Im Folgenden beschäftige ich mich mit dem Zusammenhang der Lese- und Rechtschreibstörung mit der phonologischen Bewusstheit. Bei Durchsicht der relevanten Literatur zum Thema LRS wird recht schnell vor Augen geführt, dass die Legasthenie noch längst nicht vollkommen erforscht ist. Im Gegenteil, häufig gibt es auch widersprüchliche Meinungen und Befunde zu bestimmten Aspekten dieser Entwicklungsstörung. So ist z.B. immer noch nicht geklärt, ob sprachspezifische und/oder nicht-sprachspezifische Defizite der LRS zugrunde liegen.
Der Zusammenhang von phonologischer Bewusstheit und LRS bzw. Lese-, Rechtschreibfähigkeit/Schriftspracherwerb ist dagegen unstrittig. Meine Arbeit wird daher die phonologische Bewusstheit näher erläutern und diesen Zusammenhang deutlich zu machen versuchen. Die Bedeutung von Förderung der phonologischen Bewusstheit soll ebenfalls thematisiert werden.
Inhalt
Einleitung
1 Was bedeutet „phonologische Bewusstheit“?
1.1 Definition
1.2 Erfassung
1.3 Neurobiologische Aspekte
2 Die Bedeutung phonologischer Bewusstheit für den Schriftspracherwerb
2.1 Die „normalen“ Stufen des Schriftspracherwerbs
2.1.1 Das Lesenlernen
2.1.2 Das (Recht-) Schreibenlernen
2.2 Phonologische Bewusstheit und Schriftspracherwerb
3 Die Würzburger Studien zur Förderung phonologischer Bewusstheit 5
3.1 Die erste Würzburger Studie
3.1.1 Das Trainingsprogramm der Würzburger Studien
3.1.2 Wichtigste Befunde
3.2 Die zweite Würzburger Studie
3.2.1 Ablauf und Trainingspogramm
3.2.2 Wichtigste Befunde
3.2.3 Effekte des Trainings für schriftsprachliche Kompetenzen
3.3 Training mit „Risikokindern“ (die dritte Würzburger Studie)
3.3.1 Ablauf und Trainingspogramm der dritten Würzburger Studie
3.3.2 Wichtigste Befunde
Schlussbemerkung
Einleitung
Im Folgenden beschäftige ich mich mit dem Zusammenhang der Lese- und Rechtschreibstörung mit der phonologischen Bewusstheit. Bei Durchsicht der relevanten Literatur zum Thema LRS wurde mir recht schnell vor Augen geführt, dass die Legasthenie noch längst nicht vollkommen erforscht ist. Im Gegenteil, häufig gibt es auch widersprüchliche Meinungen/Befunde zu bestimmten Aspekten dieser Entwicklungsstörung. So ist z.B. immer noch nicht geklärt, ob sprachspezifische und/oder nicht-sprachspezifische Defizite der LRS zugrunde liegen.[1]
Der Zusammenhang von phonologischer Bewusstheit und LRS bzw. Lese-, Rechtschreibfähigkeit/Schriftspracherwerb ist dagegen unstrittig.[2] Meine Hausarbeit wird daher die phonologische Bewusstheit näher erläutern und diesen Zusammenhang deutlich zu machen versuchen. Die Bedeutung von Förderung der phonologischen Bewusstheit soll ebenfalls abschließend thematisiert werden.
1 Was bedeutet „phonologische Bewusstheit“?
1.1 Definition
Neben dem phonologischen Rekodieren im Zugriff auf das mentale Lexikon und dem phonologischen Rekodieren im Arbeitsgedächtnis stellt die phonologische Bewusstheit eine dritte Komponente der Lautverarbeitung dar. Sie bezeichnet die Fähigkeit, lautliche Strukturen von Schrift und Sprache zu erkennen und mit den lautlichen Strukturen zu arbeiten.[3] Zu den lautlichen Strukturen von Schrift und Sprache gehören sprachliche Einheiten wie Worte, Silben oder Einzellaute, die mit Hilfe der phonologischen Bewusstheit erkannt werden.[4]
1.2 Erfassung
Die Methoden zur Erfassung von phonologischer Bewusstheit unterscheiden sich insbesondere hinsichtlich der linguistischen Einheit (Phonem, Wortanfang, Silbe, Wortrest), der Prozessebene (Lesen von Nichtwörtern, schnelles Benennen von Gegenständen; Erkennen, Unterscheiden und Zählen von Einzellauten) und der Komplexität der Aufgabe (Gedächtnisanforderung bzw. Kombination verschiedener Fähigkeiten, z.B. Erkennen, Streichen und Verschieben von Lauten).[5] Andreas Warnke (aber auch andere Autoren) teilen die Aufgaben zur Erfassung der phonologischen Bewusstheit in zwei Kategorien ein. In der ersten Kategorie wird die phonologische Bewusstheit ´im weiteren Sinne´ durch Silbentrennen, Silbenzählen, Reime erkennen, Reime produzieren und Lautkategorisierung ermittelt; die phonologische Bewusstheit ´im engeren Sinne´ durch Phonemsynthese, Phonemanalyse, Phoneme zählen, Anlauterkennung, Wortrest benennen, Phonemersetzung und Phonemvertauschung.[6]
1.3 Neurobiologische Aspekte
Die phonologische Bewusstheit ist vom ersten Lebensjahr bis hin ins Erwachsenenalter bedeutsam; entsprechend wurde untersucht (da wahrscheinlich), ob sich neurobiologische Korrelate dieser Fähigkeit finden lassen und ob eine genetische Veranlagung dafür zugrunde liegt.
Ergebnisse von Studien mit Bild gebenden Verfahren zeigen eine kortikale Aktivierung verschiedener Regionen bei Aufgaben zur phonologischen Bewusstheit, dazu gehören die frontalen Hirnregionen, die Brocaregion, Gyrus temporalis medius und inferior, Gyrus temporalis superior und Temporo- parietaler Cortex.
Ergebnisse von Zwillingsuntersuchungen zeigen, dass die Varianz der phonologischen Bewusstheit zur Hälfte genetisch erklärt werden, wobei nicht klar ist, ob ein oder mehrere Gene dabei eine Rolle spielen.
Ergebnisse von molekulargenetischen Untersuchungen zeigen, dass ein relevantes Gen für die phonologische Bewusstheit auf dem Chromosom 6 anzunehmen ist.[7]
2 Die Bedeutung phonologischer Bewusstheit für den Schriftspracherwerb
Bevor man sich mit dem Einfluss der phonologischen Bewusstheit auf den Schriftspracherwerb beschäftigt, sollte man zuerst klären, wie überhaupt die Normalentwicklung des Erlernens von Lesen und (Recht-) Schreiben vonstatten geht. Entsprechend werde ich unter 2.1 diese Entwicklung, getrennt nach Lesen und Schreiben, erläutern, bevor ich dann unter 2.2 den Einfluss der phonologischen Bewusstheit auf diese Prozesse thematisiere.
2.1 Die „normalen“ Stufen des Schriftspracherwerbs
2.1.1 Das Lesenlernen
In dem Schriftsprachmodell von Frith (1986) wird davon ausgegangen, dass sich das Kind zunächst in einem logographischem Stadium befindet. Es orientiert sich in dieser Phase an visuellen Merkmalen eines Wortes und versucht das „Wortbild“ zu „lesen“. Einsichten in das alphabetische Prinzip fehlen noch.
Es folgt das alphabetische Stadium. Das Kind ist nun in der Lage, sein erlerntes Wissen über die Zusammenhänge zwischen Laut- und Buchstabenzeichen (=Phonem- Graphem- Korrespondenzen) zu nutzen. Ein Wort kann Buchstabe für Buchstabe entschlüsselt werden.
Im orthographischem Stadium ist das Kind schließlich in der Lage, Buchstabenfolgen eines Wortes im Gedächtnis wieder zu erkennen und direkt abzurufen. Dadurch wird zügiges Lesen unter Nutzung des Gedächtnisses für bereits erlernte Worte möglich.[8]
2.1.2 Das (Recht-) Schreibenlernen
Zu Beginn des Lernprozesses bringt das Kind noch willkürliche Buchstabenfolgen, Pseudowörter und/oder Kritzelschrift aufs Papier. So erlernt es (evtl.) seinen Namen zu schreiben, weil es diesen auswendig gelernt hat; d.h. Buchstaben eines Wortes werden ohne Bezug zum Lautwert auswendig gelernt.
Während der beginnenden phonemischen Strategie versucht das Kind erstmals, die gesprochene Sprache zu „übersetzen“. Es erkennt nun einige Buchstaben- Laut- Beziehungen.
In der sich anschließenden entfalteten phonemischen Strategie können jetzt mehr Laute eines Wortes wiedergegeben werden. Lernwörter können phonemisch gestützt gespeichert werden, die „Rechtschreibsprache“ beginnt sich zu entwickeln.
[...]
[1] Vgl. Schulte-Körne, Gerd; Remschmidt, Helmut: Neuropsychologie von umschriebenen Entwicklungsstörungen. In: Neuropsychologie psychischer Störungen. Hrsg. von Stefan Lautenbacher, Siegfried Gauggel. Berlin: Springer-Verlag 2004. S. 367-386, hier S. 369ff.
[2] Vgl. Schulte-Körne, Gerd; Remschmidt, Helmut: Legasthenie. Symptomatik, Diagnostik, Ursachen, Verlauf und Behandlung. In: Deutsches Ärzteblatt 100 (2003) H. 7. S. 396-406, hier S. 402.
[3] Vgl. Schulte-Körne, Gerd: Lese- Rechtschreibstörung und Sprachwahrnehmung. Psychometrische und neurophysiologische Untersuchungen zur Legasthenie. Münster: Waxmann Verlag 2001 (=Pädagogische Psychologie und Entwicklungspsychologie 14). S. 16f.
[4] Vgl. Warnke, Andreas: Lese- Rechtschreibstörung. In: Entwicklungsstörungen im Kindes- und Jugendalter. Ein interdisziplinäres Handbuch. Hrsg. von Hans-Christoph Steinhausen. Stuttgart: Kohlhammer 2001. S. 230-254, hier S. 233.
[5] Vgl. Schulte- Körne 2001, S. 18f.
[6] Vgl. Warnke 2001, S. 234.
[7] Vgl. Schulte- Körne 2001, S. 34-38.
[8] Vgl. Warnke, Andreas; Hemminger, Uwe u. a.: Legasthenie – Leitfaden für die Praxis. Begriff- Erklärung- Diagnose- Behandlung- Begutachtung. Göttingen: Hogrefe- Verlag 2002, S. 33.
- Arbeit zitieren
- Gunnar Norda (Autor:in), 2005, Phonologische Bewusstheit und Lesestörung, Rechtschreibstörung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39542
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