Nach Christian Meier entwickelte sich das delphische Orakel, welches am südwestlichen Hang des Parnaß in der Landschaft Phokis gelegen war, in der Zeit der großen Kolonisation zu einem wichtigen "Umschlagplatz für Gedanken und Informationen". Die gläubigen Klienten, die das Heiligtum des Apollon aufsuchten, hofften, nicht nur einen der verworrenen Sprüche der Pythia zu erhalten, die erst von den Priestern in daktylische Hexameter oder auch in Prosa umgeformt werden mussten, sondern schätzten wohl auch den Rat des delphischen Adels.
Meier gibt zu bedenken, daß die Zahl der Orakel, um die die Kolonisationsgründer (gr. oikistai; apoikistai; Singular: oikistēs), möglicherweise in der archaischen Zeit in Delphi nachsuchten, "nicht gleich so viele gewesen" sein müssen: denn die Annahme scheint berechtigt, dass Gründungsorakel erfunden wurden, nachdem eine Kolonie schon gegründet worden war. Der Grund, warum der Erfolg eines Siedlungsunternehmens möglicherweise nachträglich erfundenen Orakeln, dem verehrten Gott in Delphi zugeschrieben wurde, bestand nach Meier darin, "Erfolge durch eine heilige Autorität zu bekräftigen".
Drei Fragen scheinen mir im Rahmen des Themas interessant zu sein: Sind wirklich alle uns überlieferten Gründungsorakel aus der archaischen Zeit legendäre Erfindungen post eventum oder werden nicht doch einige wenige Gründungsorakel aus jener Zeit von zeitgenössischen Historikern als möglicherweise authentisch angesehen? Warum wuchs denn gerade die Autorität des delphischen Orakels in der archaischen Zeit, obwohl Ratsuchende doch auch beispielsweise die Möglichkeit hatten, das Orakel zu Dodona in Epiros, welches dem Zeus geweiht war, oder das Orakel zu Didyma in der Nähe Milets, welches auch einem Apollon geweiht war, oder das Orakel zu Ammon in der Oase Siwa in Libyen aufzusuchen? Hat die Heilige Stätte zu Delphi der Kolonisation genützt oder war es eher so, dass die Verbundenheit und die Dankbarkeit der Kolonisten (gr. oi apoikizomenoi) den Wert Delphis erhöhte?
In dieser Arbeit soll also nachgefragt werden, inwieweit Meiers Satz für unser Thema gilt: "In Delphi wurden ja nicht nur dunkle Sprüche ausgegeben, sondern dort sammelte sich zugleich sehr viel Wissen und wurde auf die Dauer eine bestimmte 'Politik' mit höchst praktischer Auswirkung im gesamten griechischen Leben getrieben."
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- H.W. Parke/ D.E. Wormell: Das Orakel und die Kolonisation
- W.G. Forrest: Welche Rolle spielte Delphi bei der Kolonisation in der Zeit von
- J. Fontenrose: Kolonisationsorakel
- Resümee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Dieser Text befasst sich mit der Rolle des delphischen Orakels in der Zeit der griechischen Kolonisation. Er untersucht, inwiefern das Orakel Einfluss auf die Gründung von Kolonien hatte und welche Bedeutung es für die Beziehungen zwischen Mutterstädten und Tochterstädten spielte.
- Authentizität von Gründungsorakeln
- Steigende Autorität des delphischen Orakels
- Bedeutung des delphischen Orakels für die Kolonisation
- Verbindungen zwischen Mutterstädten und Kolonien
- Kultformen und -entwicklungen in Kolonien
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung stellt die Frage nach der Bedeutung des delphischen Orakels für die griechische Kolonisation. Sie stellt die These auf, dass das Orakel eine wichtige Rolle für die Planung und Legitimierung von Kolonisationsunternehmen spielte.
H.W. Parke/ D.E. Wormell: Das Orakel und die Kolonisation
Dieser Abschnitt untersucht die Beziehungen zwischen Mutterstädten und Tochterstädten im Rahmen der griechischen Kolonisation. Er zeigt, dass die Kolonien zwar politisch unabhängig waren, aber dennoch enge religiöse und kulturelle Verbindungen zu ihren Mutterstädten pflegten. Die Autoren beleuchten auch die Rolle des delphischen Orakels bei der Beratung von Kolonisationsgründern und die Bedeutung von Gründungsorakeln für die Legitimierung von Kolonien.
W.G. Forrest: Welche Rolle spielte Delphi bei der Kolonisation in der Zeit von
Dieser Abschnitt wird in der Vorschau nicht behandelt, da er wahrscheinlich die wichtigsten Erkenntnisse des Textes oder wichtige Schlussfolgerungen enthält.
J. Fontenrose: Kolonisationsorakel
Dieser Abschnitt wird in der Vorschau nicht behandelt, da er wahrscheinlich die wichtigsten Erkenntnisse des Textes oder wichtige Schlussfolgerungen enthält.
Schlüsselwörter
Delphisches Orakel, Kolonisation, griechische Geschichte, Gründungsorakel, Mutterstadt, Tochterstadt, religiöse Verbindungen, Kultformen, Archäologie, Geschichte der Religion.
- Quote paper
- Volker Beckmann (Author), 1984, Das Orakel von Delphi und die Kolonisation in archaischer Zeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/385656