Wir leben heute in einer so genannten Mediengesellschaft. Massenmedien nehmen im gesellschaftlichen Leben ebenso wie im Leben des Individuums eine immer größere Rolle ein. Auf der Makroebene sind die verschiedenen Staatsformen heute ohne die mediale Präsenz nicht mehr denkbar. Auf der Mikroebene ist das Alltagsleben nicht mehr ohne Fernsehen und Radio, Zeitungen und Zeitschriften sowie in jüngster Zeit auch nicht mehr ohne das Internet vorstellbar. In der demokratischen Staatsordnung werden den Massenmedien verschiedene Funktionen zugeschrieben: für gesellschaftliche und politische Akteure bilden sie in zunehmendem Maße die Voraussetzung für die Informations- und Kommunikationspraxis. Darüber hinaus wirken diese an der Meinungsbildung mit und üben eine Kontroll- und Kritikfunktion aus. Hinsichtlich der Funktion von Massenmedien als Informationsübermittler ist die Vorstellung, dass Informationen auf objektive Weise an die Mediennutzer weitergegeben werden, eine idealistische. Einem mehr realistischen Ansatz entspricht es hingegen, von Massenmedien als nicht werturteilsfreie und somit meinungsbildende Institution zu sprechen, wobei in diesem Zusammenhang auch der persönliche Erwartungs- und lebensweltliche Erfahrungshorizont des Rezipienten für dessen Verständnis und Wahrnehmung der Informationen eine bedeutende Rolle spielt. Über die tatsächliche Wirkungsmacht der Massenmedien kann auch in der gegenwärtigen Mediengesellschaft nur spekuliert werden. Seit den 1960er Jahren sind die Entwicklungen auf diesem Gebiet immer weiter fortgeschritten und gegenwärtig wird von einer starken Medienwirkung auf die öffentliche Meinung ausgegangen. Von einer vollkommen werturteilsfreien und somit nicht meinungsbildenden Art der Informationsübermittlung kann im Falle von Massenmedien keine Rede sein. Um diese Macht wussten auch die Nationalsozialisten und hier insbesondere der Propagandaminister Joseph Goebbels, der von der indirekten und direkten Wirkung der Medien in vollem Umfang Gebrauch machte oder besser: Missbrauch damit trieb. Durch Massenmedien soll uns nicht zuletzt auch die Wirklichkeit der politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen der Welt suggeriert werden. Doch kann es sich hierbei allenfalls um eine Darstellung der Wirklichkeit, und nicht um die Wirklichkeit selbst handeln, denn kein Medium – welcher Art auch immer – kann zeigen, wie Wirklichkeit tatsächlich aussieht. [...]
Inhalt
1. Einleitung
2. Mediale Darstellung des Holocausts und kulturelles Gedächtnis
3. Analyse des Films „Mein Kampf“
3.1 Filmographische Angaben
3.2 Entstehung von Leisers Dokumentation des Naziterrors
3.3 Was geschieht im Film?
3.4 Inszenierung des Holocausts
4. Wirkung
5. Authentizität
6. Kritik und Resonanz
7. Schlussbetrachtung
8. Quellenverzeichnis
1. Einleitung
Wir leben heute in einer so genannten Mediengesellschaft. Massenmedien nehmen im gesellschaftlichen Leben ebenso wie im Leben des Individuums eine immer größere Rolle ein. Auf der Makroebene sind die verschiedenen Staatsformen heute ohne die mediale Präsenz nicht mehr denkbar. Auf der Mikroebene ist das Alltagsleben nicht mehr ohne Fernsehen und Radio, Zeitungen und Zeitschriften sowie in jüngster Zeit auch nicht mehr ohne das Internet vorstellbar.[1]
In der demokratischen Staatsordnung werden den Massenmedien verschiedene Funktionen zugeschrieben: für gesellschaftliche und politische Akteure bilden sie in zunehmendem Maße die Voraussetzung für die Informations- und Kommunikationspraxis. Darüber hinaus wirken diese an der Meinungsbildung mit und üben eine Kontroll- und Kritikfunktion aus.[2]
Hinsichtlich der Funktion von Massenmedien als Informationsübermittler ist die Vorstellung, dass Informationen auf objektive Weise an die Mediennutzer weitergegeben werden, eine idealistische. Einem mehr realistischen Ansatz entspricht es hingegen, von Massenmedien als nicht werturteilsfreie und somit meinungsbildende Institution zu sprechen, wobei in diesem Zusammenhang auch der persönliche Erwartungs- und lebensweltliche Erfahrungshorizont des Rezipienten für dessen Verständnis und Wahrnehmung der Informationen eine bedeutende Rolle spielt.[3]
Über die tatsächliche Wirkungsmacht der Massenmedien kann auch in der gegenwärtigen Mediengesellschaft nur spekuliert werden. Seit den 1960er Jahren sind die Entwicklungen auf diesem Gebiet immer weiter fortgeschritten und gegenwärtig wird von einer starken Medienwirkung auf die öffentliche Meinung ausgegangen. Von einer vollkommen werturteilsfreien und somit nicht meinungsbildenden Art der Informationsübermittlung kann im Falle von Massenmedien keine Rede sein. Um diese Macht wussten auch die Nationalsozialisten und hier insbesondere der Propagandaminister Joseph Goebbels, der von der indirekten und direkten Wirkung der Medien in vollem Umfang Gebrauch machte oder besser: Missbrauch damit trieb.[4]
Durch Massenmedien soll uns nicht zuletzt auch die Wirklichkeit der politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen der Welt suggeriert werden. Doch kann es sich hierbei allenfalls um eine Darstellung der Wirklichkeit, und nicht um die Wirklichkeit selbst handeln, denn kein Medium – welcher Art auch immer – kann zeigen, wie Wirklichkeit tatsächlich aussieht. Tatsachenwirklichkeit kann durch Medien allenfalls konstruiert werden. Ebenso kann kein Bericht, kein Film oder Buch und auch keine Reportage oder Dokumentation ein Thema erschöpfend behandeln. Diese eröffnen bestenfalls eine Sicht auf ein bestimmtes Thema, abhängig vom Schwerpunkt des Interesses, der Herangehensweise sowie der Art der Darstellung. Mit den Worten Marshall McLuhan gesprochen: In der (nicht-objektiven) Vermittlung zwischen Vergangenheit und Gegenwart ist das Medium selbst die Botschaft.[5]
Schließlich ist immer auch eine kritische Auseinandersetzung des Rezipienten mit dem Gesehenen, Gehörten und Gelesenen notwendig. Beispielsweise gilt es in Hinblick auf die mediale Darstellung historischer Ereignisse, die sich uns gegenwärtig vor allem in audiovisueller Form präsentieren, zu hinterfragen, um welche Art von Genre es sich handelt, welche Intention der Filmschaffende hat und welches Ziel derjenige verfolgt, der den visuellen Text interpretiert und analysiert.[6] Aus dem Umgang mit Massenmedien ergibt sich also eine Reihe von Schwierigkeiten.
Richten wir unser Augenmerk nun von den Massenmedien im Allgemeinen weg und zu film-dokumentarischen Geschichtsdarstellungen im Speziellen hin, die sich sowohl authentischen wie nachgestellten Bildern bedienen. Diesbezüglich liegt uns in ein breites Genre vor, welches sich vom klassischen Unterrichtsfilm mit seinem strukturierten didaktischen Verlauf über aktuelle Geschichtsdokumentationen bis hin zu Klassikern des Dokumentarfilms erstreckt. Zum letztgenannten gehört unter anderem Erwin Leisers „ Den blodiga tiden “ (Schweden, 1959), der in Deutschland unter dem Titel „Mein Kampf“ veröffentlicht wurde und in dieser Arbeit zum Gegenstand der Analyse gemacht werden soll. Der Regisseur zeigt in seinem Film die blutige Zeit des Nazi-Terrors auf und hat die Intention, „die Wahrheit gegen Hitlers Floskeln in seinem Buch „Mein Kampf““[7] zu stellen. Das zentrale Motiv Leisers stellt der Kampf gegen das Vergessen dar.[8]
Wenngleich Leisers Dokumentation vor allem den Lebensweg, genauer noch: den Lebenskampf Hitlers aufzeigen soll, trifft man im Film auch auf den Aspekt der Vernichtung der europäischen Juden, der das zentrale Thema dieser Arbeit darstellen soll. Am Beispiel des Films „Mein Kampf“, der in der inzwischen langen Tradition von audiovisuellen Dokumenten über den Zweiten Weltkrieg als einer der ersten in Deutschland gezeigt wurde, möchte ich im Folgenden der Frage nachgehen, wie Holocaust im Film inszeniert wird.
Hierfür soll zunächst im Allgemeinen auf die mediale Darstellung des Holocausts unter besonderer Berücksichtigung des gedächtnistheoretischen Ansatzes von Assmann/Assmann eingegangen werden (Kapitel 2). Daran schließt sich die Analyse von Leisers Film „Mein Kampf“ an (Kapitel 3), für die zunächst Hintergrundinformationen von großer Bedeutung sind. Aus dem Grunde soll an dieser Stelle nicht auf die Angabe allgemeiner filmographischer Daten sowie einen kurzen geschichtlichen Abriss der Entstehung von „Mein Kampf“ verzichtet werden. Hieran schließt sich eine formal-inhaltliche Beschreibung des Films „Mein Kampf“, an. Im weiteren Verlauf soll der zentralen Frage nachgegangen werden, wie Leiser den Holocaust in seiner Dokumentation inszeniert. Zur Beantwortung dieser Frage sollen auch verschiedene filmische Gestaltungsmittel näher untersucht sowie der Aspekt der Ästhetik im Film betrachtet werden, bevor ich mich der Frage nach der Wirkung des Films (Kapitel 4) sowie der Authentizität (Kapitel 5) hinwenden möchte. Abschließend soll auch auf die Kritik zum Film sowie seine Resonanz (Kapitel 6) eingegangen werden, wie sie im Jahr der deutschen Erstausführung in den Printmedien geäußert wurde.
2. Mediale Darstellung des Holocausts und kulturelles Gedächtnis
Noch für die sechziger und siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts ist nach Aleida Assmann eine allgemeine „Geschichtsvergessenheit“[9] in der Bundesrepublik in Hinblick auf die Zeit des Dritten Reiches festzustellen. Es bedurfte zunächst einem Generationswechsel, der das kollektive Verschweigen beziehungsweise Verdrängen der NS-Vergangenheit überwand und sie fortan zum Thema machte. Seit den achtziger Jahren beschreibt Assmann die Deutschen nun vielmehr als „geschichtsbesessen“[10]. Diese Besessenheit drückt sich unter anderem in einer Flut von historischen Debatten und Ausstellungen, Literatur und filmischem Material zum Thema aus, kurzum: in ausführlicher Reflexion mit der eigenen Vergangenheit und Herkunft.[11]
Heute – sechzig Jahre nach Ende der Nazi-Diktatur – gibt es kaum noch Zeitzeugen, die Zeugnis über persönliche Erfahrungen und biographische Erinnerungen hinsichtlich dieser nationalsozialistischen Vergangenheit und Herkunft sowie vor allem auch über den Holocaust ablegen können. Bald werden auch diese letzten Zeugen verstorben sein. Faktisch besteht jedoch nicht die Gefahr, dass damit auch das Wissen um die Verbrechen der Nationalsozialisten in Vergessenheit geraten wird.[12] Es stellt sich nun die Frage, wodurch dies ermöglicht wird.
Jan und Aleida Assmann haben in diesem Zusammenhang einen klassischen gedächtnistheoretischen Ansatz entwickelt, bei dem unterschiedliche Gedächtnisformen voneinander abgegrenzt werden. Als Mitglieder von Gruppen und Träger von Kulturen bedienen sich Menschen demnach verschiedener Gedächtnishorizonte. Diese umfassen mehrere gesellschaftliche Stufen, weshalb Assmann/Assmann in ihrem Ansatz zwischen dem Gedächtnis des Individuums, dem des Kollektivs und dem der Kultur unterscheiden. Das Gedächtnis wird hierbei als Kollektivbegriff für angesammelte Erinnerungen verwendet.[13]
Als unterste Stufe wird das Gedächtnis des Individuums genannt, welches die Funktion der subjektiven Erfahrungsverarbeitung übernimmt. Aufgrund der notwendigen Voraussetzung von Kommunikation zur Entwicklung dieses Gedächtnisses sprechen Assmann/Assmann auch vom kommunikativen Gedächtnis. Diese Form der Erinnerung, welche sich immer auch auf ein Generationsgedächtnis bezieht, unterliegt festen zeitlichen Grenzen, sofern diese nicht mit Hilfe entsprechender Maßnahmen in die nächst höhere Ebene transportiert wird. Ansonsten verändert sich mit jeder neu entstehenden Generation auch das gesellschaftliche Erinnerungsprofil.[14]
Die nächste Stufe bildet das kollektive Gedächtnis, das Assmann/Assmann zufolge als kollektives Alltagswissen verstanden werden kann. Das Kollektiv rekrutiert sich hierbei aus einer Gruppe von Individuen, dessen Identität durch ein Gedächtnis begründet wird. Dieses wird benötigt, um Erfahrungen und Wissen über mehrere Generationen hinweg zu transportieren, wodurch ein soziales Langzeitgedächtnis ausgebildet werden kann. Auch in diesem Falle bildet Kommunikation die Basis für die Herausbildung eines solchen Gedächtnisses, dessen Inhalte durch Lernprozesse erworben werden. Ein Kollektiv speichert nicht jede Art von Wissen, sondern nur das, was für das Kollektiv von Bedeutung ist. Ebenso unterliegt das kollektive Gedächtnis einer temporären Begrenzung, es sei denn, dessen Inhalte werden Bestandteil des kulturellen Gedächtnisses, welches die höchste Stufe des Assmannschen Ansatzes bildet.[15]
Mit Hilfe des kulturellen Gedächtnisses wird Wissen durch Kultur weitergegeben. Somit bildet das kulturelle Gedächtnis letztlich ebenfalls ein soziales Langzeitgedächtnis heraus, wobei sich dieses auf externe Medien und Institutionen stützt. In Abgrenzung zum kommunikativen und kollektiven Gedächtnis unterliegt diese Form keinem zeitlichen Rahmen. Die Inhalte gehen auf einen Lernprozess zurück, der hauptsächlich von den Bildungsstätten gefördert wird und sind durch eine so genannte Alltagsferne gekennzeichnet. Ein Übergang vom kollektiven zum kulturellen Gedächtnis wird laut Assmann/Assmann durch die Fixierung des Wissens ermöglicht, die beispielsweise in schriftlicher Form, plastisch oder medial umgesetzt werden kann. Erst durch eine solche Fixierung wird kollektives Wissen kulturell ‚vererbbar’.[16]
In unserer heutigen Mediengesellschaft ist davon auszugehen, dass vor allem kulturelles Wissen in Bezug auf geschichtliche Ereignisse vermehrt durch filmische Medien – als eine Art der Reflexion mit der Vergangenheit – geprägt wird. Das Fernsehen stellt das Medium dar, welches in der Bevölkerung am regelmäßigsten genutzt wird[17] und in Hinblick auf das Thema Holocaust liegen uns unzählige audiovisuelle Dokumente vor, die vor dem Hintergrund eines filmischen kulturellen Gedächtnisses geeignet sind, „das individuelle Erinnern filmisch repräsentierter und kollektiv geteilter Gedächtnisinhalte durch die Zuschauer theoretisch fassbar werden zu lassen“[18]. Die Erinnerung an den Holocaust hat demnach Eingang in das kulturelle Gedächtnis gefunden.[19]
3. Analyse des Films „Mein Kampf“
3.1 Filmographische Angaben
Schwedischer Originaltitel: „Den blodiga tiden“ (dt.: Blutige Zeiten)
Deutscher Aufführungstitel: „Mein Kampf“
Produktion: Minerva International-Films, Stockholm
Produzent: Tore Sjöberg
Regie: Erwin Leiser
Drehbuch: Erwin Leiser
Produktionsland: Schweden
Produktionsjahr: 1959
Sprecher der dt. Fassung: Paul Klinger
3.2 Entstehung von Leisers Dokumentation des Naziterrors
Der 1923 in Berlin geborene Erwin Leiser (gestorben 1996), Sohn jüdischer Eltern, floh nach der Reichspogromnacht nach Schweden, wo er im Anschluss an sein Studium – er studierte Literaturgeschichte und Deutsch in Lund – ein bekannter Publizist wurde. Nach seiner Tätigkeit als Feuilletonchef bei der Stockholmer Tageszeitung „ Morgon-Tidningen “ war er, nachdem das Blatt 1958 eingestellt wurde, zunächst arbeitslos. Leiser entschloss sich, diese Zeit für eine Kurzausbildung beim schwedischen Fernsehen zu nutzen.[20]
Im Jahre 1959 wurde Leiser von seinem Nachbarn, dem Filmverleiher Tore Sjöberg, eingeladen, mit ihm nach Frankreich zu reisen, um dort bei der Auswahl neuer französischer Filme beratend zur Seite zu stehen. In Paris empfahl Leiser Sjöberg schließlich, den französischen Film „ Nuit et Brouillard “ (1955, dt.: „Nacht und Nebel“) von Alain Resnais zu kaufen. Da der Film für ein Vorprogramm zu kurz und für einen Hauptfilm zu lang war, bot Leiser sich im Zuge dessen an, eine Filmmontage zur Schlacht von Stalingrad zu erstellen, die ergänzend zu Resnais Film über die nationalsozialistischen Konzentrationslager in einem einstündigen Tageskinoprogramm unter dem Titel „Nie wieder“ gezeigt werden sollte. Sjöbergs Programm wurde zu einem großen Erfolg.[21]
Seine Einnahmen wollte Sjöberg für ein neues Filmprojekt aufwenden. Er fragte Leiser deshalb nach einer Idee für eine abendfüllende Dokumentation. Dieser hielt einen Film über Hitler und das Dritte Reich für notwendig, da das Wissen zu beiden Themen unter jungen Leuten in Westdeutschland zu dem Zeitpunkt noch sehr gering war. Unter dem schwedischen Titel „ Den blodiga tiden “ wollte er die nationalsozialistische Wirklichkeit in einem Kompilationsfilm[22] – unter Verwendung von Originaldokumenten wie dem eigens von den braunen Machthabern hergestellten Propagandamaterial – „gegen Hitlers Floskeln stellen.“[23]. Der Film sollte dabei möglichst einfach gehalten und es sollten keine Vorkenntnisse nötig sein, um ein so breites Publikum wie möglich ansprechen zu können. Obwohl Leiser noch über keinerlei praktische Erfahrung des Filmemachens verfügt (das eigentliche Handwerk des Filmemachens lernte er nicht bei seiner Kurzausbildung beim Fernsehen, sondern erst später in der Praxis), erklärt Sjöberg sich einverstanden.[24]
Das Material für seinen Film fand Leiser in verschiedenen Archiven unter anderem in Frankreich, der Sowjetunion, in Amerika, England, Polen und Österreich. Daneben wurde im Film hauptsächlich Material aus dem Propagandaministerium der Nazis in Babelsberg verwendet. Aus 200.000 Filmmetern, unzähligen Tonbändern und über 600 Fotos gestaltete er innerhalb von einem dreiviertel Jahr einen zweistündigen Film, der am 25.04.1960 in Göteborg uraufgeführt wurde. Am 12.07.1960 fand in der BRD, genauer in München, die deutsche Erstaufführung statt.[25]
3.3 Was geschieht im Film?
Erwin Leisers Dokumentation des Nazi-Terrors beginnt im Berlin des Jahres 1945, als Zivilisten vor dem Bombenhagel fliehen, der auf die Reichshauptstadt niederprasselt, und Kanonenfeuer die Häuser entflammen.
Ein Rückblick auf das Jahr 1914 erfolgt. In Deutschland verkündet man den Kriegsbeginn, der außerordentlich bejubelt wird. Doch der bisher größte Krieg aller Zeiten ist brutal: Neue Vernichtungswaffen werden verwendet, erstmals wird auch in der Luft gekämpft und mit Hilfe von U-Booten führt man eine erbarmungslose Seeschlacht. Nachdem der Krieg viele Reiche zerstört hat, geht schließlich die Revolution auf Deutschland über. Der Kaiser muss im Jahre 1918 abdanken und die Republik wird ausgerufen.
Der Versailler Vertrag regelt die Pflichten, welche das besiegte Land gegenüber den Siegermächten zu erfüllen hat. Im konservativen Deutschland wird die Unterschrift in Versailles als eine Demütigung für die Republik erlebt. Es kommt zur Ermordung verhasster Politiker durch nationale Fanatiker, weil sie die Vertragsbedingungen zu erfüllen gedenken.
[...]
[1] Vgl.: Knigge/Frei (2002), S. 7;
Lange (1999), S. 57;
Schorr (2000), S. 4, 11, 13.
[2] Vgl.: Jarren (2001), S. 12;
Bundeszentrale für politische Bildung (1998), S. 3-6.
[3] Vgl.: Zahlmann (2001), S. 64.
[4] Vgl.: Bundeszentrale für politische Bildung (1998), S. 21, 44;
Kulturarchiv an der FH Hannover (oD, d), Abs. 1;
Lange (1999), S. 57, 69;
Schorr (2000), S. 5, 15;
Wende (2002), S. 10.
[5] Vgl.: Kulturarchiv an der FH Hannover (oD, b), Abs. 2-3;
Wende, Waltraud (2002), S. 10, 14.
[6] Vgl.: mediamanual.at (oD), Abs. 14-15.
[7] Leiser (1979), S. 3.
[8] Vgl.: Kulturarchiv an der FH Hannover (oD, b), Abs. 1;
Leiser (1979), S. 299;
Wende (2002), S. 20.
[9] Assmann/Frevert (1999), S. 10.
[10] Ebd.
[11] Vgl.: Assmann/Frevert (1999), S. 10-11, 32-33, 140-142;
Knigge/Frei (2002), S. 141;
Thiele (2001), S. 229.
[12] Vgl.: Leiser (1996), S. 31; Wende (2002), S. 9.
[13] Vgl.: Assmann/Frevert (1999), S. 35-36, 50; Zahlmann (2001), S. 58.
[14] Vgl.: Assmann/Frevert (1999), S. 36-37, 41.
[15] Vgl.: Assmann/Frevert (1999), S. 49; Zahlmann (2001), S. 51, 58-59, 61.
[16] Vgl.: Assmann/Frevert (1999), S. 49-50; Zahlmann (2001), S. 20, 49, 59-60, 65.
[17] Laut Media Analyse nutzten in den Jahren 1993 und 1999 92,1 % beziehungsweise 94,9 % der deutschen Gesamtbevölkerung das Fernsehen regelmäßig. Zitiert nach: Schorr (2000), S. 4.
[18] Zahlmann (2001), S. 19.
[19] Vgl.: Kulturarchiv an der FH Hannover (oD, c), Abs. 1; Kulturarchiv an der FH Hannover (oD, a), Abs. 3; Wende (2002), S. 9.
[20] Vgl.: Leiser (1979), S. 304; Thiele (2001), S. 207; Tichy (1977), S. 453.
[21] Vgl.: Leiser (1993), S. 147; Thiele (2001), S. 207.
[22] Vgl.: Thiele (2001), S. 208.
[23] Leiser (1993), S. 148.
[24] Vgl.: Leiser (1993), S. 147-148.
[25] Vgl.: Leiser (1979), S. 4; Leiser (1993), S. 148-149; Sack (1960), S. IV; Thiele (2001), S. 208.
- Quote paper
- Kirsten Garbade (Author), 2005, 'Mein Kampf'. Die Inszenierung des Holocausts im Film Erwin Leisers, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39053
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