In den vergangenen Jahren ist angesichts steigender Lebenserwartung und damit verbundener Kostensteigerungen im Gesundheitssystem das Problem der Gesundheit vermehrt in das Zentrum der sozialpolitischen Diskussion gerückt. Gesundheitserhaltung und Krankheitsvorbeugung werden nicht nur zu einer individuellen, sondern immer mehr auch zu einer gesellschaftspolitischen Aufgabe, die aus der sozialen Verpflichtung resultiert, eine für alle Menschen optimale Gesundheitsversorgung zu gewährleisten. In diesem Kontext kommt dem Begriff „Gesundheitssport“ in den letzten Jahren eine immer größere Bedeutung zu. Obwohl eine eindeutige Definition schwierig erscheint, mitunter sogar abgelehnt wird , so hat sich der Terminus dennoch im allgemeinen Sprachgebrauch etabliert. Diese Entwicklung zeigt, so der Deutsche Sportbund, dass es im öffentlichen Bewusstsein zu einer weitgehenden Identifizierung der Begriffe „Gesundheit“ und „Sport“ gekommen ist (vgl. DSB, 1993, S. 197). Laut DSB wird der Begriff Gesundheitssport dabei wie folgt definiert:
Gesundheitssport ist eine aktive, regelmäßige und systematische körperliche Belastung mit der Absicht, Gesundheit in all ihren Aspekten, d.h. somatisch wie psychosozial, zu fördern, zu erhalten oder wiederherzustellen. Gesundheitssport umfaßt den Präventivsport, die Bewegungs- und Sporttherapie sowie den Rehabilitationssport. Da Sport auch mit gesundheitsbezogenen Risiken verbunden sein kann, müssen die Inhalte dosiert und in Anlehnung an die individuellen Voraussetzungen ausgewählt werden (DSB, 1993, S.198).
Ausgehend von dieser Definition stellt sich dem Verfasser jedoch eine scheinbar berechtigte Frage: Trat der Sport unter dem Aspekt der Gesundheit tatsächlich erst in den letzten 20-30 Jahren in das Bewusstsein der Menschheit oder ist es nicht vielmehr so, dass Gesundheitsförderung schon seit jeher zu den wichtigsten Zielsetzungen des „Sports“ zählte? Genau diese Fragen nach dem Zusammenhang von Sport und Gesundheit sollen im Verlauf dieser Arbeit beantwortet werden. Wesentliches Ziel des Verfassers ist es folglich, eine „Kurze Geschichte des Gesundheitssports“ zu verfassen.
INHALTSVERZEICHNIS
Problemstellung
1. Gesundheit und Gymnastik im antiken Griechenland
1.1. Körperübungen und deren gesundheitlicher Wert in der griechischen Frühzeit
1.2. Sport und Gesundheit bei Hippokrates
1.3. Gesundheit und Gymnastik bei Platon und Aristoteles
2. Gesundheitsfördernde Übungen im antiken Rom
2.1. Die Inanspruchnahme von Körperübungen zum Wohle Gesundheit
2.2. Gesundheitssport bei Galen
3. Gesunde Lebensführung und Sport im Mittelalter
3.1. Vorbemerkungen
3.2. Leibesübungen im Früh- und Hochmittelalter
3.3. Der Einfluss der Regimenliteratur auf die Leibesübungen im ausgehenden Hochmittelalter sowie im Spätmittelalter
4. Die Bedeutung der Leibesübungen im Zeitalter der Renaissance
4.1. Neues Denken in praktischen Bahnen
4.2. Nutzen und Funktion der Leibesübungen
4.3. Die Stellung der Leibesübungen unter den Aspekten von Prophylaxe und Therapie
5. Gesundheit und Leibesübungen im Zeitalter der Aufklärung
5.1. Vorbemerkungen
5.2. Die Bedeutung der Leibesübungen für die Gesundheit im Erziehungskonzept Rousseaus
5.3. Die Bedeutung der Leibesübungen in Johann Peter Franks
„System einer vollständigen medicinischen Polizey“ (1779-1817)
6. Leibesübungen und Gesunderhaltung im 19.Jahrhundert
6.1. Deutsches Turnen und Schwedische Gymnastik
6.2. Gesundheit im Kontext des Mädchen- und Frauenturnens
Schlussbemerkungen
Literaturverzeichnis
Problemstellung
In den vergangenen Jahren ist angesichts steigender Lebenserwartung und damit verbundener Kostensteigerungen im Gesundheitssystem das Problem der Gesundheit vermehrt in das Zentrum der sozialpolitischen Diskussion gerückt. Gesundheitserhaltung und Krankheitsvorbeugung werden nicht nur zu einer individuellen, sondern immer mehr auch zu einer gesellschaftspolitischen Aufgabe, die aus der sozialen Verpflichtung resultiert, eine für alle Menschen optimale Gesundheitsversorgung zu gewährleisten. In diesem Kontext kommt dem Begriff „Gesundheitssport“ in den letzten Jahren eine immer größere Bedeutung zu. Obwohl eine eindeutige Definition schwierig erscheint, mitunter sogar abgelehnt wird[1], so hat sich der Terminus dennoch im allgemeinen Sprachgebrauch etabliert. Diese Entwicklung zeigt, so der Deutsche Sportbund, dass es im öffentlichen Bewusstsein zu einer weitgehenden Identifizierung der Begriffe „Gesundheit“ und „Sport“ gekommen ist (vgl. DSB, 1993, S. 197). Laut DSB wird der Begriff Gesundheitssport dabei wie folgt definiert:
Gesundheitssport ist eine aktive, regelmäßige und systematische körperliche Belastung mit der Absicht, Gesundheit in all ihren Aspekten, d.h. somatisch wie psychosozial, zu fördern, zu erhalten oder wiederherzustellen. Gesundheitssport umfaßt den Präventivsport, die Bewegungs- und Sporttherapie sowie den Rehabilitationssport. Da Sport auch mit gesundheitsbezogenen Risiken verbunden sein kann, müssen die Inhalte dosiert und in Anlehnung an die individuellen Voraussetzungen ausgewählt werden (DSB, 1993, S.198).
Ausgehend von dieser Definition stellt sich dem Verfasser jedoch eine scheinbar berechtigte Frage: Trat der Sport unter dem Aspekt der Gesundheit tatsächlich erst in den letzten 20-30 Jahren in das Bewusstsein der Menschheit oder ist es nicht vielmehr so, dass Gesundheitsförderung schon seit jeher zu den wichtigsten Zielsetzungen des „Sports“[2] zählte? Genau diese Fragen nach dem Zusammenhang von Sport und Gesundheit sollen im Verlauf dieser Arbeit beantwortet werden. Wesentliches Ziel des Verfassers ist es folglich, eine „Kurze Geschichte des Gesundheitssports“ zu verfassen. Allerdings erweist es sich im Rahmen einer Hauptseminararbeit als unmöglich, einen adäquaten, allumfassenden Überblick über die Geschichte des Gesundheitssports zu liefern. Vielmehr muss sich sowohl in zeitlicher als auch in räumlicher Hinsicht auf wenige, ausgewählte Schwerpunkt konzentriert werden. Neben den klassischen Epochen der Geschichtswissenschaft stehen ferner kulturhistorische Perioden der Geschichte im Focus der Untersuchung: Zu Beginn der Arbeit wird die Beziehung zwischen Körperübungen und Gesundheit im antiken Griechenland aufgezeigt. Anschließend wird sukzessive der Einfluss von Leibesübungen auf die Gesundheit im antiken Rom, im europäischen Mittelalter, im Zeitalter der Renaissance und der Aufklärung verfolgt. Abschließend wird das Verhältnis von Sport und Gesundheit im Deutschland des 19.Jahrhunderts betrachtet.
Methodisch wird in der Arbeit wie folgt verfahren: Jeweils einführend werden für die verschiedenen Zeitabschnitte die herrschenden Vorstellungen von Gesundheit und Krankheit vorgestellt. In diesem Kontext wird die jeweilige dem Sport zugewiesene Bedeutung besprochen werden. In einem zweiten, umfangreicheren Teil wird sich dann – sofern es sich anbietet – den Gesundheitsvorstellungen und -konzepten bestimmter historischer Personen zugewendet werden. Dabei wird hinterfragt, welche Rolle die Leibesübungen in diesen Konzepten einnahmen. Hierbei gilt es gleichwohl zu beachten, dass es sich bei vielen dieser Gesundheitskonzepte zumeist um überwiegend theoretische Skizzen handelte, die in der Praxis nur bedingt Verwendung fanden. Außerdem soll daran erinnert sein, dass die vorgestellten Gesundheitskonzepte nicht für die gesamte Bevölkerung realistisch waren. Zumeist waren sie nur für die oberen Schichten gedacht und auch nur für diese umsetzbar.
1. Gesundheit und Gymnastik im antiken Griechenland
1.1. Körperübungen und deren gesundheitlicher Wert in der griechischen Frühzeit
Grundsätzlich waren die Vorstellungen von dem was Gesundheit und was Krankheit ist in der vorklassischen Epoche eng mit religiösen Überlieferungen verbunden. Der Zustand des Menschen war in erster Linie vom Willen der Götter und Dämonen abhängig. Demnach wurde Krankheit als Strafe und Gesundheit als Geschenk der Götter interpretiert. Neben der Gesundheit als solche, zählte aber auch die körperliche Fitness zu den göttlichen Geschenken. Dies war insbesondere bei den panhellischen Spielen der Fall. Für die Genesung bevorzugte man – in Analogie zu den Krankheitsursachen – in erster Linie magische Praktiken oder Gebete. Formen der Gymnastik bzw. andere körperliche Übungen wurden für den Heilungsprozess noch nicht thematisiert (vgl. Bergdolt, 1999, S. 24-25).
Durch das für die griechische Geistesgeschichte folgenreiche philosophisch-pädagogische Prinzip der kalokagathia, erlangte die Gymnastik dennoch eine besondere Bedeutung. Dieses Prinzip beinhaltete, dass Gesundheit nach Schönheit verlangt und seelisch-moralische Überlegenheit sich ebenso in körperlicher Vollkommenheit offenbart. Das Ziel der aristokratischen Erziehung bestand aufgrund dessen in einer optimalen seelischen und körperlichen Reifung. Körperübungen und geistige Betätigung wurden daher von den griechischen Intellektuellen insofern als ebenbürtig angesehen, als dass sie gleichermaßen zur Persönlichkeitsbildung beitrugen. Problematisch hingegen war, dass die Gleichsetzung körperlicher Vollkommenheit mit moralischer Rechtschaffenheit zur Ächtung hässlicher oder kranker Menschen führen konnte. Das aristokratische Gesundheitsideal beinhaltete aus diesen Gründen sogar Formen der Euthanasie[3]. Um dem herrschenden Gesundheitsideal zu entsprechen, wurden körperliche Tätigkeiten, zu den auch die Formen der Gymnastik zählten, explizit von Rednern und Erziehern propagiert. Körperliche Übungen zählten aber auch zu den üblichen Ritualen, welche die für die Gesunderhaltung unabdingbare Harmonie im Menschen (z.B. nach einer Schlacht) wiederherstellen konnte. Bei der Ausführung solcher Übungen spielte der Gedanke an das rechte Maß eine wesentliche Rolle. Nur dessen Einhaltung in allen Lebenssituationen ermöglichte den goldenen Weg zu seelischer und körperlicher Gesundheit (vgl. Bergdolt, 1999, S.26-29).
1.2. Sport und Gesundheit bei Hippokrates
Der entscheidende Unterschied zur griechischen Vorzeit lag beim hippokratischen Gesundheitsverständnis darin, dass die Gesundheit jetzt nach der Natur erklärt wurde (vgl. Labisch, 1992, S.26). Von großem Gewicht war im zwischen 430 und 322 v.Chr. verfassten hippokratischen Schrifttum die Diätetik, die sich mit der gesunden Lebensführung beschäftigte. Eine entscheidende Grundlage der Diätetik bildete das Mischungsverhältnis der menschlichen Körpersäfte. Dem Mischungsoptimum der Körpersäfte, der Eukrasie, standen bestimmte Dyskrasien gegenüber, welche zu Krankheiten führten. Um diese Krankheiten zu überwinden, wurde dem sogenannten kairós, d.h. dem richtigen Zeitpunkt für Aktion und Therapie, besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Der kairos besagte, dass der Zustand der Gesundheit nicht zu jedem Zeitpunkt wiederhergestellt werden kann, sondern ausschließlich im individuell geeigneten Moment (vgl. Bergdolt, 1999, S.35).
Befanden sich die vier Kardinalflüssigkeiten (Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle) in einem optimalen Verhältnis, garantierte dies ein Höchstmaß an Gesundheit[4]. Das jeweilige Mischungsverhältnis konnte durch die verschiedensten Faktoren beeinflusst werden. Dazu zählten u.a. Lebensalter, Geschlecht, Klima, Bäder, Einreibungen, Schlaf und Wachen, die Wahl der Speisen und Getränke aber auch körperliche Übungen. Was die Letztgenannten anging, so wurden hier bereits die Wirkungen verschiedener Gymnastiktechniken unterschieden. Unter Berücksichtigung der genannten Abhängigkeitsfaktoren, entwarf der hippokratische Arzt eine auf das jeweilige Individuum abgestimmte Diätetik, in der auch die Körperübungen einen breiten Rahmen einnahmen. Diese wurden gerade deshalb thematisiert, weil man davon ausging, dass der Mensch nicht allein durch die Regelung seiner Ernährungsgewohnheiten gesund bleiben könne. Gymnastik und Ernährung standen dabei in konträrer Wirkung zueinander. Während Erstere das Vorhandene aufzehrt, gleicht Letztere den Verlust wieder aus. Im Übrigen galt es bei der Ausführung gymnastischer Übungen wiederum das rechte Maß einzuhalten. Ein Zuviel oder Zuwenig konnten Geist und Körper, dessen war man sich sicher, ruinieren. Diesbezüglich wurde z.B. die Überanstrengung, wie sie u.a. im Agon auftrat, als Gesundheitsgefährdung angesehen (vgl. Bergdolt, 1999, S. 36-39).
Trotz dieser schon beachtlichen Bedeutung der Gymnastik für die Gesunderhaltung muss an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die praktische Umsetzung der individuellen Diätetik wie sie Hippokrates (ca.460 – ca.370) und dessen Anhänger nahe legten, in der Regel einem privilegierten Personenkreis vorbehalten blieb. Nur diejenigen, die über ein entsprechendes Maß an Freizeit verfügten, konnten dem postulierten Wechselspiel von körperlicher Anstrengung, Ernährung und Ruhe auch nachkommen.
1.3. Gesundheit und Gymnastik bei Platon und Aristoteles
Mit der Heilkunde bzw. der Gesundheitslehre beschäftigte sich Platon (428/7 – 348/7) hauptsächlich im Timaios. Anhand seiner theoretischen Abhandlungen wird dabei ersichtlich, dass auch er eine enge Beziehung zwischen der Gesundheit und der Gymnastik sah. Gymnastik galt vorzugsweise für den geistig arbeitenden Menschen als unverzichtbar, da sie ihm den notwendigen Ausgleich zur geistigen Arbeit brachte. In seinen Gesundheitsvorstellungen übernahm Platon die schon in der griechischen Frühzeit propagierte Vorstellung vom gesunden Geist im gesunden Körper und verknüpfte diese mit der Warnung, dass geistige oder körperliche Untätigkeit zum Tode führe. Als effektivste Formen der Gymnastik galten die im Menschen durch ihn selbst erzeugten Bewegungen. Förderlich waren laut Platon aber auch die von außen induzierten Bewegungen[5] (vgl. Bergdolt, 1999, S.50). In Anlehnung an Hippokrates, spielten auch die humoralpathologischen Lehren eine nicht unwesentliche Rolle in Platons Gesundheitsvorstellungen. Hinzu kam eine bei ihm existente Sorge um die Volksgesundheit, die er als Voraussetzung der funktionierenden Polis begriff. Da Plato dem Gemeinwesen einen gesunden und kräftigen Nachwuchs sichern wollte, standen individuelle Ziele hinter gesellschaftlichen zurück. Die Sorge um das Gemeinwesen mündete letztlich darin, dass Platon gewisse Formen der Euthanasie befürwortete (vgl. Labisch, 1992, S.26).
Obgleich seine medizinischen Schriften kaum tradiert sind, so beeinflusste Aristoteles (384-322) die abendländische Gesundheitslehre noch nachhaltiger als Platon. Auch bei ihm spielen sowohl die gesunde Lebensführung als auch die vier Körperflüssigkeiten eine maßgebende Rolle. Darüber hinaus gilt er als der Begründer der Temperamentenlehre. Eine Reihe von Charaktereigenschaften, aber auch Gesundheitsrisiken erklärt sich demnach durch Fehlmischungen bzw. Fehltemperaturen von Körpersäften. Seiner Vorstellung zufolge besitzt jeder Mensch eine natürliche, angeborene und individuell verschiedene Gesundheit bzw. Schönheit des Körpers. Aufgabe der Gymnastik ist es diese Gesundheit bzw. diese Schönheit zu erhalten. Demzufolge besitzen Körperübungen primär eine präventive Funktion. Dieser präventive Aspekt von Gymnastik ergibt sich für Aristoteles aus den spezifischen Krankheitsursachen. Diese sind in der Anhäufung von Ausscheidungsstoff im Körper zu suchen. Die Anreicherung der Ausscheidungsstoffe ist wiederum Folge eines Nahrungsüberflusses bzw. eines akuten Bewegungsmangels. Daher ist es gesund, die Nahrung zu vermindern und sich körperlichen Anstrengungen auszusetzen, weil hierdurch schädliche Stoffe aus dem Körper beseitigt werden können (vgl. Bergdolt, 1999, S.53-54).
Leibesübungen, Spiel und Erholung sind bei Aristoteles niemals Selbstzweck, sondern stets Wege zur Gesundheit bzw. Gesunderhaltung. Darüber hinaus verschaffen Körperübungen auch zahlreiche Vorteile für das Alltagsleben. Körperliche Übungen – worunter er neben gymnastischen Übungen auch bäuerliche Tätigkeiten fasste – erleichtern z.B. den Frauen die Geburtswehen, da hierdurch die Atmung verbessert wird. Explizit mit der Gymnastik setzt sich Aristoteles in den Problemata auseinander. Hier werden sogar erste „trainingswissenschaftliche“ Erkenntnisse vorgestellt[6]. In diesem Zusammenhang kam er u.a. zu dem Schluss, dass es nutzlos sei, Körper und Geist gleichzeitig zu trainieren. Da beide Formen des Trainings eine entgegengesetzte Wirkung haben, behindern sie sich eher gegenseitig (vgl. Bergdolt, 1999, S.55).
2. Gesundheitsfördernde Übungen im antiken Rom
2.1. Die Inanspruchnahme von Körperübungen zum Wohle der Gesundheit
Wie im antiken Griechenland, so mangelte es auch im alten Rom lange Zeit an einem ausgewiesenen Ärztestand. Auch hier lag die Heilkraft zunächst in den Händen der Götter. In der Folgezeit waren es dann überwiegend Philosophen und keine Ärzte, die sich mit der medizinischen Theoriebildung auseinander setzten. Hierzu zählte u.a. Cato (234 – 149), der sich in seinem Werk de agricultura für eine auf einer natürlichen Lebensweise aufbauenden Diätetik aussprach. Den überlieferten griechischen Gesundheitstheorien stand er, aufgrund einer für die damalige Zeit typischen Ablehnung der griechischen Kultur, eher skeptisch gegenüber. Dabei richtete sich die Kritik weniger gegen die traditionelle Diätetik, die ja auch in der römischen Kultur eine Rolle spielte, als vielmehr gegen die professionellen, gegen Bezahlung arbeitenden Ärzte (vgl. Bergdolt, 1999, S.76-78). Neben Cato bemühten sich in den kommenden zweihundert Jahren eine Vielzahl weiterer römischer Intellektueller um die Gesundheit bzw. den Erhalt der Gesundheit. Zu nennen wären hier u.a. Cicero (106 – 43), Lukrez (97 – 55), Seneca (55 v. – 40 n.Chr.) oder Plutarch (45-125) (vgl. Bergdolt, 1999, S. 80-86). Sie gaben dem interessierten Leser wertvolle Hinweise und Ratschläge für die Gestaltung eines gesunden, ausgeglichenen Lebens. Die Rolle und Funktion der Leibesübungen aus medizinischer Sicht wurde bei ihnen jedoch meist nur am Rande behandelt. So empfahl z.B. Cicero leichte sportliche Betätigungen für ältere Menschen. Seneca blieb in seiner Würdigung der Leibesübungen ganz seiner stoischen Anschauung verhaftet und tadelte übertriebenen, über das richtige Maß hinausreichenden Sport. Lukrez wies wiederum darauf hin, dass jede Form der Diätetik, folglich auch die sportlichen Betätigungen, auf das Individuum angepasst sein müssen. Was für den Einen optimal ist, kann für den Anderen schädlich sein (vgl. Bergdolt, 1999, S. 82-86).
Großen Einfluss auf die römische Gesundheitslehre übten auch die als Methodiker[7] und Pneumatiker[8] bezeichneten Ärzte aus. Die Methodiker, allen voran der 90 v.Chr. nach Rom gekommene Arzt Asklepiades, waren entgegen der Auffassung Catos der Ansicht, dass die Natur nichts nützt, sondern eher schadet. Eigentliche Aufgabe des Arztes sei es daher die Methode zu bestimmen, die den Menschen zurück zur Gesundheit führt. Um dieses Ziel zu erreichen, bedienten sie sich auch verschiedener Bewegungsübungen sowie der Gymnastik. Letztere wurde bei ihnen folglich unter der Prämisse der Therapie von Krankheiten eingesetzt (vgl. Bergdolt, 1999, S.88).
[...]
[1] Auf die Unzulänglichkeit einer etwaigen Definition dieses Begriffes verweisen insbesondere: Beckers & Brux, 1993, S. 312-314.
[2] Der Terminus Sport ist hier in Anführungszeichen gesetzt, da es sich hierbei um einen Begriff der Neuzeit handelt, der unmöglich auf frühere Zeiten und Regionen übertragen werden kann. Trotz dieser terminologischen Schwierigkeiten wird der Begriff Sport in dieser Arbeit sowohl aus Verständnis- als auch aus Gründen der besseren Lesbarkeit wegen für all jene körperlichen Übungen und Bewegungsformen der Vergangenheit und Gegenwart verwendet, die im heutigen Verständnis als Sport bezeichnet werden.
[3] Als Verfechter dieses Gesundheitsideals muss insbesondere Platon angesehen werden (vgl. Abschnitt 2.3.).
[4] Ausführliche Informationen zu den vier Kardinalflüssigkeiten sowie den ihnen zugesprochenen Qualitäten finden sich u.a. bei Westendorf, 1992, S.21-31.
[5] Platon dachte diesbezüglich z.B. an Passagiere, die an Bord von Schiffen durch die vom Meer induzierten Bewegungen hin- und hergeschaukelt werden (vgl. Bergdolt, 1999, S.49).
[6] So stellt er u.a. fest, dass lange Spaziergänge auf ebenem Grund mehr ermüden als auf unebenem Gelände, während bei kurzen das Gegenteil der Fall ist etc. (vgl. Bergdolt, 1999, S.55).
[7] Ärzteschule im 1.Jh. n.Chr. anknüpfend an Asklepiades (vgl. Kiechle, 2001, Sp. 1949-1950)
[8] Hierbei handelte es sich um die Anhänger einer im 1.Jh.v.Chr. gegründeten Ärzteschule. Verbunden wurden hier insbesondere Pneuma- und Säftelehre mit stoischer Philosophie und Hippokratismus (vgl. Kiechle, 2001, Sp. 2384).
- Arbeit zitieren
- Sebastian Knobbe (Autor:in), 2004, Abriss einer kurzen Geschichte des Gesundheitssports, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/38959
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