Die moderne Auffassung von der politischen Kultur des antiken Griechenlands ist heute fast ausschließlich vom Bild des Polisstaates geprägt. Dass sich – zunächst zeitgleich zur Blüte der Polis-Demokratie im 5. und 4. Jahrhundert v.Chr., alsdann speziell in der Epoche des Hellenismus und v.a. im politisch-historischen Geschehen des 3. und 2. Jahrhunderts v.Chr. – auch hochentwickelte Formen föderalstaatlicher Verfassungsordnungen herausgebildet haben, ist außerhalb der althistorischen Fachwissenschaft hingegen weithin unbekannt. Dass die gegenwärtige Vorstellung von der politischen Kultur des antiken Hellas so absolut vom Polisverband geprägt ist, hat mehrere Ursachen, denen hier jedoch nicht nachgegangen werden kann . Ein allgemeines Anliegen dieser Arbeit ist es daher zu zeigen, über welch z.T. ausgeprägte Institutionalisierung bereits die antiken Bundesstaaten verfügten.
Im Speziellen soll es dem Verfasser in dieser Arbeit aber darum gehen, eine systematische Analyse der bundesstaatlichen Struktur des Boiotischen Bundes im 5. bzw. 4. Jahrhundert v.Chr. durchzuführen. Interessant ist diesbezüglich die Tatsache, dass wir es im benannten Zeitraum nicht mit einem, sondern mit zwei, von der politischen Struktur her unterschiedlichen Bünden zu tun haben. Der erste Boiotische Bund existierte im Zeitraum von 447/6 bis zum sogenannten Königsfrieden 386 v.Chr. Der zweite Bund bildete sich ab 379/8 heraus und blieb in nahezu unveränderter Form bis zur Zerstörung der Stadt Theben im Jahre 335 v.Chr. bestehen .
Der Chronologie folgend, wird der Verfasser zunächst den ersten Bund mit seinen bundesstaatlichen Institutionen vorstellen. Auf der Grundlage der politischen Binnenstruktur wird eine systematische Analyse der relevanten Institutionen des Koinóns durchgeführt. Analog hierzu wird im Anschluss daran der zweite Bund charakterisiert und analysiert werden. Darüber hinaus wird an dieser Stelle speziell über die bestehenden Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Bünde zu sprechen sein. Vor der eigentlichen Analyse der beiden Bünde erweisen sich zudem einige historische Bemerkungen zur Verlaufsgeschichte als hilfreich.
Inhaltsverzeichnis
- Problemstellung
- Der Boiotische Bund von 447/6 bis zum Königsfrieden 386 v.Chr.
- Die politische Entwicklung in Boiotien bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts v.Chr.
- Charakter und Organisation des Bundes
- Die politische Struktur der Bundesstädte
- Der Bundesrat
- Die Boiotarchen
- Rechtssystem, Finanzwesen und Heeresstruktur des Bundes
- Der Boiotische Bund von seiner Neugründung 379/8 bis zur Zerstörung Thebens 335 v.Chr.
- Von der Auflösung des Bundes 386 v.Chr. bis zur Neugründung
- Charakter und Organisation des Bundes
- Die Primärversammlung
- Die Boiotarchen
- Rechtssystem, Finanzwesen und Heeresstruktur des Bundes
- Resümee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert die bundesstaatliche Struktur des Boiotischen Bundes im 5. bzw. 4. Jahrhundert v.Chr. mit dem Ziel, die hochentwickelten Formen föderalstaatlicher Verfassungsordnungen in der Antike aufzuzeigen. Sie untersucht die Entwicklung und Organisation zweier unterschiedlicher Bundesstrukturen, die im 5. Jahrhundert v.Chr. entstanden und sich durch verschiedene politische Institutionen und Strukturen auszeichneten.
- Entwicklung des Boiotischen Bundes im 5. und 4. Jahrhundert v.Chr.
- Politische Strukturen und Institutionen des Bundes
- Vergleich der beiden Bundesformen
- Relevanz des Bundesstaates in der antiken griechischen Politik
- Untersuchung der verfügbaren Quellen und Forschungsansätze
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1 beleuchtet die Problemstellung der Arbeit und erläutert die Notwendigkeit, bundesstaatliche Strukturen in der Antike genauer zu betrachten. Es werden die beiden Bundesformen des Boiotischen Bundes im 5. und 4. Jahrhundert v.Chr. vorgestellt und die Methode der Analyse angekündigt.
Kapitel 2 analysiert den ersten Boiotischen Bund, der von 447/6 bis zum Königsfrieden 386 v.Chr. existierte. Es wird die politische Entwicklung Boiotiens bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts v.Chr. beleuchtet, die Charakteristik und Organisation des Bundes vorgestellt und die politischen Strukturen der Bundesstädte, der Bundesrat und die Boiotarchen näher betrachtet. Zudem wird das Rechtssystem, das Finanzwesen und die Heeresstruktur des Bundes untersucht.
Kapitel 3 befasst sich mit dem zweiten Boiotischen Bund, der von 379/8 bis zur Zerstörung Thebens 335 v.Chr. bestand. Es werden die Ereignisse nach der Auflösung des ersten Bundes, die Charakteristik und Organisation des zweiten Bundes, die Primärversammlung, die Boiotarchen und das Rechtssystem, das Finanzwesen und die Heeresstruktur des zweiten Bundes analysiert.
Kapitel 4 fasst die gewonnenen Erkenntnisse zusammen und bietet ein Resümee der Arbeit.
Schlüsselwörter
Boiotischer Bund, Bundesstaat, Föderalstaat, Koinón, Theben, antike Geschichte, griechische Geschichte, politische Strukturen, Institutionen, Verfassungsordnung, Geschichte Boiotiens, 5. Jahrhundert v.Chr., 4. Jahrhundert v.Chr., Helleniká Oxyrhýnchia, Thukydides, Xenophon, Diodor, Pausanias, Plutarch, Isokrates.
- Quote paper
- Sebastian Knobbe (Author), 2004, Der Boiotische Bund im fünften und vierten Jahrhundert v. Chr., Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/38925