Politisches Totengedenken ist ein wichtiger Bestandteil politischer Kultur. Gerade für Staatswesen, die als direkte Folge eines (verlorenen) Kriegs entstanden sind, gehört das politische Totengedenken zu einem der wesentlichen Elemente politischer Kultur, in dem sich das Maß von Akzeptanz und Identifikation mit der politischen Ordnung von Seiten der Bevölkerung widerspiegelt. Für die Weimarer Republik gilt dies umso mehr. Denn zu einer kritischen Verarbeitung des verlorenen Ersten Weltkriegs, der den Zusammenbruch des Deutschen Kaiserreiches und die Entstehung der parlamentarischen Demokratie bewirkt hatte, kam es de facto nicht – zumindest nicht auf einer breiten, die öffentliche Meinung durchdringenden Basis.
Die Studie fragt nach dem politischen Gedenken an die Gefallenen des Ersten Weltkriegs als Bestandteil der politischen Kultur der Weimarer Republik, wie es sich in dem seit 1924 begangenen Volkstrauertag zeigt, sowie nach Formen, Rahmen und Trägern dieses Gedenkens.
Untersucht wird dabei zum einen der Ende 1919 gegründete Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge als Initiator des Volkstrauertags hinsichtlich Organisation, Mitgliederstruktur, angesprochenen Zielgruppen und verfolgten Zielsetzungen. Zum anderen werden bis zum Jahr 1933 die Gedenkveranstaltungen zum Volkstrauertag nach ihren konkreten politischen Inhalten sowie ihrer symbolischen und sprachlichen Inszenierung analysiert und in den Gesamtkontext der Feier- und Gedenktagsfrage der Zwischenkriegszeit verortet.
Mit Blick auf die politische Kultur der Weimarer Republik geht die Arbeit schließlich der Frage nach, inwiefern das sich im Volkstrauertag manifestierende, im Wesentlichen der bürgerlichen Teilkultur zuzuordnende Totengedenken als Ausdruck des hohen Fragmentierungsgrads und fehlenden Grundkonsenses der Gesellschaft der Weimarer Zeit gewertet werden kann. Die Arbeit steht somit letztlich auch im Kontext der Suche nach Gründen für Labilität und Scheitern der Weimarer Republik und soll in Form einer Teilanalyse einen Beitrag zu diesem äußerst komplexen Forschungsbereich leisten.
Inhaltsverzeichnis
- A. Einleitung
- 1. Fragestellung
- 2. Konzept und Methode
- 3. Quellenlage und Forschungsstand
- B. Totengedenken als gesellschaftliche Aufgabe: Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V.
- 1. Entstehung
- 2. Struktur und Aufbau
- 3. Entwicklung und Aktivitäten bis 1933
- C. Nationalfeiertag und Nationaltrauertag: Das politische Ringen um das nationale Gedenken
- 1. Gedenktage als Frage der Staatssymbolik
- 2. Die Feiertagsfrage in der Weimarer Republik
- 2.1 Die Nationalfeiertagsfrage
- 2.2 Der Gedenktag an die Toten des Ersten Weltkriegs: Erste Konzepte bis 1923
- 2.3 Die Initiative des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge: Der Volkstrauertag
- 2.4 Neue Bewegung in der Gedenktagsfrage ab 1930
- 3. Die Gedenktagskonzeptionen der politischen Teilkulturen
- D. Die Volkstrauertage in der Weimarer Republik: Konzepte und Inszenierung
- 1. Staatliche Vorstellungen: Das Konzept des Reichskunstwarts Edwin Redslob
- 2. Die Volkstrauertage unter Organisation des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge
- 2.1 Die äußere Form des Vokstrauertages: Richtlinien und Inszenierung
- 2.2 Die Volkstrauertage auf lokaler Ebene in den Jahren 1926 und 1927
- 2.3 Gedenkreden zum Volkstrauertag
- E. Volkstrauertag und Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge im Übergang zum Nationalsozialismus
- F. Schlussbetrachtung.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Magisterarbeit untersucht das politische Gedenken an die Kriegstoten im Kontext der Weimarer Republik, wobei der Fokus auf dem Volkstrauertag liegt, der seit 1924 jährlich begangen wurde. Die Arbeit analysiert den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK) als Initiator des Volkstrauertags und untersucht die Struktur, die Mitglieder und die Ziele der Organisation. Des Weiteren wird untersucht, ob der Volkstrauertag ein dezidiert politisches Gedenken an die Toten des Ersten Weltkriegs darstellt, welche Rolle er in der Feiertagsfrage der Weimarer Republik spielt und welche Aussagen sich über die symbolische und sprachliche Inszenierung der Gedenkveranstaltungen treffen lassen.
- Politische Kultur der Weimarer Republik
- Totengedenken und politische Ordnung
- Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge als gesellschaftliche Organisation
- Der Volkstrauertag als politisches Gedenken
- Symbolische und sprachliche Inszenierung von Gedenkveranstaltungen
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung erläutert die Fragestellung, das Konzept und die Methode der Arbeit sowie die Quellenlage und den Forschungsstand.
- Kapitel B beleuchtet den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. als gesellschaftliche Organisation, seine Entstehung, Struktur und Aktivitäten bis 1933.
- Kapitel C analysiert das politische Ringen um das nationale Gedenken in der Weimarer Republik, insbesondere die Debatten um Nationalfeiertage und Gedenktage für die Toten des Ersten Weltkriegs. Dabei wird die Initiative des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge zur Einführung des Volkstrauertags beleuchtet.
- Kapitel D untersucht die Konzepte und Inszenierungen der Volkstrauertage in der Weimarer Republik, sowohl die staatlichen Vorstellungen als auch die Praxis des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge.
Schlüsselwörter
Politische Kultur, Weimarer Republik, Totengedenken, Volkstrauertag, Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Gedenktag, Nationalfeiertag, Symbolische Inszenierung, Staatssymbolik, politische Teilkulturen.
- Quote paper
- Wolfgang Fischer (Author), 2001, Der Volkstrauertag in der Weimarer Republik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/40183