In folgender Arbeit möchte ich den sexuellen Missbrauch an Kindern und dessen Prävention bearbeiten. Vorab möchte ich erläutern, dass mit dem Begriff „Kind“ auch jugendliche Menschen bis zur Volljährigkeit gemeint sind. In meiner Arbeit werde ich „Fallgeschichten“ ausgrenzen, denn ich möchte mich durch derartige emotionale Aussagen nicht von der Sachlichkeit abbringen lassen, was aber vermutlich die Folge wäre. Zusätzlich würde diese Art der Vorangehensweise dem Leser ein sehr düsteres und bedrückendes Bild suggerieren und ihn eventuell am Weiterlesen hindern, was meiner Zielsetzung nicht entsprechen würde. Ferner werde ich auch die Psyche des Täters und mögliche Behandlungsformen für Sexualstraftäter ausklammern und mich nur kurz mit den Planungsphasen der Tat auseinandersetzen. Hauptsächlich möchte ich den Missbrauch aus dem Blickwinkel der Opfer betrachten. Die konkrete Präventionsarbeit kann ich selbstverständlich nur exemplarisch aufzeigen und erhebe keineswegs den Anspruch auf Vollständigkeit.
Mir scheint der Kindesmissbrauch ist mittlerweile nicht mehr im selben Rahmen tabuisiert wie früher dennoch glaube ich, dass selten alle Aspekte des Missbrauchs Beachtung finden. Ich vermute, dass sich der Durchschnitt der Lehrpersonen überholten, konservativen Präventionsmethoden bedient, welche die Kinder vielmehr ängstigen als sie stärken. Deshalb scheint mir die Auseinandersetzung mit diesem Gegenstand aktuell und angebracht.
Mein direkter Zugang zu diesem Thema liegt wohl darin begründet, dass ich selbst negative Erfahrungen in diesem Bereich gemacht habe und eines der Opfer bin, das ohne professionelle Hilfe die Ereignisse gut verarbeiten konnte. Doch leider ist dies nicht immer der Fall und aus diesem Grunde für mich Anlass, einen besseren Zugang zu dieser Materie zu forcieren.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1 Fakten
1.1 Definition des Begriffs „Sexueller Missbrauch“
1.1.1 Die Frage der Einwilligung
1.1.2 Die Art der Handlung
1.1.3 Die Absicht des Täters
1.1.4 Anwendung von Gewalt
1.1.5 Altersbegrenzung
1.1.6 Altersunterschied zwischen Täter und Opfer
1.2 Zahlen
1.3 Rechtliche Situation
1.3.1 § 206 Schwerer sexueller Missbrauch von Unmündigen
1.3.2 § 207 Sexueller Missbrauch von Unmündigen
1.3.3 § 207a Pornographische Darstellungen mit Unmündigen
1.3.4 § 207b Sexueller Missbrauch von Jugendlichen
1.3.5 § 208 Sittliche Gefährdung von Personen unter sechzehn Jahren
2 Missbrauchsdynamik
2.1 Erwachsene bestimmen über den Körper von Kindern
2.2 Kinder vertrauen dem Täter
2.3 Das Geheimnis
2.4 Sprachlosigkeit, Abhängigkeit und Schuldgefühle
3 Das Trauma
3.1 Die Traumadifferenzierung
3.1.1 Das Vortrauma
3.1.2 Das Haupttrauma
3.1.3 Das Second–Trauma
3.1.4 Das Folgetrauma
3.1.5 Kumulative Traumata
3.2 Traumatisierungsfaktoren
3.2.1 Primäre Traumatisierungsfaktoren
3.2.1.1 Opfer-Täter-Beziehung
3.2.1.2 „Intensität“ des sexuellen Missbrauchs
3.2.1.3 Zwang und Gewalt
3.2.1.4 Dauer und Häufigkeit des sexuellen Missbrauchs
3.2.1.5 Alter des Opfers
3.2.1.6 Geschlecht des Täters
3.2.2 Sekundäre Traumatisierungsfaktoren
3.3 Folgen des sexuellen Missbrauchs
3.3.1 Körperliche Verletzungen
3.3.2 Psychosomatische Symptome
3.3.3 Psychische Probleme
3.3.4 Soziale Auffälligkeiten
3.3.5 Auffälliges Sexualverhalten
3.3.6 Zur Interpretation von Symptomen
4 Prävention von sexuellem Missbrauch
4.1 Präventionsbereiche
4.2 Präventionsmethoden im Ausland
4.2.1 Prävention in amerikanischen Volksschulen
4.2.2 Prävention in kanadischen Volksschulen
4.2.3 Prävention in englischen Volksschulen
4.3 Prävention in Österreich
4.4 Intervention
4.4.1 Ruhe bewahren
4.4.2 Das Kind unterstützen
4.4.3 Aufzeichnungen machen und soziales Umfeld erkunden
4.4.4 Die Strafanzeige
4.5 Der Grooming Prozess
5 Ansatzpunkte in der Volksschule
5.1 Ansatzpunkte beim Volksschullehrer
5.1.1 Blickpunkte bei der Umsetzung
5.1.2 Bezug zum Lehrplan
5.2 Ansatzpunkte bei den Volksschulkindern
5.2.1 Sozialklima als Grundlage
5.2.2 Geschlechterrollen besprechen und hinterfragen
5.2.3 Integration demokratischer Elemente im Unterricht
5.2.4 Sexualerziehung im Rahmen des Sachunterrichts
5.2.5 Spezielle Prävention
5.2.5.1 Mein Körper gehört mir
5.2.5.2 Meine Gefühle
5.2.5.3 Geheimnisse
5.2.5.4 Berührungen
5.2.5.5 „Nein sagen“
5.2.5.6 Hilfe holen
5.2.5.7 Du bist nicht schuld
5.2.6 Elternarbeit
Schlussbemerkung
Literaturverzeichnis
Anhang
Einleitung
In folgender Arbeit möchte ich den sexuellen Missbrauch an Kindern und dessen Prävention bearbeiten. Vorab möchte ich erläutern, dass mit dem Begriff „Kind“ auch jugendliche Menschen bis zur Volljährigkeit gemeint sind. In meiner Arbeit werde ich „Fallgeschichten“ ausgrenzen, denn ich möchte mich durch derartige emotionale Aussagen nicht von der Sachlichkeit abbringen lassen, was aber vermutlich die Folge wäre. Zusätzlich würde diese Art der Vorangehensweise dem Leser ein sehr düsteres und bedrückendes Bild suggerieren und ihn eventuell am Weiterlesen hindern, was meiner Zielsetzung nicht entsprechen würde. Ferner werde ich auch die Psyche des Täters und mögliche Behandlungsformen für Sexualstraftäter ausklammern und mich nur kurz mit den Planungsphasen der Tat auseinandersetzen. Hauptsächlich möchte ich den Missbrauch aus dem Blickwinkel der Opfer betrachten. Die konkrete Präventionsarbeit kann ich selbstverständlich nur exemplarisch aufzeigen und erhebe keineswegs den Anspruch auf Vollständigkeit.
Mir scheint der Kindesmissbrauch ist mittlerweile nicht mehr im selben Rahmen tabuisiert wie früher dennoch glaube ich, dass selten alle Aspekte des Missbrauchs Beachtung finden. Ich vermute, dass sich der Durchschnitt der Lehrpersonen überholten, konservativen Präventionsmethoden bedient, welche die Kinder vielmehr ängstigen als sie stärken. Deshalb scheint mir die Auseinandersetzung mit diesem Gegenstand aktuell und angebracht.
Mein direkter Zugang zu diesem Thema liegt wohl darin begründet, dass ich selbst negative Erfahrungen in diesem Bereich gemacht habe und eines der Opfer bin, das ohne professionelle Hilfe die Ereignisse gut verarbeiten konnte. Doch leider ist dies nicht immer der Fall und aus diesem Grunde für mich Anlass, einen besseren Zugang zu dieser Materie zu forcieren.
Durch mein persönliches Erlebnis ist es mir ein Anliegen meinen zukünftigen Schülern die nötigen Kompetenzen mitzugeben, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen den Missbrauch im Vorhinein zu verhindern, oder dass sie bei einem Übergriff mögliche Handlungsstrategien zur Verfügung haben. Nebenbei möchte ich bemerken, dass ich Prävention, die von den potentiellen Opfern ausgeht, nicht für den besten Ansatz halte. An und für sich sollten erwachsene Menschen Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Kindern haben und deren Grundbedürfnisse wie Liebe, Zuneigung und Zärtlichkeit nicht absichtlich ausnützen. Allerdings darf man darauf nicht vertrauen und deshalb scheint mir das Konzept der „Ich- Stärkung“ des Kindes am nützlichsten. Zumal es auch eine Bereicherung für unser demokratisches System ist mündige und autonome Kinder zu haben.
Um eine gut fundierte Präventionsarbeit leisten zu können, ist es notwendig, sich zuerst mit den grundlegenden Fakten zu befassen. Darum werde ich mich im Großteil der Arbeit mit jenen beschäftigen. Im ersten Kapitel werde ich mich sowohl mit der Definition des Begriffs „sexueller Missbrauch“ als auch mit der Häufigkeit und der rechtlichen Situation befassen. Im Weiteren werde ich die Missbrauchsdynamik, in welcher sich das Opfer befindet, durchleuchten. Im dritten Kapitel möchte ich das Trauma der Gewalt und im Besondern die Folgen des Missbrauchs behandeln. Erst im vierten Teil werden Präventionsansätze im Ausland ergründet, bis schließlich im fünften Abschnitt meine konkreten Vorstellungen der Präventionsarbeit zum Thema gemacht werden. Im Anhang finden sich noch einige zu diesem Thema brauchbare Geschichten und Arbeitsblätter.
Da in der Fachliteratur sowohl von der Grundschule als auch von der Volksschule die Rede ist, werde ich, um eventuellen Missverständnissen vorzubeugen, durchgehend den Begriff „Volksschule“ verwenden. Des Weiteren möchte ich anmerken, dass es fachlich vorgesehen ist die Arbeit geschlechtsneutral zu halten. Natürlich ist es gerade im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch ein Thema, auf welche Art die Sprache gebraucht wird. Schließlich ist Missbrauch nur durch ein Machtgefälle möglich und jenes wird durch das allgemeingültige Maskulinum eher gefördert als unterbunden. Trotzdem werde ich aus eben genanntem Grund diese Schreibweise beibehalten.
1 Fakten
Bevor ich mich in das Thema vertiefe, erscheint es mir wichtig, eine Definition zu geben und das Ausmaß von sexuellem Missbrauch zu erörtern.
1.1 Definition des Begriffs „Sexueller Missbrauch“
Das Hauptproblem bei einer Definition dieses Begriffes ist wohl, dass es keine allgemeingültige Definition gibt. Dies hat natürlich auch eine direkte Auswirkung auf Statistiken, die sich mit diesem Thema beschäftigen. So werden in verschiedenen Forschungen dem jeweiligen Forschungsansatz gemäß einzelne Aspekte mehr oder weniger stark betont. Deshalb möchte ich unterschiedliche Kriterien für die Definition von sexuellem Missbrauch anführen.
1.1.1 Die Frage der Einwilligung
Uneingeschränkte Zustimmung findet die Aussage, dass alle sexuellen Handlungen die durch Drohung und körperliche Gewalt erzwungen wurden, einen sexuellen Missbrauch darstellen. Auch wird jede sexuelle Handlung, die ein Erwachsener an einem Kind gegen dessen Willen durchführt, als sexueller Missbrauch bezeichnet. (Vgl. D. Bange 1995, S. 32) Dabei ist allerdings anzumerken, dass die scheinbare Einwilligung von Seiten der Kinder eine wichtige Verarbeitungsstrategie für sie sein kann. Vor allem ist durch das vorhandene Machtgefälle zwischen Erwachsenen und Kindern eine Zustimmung gar nicht möglich. Hier scheint mir das Konzept des wissentlichen Einverständnisses erwähnenswert:
„Ausgangspunkt dabei ist, daß bei Erwachsenen eine „Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ vorliegt, wenn eine Person an einer anderen ohne deren Zustimmung sexuelle Handlungen ausführt. Da Kinder
- aufgrund ihres emotionalen, kognitiven und sprachlichen Entwicklungsstands nicht den gleichen Informationsstand wie die Erwachsenen haben,
- von der Liebe, Zuneigung und sozialen Fürsorge Erwachsener abhängig sind
- und auch rechtlich Erwachsenen unterstellt sind,
herrscht ein strukturelles Machtgefälle zwischen Erwachsenen und Kindern. Kinder können deshalb nicht als gleichberechtigte Partner sexuelle Kontakte
mit Erwachsenen ablehnen oder ihnen zustimmen. Demnach ist jeder sexuelle
Kontakt zwischen einem Kind und einem Erwachsenen sexueller Mißbrauch.
Dieses Konzept wird von vielen WissenschaftlerInnen als Definitionsgrundlage verwendet (z.B. Schlechter/Roberge 1976, Finkelhor 1979, Kempe/Kempe 1980,
Sgroi u.a. 1982, Saller 1986, Fegert 1987, Abelmann-Vollmer 1989, Hirsch 1990).“ (D. Bange 1995, S. 32)
1.1.2 Die Art der Handlung
Ein weiteres Definitionskriterium ist die Art der Handlung. In öffentlichen Diskussionen wird unter sexuellem Missbrauch an Kindern oft auf Geschlechtsverkehr Bezug genommen. Deshalb stellt sich die Frage, was alles in die Kategorie des sexuellen Missbrauchs gehört. Sind auch verbale Übergriffe und sexuelle Photographien des Kindes als solcher zu bewerten? Auch hier herrscht im Allgemeinen Uneinigkeit. Anhand von Umfragen konnte festgestellt werden, je massiver die Handlung ist, desto eher handelt es sich laut Meinung der Befragten um Missbrauch. (Vgl. D. Bange 1995, S. 32) Doch dies scheint mir nicht genug. Meiner Meinung nach gehören auch Handlungen wie verbale Übergriffe, Exhibitionismus, Spannen und ähnliches in die Kategorie des sexuellen Missbrauchs. Schließlich können auch solche Erlebnisse für Kinder dramatisch sein. Jedes Kind geht aufgrund seiner individuellen Persönlichkeit anders mit solch einer Situation um. Deshalb erscheint es mir nicht sinnvoll zu definieren, welche Handlung vollzogen wurde, sondern welche Konsequenzen die Tat für das Kind hat.
1.1.3 Die Absicht des Täters
Die Absicht des Täters ist ausschlaggebend, ob es sich um sexuellen Missbrauch handelt oder nicht. Natürlich ist die Absicht einer Handlung nicht leicht zu verfolgen und vor allem im innerfamiliären Bereich ist es schwer eine Grenze zwischen Zuneigung und Missbrauch zu ziehen. In einer Familie, in der sich die Familienmitglieder nackt voreinander zeigen, ist es nicht als Missbrauch anzusehen, wenn die Aktivitäten nicht mit der Intention erfolgen, sich auf Kosten der Kinder zu befriedigen. Sind hingegen viele Verbote und Tabus in Bezug auf Nacktheit und Sexualität vorhanden, kann es sich bereits um Missbrauch handeln, wenn der Vater sich vor seinen Kindern nackt zeigt.
Es liegt dann ein sexueller Missbrauch vor, wenn der Täter eine Situation bewusst herbeigeführt hat, um sich oder das Opfer zu erregen. (Vgl. U. Brockhaus/M. Kolshorn 1993, S. 23)
1.1.4 Anwendung von Gewalt
Auch dieses Kriterium dient manchen zur Definition. Da aber der überwiegende Teil von sexuellem Missbrauch innerhalb der Familie stattfindet, beziehungsweise von Personen ausgeführt wird, die dem Kinde nahe stehen, haben es die Täter meist nicht nötig, Zwang oder Gewalt auszuüben. Selbst wenn auch psychische oder körperliche Gewalt ein häufiges Mittel zur Geheimhaltung des sexuellen Missbrauchs ist, ist es als einziges Definitionskriterium nicht ausreichend und schließt viele Taten aus. (Vgl. L. Lercher u.a. 1995, S.16; U. Brockhaus/M. Kolshorn 1993, S. 24)
1.1.5 Altersbegrenzung
In Studien werden sehr unterschiedliche Altersgrenzen bei den Opfern festgelegt. Am häufigsten wird die Altersgrenze bei sechzehn Jahren gezogen. Die Studien übersteigen jedoch nie die Obergrenze des 18. Lebensjahres. Zieht man allerdings die unterschiedlichen Reifegrade der einzelnen Persönlichkeiten in Betracht, ist es eher problematisch eine strikte Grenze zu ziehen. (Vgl. L. Lercher u.a. 1995, S. 16) Mir erscheint es sinnvoll, Jugendliche bis zu achtzehn Jahren in die Studien einzubeziehen, da diese in einem rechtlich abhängigen Verhältnis zu Erwachsenen leben.
1.1.6 Altersunterschied zwischen Täter und Opfer
Um von sexuellem Missbrauch sprechen zu können, wird oft ein Altersunterschied von fünf Jahren zwischen Opfer und Täter vorausgesetzt. Dieses Definitionskriterium schließt auch einen Teil der Missbrauchsfälle aus. So würde es sich um keinen Missbrauch handeln, wenn ein fünfzehnjähriger Junge einen sexuellen Übergriff auf ein zehnjähriges Mädchen macht. (Vgl. L. Lercher u.a. 1995, S. 17)
Diese Sammlung einiger Kriterien lässt vermuten, dass es schwierig ist eine umfassende Definition des sexuellen Missbrauchs zu finden. Es sollte genau darauf geachtet werden, welche Definition bei den jeweiligen Studien zu Grunde liegt.
Ein weiterer Kritikpunkt meinerseits ist der Begriff an sich:
“Die Bezeichnung “sexueller Missbrauch” wird häufig kritisiert, weil sie einen korrekten “sexuellen Gebrauch“ von Kindern impliziere (vgl. Alkohol- Missbrauch und Alkohol-Gebrauch). Es wird deshalb von Experten auch von “sexueller Gewalt“ und “sexueller Misshandlung“ gesprochen, wobei diese Begriffe ebenfalls irreführend sind, da nur bei einem geringen Anteil des Missbrauchs Gewalt oder Drohung anzutreffen ist (etwa 15 Prozent nach Bauermann 1983).“ (W. Stangel 2004)
Da es keine vernünftige Alternative zu der Begrifflichkeit “sexueller Missbrauch“ gibt, werde ich diesen weiterhin beibehalten.
1.2 Zahlen
„Betrachtet man die Ergebnisse der Untersuchung, so zeigen selbst die niedrigsten Zahlen, daß sexuelle Übergriffe auf Mädchen weit verbreitet sind. Wir kommen zu dem Schluß, daß (entsprechend einer engen bzw. weiten Definition) 30% bis 50% aller Mädchen vor Erreichen der Volljährigkeit sexuell mißbraucht werden.“ (U. Brockhaus/M. Kolshorn. 1993, S. 50)
„Das Bundeskriminalamt weist darauf hin, dass 45% der Opfer noch keine zehn Jahre alt sind...Männer richten ihre Gewalt zu 80-90% gegen Mädchen und zu 20% gegen Jungen. Schätzungen gehen davon aus, dass jedes vierte Mädchen von sexueller Ausbeutung durch Erwachsene betroffen ist.“ (K. Frei 1997, S. 18)
Solche und ähnlich alarmierende Zahlen sind mittlerweile häufig in Tageszeitungen und auch in der Fachliteratur zu finden. Hierbei sollte allerdings ein Augenmerk auf die verwendete Definition der Studie gelegt werden, um einem Missbrauch des Begriffs vorzubeugen. Es liegt mir fern zu behaupten, dass sexueller Missbrauch selten vorkommt, aber mir scheint es wichtig zu erwähnen, dass die Statistiken mannigfaltige Definitionen verwenden und somit auch unterschiedliche Ergebnisse das Resultat sind. Manche Studien nehmen auch verbale Belästigungen auf andere wiederum nur körperliche Übergriffe. Einige Untersuchungen legen die Altersgrenze bei 16 Jahren fest, dagegen gibt es Forschungen zum Thema Häufigkeit, die auch Vorfälle bis zur Volljährigkeit beinhalten. Oft entstehen Statistiken durch Befragungen im Erwachsenenalter, wobei manche ihr traumatisches Erlebnis eventuell verdrängt haben und zum Zeitpunkt der Befragung keine Angaben machen können.
Mein Fazit aus diesen vielen Möglichkeiten ist, dass es einer genauen Betrachtung von Statistiken bedarf. Auf der Suche nach einer repräsentativen Studie bin ich auf unterschiedlichste Zahlen gestoßen. Aus diesem Grund bat ich sowohl die Kinder- und Jugendanwaltschaft als auch das Institut für Sozialdienste um Auskunft:
Meines Erachtens erscheint mir die Evaluation der Gesamtstatistik im Bereich Kinderschutz von Veronika Keine interessant. Sie analysierte siebenundsiebzig Fälle aus dem Jahre 2003, die sowohl Gewalt, Misshandlung als auch Missbrauch thematisierten und im Institut für Sozialdienste bearbeitet wurden.
Geschlecht des Opfers:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Vgl. V. Kiene 2004 )
Natürlich kann diese Statistik für Vorarlberg nicht repräsentativ sein, da eine hohe Dunkelziffer in diesem Bereich vorhanden ist und nur ein Bruchteil der Fälle öffentlich wird. Vor allem lässt die Erhebung keinen Schluss auf die Häufigkeit von sexuellem Missbrauch zu, da es sich um eine Gesamtstatistik handelt, bei welcher auch andere Taten wie Vernachlässigung oder physische Gewalt aufscheinen. Trotzdem kristallisiert sich in dieser Untersuchung heraus, dass Mädchen häufiger betroffen sind als Buben und Männer vermehrt als Täter vorkommen als Frauen. Für sehr aussagekräftig halte ich folgende Ausführung:
„Wenn die am häufigsten zitierte Zahl (jedes 4. Mädchen/jeder 8. Knabe) herangezogen wird, so ist damit nicht gemeint, dass jedes 4. Mädchen bzw. jeder 8. Knabe Opfer von genitalem, oralem oder analem Geschlechtsverkehr wird. Es bedarf einer Differenzierung was Form und Intensität der sexuellen Gewalt anbelangt – es sollten keine Banalisierung und keine Übertreibung sondern eben Zusammenhänge zwischen Gewaltbegriff und Zahlen hergestellt werden.
Jedes 4. Mädchen und jeder 8. Knabe stimmt, wenn Sie alle Formen sexueller Gewalt einbeziehen (berühren, wenn ein Kind das nicht will, lüsterne Blicke, Streicheln gegen den Willen des Kindes usw.) gravierende (genitale Berührungen, Verkehr usw.) und mittelschwere Formen(z. B.: das Erleben/Sehen eines Exhibitionisten) erleben jedes 5. - 6. Mädchen bzw. jeder 14. Knabe.
Jährlich werden in Österreich 12.500 Kinder sexuell missbraucht, mehr als 75%
sind Mädchen, über 90% männliche Täter, 30% der Übergriffe passieren in der Familie“ (M. Rauch 2004)
Das tatsächliche Ausmaß von sexuellem Missbrauch ist nicht ermittelbar. Unverkennbar ist aber auch die vorhandene Problematik. Im Grunde ist es für mich nicht relevant, ob nun jedes 4. Mädchen oder jeder 8. Knabe Opfer von sexuellem Missbrauch wird, denn mir scheint, jedes Kind ist eines zu viel.
1.3 Rechtliche Situation
Bei den folgenden Paragraphen steht der Verlauf der Tat stets im Vordergrund. Doch oft sind wohl gerade in diesem Bereich die psychischen Folgen von Bedeutung. Natürlich ist es fast unmöglich das Maß der Demütigung objektiv zu ermitteln, aber dennoch wäre es wünschenswert, wenn beispielsweise die Traumatisierungsfaktoren Beachtung vor Gericht finden würden.
1.3.1 § 206 Schwerer sexueller Missbrauch von Unmündigen
„(1) Wer mit einer unmündigen Person den Beischlaf oder eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternimmt, ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.
(2) Ebenso ist zu bestrafen, wer eine unmündige Person zur Vornahme oder Duldung des Beischlafs oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung mit einer anderen Person oder, um sich oder einen Dritten geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, dazu verleitet, eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung an sich selbst vorzunehmen.
(3) Hat die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1) oder eine Schwangerschaft der unmündigen Person zur Folge, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe von fünf bis zu fünfzehn Jahren, hat sie aber den Tod der unmündigen Person zur Folge, mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu bestrafen.
(4) Übersteigt das Alter des Täters das Alter der unmündigen Person nicht um mehr als drei Jahre, besteht die geschlechtliche Handlung nicht in der Penetration mit einem Gegenstand und hat die Tat weder eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 ) noch den Tod der unmündigen Person zur Folge, so ist der Täter nach Abs. 1 und 2 nicht zu bestrafen, es sei denn, die unmündige Person hätte das 13. Lebensjahr noch nicht vollendet.“ ( Ch. Bertel/ K. Schwaighofer 2002, S.57 )
Als Handlungen, welche einem Beischlaf gleichzusetzen sind, zählen Vorkommnisse wie Oral- beziehungsweise Analverkehr und das Einführen von Körperteilen. Um Beischlaf handelt es sich bei vaginalem Geschlechtsverkehr. Werden andere Gegenstände in Mund und After eingeführt, wird dies nicht als eine geschlechtliche oder dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung angesehen. (Vgl. Ch. Bertel/K. Schwaighofer 2002, S. 48) Unmündige Personen sind Kinder, welche das vierzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Als minderjährig gelten Personen, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben. (Vgl. W. Doralt/H. Fuchs 2004, S. 26) Die Freiheitsstrafe gilt als härteste staatliche Sanktion. Sie kann sowohl auf eine bestimmte Zeit als auch lebenslang verhängt werden. Das Minimum einer Freiheitsstrafe beläuft sich auf einen Tag, wobei das Maximum zwanzig Jahre beträgt. (Vgl. W. Doralt/H. Fuchs 2004, S. 9)
1.3.2 § 207 Sexueller Missbrauch von Unmündigen
„(1) Wer außer dem Fall des § 206 eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person vornimmt oder von einer unmündigen Person an sich vornehmen lässt, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.
(2) Ebenso ist zu bestrafen, wer eine unmündige Person zu einer geschlechtlichen Handlung (Abs. 1) mit einer anderen Person oder, um sich oder einen Dritten geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, dazu verleitet, eine geschlechtliche Handlung an sich selbst vorzunehmen.
(3) Hat die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1) zur Folge, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren, hat sie aber den Tod der unmündigen Person zur Folge, mit Freiheitsstrafe von fünf bis zu fünfzehn Jahren zu bestrafen.
(4) Übersteigt das Alter des Täters das Alter der unmündigen Person nicht um mehr als vier Jahre und ist keine der Folgen des Abs. 3 eingetreten, so ist der Täter nach Abs. 1 und 2 nicht zu bestrafen, es sei denn, die unmündige Person hätte das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet.“ (Ch. Bertel/K. Schwaighofer 2002, S. 61)
Unter schwerer Körperverletzung wird unter anderem eine länger als vierundzwanzig Tage andauernde Schädigung der Gesundheit angesehen. Ob hiermit auch die psychische Gesundheit gemeint ist, wird nicht ausgeführt. Auch die Zufügung besonderer Qualen zählt zur schweren Körperverletzung. Was jedoch alles in die Kategorie „besondere Qualen“ fällt, ist fraglich. In Anbetracht der Traumatisierungsfaktoren fällt meiner Meinung nach jeder Missbrauch in diese Kategorie. Allerdings obliegt die Auslegung der Judikative. (Vgl. F. Schmidbauer 2004)
1.3.3 § 207a Pornographische Darstellungen mit Unmündigen
„(1) Wer eine bildliche Darstellung einer geschlechtlichen Handlung an einer unmündigen Person oder einer unmündigen Person an sich selbst, an einer anderen Person oder mit einem Tier, deren Betrachtung nach den Umständen den Eindruck vermittelt, dass es bei ihrer Herstellung zu einer solchen geschlechtlichen Handlung gekommen ist,
1. herstellt oder zum Zweck der Verbreitung einführt, befördert oder ausführt oder
2. einem anderen anbietet, verschafft, überlässt, vorführt oder sonst zugänglich macht,
ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.
(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren ist zu bestrafen, wer die im Abs. 1 bezeichnete Tat gewerbsmäßig oder als Mitglied einer kriminellen Vereinigung begeht.
(3) Wer sich eine pornographische Darstellung mit Unmündigen (Abs. 1) verschafft oder eine solche besitzt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.
(4) Der Täter ist nach Abs. 1, 2 und 3 nicht zu bestrafen, wenn die Tat nach einer anderen Bestimmung mit strengerer Strafe bedroht ist.“ (Ch. Bertel/K. Schwaighofer 2002, S. 62)
Dass es auch zu einer Bestrafung kommt, wenn die bildliche Darstellung „nur“ den Anschein erweckt, dass es zu einer geschlechtlichen Handlung gekommen ist, kann ich nur gut heißen. Leider sind solche Materialien weit verbreitet. Deshalb stellt sich mir die Frage, ob das Strafmaß nicht erhöht werden sollte. Möglicherweise würden sich einige potenzielle Täter davon abschrecken lassen.
1.3.4 § 207b Sexueller Missbrauch von Jugendlichen
„(1) Wer an einer Person, die das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat und aus bestimmten Gründen noch nicht reif genug ist, die Bedeutung des Vorgangs einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, unter Ausnützung dieser mangelnden Reife sowie seiner altersbedingten Überlegenheit eine geschlechtliche Handlung vornimmt, von einer solchen Person an sich vornehmen lässt oder eine solche Person dazu verleitet, eine geschlechtliche Handlung an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.
(2) Wer an einer Person, die das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, unter Ausnützung einer Zwangslage dieser Person eine geschlechtliche Handlung vornimmt, von einer solchen Person an sich vornehmen lässt oder eine solche Person dazu verleitet, eine geschlechtliche Handlung an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.
(3) Wer eine Person, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, unmittelbar durch ein Entgelt dazu verleitet, eine geschlechtliche Handlung an ihm oder einem Dritten vorzunehmen oder von ihm oder einem Dritten an sich vornehmen zu lassen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.“ (Ch. Bertel/K. Schwaighofer 2002, S. 65)
In Absatz zwei werden Personen geschützt, die das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben und aufgrund einer Zwangslage zu einer geschlechtlichen Handlung genötigt wurden. Allerdings können sich unter Umständen auch Personen in einem ungünstigen Machtverhältnis befinden, die das Alter von sechzehn Jahren überschritten haben. Jene sind allerdings nur dann geschützt, wenn sie für die geschlechtliche Handlung ein Entgelt angenommen haben.
1.3.5 § 208 Sittliche Gefährdung von Personen unter sechzehn Jahren
„Wer eine Handlung, die geeignet ist, die sittliche, seelische oder gesundheitliche Entwicklung von Personen unter sechzehn Jahren zu gefährden, vor einer unmündigen Person oder einer seiner Erziehung, Ausbildung oder Aufsicht unterstehenden Person unter sechzehn Jahren vornimmt, um dadurch sich oder einen Dritten geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen, es sei denn, dass nach den Umständen des Falles eine Gefährdung der unmündigen oder Person unter sechzehn Jahren ausgeschlossen ist.“ (Ch. Bertel/K. Schwaighofer 2002, S. 68)
Seit 1998 beginnt die Verjährungsfrist erst mit der Vollendung des neunzehnten Lebensjahres und gilt für den Großteil der Sexualdelikte. (Vgl. Ch. Bertel/K. Schwaighofer 2002, S. 58)
2 Missbrauchsdynamik
Die Opfer sind den Tätern gegenüber bereits rein körperlich gesehen unterlegen. Kommt zusätzlich noch eine existenzielle beziehungsweise eine emotionale Abhängigkeit hinzu, so sind die Folgen für das Kind verheerend.
2.1 Erwachsene bestimmen über den Körper von Kindern
„Gib der Oma einen Kuss, sonst ist die Oma traurig!“ Solche Aufforderungen sind auch heute noch gängig. Doch hier entscheidet nicht das Kind, ob ihm danach ist die geforderte Zuwendung auszuführen. Zusätzlich wird dem Kind sogar die Verantwortung für den Gefühlszustand der Großmutter auferlegt. Natürlich sind solche Aufforderungen nicht mit sexuellem Missbrauch gleichzusetzen. Allerdings lassen sich strukturelle Ähnlichkeiten nicht abstreiten. Das Kind lernt zu gehorchen und glaubt, dass es wichtiger ist, auf die andere Person Rücksicht zu nehmen als auf die eigenen Bedürfnisse zu achten und gegebenenfalls „Nein“ zu sagen. Durch diese Erziehungsform wird es dem Täter erheblich leichter gemacht über den Körper des Kindes zu verfügen. (Vgl. S. Braecker/W. Wirtz-Weinrich 1992, S. 23)
2.2 Kinder vertrauen dem Täter
Die meisten Täter sind vor dem Missbrauch keine Fremden für die Kinder und es besteht häufig bereits eine vertrauensvolle Beziehung. Diese ist der Ansatzpunkt für den weiteren Verlauf. Meistens genießen die Kinder diese Zuwendung und haben Angst die „Vertrauensperson“ zu verlieren, wenn sie sie zurückweisen. Dass am Wunsch nach Zuwendung nichts einzuwenden ist aber an der Ausnutzung dieser Gefühlslage, versteht sich meines Erachtens von selbst. (Vgl. U. Enders/J. Stumpf 1990, S. 44 f.) Auch wenn es bereits zu einem Übergriff gekommen ist, vertrauen die meisten Kinder weiterhin auf das Verantwortungsgefühl des Missbrauchers und hoffen auf „ein Versehen“. Geschenke, Zuwendung und Aufwertung des Kindes hindern es daran, eine Distanz zum Täter herstellen zu können. Erschwerend kommt hinzu, dass das Kind Erklärungen und Entschuldigungen für das Verhalten des Täters sucht. Oft weisen sich die Opfer die Schuld an der Situation selbst zu. So versuchen sie zu begründen, warum der gleiche Mensch, welcher ihnen so viel Aufmerksamkeit widmet, tolle Spiele spielt und freundlich zu ihnen ist, auch unerwartet Dinge von ihnen verlangt, die sie nicht ausführen möchten. (Vgl. S. Braecker/W. Wirtz-Weinrich 1992, S. 24 f.).
2.3 Das Geheimnis
Wenn dem Kind das Versprechen entlockt wird, über das Vorgefallene zu schweigen, so führt dies beim Opfer zu weiteren verwirrenden Gefühlen. Auf der einen Seite kann es den Eindruck haben, dass es etwas Besonderes ist ein Geheimnis zu teilen, andererseits fühlt es sich eventuell mitverantwortlich und rechnet mit einer Strafe, wenn es das Versprechen bricht. Auch Drohungen, dass die Familie getrennt wird oder der Mutter etwas passiert, werden als Druckmittel verwendet.
Wenn der Vater der Täter ist, wird das Kind zusätzlich belastet. Dem Opfer wird wahrscheinlich bald klar, dass es den Familienzusammenhalt in Gefahr bringt, sollte es über den Missbrauch sprechen. Das Kind fühlt sich für den Täter und für die Zukunft der Familie verantwortlich und kann somit keinen Widerstand leisten. (Vgl. S. Braecker/W. Wirtz-Weinrich 1992, S. 28 f.) Das Redeverbot bedeutet also eine schwere Belastung für das Kind. Oft wird auch das Selbstvertrauen erschüttert. Da es davon ausgeht, dass es das einzige ist, dem so etwas passiert ist, fragt es sich, was an ihm nicht stimmt und warum es sich nicht wehren kann. (Vgl. U. Enders/J. Stumpf 1990, S. 41)
Auch wenn es zu keiner körperlichen Gewaltanwendung kommt, scheint mir diese Art des Vorgehens auf psychischer Ebene sehr gewaltvoll. Ich weiß nicht, was ich als schlimmer empfinden soll: ein Kind aufgrund seiner körperlichen Unterlegenheit gewaltsam zu missbrauchen, oder das Vertrauen eines Kindes aufzubauen und schließlich schamlos auszunützen.
2.4 Sprachlosigkeit, Abhängigkeit und Schuldgefühle
Nicht nur aufgrund des Alters des Opfers kommt es zur Unfähigkeit den Missbrauch zu verbalisieren. Je jünger das Kind ist, desto weniger können Worte dafür vorhanden sein. Aber auch wenn die Opfer schon älter sind, schützen sie das gemeinsame Geheimnis, vor allem wenn der Täter eine nahe Bezugsperson ist. Das zwiespältige Gefühl auf der einen Seite den Täter zu mögen und auf der anderen Seite zu fürchten, verwirrt die meisten Kinder. Auch wenn sie ein Sprechverbot auferlegt bekommen haben, geben betroffene Kinder, sei es nun unbewusst oder nicht, meist andere Signale von sich. Wenn ein Kind jemanden um Hilfe bittet und es dann nicht verstanden wird, wird die Situation für das Kind noch viel auswegloser und schwieriger. (Vgl. U. Enders/J. Stumpf 1990, S. 44 f.)
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- Michele Müller (Author), 2005, Prävention von sexuellem Missbrauch im Volksschulalter, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39793
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