Die Insel Lesbos, eines der ersten und wichtigsten Mitglieder des Attisch-Delischen Seebunds, versuchte sich 428 v. Chr. unter der Führung ihrer führenden Stadt Mytilene aus dem Bündnis zu lösen, das, nach den Perserkriegen ursprünglich als Symachie zur Abwehr der Perser gegründet, nunmehr zum Herrschaftsinstrument Athens geworden war. Auch wenn die Abtrünnigen in der besonderen Situation des Peloponnesischen Krieges auf die Unterstützung durch Athens Gegner Sparta zählen konnten, gelang es den Athenern nach längerer Belagerung, die Insel zu bezwingen und als nunmehr deutlich schlechter gestelltes Mitglied wieder in den Seebund einzufügen.
Im Anschluss an die Eroberung der Insel diskutieren die Athener in der bei Thukydides dargestellten Debatte in der Volksversammlung über den Umgang mit den Besiegten, wobei sie auch allgemein Charakter und Methoden ihrer Herrschaft im Seebund reflektieren. Für die beiden Hauptredner, Kleon und Diodotos, steht dabei gleichermaßen das Herrschaftsinteresse Athens im Vordergrund. Während Kleon jedoch für ein hartes Vorgehen zur Abschreckung anderen unzufriedener Seebundsstädte eintritt, empfiehlt Diodotos eine selektive, weniger scharfe Bestrafung, um die Mitglieder des Seebunds Athen nicht zu entfremden und setzt sich schließlich mit seiner Position durch.
Die Arbeit stützt sich auf eine genaue Auswertung der einschlägigen Quellen (Thukydides, Plutarch, Diodor) sowie der Sekundärliteratur und enthält eine ausführliche Literaturliste.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- I. Mytilene vor dem Abfall
- 1. douleia, autonomia und eleutheria: Die Stellung der Bündner im Seebund
- 2. Mytilenes Verfassung
- II. Die Gründe des Abfalls
- 1. Der Synoikismos
- 2. „Der Augenblick ist günstig wie noch nie“
- III. Der Abfall
- 1. Beginn
- 2. Während der Belagerung
- 3. Fall der Stadt
- IV. Exkurs: Umgang mit Gegnern in der Pentekontaetie
- V. Die Mytilene-Debatte
- 1. Die Rede Kleons
- 2. Rede Diodotos'
- 3. Vergleich der Reden
- 4. Das Schicksal Mytilenes
- VI. Der Krieg als „gewaltsamer Lehrer“ in Buch III
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den Abfall der Insel Mytilene vom Attisch-Delischen Seebund im Peloponnesischen Krieg und die anschließende Debatte in der athenischen Volksversammlung über das Schicksal der Stadt. Ziel ist es, die Ereignisse aus der Perspektive des Geschichtsforschers Thukydides zu beleuchten und die Hintergründe, die Gründe und die Folgen des Abfalls zu analysieren.
- Die Stellung von Bündnerstädten im Attisch-Delischen Seebund: douleia, autonomia und eleutheria
- Die Gründe für den Abfall Mytilenes und der Einfluss des Synoikismos
- Die Reaktion Athens auf den Abfall und die Rolle des Krieges im Seebund
- Die Mytilene-Debatte: die Reden von Kleon und Diodotos und ihre Auswirkungen auf die athenische Politik
- Der Krieg als „gewaltsamer Lehrer“ in Thukydides' Darstellung des Peloponnesischen Krieges
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die die Entwicklung des Attisch-Delischen Seebundes von der Symmachie zur Hegemonie Athens schildert. Sie untersucht die Bedeutung der Hegemonie für die Entwicklung des Peloponnesischen Krieges und stellt die Schlüsselrolle von Mytilene innerhalb des Seebundes heraus.
Kapitel I beleuchtet die Stellung von Mytilene im Seebund und untersucht, inwiefern die Insel als autonom oder als abhängig von Athen betrachtet werden kann. Das Kapitel beleuchtet die verschiedenen Formen der Beziehung zwischen Athen und seinen Bündnern, von der douleia (Versklavung) bis hin zur autonomia (Selbstverwaltung).
Kapitel II beschäftigt sich mit den Ursachen für den Abfall Mytilenes vom Seebund. Es analysiert die Rolle des Synoikismos (Vereinigung verschiedener Siedlungen zu einer Stadt) und die geschichtliche Situation, die Mytilene zum Abfall bewog.
Kapitel III schildert die Ereignisse des Abfalls selbst, die Belagerung Mytilenes und den Fall der Stadt. Es wird die Rolle des Krieges in der Entwicklung der athenischen Herrschaft und die Bedeutung des Falles Mytilenes für die gesamte politische Situation innerhalb des Seebundes untersucht.
Kapitel IV widmet sich dem Umgang Athens mit seinen Gegnern in der Pentekontaetie (50 Jahre nach der Schlacht von Salamis). Es zeigt, wie Athen seine Machtposition ausnutzte, um die Abhängigkeit von seinen Bündnern zu sichern und das Austreten aus dem Seebund zu verhindern.
Kapitel V beleuchtet die berühmte Mytilene-Debatte in der athenischen Volksversammlung. Es analysiert die Reden von Kleon und Diodotos, die jeweils für die Todesstrafe bzw. für die Gnade der Mytilener plädieren. Die Kapitel beleuchtet die Argumente beider Redner und deren Auswirkungen auf die athenische Politik.
Kapitel VI untersucht, wie der Peloponnesische Krieg in Thukydides' Darstellung zum „gewaltsamen Lehrer“ wird. Es beleuchtet, wie der Krieg die athenische Gesellschaft verändert und die Rolle des Krieges im Seebund neu definiert.
Schlüsselwörter
Attisch-Delischer Seebund, Hegemonie, Symmachie, Mytilene, Abfall, Peloponnesischer Krieg, Thukydides, Kleon, Diodotos, douleia, autonomia, eleutheria, Synoikismos, Krieg als „gewaltsamer Lehrer“, Politik, Geschichte.
- Quote paper
- Jan Dreßler (Author), 2005, Der Abfall Mytilenes und die Mytilene-Debatte bei Thukydides, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39601