Ein Essay über die Sicht Hoimar von Ditfurths auf den Zusammenhang der Evolution, des Zufalls und dem Glauben an die Welt als Schöpfung. Gottes Wirken in der Welt aus biologisch-theologischer Sichtweise.
Evolutionstheorie als Schöpfungsglaube -Der Zusammenhang zwischen Naturwissenschaft und Religion-
Die Evolutionstheorie Darwins steht im absoluten Widerspruch zu allem, was in der Bibel zu lesen ist. Demnach sind die Schriften und die Begebenheiten der Bibel veraltet und ein Grund sich von der Religion abzuwenden.
Dass es entgegen dieser Auffassung jedoch eine Möglichkeit, womöglich gar eine Dringlichkeit, gibt, diese beiden Weltanschauungen miteinander logisch zu vereinen, zeigt der Arzt und Autor Hoimar von Ditfurth. Als Naturwissenschaftler versucht er die wissenschaftlichen Erkenntnisse unserer Zeit mit speziell dem Schöpfungsglauben in Einklang zu bringen. Unter dem Titel „Wir sind nicht nur von dieser Welt- Naturwissenschaft, Religion und die Zukunft des Menschen“ veröffentlichte er 1984 erstmals seinen Versuch eines wechselseitig unterstützenden Verhältnisses der Vernunft und des Glaubens.
Hierzu stellt er in einem der ersten Kapitel zunächst die Relation der beiden Disziplinen und deren Entwicklung dar. So habe vormals die Theologie krampfhaft versucht, die Existenz Gottes zu beweisen und somit der Naturwissenschaft einen Schritt voraus zu sein, während die Naturwissenschaftler sich damit abmühten eben jene zu widerlegen[1]. Selbstverständlich ist dies keinem von beiden Parteien gelungen und so wurden Zuständigkeitsbereiche festgelegt. Die Wahrheit wurde als teilbar angesehen und man konstatierte, dass die beiden entstehenden Teilwahrheiten nichts miteinander zu tun hätten[2]. Da die beiden Teile, aber sehr wohl in ein und demselben Individuum Platz finden können, muss man sich mit der Frage einer Vereinbarkeit auseinandersetzen. Laut von Ditfurth ist gleichsam eine ledigliche Koexistenz äußerst unwünschenswert, da die Wahrheit nicht geteilt werden könne. Dies führe nämlich zu einem „Leben in einer geistig gespaltenen Welt“[3]. Da beide Disziplinen dasselbe Ziel haben, sprich die Welt in ihrer Gänze zu verstehen, ist es absolut notwendig gemeinsam auf dieses hinzuarbeiten. Auch von einem logischen Standpunkt aus, scheint die Frage nach dem Sinn des Lebens und einem Gott legitim. So schließe die „Entdeckung der Evolution [...] die Einsicht ein, daß unsere Gegenwart mit absoluter Sicherheit nicht das Ende (oder gar das Ziel) der Entwicklung sein kann“[4]. Die Natur der Gegenwart ist es, eine bloße Momentaufnahme im Rahmen der Evolution zu zeigen. Ist diese Momentaufnahme aber bloßer Zufall? Steuert die Entwicklung des Menschen völlig frei von jeder Sinnhaftigkeit auf ein zufälliges Ende oder Ziel zu?
Mit diesen Überlegungen will von Ditfurth keinesfalls dem Zufall seine Wichtigkeit im Laufe der Evolution absprechen. Folglich hält er fest, dass ohne den Zufall, die Vergangenheit und Zukunft bis auf kleinste Details hin rekonstruierbar und vorraussehbar wäre[5]. Alleine durch willkürlich auftretende Mutationen in Genpools einer Spezies, ist diese Möglichkeit offensichtlich zu widerlegen. Auch in Bezug auf das menschliche Zusammenleben ist die Zufälligkeit von Ereignissen von Bedeutung. Erst sie macht die Willensfreiheit und somit ein Verantwortungsbewusstsein notwendig, was derWelt ihren Sinn gibt.
Selbstredend herrscht, wie wir wissen, nicht lediglich der Zufall auf der Welt. Auch die Regelhaftigkeit spielt eine große Rolle. Denn ohne sie wiederum herrschte ein sinnleeres Chaos auf der Erde, während ohne den Zufall ein ,,sinnleere[r] Automatismus“[6] den Lauf der Dinge bestimmen würde. Was ist also der Sinn von dem hier die Rede ist? Was ist der Sinn einer Mutation, die eine Art offen lässt für die Anpassung an veränderte Umweltbedingungen? Was ist der Sinn der Regelhaftigkeit, die dafür sorgt, dass Lebewesen über Jahrtausende überleben können? Von Ditfurth zufolge kann es nicht das einzelne Individuum sein, welches es lange vor dem Ende der Welt nicht mehr geben wird. Wenn man nun aber von einem Gott ausgeht, welchen Plan hat er dann mit dem Menschen? Zu welchem Zwecke hat er ihn erschaffen und wie ist ein Schöpfungsakt zu verstehen, der Zufälle zulässt, die Veränderungen an dieser Schöpfung bereithalten? Von Ditfurths Antwort scheint passend. Der Mensch ist kein „definitives Endergebnis“[7], sowie die Evolution ebenfalls noch nichtzu ihrem Ziel gekommen ist.
Folglich sei die Evolution selbst der Moment der Schöpfung[8]. Somit kann man Gottes Wirken in der Welt also als fortwährend beschreiben. Im ersten Moment und mit unserem bisherigen Verständis ist dies ein bizarrer Gedanke, dass der Schöpfer dieser Erde immer noch erschafft. Jedoch muss man sich hier den Zeitbegriff der Naturwissenschaftler zu eigen machen, demzufolge die Zeit eine „Eigenschaft dieser Welt“[9] [10] ist. Außerhalb dieser herrscht eine Zeitlosigkeit, welche die Voraussetzung für die Annahme jeglicher Transzendenz ist. Weiter erklärt von Ditfurth: „Darum glaube ich, [...] [d]aß die Entwicklungsgeschichte der unbelebten und der belebten Natur die Form ist, in der wir »von innen« die Schöpfung miterleben, die »von außen«, aus transzendentaler Perspektive, in Wahrheit also, der Akt eines Augenblicks ist.“
Diese Auffassung der Schöpfung ist ein gutes Beispiel für die, eingangs formulierte Hoffnung, einer Unterstützung der Religion durch die Naturwissenschaft. Die Theodizee-Frage etwa kann damit beantwortet werden. Da die Evolution eine fortwährende Entwicklung beinhaltet, ist auch der Mensch eine „Schöpfung in nascendo“™. Der Mensch ist schließlich kein perfektes Abbild seines Schöpfers und muss sich noch aus seiner Unvollkommenheit herausentwickeln.
Natürlich liegt der Verdacht nahe, dass, bei einer solchen Auffassung des Eingreifens Gottes in unsere Welt, eine Verantwortung für begangene Fehler nicht mehr auf sich genommen werden muss. Man könnte sagen, dass, da unsere Fehlerhaftigkeit sowieso nur ein zeitlich begrenztes Phänomen in einer sehr langen Evolutionsgeschichte sein wird, das Ende jedoch unweigerlich gut werden muss, unsereigenes Handeln relativiertwird oderegal ist.
Diesem Einwand stellt der Autor die Aufgabe der Menschheit entgegen, welche er als „aktive Beteiligung am Vollzug der Schöpfung“[11] beschreibt. Ergo hat die Ausrede der eigenen „Unterentwicklung“ keinen Bestand. Vielmehr solle jegliches Handeln der Frage unterliegen, ob es förderlich oder hinderlich für den „Ablauf der Dinge“[12] sein wird. Folglich kann der Mensch seine Freiheit entweder dazu nutzen die Vollkommenheit der evolutiven Entwicklung voranzutreiben oder aber zu verlangsamen. Zudem sei gesagt, dass, laut von Ditfurth, letzteres passiert, wenn die bereits erwähnte Bewusstseinsspaltung der zwei koexistierenden Wahrheiten der Theologie und Naturwissenschaften erhalten bleibt, da sie die „Freiheit der geistigen Entwicklung“ behindert[13].
Nun fragt man sich freilich, ob der Mensch in ein paar Jahrtausenden allwissend sein wird. Gottgleich als Krone der Gottesebenbildlichkeit. Dies wird wohl nicht der Fall sein, da unsere Erde lediglich eine Teilrealität ist und die nicht greifbaren oder sich außer Reichweite befindenen Teile des Kosmos nie nah genug herankommen können, um dem Menschen einen Einblick in seine Ganzheit zu gewähren. Genau dies ist auch die Grundlage dafür, dass angenommen werden kann, dass es gleichsam eine transzendentale Realität geben kann, die man ebenfalls nicht zu fassen vermag[14]. Jene ist dem entgegen keineswegs unendlich variabel, wenn sie verbindlich sein soll.
Um als glaubwürdig angesehen zu werden und ihre Existenzberechtigung in der Welt nicht zu verlieren, dürfen religiöse Aussagen niemals im Gegensatz zu naturwissenschaftlichen Erkenntnissen stehen[15]. Damit behält die Religion die Glaubhaftigkeit oder gewinnt sie gar zurück. Ähnlich verhält es sich mit dem, im Christentum angekündigten, „Jüngsten Tag“. Da die Naturwissenschaften bereits erkannt haben, dass die Erde sicherlich zu einem Ende kommen wird, kann auch diese biblische Aussage nicht per se verworfen werden.
Hat infolgedessen die Ordnung der Welt nie etwas bedeutet? Führt die Evolution unseres Denkens ernüchternder Weise zu einem völlig willkürlichen Ende? Nicht laut von Ditfurth. So sei das Ende der Welt kein zufälliges, sondern ein bestimmtes. Das der Entwicklungshöhe, dessen „ontologische Stufenleiter“[16] durch die Naturwissenschaft legitimiert auch in einem Himmel denkbar münden kann.
Zusammenfassend ist also die Evolution das Weltverständnis der Erde als geschichtlichem Prozess[17] und gleichzeitig der Moment der Schöpfung, wenn man ihn außerzeitlich, aus transzendentalem Blickfeld heraus, betrachtet. Erst der Einschluss der Naturwissenschaft in Glaubensüberlegungen, „zwingt uns zur Anerkennung einer, den Erkenntnishorizont unserer Entwicklungsstufe unermeßlich übersteigenden »weltimmanenten Transzendenz«.[18] “
[...]
[1] Vgl. Hoimar von Ditfurth: Wir sind nicht nur von dieser Welt. Naturwissenschaft, Religion und die Zukunft des Menschen. 3. Auflage. München: dtv 1986, S. 14.
[2] Vgl. Ebenda, S. 11.
[3] Ebenda, S. 12.
[4] Ebenda, S.20.
[5] Vgl. Von Ditfurth: Wir sind nicht nur von dieser Welt, S. 94.
[6] Ebenda, S.97.
[7] Ebenda, S. 136.
[8] Vgl. Ebenda, S. 143.
[9] Ebenda, S. 144.
[10] Ebenda, S. 146.
[11] Von Ditfurth: Wir sind nicht nur von dieser Welt, S. 146.
[12] A. a. O.
[13] Vgl. Ebenda, S. 298.
[14] Vgl. Ebenda, S. 293.
[15] Vgl. Ebenda, S. 294
[16] Ebenda, S.301.
[17] Vgl. Ebenda, S. 299.
[18] Ebenda, S. 301.
- Quote paper
- Romina Hermes (Author), 2017, Evolutionstheorie als Schöpfungsglaube. Der Zusammenhang zwischen Naturwissenschaft und Religion. Zu "Wir sind nicht nur von dieser Welt" von Hoimar von Ditfurth, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/386821
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