Acetonitril, halogenierte Acetonitrile und Trichlornitromethan besitzen vom toxikologischen Standpunkt aus ein hohes Gefährdungspotenzial für die Umwelt. Nichtsdestotrotz herrscht in der Wissenschaft eine große Unkenntnis über die Entstehung, den Transport, die Verbreitung und die möglichen Abbaumechanismen dieser Verbindungen. Dies betrifft vor allem die chlorierten und bromierten Acetonitrile sowie Trichlornitromethan in der Pedosphäre. Acetonitril gelangt nach neuesten Untersuchungen hauptsächlich auf natürlichem Wege in die Umwelt. Die dominante Quelle ist hierbei in der Verbrennung von Biomasse („biomass burning“) zu sehen (Hamilton et al., 2004). Auf diese Weise kommt es durch atmosphärischen Transport zu einer ubiquitären Verbreitung von Acetonitril in der Atmosphäre. Aus diesem Grund dient Acetonitril in vielen Computermodellen als atmosphärisches Tracergas für biomass burning (Sanhueza et al., 2004). Über bromierte und chlorierte Acetonitrile sowie Trichlornitromethan wurde bisher fast ausschliesslich im Zusammenhang mit der Chlorierung von Trink- und Badewasser berichtet (z.B. Schöler u. Schopp, 1984; Nikolaou et al., 1999), weswegen sie in die Stoffklasse der Desinfektionsnebenprodukte eingeordnet werden, wobei von einigen dieser Verbindungen ein toxisches Gefährdungspotenzial für die Umwelt ausgeht. Über die mögliche Bildung der genannten Verbindungen in Böden gibt es hingegen bisher kaum Daten in der wissenschaftlichen Literatur. Die wenigen Publikationen, die hierzu bekannt sind, beschäftigen sich dabei nur am Rande mit Bodenprozessen bei denen Acetonitril, chlorierte und bromierte Acetonitrile sowie Trichlornitromethan gebildet oder abgebaut werden. Aus den oben angeführten Gründen ist es notwendig zu untersuchen, ob und in welcher Form diese zuvor erwähnten organischen Verbindungen gebildet werden können.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung und Zielsetzung
1.1 Einführung
1.2 Chemische, physikalische und toxische Eigenschaften von Acetonitril, Haloacetonitrilen und Trichlornitromethan
1.3 Vorkommen und Verbreitung von Acetonitril , Haloacetonitrilen und Trichlornitromethan
1.3.1 Atmosphäre
1.3.2 Hydrosphäre
1.3.3 Pedosphäre
1.4 Konzeption und Fragestellung
2 Analytik
2.1.1 Chemikalien
2.1.2 Materialien
2.2 Ansetzen der Standards und Modellsubstanzen
2.2.1 Ansetzen der Standards
2.2.2 Ansetzen der Modellsubstanzen
2.3 Statische Headspace-Technik
2.4 Gaschromatographie
2.4.1 HS-GC-ECD-System
2.4.2 GC-MS-System
3 Ergebnisse und Interpretation
3.1 HS-GC-ECD Messungen
3.1.1 Versuche zur Bildung von Acetonitril mit Guajacol, KCN und Fe(III)-Sulfat
3.1.2 Versuche zur Bildung von Acetonitril, chlorierten Acetonitrilen und Trichlornitromethan mit Guajacol, NaCl, KCN und FeCl3 bzw. CuCl2
3.1.3 Versuche zur Bildung von bromierten Acetonitrilen mit Guajacol, KBr, KCN und FeCl3 bzw. CuCl2
3.1.4 Versuche zur Bildung von Bromchloracetonitril mit Guajacol, KBr, KCN, NaCl und FeCl3 bzw. CuCl2
3.2 HS-GC-MS Messungen
4 Zusammenfassung und abschließende Diskussion
5 Literaturverzeichnis
6 Anhang
6.1 Daten und Chromatogramme aus den HS-GC-ECD Messungen
6.1.1 Einzelstandards
6.1.2 Mixstandards
6.1.3 Modellsubstanzgemische
6.2 Daten aus den HS-GC-MS Messungen
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Danksagung
Ich möchte mich an dieser Stelle ganz besonders bei Herrn Prof. Dr. H. F. Schöler für die Vergabe der hier vorliegenden Arbeit bedanken. Ferner bei Herrn Prof. Dr. German Müller, der als Zweitgutachter in Erscheinung trat. Des weiteren gilt mein Dank meinen Kollegen aus dem Institut für Umweltgeochemie der Universität Heidelberg für ihre Hilfe bei der technischen Umsetzung dieser Arbeit.
Weiterhin möchte ich mich bei meiner Familie und meinen Freunden für ihre Unterstützung bedanken. Hierbei möchte ich besonders meine Freundin Kirsten Maciejczyk hervorheben, ohne deren fachliche und moralische Unterstützung diese Arbeit wohl niemals zustande ge- kommen wäre.
1 Einleitung und Zielsetzung
1.1 Einführung
Acetonitril, halogenierte Acetonitrile und Trichlornitromethan besitzen vom toxikologischen Standpunkt aus ein hohes Gefährdungspotenzial für die Umwelt. Nichtsdestotrotz herrscht in der Wissenschaft eine große Unkenntnis über die Entstehung, den Transport, die Verbreitung und die möglichen Abbaumechanismen dieser Verbindungen. Dies betrifft vor allem die chlo- rierten und bromierten Acetonitrile sowie Trichlornitromethan in der Pedosphäre.
Acetonitril gelangt nach neuesten Untersuchungen hauptsächlich auf natürlichem Wege in die Umwelt. Die dominante Quelle ist hierbei in der Verbrennung von Biomasse („biomass burning“) zu sehen (Hamilton et al., 2004). Auf diese Weise kommt es durch atmosphärischen Transport zu einer ubiquitären Verbreitung von Acetonitril in der Atmosphäre. Aus diesem Grund dient Acetonitril in vielen Computermodellen als atmosphärisches Tracergas für biomass burning (Sanhueza et al., 2004).
Über bromierte und chlorierte Acetonitrile sowie Trichlornitromethan wurde bisher fast ausschliesslich im Zusammenhang mit der Chlorierung von Trink- und Badewasser berichtet (z.B. Schöler u. Schopp, 1984; Nikolaou et al., 1999), weswegen sie in die Stoffklasse der Desinfektionsnebenprodukte eingeordnet werden, wobei von einigen dieser Verbindungen ein toxisches Gefährdungspotenzial für die Umwelt ausgeht. Über die mögliche Bildung der genannten Verbindungen in Böden gibt es hingegen bisher kaum Daten in der wissenschaftlichen Literatur. Die wenigen Publikationen, die hierzu bekannt sind, beschäftigen sich dabei nur am Rande mit Bodenprozessen bei denen Acetonitril, chlorierte und bromierte Acetonitrile sowie Trichlornitromethan gebildet oder abgebaut werden.
Aus den oben angeführten Gründen ist es notwendig zu untersuchen, ob und in welcher Form diese zuvor erwähnten organischen Verbindungen gebildet werden können.
1.2 Chemische, physikalische und toxische Eigenschaften von Acetonitril (AN), Haloacetonitrilen (HAN) und Trichlornitromethan (TCNM)
- Acetonitril (CH3CN)
Acetonitril ist eine klare, bei Raumtemperatur flüssige Substanz mit Äther-ähnlichem Geruch. Es ist mischbar mit Wasser, Methanol, Methylacetat, Aceton, Äther, Chloroform und vielen weiteren gesättigten und ungesättigten Kohlenwasserstoffen (Chemservice, 2004).
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Tabelle 1: Physikalische Eigenschaften von Acetonitril (aus: Chemservice, 2004)
Unter toxikologischem Aspekt können Acetonitril-Dämpfe beim Menschen über Inhalation oder Hautkontakt zu Irritationen der Haut, Augen, Nase und dem Rachenbereich führen. Weitere nachteilige gesundheitliche Folgen zeigen sich durch Erbrechen und Muskelkrämpfe. In manchen Fällen tritt sogar der Tod ein. Die orale Referenzdosis für Acetonitril liegt bei 6 µg/kg*d (U.S. EPA, 1994).
Es sind bisher noch keine Studien über den Einfluss von Acetonitril auf die Reproduktion beim Menschen bekannt. In Tierversuchen konnte dagegen festgestellt werden, dass es beim Nachwuchs der Probanden zu stärkeren Missbildungen kommen kann (U.S. EPA, 1994).
- Monochloracetonitril (CClH2CN)
Bei Monochloracetonitril handelt es sich um eine klare, bei Raumtemperatur flüssige sowie brennbare Verbindung, welche sich in Äther und Alkoholen löst. Durch die Anwesenheit von starken Basen oder starken Reduktions- oder Oxidationsmitteln wird Monochloracetonitril instabil und bildet toxische Gase (CO, CO2, NOx u. HCl). Weiterhin reagiert es mit Wasser, Wasserdampf oder Säuren. Im letztgenannten Fall bilden sich die hochtoxischen Cyanwas- serstoff-Dämpfe.
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Tabelle 2: Physikalische Eigenschaften von Monochloracetonitril (aus: Chemservice, 2004)
Monochloracetonitril gehört zu den giftigen Chemikalien. Eingeatmet, verschluckt oder durch die Haut absorbiert kann dies zu ernsthaften Erkrankungen bei Menschen und Tieren führen. Dies beginnt bei Reizungen der Haut und der Augen, über Kehlkopfentzündungen bis hin zur lebensgefährlichen Cyanose, welche durch die Freisetzung von Cyanwasserstoff verursacht wird. Nach der OSHA sollten eine maximale Konzentration von 5mg/m 3 am Arbeitsplatz (Umgebungsluft) nicht überschritten werden (Chemservice, 2004).
- Dichloracetonitril (CCl2HCN)
Dichloracetonitril liegt bei Zimmertemperatur in flüssigem Aggregatzustand vor. Diese klare und farblose Substanz löst sich am besten in Alkohlen. In Anwesenheit von starken Oxidationsmitteln wird diese Verbindung schnell instabil und es bilden sich giftige und korrosive Dämpfe (Chemservice, 2004).
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Tabelle 3: Physikalische Eigenschaften von Dichloracetonitril (aus: Chemservice, 2004)
Die toxischen Eigenschaften von Dichloracetonitril sind sehr vielfältig. Oral aufgenommen, eingeatmet oder über die Haut absorbiert kann es zu Muskelkrämpfen, Entzündungen (z.B. Lungenentzündung) sowie zur Ödembildung am Kehlkopf und/oder den Bronchien kommen. Besonders aggressiv verhält sich Dichloracetonitril gegenüber den Schleimhäuten und dem höheren respiratorischen Trakt. Die Symptome einer bereits leichten Vergiftung mit dieser Substanz äußern sich hauptsächlich durch Übelkeit, Kopfschmerzen und Kurzatmigkeit.
Ferner zeigten Untersuchungen von Oliver (1983) einen mutagenen Einfluss von Dichloracetonitril auf Bakterienkulturen. Deshalb steht diese Verbindung unter dem Verdacht krebserregende Eigenschaften zu besitzen (EPA, 1996).
Aufgrund dieser angeführten alarmierenden toxischen Eigenschaften schlägt die WHO (1995) vor, einen Leitwert von 90 mg/L bei der Trinkwasseraufbereitung (Chlorung) nicht zu über- schreiten.
- Trichloracetonitril (CCl3CN)
Diese farblose bis gelbe, scharf bis ätzend riechende Substanz liegt bei Raumtemperatur in flüssigem Zustand vor. Sie verhält sich inkompatibel mit starken Säuren sowie mit starken Reduktions- oder Oxidationsmitteln. Wird Trichloracetonitril abgebaut, so entstehen korrosi- ve und leichtflüchtige Gase (HCl). Abbauprodukte durch thermischen Zerfall beinhalten vor allem CO, CO2 und NOx.
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Tabelle 4: Physikalische Eigenschaften von Trichloracetonitril (aus: Chemservice, 2004)
Toxikologisch verhält sich Trichloracetonitril in vielerlei Hinsicht wie die zuvor beschriebenen chlorierten Acetonitrile. Hinzuzufügen seien an dieser Stelle nur die zusätzlich bei dieser Verbindung auftretenden Gesundheitsbeeinträchtigungen bezüglich ihrer korrosiven Eigenschaften. Hierdurch können bei Inhalation oder oraler Aufnahme starke Verbrennungen entstehen (sogar im Magen-Darm-Trakt; Chemservice, 2004).
Darüber hinaus steht Trichloracetonitril im Verdacht, zu den krebserzeugenden Stoffen zu zählen (Chemservice, 2004).
Die WHO (1995) schlägt für Trichloracetonitril einen Leitwert von 1,0 mg/l für Trinkwasser vor.
- Bromchloracetonitril (CHBrClCN)
Bei Bromchloracetonitril handelt es sich um eine klare, farblose Verbindung, die bei Raumtemperatur im flüssigen Zustand vorliegt. Diese korrosiv wirkende, wasserunlösliche Flüssigkeit bildet bei Kontakt mit starken Säuren und Oxidations- oder Reduktionsmitteln toxische, gasförmige Abbauprodukte.
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Tabelle 5: Physikalische Eigenschaften von Bromchloracetonitril (aus: Chemservice, 2004)
Bromchloracetonitril kann bei Inhalation, oraler Aufnahme oder durch Hautkontakt zu einer Reizung der Haut und/oder der Augen führen. Besonders gefährlich sind die Dämpfe dieser Verbindung, welche die Schleimhäute angreifen und Schädigungen im respirativen Trakt her- vorrufen können.
In Tierversuchen mit Mäusen zeigte sich Bromchloracetonitril karzinogen und erbgutschädigend (Bull u. Robinson, 1986; Pereira et al., 1986).
- Bromacetonitril (BrCH2CN)
Bromacetonitril gehört zu den brennbaren Chemikalien. Es zeigt eine leicht gelbliche Farbe und liegt bei Zimmertemperatur im flüssigen Zustand vor. Ähnlich wie bei den chlorierten Acetonitrilen verhält sich diese wasserunlösliche Verbindung instabil in Gegenwart von star- ken Säuren, Basen, Reduktions- und Oxidationsmitteln. Wird es durch Reaktionen mit letzt- genannten Chemikalien abgebaut, entstehen leichtflüchtige, toxische Gase (CO, CO2, HCN, HBr; Chemservice, 2004).
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Tabelle 6: Physikalische Eigenschaften von Bromacetonitril (aus: Chemservice, 2004)
Sieht man einmal davon ab, dass Bromacetonitril nicht zu den krebserregenden oder erbgutschädigenden Stoffen gehört, so besitzt es im wesentlichen die gleichen toxikologischen Eigenschaften wie das zuvor beschriebene Bromchloracetonitril.
- Dibromacetonitril (Br2CHCN)
Dibromacetonitril ist eine klare, bei Raumtemperatur flüssige Verbindung, die inkompatibel mit starken Säuren und Basen sowie mit starken Reduktions- und Oxidationsmitteln ist. Die Abbauprodukte dieser Substanz sind die gleichen wie beim zuvor beschriebenen Bromaceto- nitril.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 7: Physikalische Eigenschaften von Dibromacetonitril (aus: Chemservice, 2004) 7
Das Einatmen oder die orale Aufnahme von Dibromacetonitril kann zu ernsthaften Reizungserscheinungen der Augen, Nase oder den Schleimhäuten führen. Viel gefährlicher bei dieser Substanz ist aber, dass sie sich in der Lunge anreichern kann. Deshalb wurde Dibromacetonitril auf die Liste der möglichen Krebsverursacher gesetzt (Nikolaou et al., 2001).
- Trichlornitromethan (CCl3NO2)
Hierbei handelt es sich um eine bei Raumtemperatur flüssige, korrosive und klare Substanz, die sich nur geringfügig in Wasser, aber sehr gut in Alkoholen löst. Trichlornitromethan zeigt eine nur geringe Reaktivität, ist dafür aber sehr hitzeempfindlich. In Gegenwart von Eisen, Zink oder anderen Metallen wird diese Verbindung abgebaut (Chemservice, 2004). Hierdurch entstehenden sehr leichtflüchtige Verbindungen wie z.B. Chloroform. Daneben kann aber auch CO, CO2, HCl (g) oder NOx gebildet werden.
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Tabelle 8: Physikalische Eigenschaften von Trichlornitromethan (aus: Chemservice, 2004)
Toxikologisch gehört Trichlornitromethan zu den sog. Lungengiften. Es erlangte während des 1. Weltkrieges traurige Berühmtheit unter dem Namen „Klop“ (Neumüller, 1983; Perkow, 1974). Diese stechend riechende Verbindung wirkt stark reizend auf Augen und Atemorgane (führt zu Lungenödemen; Schöler u. Schopp, 1984). Der MAK-Wert liegt für diese Verbindung bei (0,1ppm; 0,7 mg/L) und nach der OSHA bei 0,7 mg/m 3.
1.3 Vorkommen und Verbreitung von Acetonitril (AN), Haloacetonitrilen (HAN) und Trichlornitromethan (TCNM) in der Umwelt
Entsprechend der im vorherigen Kapitel erwähnten toxischen Eigenschaften der im Rahmen dieser Arbeit untersuchten organischen Verbindungen ist das Wissen über das Vorkommen und die Verbreitung dieser Substanzen ein sehr wichtiger Aspekt, welcher bei z.B. einer Ab- schätzung des Gefährdungspotenzials für die Umwelt eine große Rolle spielt. Aus diesem Grund sollen in diesem Kapitel das Vorkommen und die Verbreitung der oben genannten Stoffe in den Kompartimenten Atmo-, Hydro- und Pedosphäre nach dem bisherigen Stand der Forschung vorgestellt werden.
1.3.1 Atmosphäre
Informationen über die Verbreitung von halogenierten Acetonitrilen in der Atmosphäre sind in der wissenschaftlichen Literatur kaum zu finden. Anders verhält es sich dabei mit Aceto- nitril. Diese Verbindung stellt ein weltweit vorkommendes Spurengas in der Atmosphäre dar. Es verhält sich chemisch relativ stabil und kommt aufgrund dessen auch in der Stratosphäre vor, in der es, neben anderen Substanzen, als Ligand für positive stratosphärische Cluster- Ionen fungiert (Arnold, 1978). Lobert et al. (1990) sowie Holzinger et al. (1999) gehen davon aus, dass die weitaus größte natürliche Quelle für die Entstehung von Acetonitril (CH3CN) in der Verbrennung von Biomasse („biomass burning“) zu sehen ist. Die hierdurch verursachten Emissionsmengen werden von Lobert et al. (1991) mit 0,2 bis 1,1 TgNyr- 1 für Acetonitril und 0,1 bis 3,2 TgNyr- 1 für Cyanwasserstoff (HCN) angegeben. Aus diesem Grund ist Acetonitril, zusammen mit Cyanwasserstoff, ein wichtiges Tracergas für die Verbrennung von Biomasse (Sanhueza et al., 2004) und spielt darüber hinaus auch eine nicht unbedeutende Rolle im Stickstoffkreislauf selbst (Li et al., 2000). Dennoch ist das Budget von Acetonitril in der At- mosphäre noch weitgehend unbekannt. Seine geschätzte mittlere Lebensdauer beträgt 0,45 (Hamm u. Warneck, 1990) bis hin zu 1,5 Jahre (Hamm et al., 1984); nasse Depositionen und Reaktionen mit OH-Radikalen führen zudem zu einer Verlängerung der Lebensdauer (Hol- zinger, 2004). Die Annahme, dass Ozeane als große Senken auftreten, reduziert ihre mittlere Lebensdauer auf 5,4 (Hamm u. Warneck, 1990) bis 6,8 Monate (Singh et al., 2003). Letztere These wird auch von anderen Autoren aufgestellt (Karl et al., 2003; Warneke u. de Gouw, 2001; Singh et al., 2003; de Gouw et al., 2003), die in ihren Publikationen von einer Aufnah- me von Acetonitril durch die Ozeane berichten, weshalb sie die bis dato veröffentlichten Da- ten zur mittleren Lebensdauer von atmosphärischem Acetonitril noch geringer einschätzen. Diese relativ neuen Forschungsergebnisse schreiben den Ozeanen eine zentrale Rolle als gro- ße Senken für diese Verbindung zu. Auf der anderen Seite ergibt sich hierdurch das Problem, dass die Verbrennung von Biomasse (selbst wenn man die höchsten Produktionsraten an Ace- tonitril, HCN und CO zugrunde legt) nicht die alleinige Hauptquelle für die Produktion von atmosphärischem Acetonitril sein kann, da die angenommenen Senken wesentlich größer sein müssten (Sanhueza et al., 2004). Einen vielversprechenden Beitrag zur Auffindung weiterer in Frage kommender natürlicher Quellen lieferten Sanhueza et al. (2004), die in einem außer- halb des Einflussbereiches von Vegetationsbränden liegenden Bereich der tropischen Savanne Venezuelas erhöhte Werte von Acetonitril (ca. 60 pmol/mol über der Hintergrundkonzentrati- on) mittels PTR-MS Messungen feststellen konnten. Die Autoren vermuten das Karibische Meer als Quelle für diese erhöhten Werte. Dennoch gehen sie davon aus, dass der Hauptteil dieser Mengen zuvor als Depositionen aus der Luft und dem Festland ins Meer transportiert wurden. Ferner konnten sie zum ersten Mal über trockene Acetonitril-Depositionen über ei- nem terrestrischen Ökosystem berichten. Die aus ihren Messungen abgeleitete Ablagerungs- geschwindigkeit beträgt dabei ca. 0,14 cm s- 1 . Falls diese Prozesse auch in anderen Bereichen der Erde mit annähernd der gleichen Depositiongeschwindigkeit stattfänden, hätte man eine weitere große Senke für Acetonitril identifiziert (Sanhueza et al., 2004). Eine weitere Senke stellt die Atmosphäre dar, in der diese Substanzen über Radikalreaktionen (photolytische Pro- zesse) sowie über Niederschläge ausgewaschen bzw. abgebaut werden (Lobert et al., 1991). Die anthropogenen Quellen für Acetonitril, die hauptsächlich durch Automobilabgase und industrielle Prozesse verursacht werden, sind im Vergleich zu den bisher beschriebenen natür- lichen Quellen vernachlässigbar klein und liegen je nach Autor zwischen 0,01 bis 0,09 TgNyr- 1 (Lobert et al., 1991; Bange u. Williams, 2000; Holzinger et al., 2001; Andreae u. Merlet, 2001).
Wie am Anfang dieses Kapitels schon erwähnt, sind Informationen über die mögliche Bildung, den Abbau oder Quellen und Senken bezüglich halogenierter Acetonitrile kaum zu finden. Dies mag vielleicht darin begründet liegen, dass sie in der Atmosphäre unter den Nachweisgrenzen der eingesetzten analytischen Apparaturen liegen, oder aber dass sie bisher nicht gezielt gemessen worden sind.
1.3.2 Hydrosphäre
Haloacetonitrile1 (MCAN, DCAN, TCAN, BCAN, BAN und DBAN) und Trichchlornitro- methan (Trivialname: Chlorpikrin) treten in der wissenschaftlichen Literatur fast ausschließ- lich unter der Bezeichnung Desinfektionsnebenprodukte in Erscheinung. Dies liegt in erster Linie daran, dass diese Verbindungen als Nebenprodukte bei der Chlorung von Trink- und Badewasser anfallen. Da dieses Problem bereits seit Mitte der siebziger Jahre bekannt ist, liegen hierzu zahlreiche Arbeiten vor. So stellte sich beispielweise Mitte der achtziger Jahre im Rahmen einer Untersuchung über das Vorkommen von leichtflüchtigen Chlorkohlenwas- serstoffen in privaten und öffentlichen Schwimmbädern in der Umgebung von Bonn heraus, dass sich neben den erwarteten Haloformen auch Trichlornitromethan durch die Desinfekti- onsmaßnahmen bildet (Schöler u. Schopp, 1984). Aus diesen Ergebnissen lässt sich schluss- folgern, dass Trichlornitromethan unter ähnlichen Bedingungen gebildet wird wie die Halo- forme und Haloacetonitrile. Aus diesem Grund wurde die Fragestellung im Rahmen der hier vorliegenden Arbeit auf Trichlornitromethan erweitert.
Die Haloacetonitrile, neben weiteren zahlreichen Substanzklassen, sind vor allem Gegenstand jüngerer Untersuchungen. Auch ihre Bildung wird ausschließlich im Zusammenhang mit der Chlorung von v.a. Trinkwasser erwähnt. Nach Nikolaou u. Lekkas (2001) sind für die Bildung von Haloacetonitrilen und anderen Desinfektionsnebenprodukten in Oberflächengewässern folgende Faktoren von ausschlaggebender Bedeutung:
1. Konzentration und Zusammensetzung der natürlichen organischen Materie (NOM):
Die Hauptquellen für den Eintrag von NOM in Oberflächengewässer stammen aus Leaching-Vorgängen des Bodens, durch Diffusion aus Sedimenten sowie durch Plank- ton und Bakterien. NOM besteht dabei hauptsächlich aus Huminstoffen (Humin- und Fulvinsäuren), Proteinen und Aminosäuren, Zucker und Polysachariden (Krasner, 1996; Graham, 1999). In den meisten Oberflächengewässern sind über 50% des gelös- ten organischen Kohlenstoffes aus Huminstoffen aufgebaut. Diese Biopolymere (Mol- gewicht variiert von 500 bis 10.000) lassen sich aufgrund ihres heterogenen Aufbaus (siehe Abb.1) nur schwer hinsichtlich ihrer genauen chemischen Interaktionen mit an- deren Stoffen beschreiben, da sie eine große Anzahl von verschiedenen funktionellen Gruppen besitzen (Bliefert, 1997).
Typischerweise bestehen 90% der in natürlichen Gewässern gelösten Huminstoffe aus Fulvin- und nur 10% aus Huminsäuren. Diese Verteilung steht im starken Kontrast zu den Verhältnissen in Böden, wo der Anteil der Huminsäure bei weitem überwiegt (Suffet u. MacCarthy, 1989). Da Seewasser in der Regel einen höheren Gehalt an DOC enthält als Flusswasser, ist das Potenzial für die Bildung von Trihalomethanen und anderen chlorierten Kohlenwasserstoffen bei Chlorungsvorgängen in Seen höher als in Flüssen (Martin-Mousset et al., 1997).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Strukturschema eines Huminstoffmoleküls (aus: Keppler, 2000)
2. pH-Wert:
Ein Anstieg des pH-Wertes im Wasser bewirkt eine Erhöhung in der Bildung von Trihalomethanen, während die Bildung von halogenierten Essigsäuren zurückgeht. Bei besonders hohen pH-Werten werden zudem viele andere Desinfektionsnebenprodukte, darunter auch Haloacetonitrile und Haloketone, durch Hydrolyse in Anwesenheit von Chlorrückständen abgebaut (Babcock u. Singer, 1979).
3. Kontaktzeit:
Hierunter versteht man die Kontaktzeit derjenigen Substanzen, die mit Chlor in Kon- takt kommen, um anschließend die entsprechenden Desinfektionsnebenprodukte zu bilden. Nach Singer (1994) verhält sich die Kontaktzeit proportional zur Konzentrati- on in Bezug auf die Bildung von Trihalomethanen. Haloacetonitrile und Haloketone entstehen dagegen sofort und werden bei fortschreitender Zeit durch Chlorrückstände sowie durch Hydrolyse abgebaut.
4. Jahreszeit und Temperatur:
Da sich die Bildung der meisten Chlorierungsnebenprodukte proportional zur Temperatur verhält, bilden sich in den wärmeren Monaten des Jahres entsprechend mehr dieser Verbindungen in natürlichen Gewässern, die dann auch in entsprechend höheren Konzentrationen vorliegen (Nikolaou u. Lekkas, 2001).
5. Konzentration von Chlor bzw. Chlorrückständen:
Eine erhöhte Konzentration von Chlor (bzw. von Chlorrückständen) in natürlichen Gewässern bewirkt einerseits eine Konzentrationserhöhung von halogenierten Essigsäuren, aber andererseits eine Konzentrationsabnahme von Trihalomethanen. Bei letzteren Verbindungen überwiegt die Bildung von Trihalomethanen gegenüber der Bildung von mono- oder dichlorierten Spezies. Wird Chlor im Trink- und/oder Badewasser abgereichert, so führt dies auch zur Beendigung der Bildung von Trihalomethanen und halogenierten Essigsäuren Singer (1994).
6. Konzentration von Brom:
Bei der Anwesenheit von Bromidionen im Wasser entstehen auch erwartungsgemäß mehr bromierte bzw. bromierte und gleichzeitig chlorierte Desinfektionsnebenproduk- te (Nikolaou et al., 1999). Dies liegt daran, dass die Bromidionen oxidativ zu Hy- pobromsäure (HOBr) reagieren, welche sofort im Anschluss daran mit NOM reagiert. In Gewässern mit sehr hohen Bromgehalten entstehen auf diesem Wege vorzugsweise Bromoform und Dibromessigsäure (Peters et al., 1991). Daneben entsteht, wenn auch untergeordnet, zudem Dibromacetonitril. Ist neben Bromid auch Chloramin im Wasser vorhanden, kann es zusätzlich noch zur Bildung von Bromchloracetonitril kommen (Richardson u. Thruston, 2003).
1.3.3 Pedosphäre
Literaturrecherchen über die mögliche Bildung von Acetonitril oder halogenierten Acetonitri- len in Böden ergaben, dass hierzu bisher nur sehr wenige Untersuchungen durchgeführt wur- den, die allenfalls als Ansätze zum Verständnis dieser Prozesse zu bewerten sind. In diesem Zusammenhang gibt es aber eine sehr bemerkenswerte Publikation von Adachi u. Okano (2003), in welcher die Bildung von Cyanid-Ionen aus Salpetersäure und Phenolen untersucht wurde. Obgleich die Autoren ihre Untersuchungen auf Abwässer eines chemischen Labors mit sehr geringen Cyanidkonzentrationen (durchschnittlich 1 bis 73 µg/L) beschränkten, las- sen sich diese Erkenntnisse auch auf den Boden übertragen, da dieser über die entsprechenden Ausgangssubstanzen (insbesondere Phenole) in wesentlich höheren Konzentrationen verfügt. Ein möglicher Reaktionsmechanismus für die Bildung von Cyanid-Ionen wurde wie folgt vorgeschlagen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Möglicher Reaktionsmechanismus für die Bildung von Cyanid-Ionen aus Phenol und Salpetersäure (aus: Adachi u. Okano, 2003)
Der in Abbildung 2 dargestellte Reaktionsweg besagt dabei, dass aus Salpetersäure (entsteht in diesem dargestellten Beispiel durch die Zugabe von Natriumnitrat und Schwefelsäure) und Phenol als Zwischenprodukt zunächst Nitrosophenol entsteht. Letzere Verbindung wird im Anschluss daran zu Benzoquinonoxim abgebaut, aus welchem in der Folge freie Cyanid- Ionen sowie aliphatische Verbindungen entstehen (Adachi u. Okano, 2003). Damit zeigt diese Reaktion also eine Möglichkeit der Entstehung von Cyanid-Ionen auf abiotischem Wege in Gewässern und Böden. Dass Phenol bei dieser Reaktion eine entscheidende Rolle spielt, zeigt sich auch in entsprechenden Versuchen, bei denen den Wasserproben (bei konstanter Kon- zentration von Salpetersäure) unterschiedlich hohe Konzentrationen von Phenol hinzugegeben wurden (siehe Abb.3).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Zusammenhang zwischen Konzentrationserhöhung von Phenol (Mol) und der gebildeten Cyanid-Ionen Konzentration (aus: Adachi u. Okano, 2003)
Desweiteren zeigte sich bei dieser Reaktion, dass sich umso mehr Cyanid-Ionen bilden, je kleiner der pH-Wert ist (siehe Abb.4), was allerdings zu erwarten war, da die Nitrosierungs- reaktion besonders effizient bei pH-Werten von 3 bis 4 und hohen Temperaturen ist (Falbe, 1995).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung4: Zusammenhang zwischen pH-Wert und der gebildeten Cyanid-Ion Konzentration (aus: Adachi u. Okano, 2003)
Eine weitere Quelle für Cyanide stellen nach Hamilton (2003) cyanogene Glycoside als che- mische Bestandteile von Pektin dar. Experimente, in denen pektinhaltige Biomasse bei unter- schiedlich hohen Temperaturen pyrolisiert wurde, ergaben, dass sich hierbei Acetonitril bil- det. Diese Erkenntnis weist darauf hin, dass der atmosphärische Acetonitrilgehalt ein Produkt der Verbrennung von Biomasse ist. Die auf diesem Weg freigesetzte Menge an Acetonitril wird auf ca. 1,37 Tg pro Jahr geschätzt (Hamilton, 2003).
Was die Entstehung von halogenierten Acetonitrilen und Trichlornitromethanen angeht, sind ihre Bildung oder Verbreitung in der Umwelt noch nicht erforscht worden. Lediglich Cervini- Silva et al. (2001) beschreiben, dass diese stark polarisierbaren Verbindungen durch die Inter- aktionen mit Tonmineralen (Notronit, Montmorillonit, Smektit) über Dehalogenierungspro- zesse im Boden abgebaut werden sollen. Hierzu wurde u.a. das Verhalten von Trichloraceto- nitril und Trichlornitromethan offenbar nur deshalb untersucht, da diese Substanzen stark po- larisierbare Verbindungen sind (ähnlich wie z.B. Trihalomethane) und weniger, weil sie von der Forschergruppe in Böden vorgefunden wurden. Dennoch zeigen die Ergebnisse dieser Untersuchungen, dass der Abbau von Tri- zu Dichloracetonitril bei dem Vorhandensein von eisenreichen Tonmineralen (siehe Abb. 5) bis zu 100 mal schneller ist als in ihrer Abwesen- heit.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Abbau von TCAN zu DCAN in Abhängigkeit der Zeit; Initiale Konz. von TCAN (C0): Krei- se; gebildetes DCAN (C): Quadrate (aus: Cervini-Silva et al., 2001)
Bei der Reaktion mit Trichlornitromethan zeigt sich darüber hinaus ein in zwei Etappen ab- laufender Dehalogenierungsprozess, durch die Bildung von Di- und Monochlornitromethan (siehe Abb. 6).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Abbau von TCNM zu DCNM u. MCNM in Abhängigkeit der Zeit; Initiale Konz. von TCNM (C0): Kreise; gebildetes DCNM (C): Quadrate; gebildetes MCNM: Rhomben (aus: Cervini-Silva et al., 2001)
1.4 Konzeption und Fragestellung
Ausgehend von der Tatsache, dass sich Acetonitril als Spurengas ubiquitär in der Atmosphäre befindet, und dass eine Quelle hierfür eindeutig in der Verbrennung von Biomasse zu sehen ist, stellt sich vor allem die Frage, ob Acetonitril bereits während der Frühdiagenese auf abiotischem Wege im Boden gebildet wird. Und wenn ja, ob diese Verbindungen im weiteren Verlauf auch halogeniert werden können, wie man dies beispielsweise bei leichtflüchtigen Verbindungen wie Chlormethan oder Brommethan beobachten kann.
Wirft man einen Blick auf die zur Bildung von Acetonitril, halogenierten Acetonitrilen und Trichlornitromethan nötigen Einzelsubstanzen, so muss man feststellen, dass diese alle im Boden vorhanden sind. So benötigt man zur Bildung von Acetonitril eine Cyanid-Ionen- und Methylgruppen-Quelle. Für die Bildung von Cyanid-Ionen gibt es zum einen das auf Seite 14 vorgestellte natürliche Modell zur Nitrosierung, zum anderen können Cyanide aber auch anthropogen in den Boden eingetragen werden, wie es z.B. an Standorten geschieht, in denen Cyanidlaugerei betrieben wird. Ferner entsteht es als Zwischenprodukt in organischen Syn- thesen von Carbonsäuren, Pharmazeutika, Farbstoffen und bei der Verwendung von Schäd- lingsbekämpfungsmitteln. Größere Mengen an Cyanid entstehen zudem in Galvanisierungsbe- trieben (Falbe, 1995). Die Methylgruppen-Quellen werden im Boden z.B. von Guajacol (Brenzkatechinmonomethylether) repräsentiert. Hierbei handelt es sich um eine phenolische Substanz mit einer Methylgruppe am Benzenring, welche als Metabolit der im Boden leben- den Mikroorganismen vorkommt (Hollerbach, 1985). Die nötige Energie um die Methylgrup- pen vom Guajacol abzuspalten liefert dabei folgende Redoxreaktion:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7: Abspaltung der Methylgruppe vom Guajacol über die Eisenreduktion (aus: Keppler, 2000)
Auf diese Weise entstehen also die Methylgruppen , an denen sich in der Folge u.a. Halogene (X = F-, Cl-, Br- etc.) und/oder Pseudohalogene (X = CN- etc.) anlagern können. Bei dieser Reaktion spielt Eisen in dreiwertiger Form eine zentrale Rolle als Energielieferant und muss im Boden vorhanden sein. Diese Vorraussetzung ist in Böden durch das Auftreten von Ei- sen(III)-Mineralen gegeben. Sie kommen zumeist als Hydroxide in Form von Goethit (Fe- OOH), Hämatit (Fe2O3) und Ferrihydrit (5 Fe2O3 * 9 H2O) vor. Daneben wurde aber auch mit CuCl2 experimentiert, da diese Verbindung ein höheres Redoxpotenzial besitzt als das zuvor erwähnte Eisen(III). Einen weiteren wichtigen Faktor für den Ablauf dieser Reaktion stellt der pH-Wert dar. So beschreibt Keppler (2000), dass die genannte Reaktion besonders effektiv bei niedrigen pH-Werten (< 3,5) unter anaeroben Bedingungen abläuft.
Betrachtet man also die Bodeninhaltsstoffe und die daraus resultierenden, möglichen Reakti- onsmechanismen, so erscheint die Bildung von Acetonitril zumindest theoretisch möglich zu sein. Was die Halogenierung von Acetonitril oder die Bildung von Trichlornitromethan an- geht, so weiss man nur, dass neben den oben genannten notwendigen Substanzen genügend Halogene im Boden vorkommen müssten, damit auch die halogenierten Spezies des Aceto- nitrils entstehen können.
Aus den oben angeführten theoretischen Überlegungen heraus ergab sich im Rahmen der hier vorliegenden Arbeit folgende Fragestellung:
Werden Acetonitril, halogenierte (chlorierte und/oder bromierte) Acetonitrile und Trich lornitromethan unter abiotischen Bedingungen im Boden gebildet?
Um dieser Frage nachzugehen, wurden Modellsubstanzgemische aus den oben beschriebenen Einzelsubstanzen (Guajacol, KCN, FeCl3, CuCl2, NaCl, KBr u. H2O) in den verschiedensten Mischungsverhältnissen hergestellt und gaschromatographisch nach der Headspace-Methode untersucht.
2 Analytik
2.1.1 Chemikalien
Für die Standardlösungen und die Modellsubstanzen wurden folgende, kommerziell erhältliche Chemikalien verwendet:
Standardlösungen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Modellsubstanzen:
1. Eisen(III)-sulfat
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.1.2 Materialien
Für die Herstellung der Standardlösungen und Modellsubstanzgemische wurden folgende kommerziell erhältlichen Glaswaren und Messgeräte verwendet:
1. Rollrandflachen (klar, 22,5 x 75 mm (20 ml); Fa. Trott, Chromatographie-Zubehör)
2. Magnetische Verschlüsse für Rollrandflaschen (Fa. Trott, Chromatographie-Zubehör)
3. Braunglasflaschen (20 ml; Fa. Trott, Chromatographie Zubehör)
4. Messzylinder (10 ml; Fa. Merck)
5. Messkolben (10 u. 20 ml; Fa. Merck)
6. Feinwaage (Fa. Sartorius)
2.2 Ansetzen der Standards und Modellsubstanzgemische
Die für die Standard- und Modellsubstanzgemische verwendeten Glaswaren (Rollrand- und Braunglasflaschen, Messzylinder und Messkolben) wurden vor dem Gebrauch jeweils mit Aceton (reinst), Methanol (p.a.) und Ethylacetat (p.a.) ausgespült und im Trockenschrank bei 60 °C für mind. 6 Stunden getrocknet. Im Anschluss daran wurden die entsprechenden Glas- waren im Trockenschrank zusätzlich bei einer Temperatur von 120 °C „ausgeglüht“ um zum einen Reste von Lösungsmitteln und zum anderen sonstige etwaige Verschmutzungsrückstän- de zu entfernen, die sich bei der gaschromatographischen Analyse als störend hätten erweisen können.
2.2.1 Ansetzen der Standards
Von den nachzuweisenden Substanzen Acetonitril, Monochloracetonitril, Dichloracetonitril, Trichloracetonitril, Bromchloracetonitril, Bromacetonitril, Dibromacetonitril, Trichlornitro- methan und Bromtrichlormethan wurden zunächst Stammlösungen von jeweils 1.000 ppm angesetzt, die anschließend in mehreren Schritten jeweils entsprechend ihrer Empfindlichkeit bezüglich des ECD-Detektors verdünnt wurden (siehe Tab. 9).
[...]
* n.b. = nicht bekannt
1 Hier wurden nur diejenigen Substanzen genannt, die Gegenstand der Untersuchung in dieser Arbeit sind. 11
- Arbeit zitieren
- Frank Bernsdorff (Autor:in), 2004, Untersuchungen zur abiotischen Bildung von Acetonitril, Haloacetonitrilen und Trichlornitromethan, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39621
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