Nachdem in der jüngeren Vergangenheit immer wieder Fälle von Kindeswohlgefährdungen Schlagzeilen gemacht haben, wurden nach und nach rechtliche Bestimmungen und Gesetze zum Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung erlassen. Dies geschah zunächst durch den § 8a SGB VIII zum 01.10.2005, da sich die Kinder- und Jugendhilfe nicht allein darauf beschränken könne, Leistungen nur auf Antrag bzw. Nachfrage zu gewähren. Der Gesetzgeber sah angesichts spektakulärer Fälle von Kindeswohlgefährdungen die Notwendigkeit, den Schutzauftrag des Jugendamts gesetzlich eindeutig zu formulieren. Auch die vertragliche Verpflichtung für Träger von Kindertageseinrichtungen zur Mitwirkung an diesem Schutzauftrag ist hierin enthalten.
Im Dezember 2011 wurde schließlich das Gesetz zur Stärkung eines aktiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen (Bundeskinderschutzgesetz – BkiSchG) erlassen, das am 01.01.2012 in Kraft getreten ist. Es fordert u. a. den Aufbau verbindlicher Strukturen der Zusammenarbeit der zuständigen Leistungsträger und Institutionen im Kinderschutz. Hierzu zählt auch der Einbezug von Kindertageseinrichtungen in das Netzwerk mit dem Ziel der gegenseitigen Information über das jeweilige Angebots- und Aufgabenspektrum und des Abstimmens der Verfahren im Kinderschutz.
Kindertageseinrichtungen werden heute stärker in die Verantwortung genommen, was das pädagogische Fachpersonal in den Einrichtungen vor neue Herausforderungen stellt. Mitarbeiter/innen in Kindertageeinrichtungen sind fortan gefordert, bei Verdachtsfällen eine erste Gefährdungseinschätzung vorzunehmen und in der jeweils geeigneten Weise zu handeln. Diese Arbeit befasst sich mit dem Erfordernis, diesem Anspruch gerecht zu werden und stellt zwei Einschätz-Instrumente zur Gefährdungseinschätzung in der Kindertageseinrichtung vor.
In Kapitel 1 wird die Rechtsgrundlage für diesen Ansatz dargelegt, Kapitel 2 befasst sich mit dem Erfordernis der Gefährdungseinschätzung und stellt zwei Einschätz-Instrumente zur Gefährdungseinschätzung vor. Kapitel 3 erläutert die Vorgehensweise bei Vorliegen von Kindeswohlgefährdung. In Kapitel 4 wird eine Fallstudie aus der Praxis vorgestellt und in Kapitel 5 anhand der in dieser Arbeit aufgeführten Einschätz-Instrumente bewertet. Im Zuge dessen wird eine Beurteilung über die Handhabbarkeit der Einschätz-Verfahren vorgenommen, der ein abschließendes Fazit folgt
1 Rechtsgrundlage für das Einschreiten in die elterliche Sorge
2 Gefährdungseinschätzung in der Kindertageseinrichtung
2.1 Grundraster Kindeswohlgefährdung
3 Vorgehensweise bei Vorliegen von Kindeswohlgefährdung nach § 8a gemäß Ablaufschema der KiWo-Skala
4 Fallstudie
4.1 Beschreibung des Falles
4.1.1 Anlass
4.1.2 Schilderung des Sachstandes
4.1.3 Anzeichen körperlicher Gewalt
4.1.4 Verhalten
4.1.5 Kindergartenbesuch
4.1.6 Hygiene
4.1.7 Essen
4.1.8 Sonstige Eindrücke
4.2 Seitherige Maßnahmen
4.3 Weiteres Vorgehen:
5 Bearbeitung der beiden Einschätz-Instrumente anhand der gewonnenen Informationen
5.1 Bearbeitung des Grundrasters Kindeswohlgefährdung
5.2 Beurteilung der Handhabung des Grundrasters Kindeswohlgefährdung
5.3 Bearbeitung der KiWo-Skala (KiTa)
5.4 Beurteilung der Handhabung der KiWo-Skala (KiTa)
5.5 Bewertung der Handhabung der beiden Einschätz-Instrumente im Vergleich
6 Fazit
Literaturverzeichnis
Einleitung
Nachdem in der jüngeren Vergangenheit immer wieder Fälle von Kindeswohlgefährdungen Schlagzeilen gemacht haben, wurden nach und nach rechtliche Bestimmungen und Gesetze zum Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung erlassen. Dies geschah zunächst durch den § 8a SGB VIII zum 01.10.2005, da sich die Kinder- und Jugendhilfe nicht allein darauf beschränken könne, Leistungen nur auf Antrag bzw. Nachfrage zu gewähren. Der Gesetzgeber sah angesichts spektakulärer Fälle von Kindeswohlgefährdungen die Notwendigkeit, den Schutzauftrag des Jugendamts gesetzlich eindeutig zu formulieren.[1] Auch die vertragliche Verpflichtung für Träger von Kindertageseinrichtungen zur Mitwirkung an diesem Schutzauftrag ist hierin enthalten.
Im Dezember 2011 wurde schließlich das Gesetz zur Stärkung eines aktiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen (Bundeskinderschutzgesetz – BkiSchG) erlassen, das am 01.01.2012 in Kraft getreten ist. Es fordert u. a. den Aufbau verbindlicher Strukturen der Zusammenarbeit der zuständigen Leistungsträger und Institutionen im Kinderschutz. Hierzu zählt auch der Einbezug von Kindertageseinrichtungen in das Netzwerk mit dem Ziel der gegenseitigen Information über das jeweilige Angebots- und Aufgabenspektrum und des Abstimmens der Verfahren im Kinderschutz.
Kindertageseinrichtungen werden heute stärker in die Verantwortung genommen, was das pädagogische Fachpersonal in den Einrichtungen vor neue Herausforderungen stellt. Mitarbeiter in Kindertageeinrichtungen sind fortan gefordert, bei Verdachtsfällen eine erste Gefährdungseinschätzung vorzunehmen und in der jeweils geeigneten Weise zu handeln.
Diese Arbeit befasst sich mit dem Erfordernis, diesem Anspruch gerecht zu werden und stellt zwei Einschätz-Instrumente zur Gefährdungseinschätzung in der Kindertageseinrichtung vor.
In Kapitel 1 wird die Rechtsgrundlage für diesen Ansatz dargelegt, Kapitel 2 befasst sich mit dem Erfordernis der Gefährdungseinschätzung und stellt zwei Einschätz-Instrumente zur Gefährdungseinschätzung vor. Kapitel 3 erläutert die Vorgehensweise bei Vorliegen von Kindeswohlgefährdung. In Kapitel 4 wird eine Fallstudie aus der Praxis vorgestellt und in Kapitel 5 anhand der in dieser Arbeit aufgeführten Einschätz-Instrumente bewertet. Im Zuge dessen wird eine Beurteilung über die Handhabbarkeit der Einschätz-Verfahren vorgenommen, der ein abschließendes Fazit folgt
1 Rechtsgrundlage für das Einschreiten in die elterliche Sorge
Artikel 6 GG benennt die Pflege und Erziehung der Kinder und Jugendlichen als das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Es bedarf somit einer gesicherten rechtlichen Grundlage, in dieses Grundrecht einzugreifen. § 1666 BGB benennt die Gefährdung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes oder seines Vermögens als einen Grund, in das Grundrecht der elterlichen Sorge einzugreifen, wenn diese nicht in der Lage oder gewillt sind, die Gefahr selbst abzuwenden.
Laut § 8a SGB VIII hat das Jugendamt bei Bekanntwerden von gewichtigen Anhaltspunkten für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen - unter Einbezug der Personensorgeberechtigten und des Kindes oder Jugendlichen (soweit hierdurch der Schutz nicht in Frage gestellt wird) - das Gefährdungsrisiko einzuschätzen und geeignete Hilfen anzubieten.
In Absatz 2 werden die Träger der öffentlichen Jugendhilfe verpflichtet, Vereinbarungen mit Trägern von Jugendhilfeeinrichtungen zu schließen. Diese werden so vertraglich dazu verpflichtet
- den Schutzauftrag nach Absatz 1 wahrzunehmen,
- bei der Risikoabwägung eine insoweit erfahrene Fachkraft hinzuzuziehen,
- bei den Personensorgeberechtigten auf die Inanspruchnahme von Hilfen hinzuwirken
- das Jugendamt bei zu informieren, falls die Hilfen nicht ausreichen, um die Gefährdung abzuwenden.[2]
Absatz 3 regelt die Verpflichtung des Jungendamtes zur Anrufung des Familiengerichts, wenn dies erforderlich ist. Eingriffsbefugnisse, die über die Anrufung des Familiengerichts hinausgehen, lassen sich hieraus nicht ableiten.[3]
Das Bundeskinderschutzgesetz hat in Artikel 1 Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) weitergehende Verpflichtungen festgelegt, mit dem Ziel, das Wohl von Kindern und Jugendlichen zu schützen. § 3 über Rahmenbedingungen für verbindliche Netzwerkstrukturen im Kinderschutz legt in Abs. 2 ausdrücklich fest, dass Dienste der öffentlichen und freien Jugendhilfe in solche Netze einzubeziehen sind.
2 Gefährdungseinschätzung in der Kindertageseinrichtung
Diese rechtliche Situation bringt das Erfordernis einer Gefährdungseinschätzung durch die pädagogischen Mitarbeiter/innen in Kindertageseinrichtungen mit sich. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, das pädagogische Fachpersonal zur Gefährdungseinschätzung zu befähigen. Neben der Begriffsklärung, was unter Kindeswohlgefährdung zu verstehen ist, werden verlässliche Einschätz-Verfahren benötigt, auf deren Grundlage eine Bewertung der vorhandenen Informationen in soweit möglich ist, dass eine Orientierung über die nächsten erforderlichen Handlungsschritte erfolgen kann. Zwei dieser Verfahren sollen nachfolgend vorgestellt werden.
2.1 Grundraster Kindeswohlgefährdung
Kindler stellt in seinem Aufsatz „Gefährdungseinschätzung in der Kindertagesstätte – auch das noch?“[4] ein Instrument zur Risikoabschätzung vor, das auf vier Fragen basiert:
Was tun die Eltern Schädliches?
Was unterlassen die Eltern Notwendiges?
Was braucht das Kind?
Welche Schädigungen sind bereits eingetreten oder mit ziemlicher Sicherheit zu erwarten? (In Anlehnung an die juristische Definition des Begriffs „Kindeswohlgefährdung“.)
Er bietet dazu eine übersichtliche Darstellung in Tabellenform an, die nachfolgend wiedergegeben wird.
Tabelle 1, Grundraster Kindeswohlgefährdung
Die ersten drei Spalten dienen nach Kindler dem Zusammentrag und der Ordnung des vorhandenen Fallwissens. Sinnvoll ist diese Einteilung laut Kindler vor allem deshalb, da sie eine Unterscheidung zwischen aktiven, elterlichen Handlungen (Misshandlung, Missbrauch) von Unterlassungen ermöglicht. Da manchmal die gegenwärtige Gefahr nur dann klar hervortritt, wenn das Handeln der Eltern ins Verhältnis zu den Bedürfnissen des Kindes gesetzt wird, ist hierfür eine eigene Spalte vorgesehen. Die vierte Spalte dient der Beschreibung der bereits eingetretenen oder mit ziemlicher Sicherheit zu erwartenden Schädigung, um den Hilfebedarf von einer bestehenden Gefährdung unterscheiden zu können.[5]
2.2 Die KiWo-Skala (KiTa)
Die Forschungsgruppe Verhaltensbiologie des Menschen (FVM) hat im Auftrag des KVJS[6] Die „Einschätzskala Kindeswohlgefährdung in Kindertageseinrichtungen“, auch Kiwo-Skala (KiTa) genannt, entwickelt. Dabei handelt es sich um einen Fragenkatalog, mittels dessen verschiedene Gefährdungsmerkmale systematisch abgefragt werden. Die KiWo-Skala ist unterteilt in die Bereiche Auffälligkeiten beim Kind und Auffälligkeiten im Elternverhalten.
Der Bereich Auffälligkeiten beim Kind erfragt Auffälligkeiten zu den Themen
Gesundheitsfürsorge
Ernährung
Kleidung
Auffälligkeiten körperlicher Gewalteinwirkung
Motorische und sprachliche Auffälligkeiten
Verhaltensauffälligkeiten
Der Bereich Auffälligkeiten im Elternverhalten erfragt Auffälligkeiten zu den Themen
Allgemeine Auffälligkeiten auf Seiten der Eltern
Auffälligkeiten in der Beziehung zum Kind
Verhalten bei Ansprache auf Auffälligkeiten / Missstände (wobei dieser Punkt nur nach bereits stattgefundenem Elterngespräch zu bearbeiten ist)
Die jeweils festgestellten Auffälligkeiten sind mit 1-3 Punkten zu gewichten, woraus anschließend eine Bewertung auf hohe-, mittlere- oder geringe Gefährdung (oder keine Gefährdung) vorgenommen werden kann. Eine hohe Gefährdung liegt vor, wenn zwei Mal die Wertung 3 oder einmal die Wertung 3 und zwei Mal die Wertung 2 erfolgt ist. Von einer mittleren Gefährdung ist auszugehen, wenn einmal die Wertung 3 oder mindestens zweimal die Wertung 2 erfolgt ist. Eine geringe Gefährdung liegt vor bei einmaliger Wertung 2 oder zweimaliger Wertung 1. Die nachfolgende Abbildung bildet das Prinzip der Auswertung der zusammengetragenen und mit Punkten bewerteten Auffälligkeiten ab.
Abbildung 1, Auszug aus der KiWo-Skala, Auswertung
Aus: Einschätzskala Kindeswohlgefährdung in Kindertageseinrichtungen, Kopiervorlagen, S. 6
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- Iris Pape (Author), 2013, Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung nach § 8a SGB VIII. Das Erfordernis einer Gefährdungseinschätzung in Kindertageseinrichtungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/387642
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