkosten als ein wichtiger Kostenfaktor zu berücksichtigen sind, sollen „schlanke Strukturen“ durch Re-duzierung oder Umstrukturierung des Personals geschaffen werden.
Im Wesentlichen erfolgt die Reduzierung der Personalkosten durch Stellenabbau, Änderungskündigungen, Versetzung innerhalb des Konzerns oder durch endgültige Aufhebungsverträge oder Aufhebungsverträge mit einer weiterführenden Be-schäftigung im Betrieb/Konzern oder Auffanggesellschaft. Als Beispiel für eine Vielzahl von Abfindungsverträgen sei die Adam Opel AG aufgeführt, bei der bis 2007 ca. 6.000 Stellen in Deutschland durch Abfindungsvereinbarungen abgebaut werden.[1]
Die effektivste Reduzierung der Lohn- und Lohnnebenkosten wird für den Arbeit-geber jedoch durch Entlassungen erreicht.[2]
Um bei diesen Rationalisierungsmaßnahmen streitige Auseinandersetzungen zu ver-meiden, leistet der Arbeitgeber oftmals im Rahmen eines Aufhebungsvertrages oder eines Vergleichs Ausgleichszahlungen, die soziale Härten abmildern sollen und als „Abfindung“ oder „Entlassungsentschädigung“ bezeichnet werden.
In der Regel werden Abfindungen in einer Summe zu einem bestimmten Zeitpunkt, gezahlt, deren Höhe sich aus den jeweiligen gesetzlichen oder vertraglichen An-sprüchen des Arbeitnehmers bestimmt. Die Abfindungszahlung kann aber auch in Form einer Einmal- oder Mehrfachzahlung erfolgen. Dabei sind nicht nur Geld-leistungen denkbar, sondern auch Sachzuwendungen (z. B. bei Outplacement-beratung).[3]
Die arbeitsrechtlich bedingte Zahlung von Abfindungen wird steuerrechtlich privilegiert, da das Einkommensteuerrecht dem Arbeitnehmer für Abfindungen steuerliche Vorteile gewährt. Soweit die Auflösung des Dienstverhältnisses vom Arbeitgeber veranlasst oder gerichtlich ausgesprochen wird, ist die Abfindungs-zahlung bis zu bestimmten Höchstgrenzen steuerbefreit (§ 3 Nr. 9 EStG). Diese Grenze erhöht sich mit zunehmender Betriebszugehörigkeit und zunehmendem Alter. Ansonsten gilt nach §§ 24 Nr. 1 i. V. m. 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 EStG ein ermäßigter Steuersatz.
Mit dem Ziel, die einkommensteuerliche Behandlung von Arbeitnehmerabfindungen umfassend darzustellen, erfolgt zunächst ein kurzer Überblick über die betriebliche Abfindungspraxis. Die Erläuterung, was das Einkommensteuerrecht unter dem Begriff der Abfindung versteht, wird der einkommensteuerlichen Behandlung der Arbeitnehmerabfindungen vorangestellt. Nach der Klärung einiger problematischer Einzelfälle folgt ein kurzes Besteuerungs-Beispiel und abschließend eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse.
B. Die Abfindung auf arbeitsrechtlichen Grundlagen
I. Der Begriff der Abfindung
Im allgemeinen Sprachgebrauch ist der Begriff der Abfindung nicht eindeutig definiert. Im Brockhaus Wirtschaft wird die Abfindung als „eine in der Regel einmalige geldliche Leistung, durch die ein Rechtsanspruch unter Ausschluss weiterer Forderungen endgültig abgegolten wird“,[4] definiert. Bezogen auf die Arbeit-nehmerabfindung bedeutet diese Definition, dass mit der Abfindung weitere An-sprüche des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis durch eine einmalige Geld-zahlung abgegolten werden.
In diesem Sinne lässt sich aus den Vorschriften des BGB eine Definition des Begriffs „Abfindung“ nicht herleiten. Zwar steht dem Gesellschafter einer GbR beim Aus-scheiden aus der Gesellschaft ein Anspruch auf Abfindung zu (§ 738 Abs. 1 BGB).[5] Es ist ihm jedoch nur „dasjenige zu zahlen, was er bei der Auseinandersetzung erhalten würde, wenn die Gesellschaft zur Zeit seines Ausscheidens aufgelöst worden wäre“ (§ 738 Abs. 1 S. 2 BGB). Bei dieser Abfindung handelt es also nur um die Zahlung eines rechnerisch zu ermittelnden Auseinandersetzungsguthabens, nicht aber um eine einmalige Geldleistung, mit der noch weitere aus dem Gesellschafts-verhältnis folgende Ansprüche abgegolten werden.
Eindeutig ist die Definition des Abfindungsbegriffs, die der BFH schon in einem Urteil von 1977[6] - und dann in ständiger Rechtsprechung - gegeben hat. Dort wird die Abfindung als eine Zuwendung bezeichnet, „die ein Arbeitnehmer anlässlich der Auflösung des Arbeitsverhältnisses, insbesondere zum Ausgleich von Nachteilen wegen Verlustes des Arbeitsplatzes“, erhält. Diese kurze Definition, die auch als „arbeitsrechtlicher Abfindungsbegriff“[7] bezeichnet wird, wird bei den folgenden arbeitsrechtlichen Darstellungen zu Grunde gelegt.
II. Beendigung des Arbeits- oder Dienstverhältnisses
Abfindungszahlungen stehen i. d. R. in einem engen Zusammenhang mit der Be-endigung eines Arbeits- oder Dienstverhältnis. Ein Arbeitsverhältnis kann auf viel-fältige Art und Weise beendet werden. Vor allem durch Kündigung, Fristablauf, An-fechtung, Wegfall der Geschäftsgrundlage sowie durch Abwicklungs- und Auf-hebungsvertrag kann das Arbeits- oder Dienstverhältnis beendet werden. In der Praxis nehmen bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen Aufhebungsverträge und Betriebsänderungen einen breiten Raum ein.[8]
Durch die Vielzahl der Möglichkeiten, ein Arbeitsverhältnis zu beenden, stehen dem Arbeitnehmer theoretisch mehrere Abfindungszahlungen zu, die auf unterschied-lichen Rechtsgründen beruhen können. Es ist aber nicht möglich, die eine Abfindung auf die andere anzurechnen.[9] Dies bedarf vielmehr der Wertung im Einzelfall. Grundsätzlich gilt, dass individualrechtlich vereinbarte Abfindungen (z. B. Auf-hebungsvertrag und Abfindung nach §§ 9, 10 KSchG) nicht mit kollektivrechtlich begründeten Abfindungen (z. B. bei Betriebsänderung oder tarifvertragliche Ab-findungsanspruch) anrechenbar sind. Es sei denn die Kollektivregelung oder Indivi-dualabrede sehen dies vor.
1. Durch Aufhebungsvertrag
Das Arbeitsverhältnis ist ein Dauerschuldverhältnis. Wenn es nicht von vornherein befristet ist, sondern auf unbestimmte Zeit eingegangen wurde, bedarf es für seine Aufhebung eines besonderen Rechtsakts. Soll die einseitige Kündigung vermieden werden, kann in einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, dem Aufhebungsvertrag, die Beendigung herbeigeführt werden.[10] Der Gesetzgeber erwähnt den Aufhebungsvertrag in § 623 BGB als Beendigungstatbestand des Arbeitsverhältnisses.[11] Er wird im Gegensatz zum allgemeinen Sprachgebrauch dort als Auflösungsvertrag bezeichnet. Dennoch fehlt es an einer gesetzlichen Definition, worum es sich bei einem Aufhebungsvertrag handelt. In der Praxis ist der Auf-hebungsvertrag weithin an die Stelle der Kündigung durch den Arbeitgeber getreten.[12]
Der Aufhebungsvertrag bedarf der Schriftform des § 126 Abs. 2 BGB. Die elek-tronische Form ist ausgeschlossen (§ 623 BGB). Der Aufhebungsvertrag muss dabei nicht ausdrücklich als ein solcher bezeichnet werden, sondern es muss lediglich das Einvernehmen der beiden Parteien über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ersichtlich sein.[13] Der Aufhebungsvertrag kann zu jedem Zeitpunkt und ohne besonderen Anlass abgeschlossen werden. Ebenso ist es nicht erforderlich, dass ein Kündigungsgrund vorliegt, eine Kündigung – egal ob arbeitgeber- oder arbeit-nehmerseitig – ausgesprochen wurde oder Kündigungsfristen eingehalten werden.
Nicht zu verwechseln mit den Aufhebungsverträgen sind die Abwicklungsverträge. Diese beenden nicht das Arbeitsverhältnis, sondern regeln im Gegensatz zum Auf-hebungsvertrag nur die Folgen der meist arbeitgeberseitig erfolgten Kündigung.[14]
a) Außergerichtliche Aufhebungsverträge
Ziel einer außergerichtlichen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollte es sein, sämtliche offene Ansprüche zu regeln, streitige Ansprüche zu ver-gleichen und alle mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verbundenen Rechte und Pflichten beider Vertragsparteien niederzulegen.[15]
Mit Abschluss eines Aufhebungsvertrages wird ein Arbeits-, Berufsausbildungs- oder Dienstverhältnis in gegenseitigem Einvernehmen beendet. Grundsätzlich kann im Rahmen der Vertragsfreiheit in einem Aufhebungsvertrag der Zeitpunkt der Be-endigung des Arbeitsverhältnisses frei gewählt werden (§ 305 BGB). Eine Mindest-frist zwischen Abschluss des Aufhebungsvertrages und dem gewählten Beendi-gungszeitpunkt gibt es nicht.[16] Die Verträge sollen die Ungewissheit einer gericht-lichen Auseinandersetzung vermeiden, Arbeitsverhältnisse, für die kein Kündigungs-grund vorliegt, beenden und dem Arbeitnehmer das Fortkommen erleichtern. Der Vorteil einer solchen Vereinbarung gegenüber der Kündigung liegt vor allem darin begründet, dass sie ohne Rücksicht auf kündigungsrechtliche Vorgaben eine Beendi-gung des Arbeitsverhältnisses sicherstellen.[17]
Häufig werden in solchen Aufhebungsverträgen Abfindungszahlungen zwischen den Parteien ausgehandelt.[18]
b) Gerichtliche Aufhebungsverträge
Soll aus der Sicht des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis in jedem Fall beendet werden und kommt es zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht zu einer ein-vernehmlichen Aufhebung des Arbeitsvertrages, wird der Arbeitgeber versuchen, das Arbeitsverhältnis durch eine von ihm einseitig auszusprechende Kündigung zu be-enden. Will sich der Arbeitnehmer gegen diese Kündigung wehren, weil er sie für sozial ungerechtfertigt oder aus einem anderen Grund für unwirksam hält, so kann er dies innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung im Wege einer gegen den Arbeitgeber gerichteten Kündigungsschutzklage tun (§ 4 KSchG). Der Rechts-streit wird dann vor dem jeweils zuständigen Arbeitsgericht geführt. Im Rahmen dieses Rechtsstreits kann es zu einem einvernehmlichen Aufhebungsvertrag kommen, wenn nämlich auch der Arbeitnehmer sein Interesse an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses verloren hat und beide Parteien einen langwierigen Rechtsstreit um die Wirksamkeit der Kündigung vermeiden wollen. Der Aufhebungsvertrag be-endet dann das Arbeitsverhältnis und den arbeitsgerichtlichen Prozess. Er ist grund-sätzlich ein Vergleich nach § 779 BGB.[19] Der Inhalt eines solchen Vergleichs kann
z. B. sein, dass der Arbeitnehmer nicht weiter gegen die Kündigung vorgeht und der Arbeitgeber zum Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung zahlt. Der Arbeitnehmer vermeidet somit im Falle des Unterliegens, „leer“ auszugehen, d. h. keine Abfindungszahlung zu erhalten. Der Arbeitgeber kann dem Risiko der Festsetzung einer höheren Abfindung durch Urteil nach § 9 KSchG entgehen. Zudem würde er bei einem Vergleich vermeiden, noch den Annahmeverzugslohn für die Dauer der Kündigungsfrist zu tragen.[20]
Da der Vergleich (Aufhebungsvertrag) vor einem deutschen Gericht zur Beilegung des Kündigungsrechtsstreit abgeschlossen wird, hat jede Partei die Möglichkeit, aus diesem Vergleich die Zwangsvollstreckung zu betreiben (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), was insbesondere für den Arbeitnehmer von Vorteil ist, wenn eine Abfindung ver-einbart ist.
2. Durch gerichtliche Aufhebung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag
Können sich die Parteien in einem Kündigungsschutzprozess nicht auf eine vergleichsweise Beendigung des Rechtsstreit einigen, so kann das Arbeitsgericht auf Antrag der einen oder anderen Partei das Arbeitsverhältnis auflösen und den Arbeit-geber zur Zahlung einer „angemessenen Abfindung verurteilen“ (§ 9 Abs. 1 KSchG). Die Höhe der Abfindung wird vom Gericht nach § 10 KSchG festgelegt.
Voraussetzung für ein solches Urteil ist aber, dass das Gericht festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung aufgelöst worden ist. Es hat also zu prüfen, ob der Arbeitgeber die formellen Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer Kündigung eingehalten hat und ob die Kündigung sozial gerechtfertigt i. S. d. § 1
Abs. 2 KSchG ist.
Zu den formellen Wirksamkeitsvoraussetzungen gehört, dass
- die Kündigung die Schriftform des § 126 BGB erfüllt (§ 623 BGB),
- die Kündigung dem Arbeitnehmer innerhalb der gesetzlichen oder vertrag-lichen Kündigungsfrist zugegangen ist (§ 130 BGB),
- der Betriebsrat vor der Kündigung gehört wurde (§ 102 BetrVG),
- die Kündigung eines Schwerbehinderten nach § 85 SGB IX der behördlichen Genehmigung bedarf,[21]
- dass Frauen während der Schwangerschaft und Mütter bis vier Monate nach der Entbindung nicht gekündigt werden dürfen (§ 9 Abs. 1 MuSchG).
Die Frage, ob eine Kündigung auch sozial gerechtfertigt ist, wird das Gericht allerdings nur dann prüfen, wenn der Arbeitnehmer „in demselben Betrieb...ohne Unterbrechung länger als sechs Monate“ beschäftigt war (§ 1 Abs. 1 KSchG).
Stellt das Gericht fest, dass die arbeitgeberseitig ausgesprochene Kündigung - aus welchem Grund auch immer - unwirksam ist, kann es dem Umstand Rechnung tragen, dass es Fälle gibt, in denen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses dem Interesse des einen oder anderen Teils widerspricht und ausnahmsweise trotz Sozial-widrigkeit der Kündigung die Auflösung des Arbeitsverhältnisses notwendig ist.[22]
Im Rahmen dieses Kündigungsschutzprozesses hat das Gericht die Möglichkeit, durch Urteil ein Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung durch den Arbeitgeber aufzulösen.
Es bedarf jedoch eines Auflösungsantrags, der begründet sein muss. Bei einem Antrag des Arbeitnehmers ist dies der Fall, wenn ihm die Fortsetzung des Arbeits-verhältnisses nicht mehr zuzumuten ist.[23] Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen.[24] Diese Regelung gilt nach § 14 Abs. 2 KSchG grundsätzlich auch für leitende Angestellte (Geschäftsführer, Betriebsleiter u. ä.). Der Auflösungsantrag für diese Personengruppe bedarf jedoch keiner besonderen Be-gründung bei der Kündigung. Sie genießen keinen Bestands-, sondern nur einen Ab-findungsschutz; ihr Arbeitsverhältnis kann auf Antrag des Arbeitgebers gegen Zahlung einer Geldsumme aufgelöst werden (§ 14 Abs. 2 S. 2, § 9 KSchG).[25]
Wird dem Auflösungsantrag entsprochen, hat das Gericht zwingend den Arbeitgeber zur Zahlung eines im Hinblick auf die Beendigung der Arbeitsrechtsbeziehung trotz rechtswidriger Kündigung angemessenen Betrages an den Arbeitnehmer nach den
§§ 9, 10 KSchG zu verurteilen.[26] Dabei ist § 10 KSchG immer im Zusammenhang mit § 9 KSchG zu sehen.
Die Höhe der Abfindungszahlung richtet sich nach dem § 10 KSchG. Allerdings sind dort keine festen Maßstäbe bezeichnet, sondern nur feste Obergrenzen. Die Ab-findung darf dabei zwölf Monatsverdienste nicht übersteigen (§ 10 Abs. 1 KSchG). Hat jedoch der Arbeitnehmer das 50. Lebensjahr vollendet und hat das Arbeits-verhältnis mindesten 15 Jahre bestanden, kann die Abfindung bis zu 15 Monats-verdiensten erreichen. Hat der Arbeitnehmer das 55. Lebensjahr vollendet und das Arbeitsverhältnis mindesten 20 Jahre bestanden, kann das Gericht eine Abfindung
i. H. v. bis zu 18 Monatsverdiensten festsetzen. Hat der Arbeitnehmer bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses allerdings das 65. Lebensjahr vollendet, entfällt diese Möglichkeit der Erhöhung (§ 10 Abs. 2 KSchG). Abbildung 1 verdeutlicht diesen Zusammenhang.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Nach § 10 Abs. 3 KSchG ist unter Monatsverdienst zu verstehen, was dem Arbeit-nehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis endet, an Geld und Sachbezügen zusteht.[27]
Der Gesetzgeber hat zwar in § 10 KSchG präzise Bestimmungen zur Quantifizierung der Kündigungsabfindung getroffen, allerdings nur bezogen auf die Obergrenze der im Einzelfall festzusetzenden Abfindungssumme. Der § 9 Abs. 1 KSchG fordert eine „angemessene“ Festsetzung der Abfindungshöhe. Das Gericht kann daher für die Be-messung der Abfindung in den Grenzen des § 10 KSchG frei entscheiden, was an-gemessen ist. Es ist aber durch die in § 9 Abs. 1 S. 1 KSchG enthaltene gesetzliche Wertung gebunden.[28] Die Anordnung in § 9 Abs. 1 S. 1 KSchG bedeutet sonach für die Bestimmung der Kündigungsabfindung ebenso eine zwingende gesetzliche Vor-gabe wie § 10 KSchG.[29]
Während in § 10 KSchG bei gerichtlicher Auflösung des Arbeitsverhältnisses Höchstgrenzen der Abfindung festgelegt sind, können im Gegensatz hierzu die Parteien bei einvernehmlicher Vertragsbeendigung grundsätzlich höhere oder niedrigere Beträge frei vereinbaren. In der Praxis schwankt die Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes zwischen 50 v. H. und 100 v. H. eines Brutto-monatseinkommens je Beschäftigungsjahr im Betrieb. Die gängige „Faustformel“[30] lautet jedoch, dass bei Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung in Höhe von einem halben Gehalt pro Beschäftigungsjahr gezahlt wird. So sollen sich 75 v. H. der Arbeitsgerichte an diese Formel halten.[31] Die endgültige Höhe der Abfindung hängt aber letztendlich noch von verschiedenen anderen Faktoren ab, wie z. B. dem Lebensalter, der Einkommenshöhe, den Unterhaltspflichten, dem Gesundheits-zustand und der Vermittlungsfähigkeit des Arbeitnehmers sowie dem Maß der Sozialwidrigkeit der Kündigung und den Erfolgsaussichten der Kündigungs-schutzklage.
3. Durch weitere arbeitsrechtliche Aufhebungstatbestände
a) § 1a KSchG
Um eine Liberalisierung des Kündigungsschutzes zu erreichen, wird seit einiger Zeit diskutiert, ob der Kündigungsschutz zulasten einer Abfindung reduziert werden sollte.[32] Das Kündigungsschutzgesetz halte Betriebe aufgrund der Undurch-dringbarkeit der Gesetzesnormen davon ab, neue Beschäftigte einzustellen, obwohl dies arbeitstechnisch möglich sei. Kündigt ein Unternehmen dennoch einem Arbeit-nehmer, wird es einer langwierigen und teueren Auseinandersetzung vor Gericht ent-gegengehen, deren Ergebnis zudem noch unsicher ist.[33]
Im Rahmen der „Agenda 2010“ der Bundesregierung ist zum 1.1.2004 der § 1a KSchG in Kraft getreten. Ziel des Gesetzgebers mit der neu eingeführten Ab-findungsregelung bei betriebsbedingter Kündigung ist es, den Arbeitsvertrags-parteien eine „einfache, effiziente und kostengünstige vorgerichtliche Klärung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses“[34] anzubieten.[35]
So normiert § 1a KSchG einen Anspruch auf eine Abfindungszahlung. Anspruchs-voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber die Kündigung in der Kündigungserklärung auf dringende betriebsbedingte Gründe stützt und den Arbeitnehmer darauf hinweist, dass dieser bei Verstreichenlassen der Klagefrist eine Abfindung beanspruchen kann. Sieht der Arbeitnehmer daraufhin von der Kündigungsschutzklage ab, entsteht mit dem Ablauf der Klagefrist nach § 4 S. 1 KSchG ein Anspruch auf Abfindung, dessen Berechnung nach § 1a Abs. 2 KSchG erfolgt.[36] Der Kern dieser Vorschrift stellt also einen Abfindungsanspruch des Arbeitnehmers bei betriebsbedingter Kündigung dar.[37]
Die Höhe der Abfindungszahlung, die der Arbeitgeber zur Vermeidung einer Kündigungsschutzklage leisten will, beträgt 0,5 Monatsverdienste für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses (§ 1a Abs. 2 KSchG). Eine Höchstgrenze für den Abfindungsanspruch gibt es nicht. Die Altersgrenze des § 10 Abs. 3 KSchG muss jedoch eingehalten werden (§ 1a Abs. 2 S. 2 KSchG).
Grobys[38] und die amtliche Begründung bezeichnen diesen Anspruch als „gesetz-lichen“ Abfindungsanspruch. Zutreffend wird in der Literatur dieser Meinung wider-sprochen, da das, was im Gesetz niedergelegt ist, nichts anderes sei, als die Be-schreibung eines rechtsgeschäftlichen Prozesses. Der Arbeitgeber erklärt eine be-triebsbedingte Kündigung und bietet dem Arbeitnehmer eine Abfindung an. Da der Arbeitnehmer entscheiden kann, ob er das Angebot annimmt oder nicht, handelt es sich dabei nicht um ein gesetzliches Schuldverhältnis.[39]
Generell wird diese Norm als nicht sehr geglückt angesehen, da sie den Arbeits-vertragsparteien kein einfaches, effizientes und kostengünstiges Verfahren für eine vorgerichtliche Klärung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses anbietet. Vielmehr wurde ein „bürokratisches Monster“ geschaffen, das kein einziges Problem löst, aber neue aufwirft.[40] Es kann sogar vorkommen, dass Arbeitnehmer nur eine Kündigungs-schutzklage anstrengen, um damit höhere Abfindungen zu erhalten, als bei Annahme des Abfindungsangebots nach § 1a KSchG.[41]
b) Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG
Bei Betriebsänderungen handelt es sich im Wesentlichen um die Einschränkung und Stilllegung des ganzen Betriebes oder von wesentlichen Betriebsteilen (§ 111 Nr. 1 BetrVG). Die Betriebsänderung in diesem Sinne führt in aller Regel zu einer Reduzierung der Arbeitnehmerschaft. Der Arbeitgeber ist gehalten, die Nachteile, die für den Arbeitnehmer damit verbunden sind, in sozialverträglichem Rahmen zu reduzieren. Als Instrument hierfür nennt das BetrVG den Sozialplan (§ 112 Abs. 1
S. 2 BetrVG).
aa) Sozialplan
Das BetrVG definiert den Sozialplan als Einigung zwischen Unternehmen und Betriebsrat über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge einer geplanten Betriebsänderung entstehen (§ 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG). Er hat eine Überbrückungsfunktion, weil er künftig entstehende wirkliche Nachteile der Arbeitnehmer ausgleichen soll. Der Inhalt des Sozialplans kann in finanziellen Leistungen des Arbeitgebers bestehen, insbesondere in Ab-findungszahlungen im Fall von Entlassungen.[42] Der Sozialplan ist an das zwingende staatliche Recht gebunden. Von Bedeutung ist hier besonders das Kündigungsschutz-gesetz. Er hat nicht die Kraft, eine nicht betriebsbedingte Kündigung zu rechtfer-tigen. Ebenso kann er die soziale Auswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG nicht prä-judizieren. Er darf die Zahlung von Abfindungen an die infolge einer Betriebsänderung entlassenen Arbeitnehmer nicht davon abhängig machen, dass diese keine Kündigungsschutzklage erheben.[43] Dieser Meinung schließt sich die stRspr. und die Literatur auch nach Einführung des § 1a KSchG an. Allerdings führt Busch in seinem Artikel[44] aus, dass die Zulässigkeit der Verknüpfung von Sozialplänen und Klageverzicht überprüft werden müsse, da viel dafür spräche, solche Vereinbarungen - die Verknüpfung von Abfindungszahlung und Verzicht auf Kündigungsschutzklage - mit In-Kraft-Treten des § 1a KSchG als zulässig anzu-sehen. Darüber hinaus käme es aber auch durchaus in Betracht, entsprechende Be-stimmungen in Sozialplänen aufzunehmen.[45]
Strengt der Arbeitnehmer ungeachtet der Geltung eines Sozialplans eine Kündi-gungsschutzklage an und obsiegt er, kann er nur die Fortsetzung des Arbeits-verhältnisses oder an deren Stelle eine Abfindung nach §§ 9, 10 KSchG, nicht aber die Abfindung nach Sozialplan beanspruchen, da er nicht infolge der Betriebs-änderung seinen Arbeitsplatz verloren hat.[46]
bb) Nachteilsausgleich
Weicht der Unternehmer von einem Interessenausgleich über eine geplante Betriebs-änderung ohne zwingenden Grund ab, so können diejenigen Arbeitnehmer, die in-folge der Abweichung entlassen werden, Klage auf Zahlung einer Abfindung erheben (§ 113 Abs. 1 S. 1 BetrVG). § 10 KSchG gilt entsprechend, die Abfindung kann also bis zu 18 Monatsverdiensten betragen. Einem Arbeitnehmer, dem zwar nicht gekündigt worden ist, der aber wirtschaftliche Nachteile erleidet (etwa durch Versetzung oder Umsetzung und den damit einhergehenden finanziellen Nachteilen), hat der Unternehmer diese Nachteile bis zu einem Zeitraum von zwölf Monaten aus-zugleichen (§ 113 Abs. 2 BetrVG). Nach § 113 Abs. 3 BetrVG besteht auch dann ein Anspruch auf Nachteilsausgleich, wenn der Arbeitgeber eine Betriebsänderung durchführt, ohne einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben, sofern infolgedessen Arbeitnehmer entlassen werden oder andere wirtschaftliche Nachteile erleiden.
Die Vorschrift des § 113 BetrVG verfolgt das Ziel, ein betriebsverfassungswidriges Verhalten des Arbeitgebers zu sanktionieren. Dieser Sanktionszweck rechtfertigt es, die Berechnung des Abfindungsbetrages ohne Berücksichtigung der für die Be-messung einer Sozialplanleistung geltenden Kriterien durchzuführen.[47] Abzustellen ist vielmehr gem. der gesetzlichen Verweisung allein auf § 10 KSchG.[48]
Zur ordnungsgemäßen Geltendmachung eines solchen Abfindungsanspruchs gegen-über dem Arbeitgeber genügt die Erhebung einer Klage, die die Höhe der zu zahlenden Abfindung in das Ermessen des Gerichts stellt (zumindest dann, wenn die für die Bemessung der Abfindung maßgebenden Umstände in der Klageschrift mitgeteilt werden). Einer Bezifferung des Abfindungsanspruchs bedarf in einem solchen Fall nicht.[49]
c) Auffanggesellschaft oder BQG
Häufig wird infolge der Betriebsänderung in einem Transfersozialplan oder einer Betriebsvereinbarung auch die Möglichkeit eingeräumt, in einer Auffanggesellschaft - einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (BQG) - zur Überbrückung der Arbeitslosigkeit in einem Angestelltenverhältnis zu verbleiben. Diese Gesell-schaft dient der zeitlich begrenzten Weiterbeschäftigung, Qualifizierung und Orien-tierung auf neue Tätigkeiten außerhalb des Altbetriebes. Die BQG kann extern von einer fremden juristischen Person geführt werden, kann aber auch eine abgrenzbare innerbetriebliche Einheit des Arbeitgebers sein. Der Wechsel in die BQG erfolgt zumeist durch einen Aufhebungsvertrag mit dem alten Arbeitgeber und Abschluss eines neuen - zumeist zeitlich befristeten - Arbeitsvertrages mit dem neuen Arbeit-geber.[50] Um dem zu entlassenen Arbeitnehmer einen Anreiz zu geben, in eine solche BQG zu wechseln, wird der Arbeitgeber ihm häufig eine Abfindung anbieten.[51]
4. Durch Tarifvertrag
Ein Anspruch auf Zahlung einer Abfindung kann sich auch aus einem Tarifvertrag ergeben. Wegen rationalisierungsbedingter Maßnahmen wurden in vielen Tarif-bereichen sog. Rationalisierungsschutzabkommen abgeschlossen, nach denen der Arbeitgeber bei Betriebseinschränkungen, Betriebsstilllegungen und dergl. verpflichtet ist, u. a. aufgrund dieser Maßnahmen an die ausscheidenden Arbeit-nehmer Abfindungen zu zahlen.[52]
III. Abfindung und Arbeitslosengeld
Ein nicht zu vernachlässigender Aspekt bei der Abfindungszahlung an den Arbeit-nehmer ist die Auswirkung der Abfindung auf das Arbeitslosengeld, denn im Personalabbau werden mitunter Vereinbarungen geschlossen, die neben einer ein-maligen Barabfindung für einen bestimmten Zeitraum laufende Zuzahlungen des Arbeitgebers zum Arbeitslosengeld in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes des bis-herigen Nettogehalts vorsehen. Die Finanzverwaltung behandelt Zahlungen auf-grund solcher Gesamtversorgungsmodelle als einheitliche Abfindungszahlung. Die ermäßigte Besteuerung ist deshalb ausgeschlossen, wenn sich der steuerpflichtige Teil der Gesamtversorgung auf mindesten zwei Veranlagungszeiträume verteilt.[53]
Nach § 143a SGB III ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld grundsätzlich, wenn der Arbeitnehmer eine Abfindung oder ähnliche Leistung (Entlassungs-entschädigung) aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhält oder zu beanspruchen hat und das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer ordentlichen Kündigungsfrist durch den Arbeitgeber beendet worden ist (§ 143a Abs. 1 SGB III).
Durch das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nach § 143a SGB III wird der Beginn der Arbeitslosenzahlung für einen bestimmten Zeitpunkt hinausgeschoben. Die Bezugszeit wird durch das Ruhen jedoch nicht verkürzt. Das Ruhen wirkt sich faktisch wie eine Kürzung des Arbeitslosengeldanspruches aus, wenn der Arbeitslose vor Ausschöpfung des vollen Arbeitslosengeldanspruchs wieder eine neue Arbeits-stelle findet. Der § 143a SGB III bewirkt, dass bei Einhaltung der ordentlichen oder einer fiktiven arbeitgeberseitigen Kündigungsfrist der Arbeitnehmer keine Nachteile im Bereich des Arbeitslosengeldes befürchten muss. Bei länger bestehenden Arbeits-verhältnissen vermindert sich der zu berücksichtigende Teil der Entlassungs-entschädigung für je fünf Jahre des Arbeitsverhältnisses in demselben Betrieb oder Unternehmen und für je fünf Lebensjahre nach Vollendung des 35. Lebensjahres um je 5 v. H.. Er beträgt aber mindesten 25 v. H. (§ 143a Abs. 2 SGB III).
C. Das Rechtsinstitut der Arbeitnehmerabfindung
I. Steuerrechtliche Begriffsdefinition der Abfindung
Da auf Arbeitnehmerabfindungen im Steuerrecht zwei Steuervergünstigungsvor-schriften Anwendung finden - § 24 EStG, der eine ermäßigte Besteuerung vorsieht, und § 3 Nr. 9 EStG, der zu einer völligen Steuerfreiheit führen kann -, ist eine präzise Definition des Begriffs „Arbeitnehmerabfindung“ erforderlich.
In den Vereinbarungen, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer abschließen, aber auch in anspruchsbegründenden Tarifverträgen und Sozialplänen, werden häufig neben „Abfindung“ Begriffe verwendet wie „Entschädigung“. „Ablösung“, „Lohnfort-zahlung“, „Ausgleich“, „Übergangsgeld“, „Altersruhegeld“ oder ähnliches. Ob es sich dabei jeweils um Abfindungen im Sinne der §§ 24, 3 Nr. 9 EStG handelt, ist im Einzelfall nach der vom BFH verwendeten arbeitsrechtlichen Definition zu be-urteilen, die der BFH - wie unter B I. dargestellt - seit 1977 in ständiger Recht-sprechung verwendet:[54] Zahlungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer sind immer dann Arbeitnehmerabfindungen auch im steuerlichen Sinne, wenn sie mit der Auflösung des Dienstverhältnisses im Zusammenhang stehen, insbesondere wenn sie zum Ausgleich von Nachteilen wegen Verlustes des Arbeitsplatzes dienen.[55] Sind diese Kriterien erfüllt, kommt es auf die von den Vertragsparteien verwendeten Begriffe nicht an.
Jedoch sind Abfindungszahlungen von Ablösezahlungen, wie sie z. B. bei Transfers von Fußballspielern gezahlt werden, abzugrenzen, da der Arbeitnehmer diese bei zwei vollkommen unterschiedlichen Anlässen der Beendigung des Arbeitsverhält-nisses erhält.
II. Sinn und Zweck der Abfindung im Steuerrecht
Im System der sozialen Marktwirtschaft kann dem Arbeitnehmer der Arbeitsplatz nicht mehr garantiert werden. Der Arbeitsplatzverlust ist für den betroffenen Arbeit-nehmer in aller Regel folgenschwer. Besitzt er keine weiteren Einnahmequellen (z. B. Einnahmen aus Kapitalvermögen oder aus Vermietung und Verpachtung), verliert er häufig seine einzige Einnahmequelle. Bei der heutigen Arbeitsmarktlage mit einer „Rekordarbeitslosigkeit“ von 5,2 Mio. Arbeitslosen[56] muss der entlassene Arbeitnehmer damit rechnen, für längere Zeit ohne Arbeit und damit ohne Einkommen zu sein. Die Arbeitslosenunterstützung reicht nicht aus, um den bis-herigen Lebensstandard aufrecht zu erhalten. Findet der nun Arbeitslose hingegen wieder eine neue Anstellung, ist diese oftmals mit wirtschaftlichen oder sozialen Nachteilen verbunden (z. B. niedrigeres Gehalt, schlechtere Arbeitsbedingungen, längerer Anfahrtsweg zur Arbeitsstätte, Umzug, Wegfall betrieblicher Altersvorsorge etc.).[57]
Erhält der Arbeitnehmer im Zuge des Arbeitsplatzverlustes eine Abfindungszahlung, so soll diese die mit dem Arbeitsplatzverlust verbundenen sozialen Härten vermeiden und finanzielle Hilfe sein zur Überbrückung der Übergangszeit bis zum neuen Arbeitsverhältnis.[58] Die selben Ziele bezweckt die Steuerfreiheit von § 3 Nr. 9 EStG.[59] Es handelt sich um eine Sozialzweckbefreiung (über die Tarifermäßigung des § 34 EStG hinaus).[60]
Wegen der besonderen sozialen Bedeutung der Abfindung sah bereits das EStG 1925[61] erstmals eine Steuerbefreiung von Abfindungen vor. Dort waren Abfindungen i. S. d. § 87 BetrRG in vollem Umfang steuerfrei.[62] Die Steuerbefreiung ist eingeführt worden, weil „die Entschädigung, die meist für den Unterhalt des Entlassenen während der Arbeitslosigkeit Verwendung fänden“, nur ein „dürftiges Entgelt für die Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses, die meist, besonders bei älteren Angestellten, mit völliger Existenzlosigkeit verbunden sei“, darstellten.[63] Diese soziale Linie wurde in den späteren Steuergesetzen beibehalten. § 3 Nr. 7 EStG 1934 stellte Entschädigungen wegen Entlassungen aufgrund des Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit steuerfrei. Im § 3 Nr. 4 EStG 1948 wurden Ent-schädigungen aufgrund arbeitsrechtlicher Vorschriften wegen Entlassung aus einem Dienstverhältnis steuerfrei gestellt. Das StÄndG 1958[64] legalisierte die bisherige Auslegung der Vorschrift durch Bezugnahme auf KSchG und BetrVG und durch Anerkennung eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs. Zudem wurde erstmals eine Höchstbetragsgrenze eingeführt. Im StÄndG 1965[65] wurden Abfindungen aufgrund gerichtlicher und außergerichtlicher Vergleiche ausdrücklich gleichgestellt. Ferner wurde die Steuerbefreiung auf Abfindungen wegen Entlassungen aus dem Dienstverhältnis nach §§ 72, 73 BetrVG 1952 ausgedehnt. Im Zusammenhang mit dem StÄndG 1971[66] wurde § 3 Nr. 9 EStG an die durch die Neufassung des KSchG geänderte Rechtslage angepasst. Durch das EStRG 1974[67] wurde § 3 Nr. 9 EStG neu gefasst und sachlich erweitert. Die Steuerfreiheit wurde auf alle Abfindungen wegen einer vom Arbeitgeber veranlassten und gerichtlich ausgesprochenen Auflösung des Dienstverhältnisses ausgedehnt. Die Höchstbeträge wurden Freibeträge.[68]
Nach den Vorschlägen der Einkommensteuerkommission 1994 sollte der § 3 Nr. 9 EStG und damit die Steuerfreiheit erstmalig gestrichen werden. Der Vorschlag wurde damit begründet, dass der ursprüngliche Sinn und Zeck der Regelung in der Praxis häufig nicht zur Geltung käme, da der Arbeitnehmer keinen Nachteil aus dem Arbeitsplatzverlust zöge, wenn er gleich im Anschluss eine neue Beschäftigung fände. Auch die Petersberger Steuervorschläge zum Steuerreformgesetz 1999 vom 22.4.1997 lehnten aus Gründen der Gegensätzlichkeit zwischen Steuerbefreiung und dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit den § 3 Nr. 9 EStG ab.[69] Der Gesetzgeber ist den Vorschlägen der Kommissionen allerdings nicht gefolgt, hat aber im StEntlG 1999/2000/2002 vom 24.3.1999[70] die Freibeträge um jeweils Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenabgesenkt, soweit die Abfindung dem Arbeitnehmer nach dem 1.4.1999 zugeflossen ist. Seit dem Veranlagungszeitraum 2004 gelten die in Abschnitt D. II. beschriebenen Freibeträge.
III. Die Steuerbarkeit von Arbeitnehmerabfindungen
Grundsätzlich gilt, dass alle Einnahmen, die einem Arbeitnehmer aus einem Arbeits-verhältnis zufließen, als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu behandeln sind. Hierzu gehören auch Entschädigungen (Abfindungen), die dem Arbeitnehmer als Ersatz dafür zufließen, dass ihm nunmehr wegen der Aufgabe oder der Nichtausübung seiner bisherigen Tätigkeit Arbeitsvergütung entgeht.[71]
Scheidet ein Arbeitnehmer auf Veranlassung des Arbeitgebers vorzeitig aus einem Dienstverhältnis aus, so können ihm folgende Leistungen des Arbeitgebers zufließen, die wegen ihrer unterschiedlichen steuerlichen Auswirkungen gegeneinander abzu-grenzen sind:
- Normal zu besteuernder Arbeitslohn nach § 19 EStG (ggf. i. V. m. § 24 Nr. 2 EStG)
- Steuerfreie Abfindungen nach § 3 Nr. 9 EStG
- Steuerbegünstigte Entschädigungen nach § 24 Nr. 1 i. V. m. § 34 Abs. 1
und 2 EStG
- Steuerbegünstigte Leistungen für mehrjährige Tätigkeit i. S. v. § 34 EStG.[72]
Alle diese Leistungen sind veranlasst durch die aufgenommene nichtselbständige Tätigkeit und damit als Einnahme aus nicht selbständiger Tätigkeit durch den Arbeit-nehmer zu versteuern. Hierzu zählen auch die sog. „geldwerten Vorteile“ (z. B. Weiternutzung einer Dienstwohnung oder des Dienstwagens über den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus oder andere Dienstleistungen).[73]
Für den Arbeitgeber stellen Abfindungszahlungen Betriebsausgaben dar, die den zu versteuernden Gewinn des Unternehmens schmälern.
1. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
§ 2 Abs. 1 EStG enthält einen abschließenden Katalog der Einkunftsarten. Es werden also nur die dort aufgezählten sieben Einkunftsarten mit der Einkommensteuer nach Abzug von Frei- und Pauschalbeträgen belastet.[74] Arbeitnehmer sind gem. § 2 Abs. 1 Nr. 4 EStG mit ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der Einkommen-steuer unterworfen. Laut § 19 Abs. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus nicht-selbständiger Arbeit Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst ge-währt werden. Aus steuerrechtlicher Sicht ist es allerdings unerheblich, ob es sich um einmalige oder laufende Bezüge handelt und ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht
(§ 19 Abs. 1 S. 2 EStG).
2. Abfindungen als steuerbare Einnahmen
§ 2 Abs. 1 S. 1 LStDV bezeichnet den Arbeitslohn als „Einnahmen, die dem Arbeit-nehmer aus dem Dienstverhältnis zufließen.“ Damit ist nur das Arbeitsentgelt für eine Dienstleistung steuerbar. Der Arbeitnehmer erhält die Abfindung jedoch nicht aus dem Dienstverhältnis, sondern aus der Beendigung des Dienstverhältnisses. In-sofern sind aus arbeitsrechtlicher Sicht Abfindungen kein Arbeitsentgelt.[75] Dies wäre Anlass genug, die Steuerbarkeit der Arbeitnehmerabfindung zu prüfen.[76]
Neben den arbeitsvertraglichen Rechtsbeziehungen können zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auch andere Rechtsbeziehungen bestehen, die steuerlich an-zuerkennen sind.[77] Vermietet bspw. ein Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber ein Grundstück, so erzielt der Arbeitnehmer hieraus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Im Bereich der Besteuerung der Ab-findungen erlangen neben dem Arbeitsverhältnis bestehende sonstige Rechts-verhältnisse allerdings keine Bedeutung. Die Zahlung einer Abfindung steht immer mit einem (vorherigen) Arbeitsverhältnis in sachlichem und wirtschaftlichem Zu-sammenhang. Eine Abfindung ist deshalb grundsätzlich den Einkünften aus nicht-selbständiger Arbeit (§ 19 EStG) zuzuordnen.[78]
Abgrenzungsprobleme können dann auftreten, wenn aufgrund des Arbeits-verhältnisses eine Vergütung gezahlt wird und diese (einer) anderen Einkunftsart(en) zurechenbar ist. Im Bereich der Besteuerung von Arbeitnehmerabfindungen stellt sich die Abgrenzungsfrage vor dem Hintergrund der Sondervergütungen nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Ist ein Mitunternehmer zugleich Arbeitnehmer der Mitunter-nehmerschaft, an der er beteiligt ist, so handelt es sich bei einer anlässlich der Beendigung dieses Arbeitsverhältnisses gezahlten Abfindung um eine Sonderver-gütung nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Die Abfindung ist in diesem Fall einer betrieb-lichen Einkunftsart, d.h. den Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG), den Einkünften aus selbständiger Arbeit (§ 18 Abs. 4 i. V. m. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG) oder den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft (§ 13 Abs. 7 i. V. m. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG) zuzuordnen.
Der entscheidende Unterschied zwischen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und den genannten betrieblichen Einkünften ist, dass betriebliche Einkünfte Selb-ständigkeit voraussetzen, § 19 EStG jedoch Unselbständigkeit. Da eine Person nicht zugleich selbständig und unselbständig sein kann, handelt es sich bei ihren Ein-künften entweder um betriebliche Einkünfte oder um Einkünfte aus nichtselb-ständiger Arbeit. Zwischen den genannten Gruppen der Einkünfte besteht also ein Ausschlussverhältnis.[79]
Arbeitnehmerabfindungen sind nur dann Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit, wenn sie die Tatbestandsmerkmale der §§ 2 Abs. 1 Nr. 4, 19 Abs. 1 EStG erfüllen. Arbeitslohn liegt dann vor, wenn dem Arbeitnehmer Geld oder geldwerte Güter für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst zugeflossen sind. Der Leistungsanspruch „für eine Beschäftigung“ wird gewährt, wenn die Zuwendung durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitgebers veranlasst ist.[80] Dieser Ver-anlassungszusammenhang ist gegeben, wenn der Vorteil nur mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird und die Einnahme als Ertrag der nicht selb-ständigen Arbeit anzusehen ist.[81]
Diese Voraussetzungen werden durch die Arbeitnehmerabfindungen erfüllt. Durch den Abschluss des Arbeitsvertrages erlangt der Arbeitnehmer eine wirtschaftliche Betätigung und damit eine konkrete Erwerbsbasis. Wird er entlassen entfällt seine Erwerbsbasis. Wegen dieser Beeinträchtigung seiner Erwerbsbasis erhält er die Ab-findungszahlung und sie tritt wirtschaftlich an die Stelle der vom Arbeitnehmer beabsichtigten Einnahmen. Die Abfindung ist - auch aufgrund der Abhängigkeit der Höhe vom Monatsverdienst - als Surrogat für den Verlust der Vorteile anzusehen, die mit der Tätigkeit im aufgelösten Dienstverhältnis verbunden gewesen wären. Die Abfindung erfolgt also durch die Marktteilnahme des Arbeitnehmers und ist durch das frühere individuelle Dienstverhältnis veranlasst.[82] Die Verfolgung sozialer Ziele ist dabei unerheblich.[83]
3. Die Begründung der Steuerfreiheit der Arbeitnehmerabfindung
Ohne § 3 Nr. 9 EStG wären somit Abfindungen wegen einer vom Arbeitgeber ver-anlassten Auflösung des Dienstverhältnisses als Arbeitslohn im Sinne von § 19 EStG zu besteuern. Dies wird auch aus § 24 Nr. 1a und b EStG deutlich, der Entschädigungen zu den Einkünften im Sinne von § 2 Abs. 1 EStG rechnet, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen oder für die Aufgabe einer Tätig-keit gewährt worden sind.[84] Die Vorschrift des § 3 EStG enthält aber zahlreiche konstitutive und deklaratorische Befreiungen, die zum überwiegenden Teil den Um-fang der steuerbaren Einkünfte gem. §§ 13, 19, 20, 22 und 24 EStG einschränken. Die Steuerbefreiung von Einnahmen greift mit § 3c EStG Platz: Soweit Ausgaben mit steuerfreien Einnahmen „in unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen“, dürfen sie nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden. Gemeint ist damit, dass die Steuerbefreiung bestimmter Einkünfte als Unter-schiedsbetrag von Einnahmen und Aufwendungen zu sehen sind. Diese Einkünfte müssen auf eine bestimmte begünstigte Tätigkeit oder einen begünstigten Vorgang (z. B. Auflösung des Dienstverhältnisses) bezogen werden.[85] Der unsystematisch aufgestellte Katalog des § 3 EStG, der mittlerweile 69 steuerfreie Einnahmen enthält, lässt keinen Rückschluss mehr zu, ob die Steuerfreiheit einer herabgesetzten Leistungsfähigkeit Rechnung trägt oder einen Subventions- oder Prämieneffekt be-wirken soll.[86] Er enthält Sozialzwecknormen, Fiskalzwecknormen und Verein-fachungsnormen nebeneinander. Der Gesetzgeber hat sich dabei weniger von sys-tematischen als von außerhalb des Steuerrechts angesiedelten Beweggründen leiten lassen.[87] Dies waren vor allem Erwägungen der Steuervereinfachung, kultur-politische Erwägungen, wirtschaftspolitische Zielsetzungen, Gründe der Steuer-gerechtigkeit und im Falle der Arbeitnehmerabfindungen die bereits dargestellten sozialpolitischen Erwägungen zum Ausgleich der sozialen Härte.
[...]
[1] Quelle: http://focus.msn.de/hps/fol/newsausgabe/newsausgabe.htm?id=11961 vom 10. März 2005.
[2] Vgl. Schmitz (1996), S. 1.
[3] Vgl. Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, § 3 Nr. 9 EStG, Anm. 11.
[4] Vgl. Brockhaus (2004), Stichwort: „Abfindungen“.
[5] Vgl. Alpmann Brockhaus (2004), S. 17; Kraft/Kreutz (2000), S. 162 f.; Palandt (2005), Anm. 4 zu § 738 BGB.
[6] BFH v. 17.5.1977 - VI R 150/76, BStBl. 1977 II, 735, BFHE 122, 478; ebenso später v. 13.10.1978 - VI R 91/77, BStBl. 1979 II, 481, BFHE 126, 339; v. 11.1.1980 - VI R 165/77, BStBl. 1980 II, 205, BFHE 129, 479; v. 10.10.1986 - VI R 178/83, BStBl. 1987 II, 186, BFHE 148, 257; v. 24.4.1991 - XI R 9/87, BStBl. 1991 II.
[7] Vgl. Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, § 3 Nr. 9 EStG, Anm. 11.
[8] Vgl. Freckmann, BB (2004), S. 1564.
[9] FG M`ster v. 22.7.2003, EFG 03, 1593, Rev. XI R 55/03.
[10] Vgl. Löwisch (2004), Rz. 1240.
[11] Vgl. Hjort (2003), S. 24.
[12] Vgl. Hromadka/Maschmann (2002), § 10 Rz. 6.
[13] Vgl. Hjort (2003), S. 24.
[14] Vgl. Gaul, BB (2003), S. 2457.
[15] Vgl. Freckmann, BB (2004), S. 1564.
[16] Vgl. Freckmann, BB (2004), S. 1564.
[17] Vgl. Gaul, BB (2003), S. 2457.
[18] Vgl. Hromadka/Maschmann (2002), § 10 Rz. 6.
[19] Vgl. Hromadka/Maschmann (2002), § 10 Rz. 6.
[20] Vgl. Löwisch (2004), Rz. 1415.
[21] Vgl. Backmeister in Backmeister/Trittin/Mayer, § 9 KSchG, Rz. 12.
[22] Vgl. Francken et al. (1999), S. 14.
[23] Vgl. Backmeister in Backmeister/Trittin/Mayer, § 9 KSchG, Rz. 15.
[24] Vgl. Backmeister in Backmeister/Trittin/Mayer, § 9 KSchG, Rz. 17.
[25] Vgl. Hromadka/Maschmann (2002), Rz. 140.
[26] Vgl. Duvigneau (1995), S. 174 f.
[27] Gemeint ist der Monatverdienst ohne Abzüge von Lohnsteuer und Sozialversicherungsausgaben.
[28] Vgl. Backmeister in Backmeister/Trittin/Mayer, § 10 KSchG, Rz. 2.
[29] Vgl. Duvigneau (1995), S. 190.
[30] Wird auch als „Kölner Formel“ oder „Schaub´sche Formel“ bezeichnet.
[31] Vgl. Hümmerich, NZA (1999), S. 342 ff.
[32] Vgl. Dorndorf, BB (2000), S. 1938 ff.
[33] Vgl. Hromadka, WD (2003), S. 223.
[34] BT-Drucks. 15/1509, S. 15.
[35] Vgl. Wolff, BB (2004), S. 378.
[36] Vgl. Grobys, DB (2003), S. 2174.
[37] Vgl. Preis, DB (2004), S. 70.
[38] Vgl. Grobys, DB (2003), S. 2174 ff.
[39] Vgl. Preis, DB (2004), S. 70; Rolfs, ZIP (2004), S. 335; Löwisch, BB (2004), S. 158.
[40] Vgl. Rolfs, ZIP (2004), S. 343.
[41] Vgl. Wolff, BB (2004), S. 381.
[42] Vgl. Löwisch (2004), Rz. 748.
[43] Vgl. Löwisch (2004), Rz. 756.
[44] Vgl. Busch, BB (2004), S. 267 ff.
[45] Vgl. Busch, BB (2004), S. 269.
[46] Vgl. Löwisch (2004), Rz. 756.
[47] BAG, Urt. v. 10.12.1996 – 1 AZR 290/96 – AP Nr. 32 zu § 113 BetrVG 1972.
[48] Vgl. Francken et al. (1999), S. 39.
[49] BAG v. 22.02.1983 – 1 AZR 260/81 – AP Nr. 7 zu § 113 BetrVG 1972;
s. auch Francken et al. (1999), S. 39.
[50] Vgl. Pröpper, DB (2001), S. 2172.
[51] Vgl. Gronemeyer (2004), S. 110.
[52] Vgl. Francken et al. (1999), S. 26 f..
[53] Vgl. Francken et al. (1999), S. 164.
[54] Vgl. Offerhaus, FS für Budde (1995), S. 466.
[55] BFH v. 24.4.1991, Fn. 6; LStR 9 Abs. 1.
[56] S. dazu: Arbeitslosenstatistiken der Bundesagentur für Arbeit, Februar/März 2005.
[57] Vgl. Tietze (1990), S. 34.
[58] Vgl. von Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 3 Nr. 9 EStG, Rdnr. 9/27.
[59] Vgl. Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, § 3 Nr. 9 EStG, Anm. 3.
[60] BFH v. 21.6.1990 - X R 48/96, BStBl. II, 1021; v. 16.7. 1997 - XI R 85/96, BStBl. II, 666.
[61] RGBl. I 1925, 189.
[62] Vgl. Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, § 3 Nr. 9 EStG, Anm. 2.
[63] Ausschussbericht S. 34 f. (wiedergegeben bei Struntz, EStG 1925, zu § 8 Anm. 29).
[64] BGBl. I S. 473; BStBl. I S. 412.
[65] BGBl. I, S. 377; BStBl. I S. 217.
[66] BGBl. I, S. 1856; BStBl. I S. 8.
[67] BGBl. I, S. 1769; BStBl. I S. 530.
[68] Vgl. Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, § 3 Nr. 9 EStG, Anm. 2.
[69] Vgl. von Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 3 Nr. 9 EStG, Rdnr. 9/11.
[70] BGBl. I S. 402; BStBl. I S. 304.
[71] Vgl. Hjort (2003), S. 160.
[72] Vgl. BMF-Schreiben vom 24.05.2004, Rz. 1.
[73] Vgl. Hjort (2003), S. 160.
[74] Vgl. Kirchhof in Kirchhof, § 2 EStG, Rdnr. 33.
[75] BAG v. 9.11.1988 – 4 AZR 433/88.
[76] Vgl. Tietze (1990), S. 14.
[77] Vgl. Pflüger in Herrmann/Heuer/Raupach, § 19 EStG, Anm. 19
[78] Vgl. Pflüger in Herrmann/Heuer/Raupach, § 19 EStG, Anm. 19.
[79] Vgl. Eisgruber in Kirchhof, § 19 EStG, Rdnr. 3.
[80] Vgl. Eisgruber in Kirchhof, § 19 EStG, Rdnr. 120.
[81] BFH v. 24.2.1981 - VIII R 109/76, BStBl. II 1981, 707; v. 10.6.1983 - VI R 176/80, BStBl. II 1983, 642.
[82] BFH v. 10.7.1996 - I R 83/95, BStBl. I 1997, 341, BFHE 188,155; § 2 Abs. 2 Nr. LStDV.
[83] Vgl. Tietze (1990), S. 20, m. w. N.
[84] Vgl. von Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 3 Nr. 9 EStG, Rdnr. B9/16.
[85] Vgl. Tipke/Lang (2002), § 9 Rz. 130.
[86] Vgl. Erhard in Blümich, § 3 EStG, Rz. 2.
[87] Vgl. Handzik in Littmann/Bitz/Pust, § 3 EStG, Rz. 5.
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