Welche Alternativen gibt es zu den herkömmlichen Formen des Unterrichts? So lautet eine der häufigsten Fragen im Angesicht der katastrophalen Ergebnisse bei PISA und anderen Studien. Gruppenunterricht ist eine der häufigsten Antworten, die im Folgenden auf ihre Stichhaltigkeit hin überprüft werden soll. Ziel dieser Arbeit ist es die Chancen die Gruppenunterricht in Hinblick auf Motivation, Erwerb von Faktenwissen und Training methodischer und sozialer Kompetenzen bietet herauszuarbeiten. In einem ersten Schritt erfolgt hierzu ein Vergleich von Gruppen- und Frontalunterricht mittels zentraler Ergebnisse verschiedener Studien mit Schwerpunkt auf den oben genannten Faktoren. Dem schließt sich eine Art Checkliste an, die Hilfestellungen zur Durchführung guten Gruppenunterrichts geben soll und demzufolge die zentralen Kriterien beinhaltet, die darüber entscheiden, ob die Chancen des Gruppenunterrichts auch tatsächlich genutzt werden. Der Vergleich beider Unterrichtsformen im ersten Teil basiert im Wesentlichen auf Herbert Sustecks Aufsatz „Gruppen oder Frontalunterricht? Zur Frage ihrer Vergleichbarkeit und der Auswirkung auf die Lernerfahrung der Schüler“, während der zweite eher praxisorientierte Abschnitt Hilbert Meyers Ausführungen zum Thema Gruppenunterricht in „Unterrichtsmethoden II“ zum Ausgangspunkt hat.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Hauptteil
1. Gruppenunterricht und Frontalunterricht im Vergleich
1.1 Definition
1.2 Vergleichsuntersuchungen
1.3 Vergleich der Zielsetzungen
2. Ratschläge für Gruppenunterricht
III. Fazit
IV. Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Welche Alternativen gibt es zu den herkömmlichen Formen des Unterrichts? So lautet eine der häufigsten Fragen im Angesicht der katastrophalen Ergebnisse bei PISA und anderen Studien. Gruppenunterricht ist eine der häufigsten Antworten, die im Folgenden auf ihre Stichhaltigkeit hin überprüft werden soll.
Ziel dieser Arbeit ist es die Chancen die Gruppenunterricht in Hinblick auf Motivation, Erwerb von Faktenwissen und Training methodischer und sozialer Kompetenzen bietet herauszuarbeiten.
In einem ersten Schritt erfolgt hierzu ein Vergleich von Gruppen- und Frontalunterricht mittels zentraler Ergebnisse verschiedener Studien mit Schwerpunkt auf den oben genannten Faktoren. Dem schließt sich eine Art Checkliste an, die Hilfestellungen zur Durchführung guten Gruppenunterrichts geben soll und demzufolge die zentralen Kriterien beinhaltet, die darüber entscheiden, ob die Chancen des Gruppenunterrichts auch tatsächlich genutzt werden.
Der Vergleich beider Unterrichtsformen im ersten Teil basiert im Wesentlichen auf Herbert Sustecks Aufsatz „Gruppen oder Frontalunterricht? Zur Frage ihrer Vergleichbarkeit und der Auswirkung auf die Lernerfahrung der Schüler“, während der zweite eher praxisorientierte Abschnitt Hilbert Meyers Ausführungen zum Thema Gruppenunterricht in „Unterrichtsmethoden II“ zum Ausgangspunkt hat.
II. Hauptteil
1. Gruppenunterricht und Frontalunterricht im Vergleich
1.1 Definition
Fast man die gängigen erziehungswissenschaftlichen Definitionen von Gruppenunterricht zusammen, so kommt man zu dem Ergebnis, dass es sich beim Gruppenunterricht um eine mittelbare dezentralisierte Arbeitsform handelt,[1] „bei der die Lern-Großgruppe in Untergruppen gegliedert ist und Aktivitäten möglichst vieler Schüler gleichzeitig erwünscht sind.“[2] Sie setzt ein hohes Maß an Tätigkeit, Eigeninitiative und Freiraum bis hin zur Selbstständigkeit von und für die Schüler voraus.[3] „Demgegenüber ist der Frontalunterricht durch eine weitgehende Fremdbestimmung der Schüler gekennzeichnet; im Klassenraum agiert jeweils nur einer; der Lehrer fungiert als Informator und Vermittler, der nach vielen Schülerbeiträgen als Schaltstation auftritt.“[4]
In beiden Sozialformen sind alle Aktionsformen des Darstellens, Erarbeitens und Entdeckens sowie verschiedene Führungsstile, von autoritär über demokratisch bis hin zu laissez-faire, denkbar, wenn auch mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten.[5]
1.2 Vergleichsuntersuchungen
In einer Vergleichsuntersuchung mit 144 Schülern stellt Dietrich 1969 folgendes fest: "Die gruppenunterrichtlich geführte Versuchsgruppe weist eine beträchtliche Überlegenheit im Bereich der objektiv feststellbaren Leistung auf. Angesichts der Tatsache, dass in den frontalunterrichtlich geführten Klassen ein großer Teil der Problemlösungen vom Lehrer herstammt, darf die Gruppenarbeit, soweit es sich um die Produktion von Problemlösungen handelt, zumindest als gleichwertig angesehen werden. Eindeutig ist ihre Überlegenheit in der Reproduktion von Wissensbeständen. Die Schüler der gruppenunterrichtlich geführten Klassen wissen nicht nur mehr, sondern ihr Wissen hält auch über längere Zeit an.“[6] D.h., Gruppenunterricht ermöglicht den Schülern im Vergleich zum Frontalunterricht eine gleichwertige oder bessere Entwicklung ihrer Problemlösungskompetenz und weist zugleich Vorteile bei der Wissensreproduktion und Nachhaltigkeit des Lernens auf.
Darüber hinaus, „ist die Versuchsgruppe den Kontrollgruppen im Hinblick auf die sozialen Verhaltensweisen erkennbar überlegen. Die vermittels des soziometrischen Verfahrens feststellbare Kontaktstruktur der Schüler ist in der Versuchsgruppe enger und fester gefügt als in den Kontrollgruppen. Desgleichen erweist sich auf Grund von Beobachtungsbefunden das kooperative kohäsive und disziplinäre Verhalten der Schüler der Versuchsgruppe dem pädagogisch wünschenswerten Verhaltensniveau weitaus mehr angenähert als jenes ihrer Kameraden aus den Kontrollgruppen.“[7] Es lassen sich also mit Gruppenunterricht nicht nur inhaltliche sondern auch soziale Lernziele, wie etwa Teamfähigkeit, wesentlich besser erreichen als mit Frontalunterricht.
Knapp unterstreicht die Bedeutung dieses Vorsprungs wenn er feststellt, dass leistungsheterogene Gruppen mit hoher Gruppenkohäsion, also normale Schulklassen mit ausgeprägten sozialen Kompetenzen wie sie durch Gruppenunterricht gefördert werden, günstigere Lernbedingungen aufweisen als leistungshomogene Gruppen mit geringer Gruppenkohäsion.[8] Es besteht also ein direkter Zusammenhang zwischen Lernerfolg und sozialem Klima einer Klasse. Ersterer steigt je positiver sich die Beziehungen zwischen den Schülern gestalten, und eben diese lassen sich durch Gruppenunterricht fördern. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch Tausch 1937, Bödicker 1975 und Schröder/Schröder 1975.
Zur Frage der Motivationschancen beider Sozialformen führt Van Bel-Born 1976 eine Untersuchung mit 32 Schulklassen der Jahrgänge 5.-7. durch und kommt zu dem Ergebnis, dass „wenn Lehrer Arbeitsaufgaben in Kleingruppen durchführen lassen, die sich sonst in Einzelarbeit erledigen lassen oder die im Frontalunterricht durchgenommen werden, so wird hierdurch das inhaltliche Arbeitsergebnis und die Arbeitsfähigkeit der Schüler deutlich gefördert, bei gleichzeitig positiverer emotionaler Einstellung zur Arbeit und bei deutlicher sozialer Kooperation der Schüler. Zugleich ist der Lehrer durch Kleingruppenarbeit von der Dirigierung der ganzen Klasse entlastet und kann sich mehr helfend einzelnen Schülern oder Kleingruppen zuwenden.“[9] Gruppenunterricht ist also eher dazu geeignet Schüler zu motivieren als andere Unterrichtsformen.
Insgesamt ist hierin auch die Ursache für den Leistungsvorsprung des Gruppenunterrichts zu sehen. Durch in gelingt es eher den ursprünglich extrinsischen Arbeitsantrieb der Schüler in intrinsische Motivation übergehen zu lassen.[10] Während des Gruppenunterrichts findet ein Prozess des Miteinander-Vertraut-Werdens statt.[11] Dies erhöht die Verhaltenssicherheit der Schüler und führt zu einem gehobenen Anspruchsniveau beim Einzelnen.[12] Gleichzeitig kommt es durch die Einübung und Realisierung kooperativen Verhaltens zu einer Steigerung des seelischen Wohlbefindens.[13] In ihrer Addition führen all diese Faktoren zu einer erhöhten Lernfähigkeit.[14] Der Lernvorgang wird durch den Gruppenunterricht als Wert an sich erlebt.[15] Motivation ist dieser Unterrichtsform also immanent und muss nicht auf außen aufgesetzt werden.
Trotz oder gerade wegen dieser scheinbar durchweg positiven Aussagen ist eine Relativierung der Ergebnisse notwendig. Die Vergleichsuntersuchungen führen die unterschiedlichen Erfolge von Gruppen- und Frontalunterricht allein auf die Sozialform zurück ohne aber andere, möglicherweise bedeutsame, Faktoren konstant halten zu können. Der Deutsche Bildungsrat schreibt dazu: „Die Überprüfung der Tauglichkeit von Differenzierung nach Schulleistungen ist schwierig, weil es in keinem Unterrichtsversuch möglich ist, die Differenzierung eindeutig von anderen Variablen von Unterricht (z.B. Lehrerkompetenz und Lehrerengagement, soziales Klima, Lerngeschichte der Schüler, Neuigkeit usw.) zu trennen.“[16]
Die Frage nach der Lernwirksamkeit verschiedener Sozialformen ist also zu komplex und undifferenziert um sie abschließend und mit Sicherheit beantworten zu können.[17] Stattdessen käme es darauf an zu fragen, unter welchen Bedingungen welche Sozialform angebracht ist und dabei Einflüsse wie die Gestaltung von Schulbüchern, die Verfügbarkeit weiterer Materialien, die Lernziele, die räumlichen Gegebenheiten, die Klassenstärke usw. zu berücksichtigen.[18] Meyer schlägt hier folgende Antwort vor: „Die Gruppenarbeit hat ihren legitimen Ort an der Stelle, an der das persönliche Suchen, Forschen, Gestalten und Üben didaktisch notwendig wird - in einem Akt der Improvisation, der den freien, unbeeinflussten Denkvorgang der Kinder in Aktion setzt.“[19]
1.3 Vergleich der Zielsetzungen
Ziel des Frontalunterrichts ist es möglichst schnell von einem Ausgangspunkt A zu einem Lernziel B zu gelangen.[20] Auf diesem vom Lehrer gelenkten Weg von A nach B gelten Umwege, Zweifel, Experimente und das Verweilen an einem Gegenstand als Störfaktoren, die umgangen werden müssen.[21]
Demgegenüber werden im Gruppenunterricht eben diese Störfaktoren didaktisch fruchtbar gemacht und für den Lernprozess genutzt.[22] Nicht nur das Ziel sondern der Weg dahin erhält Relevanz. Die Schüler lernen das Lernen.
Allerdings ist dieser Prozess kein Selbstläufer sondern erfordert sowohl vom Lehrer als auch von den Schülern ein Umdenken. Für erfolgreichen Gruppenunterricht muss der Lehrer lernen:
- zuzuhören, abzuwarten, zu beobachten;
- zu beraten, Hilfen zur Selbsthilfe zu formulieren, Mut zu machen;
- den Lernprozess so wichtig wie das Lernergebnis zu nehmen;
- Lernum-, -irr- und -holzwege zuzulassen;
[...]
[1] Vgl. Susteck, H.: Gruppenunterricht oder Frontalunterricht? Zur Frage ihrer Vergleichbarkeit und der Auswirkung auf die Lernerfahrung der Schüler, S.79, in: Biermann, R. (Hrsg.): Unterricht-ein Programm der Schüler, Frankfurt (a.M.) 1981, S.79-97.
[2] Ebd.
[3] Vgl. ebd.
[4] Ebd.
[5] Vgl. ebd., S.80f.
[6] Dietrich, G.: Bildungswirken des Gruppenunterrichts, München 1969, S.185.
[7] Ebd.
[8] Vgl. Knapp, A.: Über den Lernerfolg in Kleingruppenunterricht und seine bedingenden Faktoren, Bern1975, S.96ff.
[9] Van Bel-Born, B. (u.a.): Erleichterung des Lernens von Schülern durch Kleingruppenarbeit in Erdkunde, Biologie und Physik im Vergleich zur Einzelarbeit, S.131ff., in: Psychologie in Erziehung und Unterricht 1976, S.131-136
[10] Vgl. Susteck, H.: Gruppenunterricht oder Frontalunterricht? Zur Frage ihrer Vergleichbarkeit und der Auswirkung auf die Lernerfahrung der Schüler, S.87ff., in: Biermann, R. (Hrsg.): Unterricht-ein Programm der Schüler, Frankfurt (a.M.) 1981, S.79-97.
[11] Vgl. ebd.
[12] Vgl. ebd.
[13] Vgl. ebd.
[14] Vgl. ebd.
[15] Vgl. ebd.
[16] Deutscher Bildungsrat 1975, zit. nach: Susteck, H.: Gruppenunterricht oder Frontalunterricht? Zur Frage ihrer Vergleichbarkeit und der Auswirkung auf die Lernerfahrung der Schüler, S.84., in: Biermann, R. (Hrsg.): Unterricht-ein Programm der Schüler, Frankfurt (a.M.) 1981, S.79-97.
[17] Vgl. ebd., S.84ff.
[18] Vgl. ebd.
[19] Meyer, E: Gruppenunterricht: Grundlegung und Beispiele, Oberursel 1969, S.163.
[20] Vgl. Susteck, H.: Gruppenunterricht oder Frontalunterricht? Zur Frage ihrer Vergleichbarkeit und der Auswirkung auf die Lernerfahrung der Schüler, S.85ff., in: Biermann, R. (Hrsg.): Unterricht-ein Programm der Schüler, Frankfurt (a.M.) 1981, S.79-97.
[21] Vgl. ebd.
[22] Vgl. ebd.
- Quote paper
- Jan Trützschler (Author), 2004, Gruppenunterricht in Abgrenzung zu Frontalunterricht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39278
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