Um ein besseres Verständnis des Gutachtens zu ermöglichen, soll zunächst das Vorfeld desselben zusammenfassend erläutert werden. Die vorbereitenden Entschlüsse des israelischen Kabinetts, Verlauf, Beschaffenheit und Auswirkungen der Mauer sowie die relevanten Resolutionen der Generalversammlung (GV) bzw. des Sicherheitsrates (SR) sind dabei zu betrachten. In Bezug auf den Stand der Entwicklung werden die Tatsachen übernommen, die dem Gericht vorlagen und auf deren Grundlage es die Situation beurteilte. Spätere Entwicklungen sollen am Ende dieser Arbeit betrachtet werden. Wie der Generalsekretär in seinem Bericht vom 24. November 2003 feststellt, erwog die israelische Regierung schon seit 19962, die Einwanderung aus dem zentralen und nördlichen Westjordanland zu verhindern. Nachdem im Frühjahr 2002 die Zahl der palästinensischen Anschläge in Israel stark anstieg, beschloss das israelische Kabinett am 14. April 2002, eine Barriere in dem Saumgebiet (Seam Zone) zu errichten, das im Westjordanland an Israel grenzt. Um die Entscheidung umzusetzen, wurde die Seam Zone Administration gegründet, die dem Verteidigungsminister Israels unterstellt ist. Am 23. Juni 2002 entschied das israelische Kabinett den Bau der ersten Phase (Phase A) der Barriere in Teilen des Westjordanlandes und Jerusalems. In dieser Entscheidung wurde die Barriere eine „Sicherheitsmaßnahme“ genannt, die keine politische oder sonstige Grenze repräsentiere. Den Verlauf von Phase A legten der Ministerpräsident und der Verteidigungsminister fest. Am 14. August 2002 stimmte das Kabinett Phase A zu. Sie sah die Errichtung einer Barriere mit einer Länge von 123 Kilometern vor, die sich vom Salem-Checkpoint (nord-westlich von Jenin) bis zu den Siedlungen von Elkana erstreckt. Letztendlich hatte sie bei ihrer Fertigstellung am 31. Juli 2003 eine tatsächliche Länge von etwa 150 Kilometer. Zudem wurden im Süden und Norden Jerusalems zwei Sektionen von insgesamt 19,5 Kilometer errichtet. Der Großteil dieser Sektion verläuft in der Nähe der Grünen Linie9, jedoch östlich von ihr und somit auf den besetzten Gebieten Palästinas. An manchen Orten liegt die Barriere bis zu 7,5 Kilometer von der Grünen Linie entfernt. Dort trennt sie israelische Siedlungen vom übrigen Westjordanland oder kreist palästinensische Orte ein, wie dies z.B. in Qalqilya der Fall ist. Phase B wurde im Dezember 2002 beschlossen. [...]
Inhaltsverzeichnis
- I. DAS VORFELD DES GUTACHTENS
- A. Die Entwicklung der Barriere
- 1. Entscheidungen der israelischen Regierung
- 2. Beschaffenheit der Barriere
- 3. Verlauf der Barriere und administrative Maßnahmen
- 4. Auswirkungen auf die Bevölkerung
- B. Das Verhalten der VN bezüglich der Barriere
- 1. Handlung des SR
- 2. Handlung der GV
- II. DIE ANALYSE DES GUTACHTENS
- A. Relevante Regeln und Prinzipien des Völkerrechts
- 1. Humanitäres Völkerrecht
- a. Das Vierte Genfer Abkommen
- i. Israels Position
- ii. Anwendung durch die PLO
- iii. Anerkennung der Anwendbarkeit durch Israel in der Vergangenheit
- iv. Feststellung der Anwendbarkeit durch die GV und den SR
- v. Bewertung durch den IGH
- b. Die Haager Landkriegsordnung
- i. Israels Position
- ii. Bewertung durch den IGH
- 2. Menschenrechte
- a. Bewertung durch den IGH
- i. Extraterritoriale Anwendbarkeit der Menschenrechte
- ii. Unterscheidung zwischen humanitärem Völkerrecht und den Menschenrechten
- 3. Das Recht auf Selbstbestimmung
- B. Verletzungen von humanitärem Völkerrecht und Menschenrechten
- 1. Auswirkungen auf den Status Palästinas
- a. Das Recht auf Selbstbestimmung
- 2. Auswirkungen auf den völkerrechtlichen Schutz der Bevölkerung der besetzten Gebiete
- a. Politische und bürgerliche Rechte
- b. Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
- c. Humanitäre Rechte
- C. Israels Legitimationsansätze
- 1. Das Recht auf Selbstverteidigung
- a. Bewertung durch den IGH
- 2. Das Notstandsrecht
- III. RECHTLICHE KONSEQUENZEN
- A. Rechtliche Konsequenzen für Israel
- B. Rechtliche Konsequenzen für andere Staaten
- C. Rechtliche Konsequenzen für die VN
- IV. ENTWICKLUNG NACH DEM GUTACHTEN
- A. Verhalten Israels
- B. Verhalten der VN
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit befasst sich mit dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs (IGH) vom 9. Juli 2004 über die rechtlichen Folgen des Baus einer Mauer im besetzten palästinensischen Gebiet. Sie analysiert den rechtlichen Rahmen und die Argumentation des IGH, insbesondere im Hinblick auf das humanitäre Völkerrecht, die Menschenrechte und das Recht auf Selbstbestimmung.
- Die Entwicklung der Barriere und ihre Auswirkungen auf die palästinensische Bevölkerung
- Die Anwendung von humanitärem Völkerrecht und Menschenrechten im Kontext der israelisch-palästinensischen Konflikte
- Die rechtliche Bewertung der israelischen Legitimationsansätze für den Mauerbau
- Die rechtlichen Konsequenzen des IGH-Gutachtens für Israel, andere Staaten und die Vereinten Nationen (VN)
- Die Entwicklung der Situation nach dem Gutachten
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel I behandelt die Entstehung der Barriere, ihre Beschaffenheit und ihre Auswirkungen auf die palästinensische Bevölkerung. Es werden die Entscheidungen der israelischen Regierung, die Reaktion der VN und die Kritik an der Barriere beleuchtet. Kapitel II analysiert das IGH-Gutachten und stellt die relevanten Regeln des Völkerrechts dar. Hier werden insbesondere das humanitäre Völkerrecht, die Menschenrechte und das Recht auf Selbstbestimmung in den Vordergrund gestellt. Kapitel III beleuchtet die rechtlichen Konsequenzen des Gutachtens für verschiedene Akteure, darunter Israel, andere Staaten und die VN. Das Kapitel IV befasst sich mit der Entwicklung der Situation nach dem Gutachten, wobei das Verhalten von Israel und den VN untersucht wird.
Schlüsselwörter
Die zentrale Thematik dieser Arbeit ist das IGH-Gutachten zum Mauerbau im besetzten palästinensischen Gebiet. Die wichtigsten Schlüsselwörter sind daher: Internationaler Gerichtshof (IGH), humanitäres Völkerrecht, Menschenrechte, Recht auf Selbstbestimmung, Besetztes Gebiet, Israel, Palästina, Barriere, Mauerbau, Internationale Beziehungen.
- Citation du texte
- Birger Menke (Auteur), 2004, Der rechtlich-materielle Teil des IGH-Gutachtens vom 9. Juli 2004: 'Legal consequences of the construction of a wall in the occupied palestinian territory', Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39543