Dieter E. Zimmer nimmt sich einiges vor: Gleich drei zentrale Themen der Linguistik möchte er in seinem Buch „So kommt der Mensch zur Sprache“ behandeln. Zum einen beschäftigt er sich mit dem Spracherwerb des Kindes, zum anderen mit der Sprachentstehung in der Menschheitsgeschichte. Außerdem findet in seine Darstellung das umfassende Thema des Zusammenhangs zwischen Sprache und Denken Eingang. Wer sich dieser Aufgabe stellt, sollte sich aber auch der Gefahren eines solch umfangreichen Unterfangens bewusst sein: Denn diese drei Themen in einem Buch zusammenzufassen, erscheint nur dann sinnvoll, wenn zw ischen ihnen Interdependenzen aufgezeigt werden können, d.h. wenn es gelingt, die einzelnen Teilbereiche gegenseitig zu erhellen. Das Inhaltsverzeichnis erregt aber einen entgegengesetzten Verdacht: Einzelne Überschriften ohne Bezifferung lassen vermuten, dass hier keine schlüssige Argumentation vorgeführt werden wird, sondern ein bloßes Nebeneinander von Ergebnissen. Auch der „Untertitel“ verstärkt diesen Verdacht: „Über Spracherwerb, Sprachentstehung, Sprache & Denken“. Das lapidare „Über“ deutet schon den anekdotischen Charakter des Buches an. Solche Vermutungen werden aber vielleicht relativiert durch die Tatsache, dass Zimmer nicht den unbedingten Anspruch hat, einen fachwissenschaftlichen Beitrag zu leisten, der sich an die Linguisten dieser Welt wendet. Zimmers Buch richtet sich an ein anderes Publikum: Insbesondere der Laie als Nicht-Linguist soll hier angesprochen werden, wie der Klappentext schon verrät. Dennoch bleibt es eine Grundfrage, inwiefern hier die Vermittlung der drei Themenbereiche gelingt und inwiefern das Buch für den Laien respektive den Linguisten nützlich ist. Zimmer stellt – wie sich bei genauerer Betrachtung noch he rausstellen wird – keine eigene wegweisende Theorie zu den Themen auf, sondern beschränkt sich darauf, verschiedene Forschungsergebnisse und -richtungen gegeneinander abzuheben; insofern trägt er also nichts Neues zur Forschung bei, sondern lediglich schon Gedachtes und Geprüftes zusammen, um so den Forschungsstand darzustellen.
Dieter E. Zimmer nimmt sich einiges vor: Gleich drei zentrale Themen der Linguistik möchte er in seinem Buch „So kommt der Mensch zur Sprache“ behandeln. Zum einen beschäftigt er sich mit dem Spracherwerb des Kindes, zum anderen mit der Sprachentstehung in der Menschheitsgeschichte. Außerdem findet in seine Darstellung das umfassende Thema des Zusammenhangs zwischen Sprache und Denken Eingang. Wer sich dieser Aufgabe stellt, sollte sich aber auch der Gefahren eines solch umfangreichen Unterfangens bewusst sein: Denn diese drei Themen in einem Buch zusammenzufassen, erscheint nur dann sinnvoll, wenn zwischen ihnen Interdependenzen aufgezeigt werden können, d.h. wenn es gelingt, die einzelnen Teilbereiche gegenseitig zu erhellen. Das Inhaltsverzeichnis erregt aber einen entgegengesetzten Verdacht: Einzelne Überschriften ohne Bezifferung lassen vermuten, dass hier keine schlüssige Argumentation vorgeführt werden wird, sondern ein bloßes Nebeneinander von Ergebnissen. Auch der „Untertitel“ verstärkt diesen Verdacht: „Über Spracherwerb, Sprachentstehung, Sprache & Denken“. Das lapidare „Über“ deutet schon den anekdotischen Charakter des Buches an. Solche Vermutungen werden aber vielleicht relativiert durch die Tatsache, dass Zimmer nicht den unbedingten Anspruch hat, einen fachwissenschaftlichen Beitrag zu leisten, der sich an die Linguisten dieser Welt wendet. Zimmers Buch richtet sich an ein anderes Publikum: Insbesondere der Laie als Nicht-Linguist soll hier angesprochen werden, wie der Klappentext schon verrät. Dennoch bleibt es eine Grundfrage, inwiefern hier die Vermittlung der drei Themenbereiche gelingt und inwiefern das Buch für den Laien respektive den Linguisten nützlich ist. Zimmer stellt – wie sich bei genauerer Betrachtung noch herausstellen wird – keine eigene wegweisende Theorie zu den Themen auf, sondern beschränkt sich darauf, verschiedene Forschungsergebnisse und -richtungen gegeneinander abzuheben; insofern trägt er also nichts Neues zur Forschung bei, sondern lediglich schon Gedachtes und Geprüftes zusammen, um so den Forschungsstand darzustellen.
Im ersten Kapitel „Wie kommt der Mensch zur Sprache“ geht Zimmer von der Anekdote eines ägyptischen Königs Psammetich aus, der vor zweieinhalbtausend Jahren zwei Kinder aussetzte, um herauszufinden, welche Sprache sie ohne menschlichen Einfluss entwickeln würden. Wenn auch die Art und Weise des Experiments absurd erscheint, so weist die Grundidee schon Ähnlichkeit zu heutigen Ansichten auf: Der ontogenetische Spracherwerb und der phylogenetische Spracherwerb können zusammen betrachtet werden.
Frühere Sprachursprungstheorien wie diejenige Herders legt Zimmer mit wenigen Worten wegen ihrer Spekulativität[1] beiseite und sieht erst wieder mit den Fortschritten in der Paläoanthropologie, der Neurophysiologie, der Tierkommunikationsforschung die Wiederaufnahme der von der Pariser Sprachgesellschaft 1866 verbotenen Forschung wissenschaftlich gerechtfertigt. Er erkennt zwar die Verdienste dieser Forschung an, relativiert sie jedoch schnell wieder, indem er die immense empirische Forschung auf dem Gebiet des ontogenetischen Spracherwerbs hervorhebt. Hier scheint Zimmers Gebiet zu sein, denn schon nach drei Seiten ist die phylogenetische Betrachtung (zunächst) ad acta gelegt und der ontogenetische Spracherwerb in den Mittelpunkt gerückt, und zwar nicht mit ausdrücklichem Hinweis darauf, dass mit Klärung des ontogenetischen Spracherwerbs der phylogenetische ebenfalls erhellt werde.
Im Kapitel „Die Sprache, die den Kindern zuwächst“ befasst Zimmer sich mit verschiedenen Auffassungen zum ontogenetischen Spracherwerb, indem er vier Denkrichtungen einander gegenüberstellt: den Behaviorismus, den Interaktionismus, den Nativismus und den Kognitivismus. Bei dieser Gegenüberstellung steht immer wieder die Frage im Mittelpunkt, was beim Spracherwerb schon im Menschen angelegt ist und inwieweit er von seiner Umgebung abhängig ist. Aus kulturvergleichenden Untersuchungen leitet Zimmer zumindest eine universale Reihenfolge des Spracherwerbs ab: Nachdem sich das Kind in der „bedeutungslosen“ Lautproduktion geübt habe, assoziiere es mit ersten Lauten Bedeutungen[2] und gelange so zu den sogenannten Holophrasen, den Einwortsätzen. Während bei den darauffolgenden Zweiwortsätzen noch nicht gesichert sei, ob schon eine syntaktische Ordnung vorliegt, bewege sich das Kind mit seinen Mehrwortsätzen zweifellos in syntaktischen Strukturen.
Im Gegensatz zum Behaviorismus, der nach Zimmer den Spracherwerb lediglich durch das Prinzip der Imitation geprägt sieht, nimmt Zimmer den Spracherwerb im Erwerb von Regeln an, da sonst die Sprache nur „aus der Wiederholung und allenfalls aus dem Rearrangement“ (S. 12) des Gehörten bestände. Ein besonderes Kennzeichen der Sprache stelle jedoch ihre potenzielle Unendlichkeit dar. Sprache erlaube es, noch nie Gehörtes zu formulieren. Eine Grammatik lerne das Kind nun dadurch, dass es Hypothesen über Regeln der Grammatik aufstelle, diese an der Wirklichkeit überprüfe und gegebenenfalls korrigiere.
Zimmer setzt sich nun mit der nativistischen Annahme auseinander, dass der Erwerb dieser Regeln auf einer mehr oder weniger ausführlichen genetischen Grundlage beruhe. Chomsky als einer der „extremsten“ Nativisten nimmt schließlich sogar ein eigenes Sprachorgan im Hirn des Menschen an. Ein Kind könne – so Chomsky – unmöglich, sich selbst ohne „Vorwissen“ eine Sprache konstruieren, da das ihm dargebotene Sprachmaterial defekt und unvollständig sei. Die von Chomsky begründete Generative Transformationsgrammatik geht deshalb von einer angeborenen Universalgrammatik aus. Andere Nativisten glauben zwar auch an eine genetische Grundlage für den Spracherwerb, sehen diese aber nur in gewissen Arbeitsprinzipien beim Erwerb der Sprache. Auf jeden Fall müssten dem Kind aber von vornherein – so Zimmer – Grundeigenschaften der Sprache bekannt sein, wie z.B. dass Sprache akustisch sei, weswegen Neugeborene auch Sprachlaute von anderen Geräuschen unterscheiden könnten.
Der Kognitivismus glaubt in Anlehnung an Piaget an die geistige Reifung, mit der die sprachliche Hand in Hand gehe. Diese unterliege zwar auch der genetischen Kontrolle, sei aber nicht sprachspezifisch, sondern für alle kognitiven Fähigkeiten gültig. Wie bei Piaget werden Stufen der Reifung angenommen, die nicht übersprungen werden können.
Der Interaktionismus sieht die nativistische Annahme, dass das Kind einem defekten und schwierigen Sprachmaterial ausgesetzt sei, als unzulässig an. Vielmehr spreche man – insbesondere die Mutter – mit dem Kind viel weniger kompliziert und außerdem durchweg grammatikalischer als mit Erwachsenen. Die Sprache sei kindgerecht vereinfacht und ermöglicht so ein stufenweises Lernen. Die Sprache, die dem Kind dargeboten werde, die dem kindlichen Verstand angepasst sei, überfordere es also nicht.
Als gesichert betrachtet Zimmer, dass es im Genprogramm festgesetzte „Zeiten“ gibt, zu denen bestimmte Elemente der Sprache gelernt werden: „Der Spracherwerb hat seine Zeit“ (S. 49) und fällt vor der Pubertät um einiges leichter. Es ist hier sogar noch möglich, zwei Sprachen auf einmal „spontan“ ohne Anleitung zu lernen. Zimmers Einschätzung zufolge ist zwar eine genetische Verankerung anzunehmen, jedoch kein eigenes Sprachorgan. Es sei die Fähigkeit, wie ein Mensch zu denken, welche die Voraussetzungen für den Spracherwerb bilde; deshalb müssten sich Grammatiken verschiedener Sprachen zweifellos gleichen. Eine Chomskyanische Universalgrammatik sei dafür nicht notwendig.
Im nächsten Kapitel „Der lange Weg zum Satz“ dringt Zimmer ein wenig mehr in sein zweites großes Gebiet „Sprache und Denken“ vor, indem er zwei Gebiete der Linguistik näher vorstellt: die Generative Transformationsgrammatik von Chomsky und die Psycholinguistik. Die Generative Transformationsgrammatik versteht Grammatik als eine „Theorie, die jeder Sprecher einer Sprache – implizit, intuitiv, automatisch – besitzt und die ihm sagt, welche Sätze wohlgeformt [...] sind.“ (S. 73). Nach Zimmer betrachten die Transformationsgrammatiker die Syntax als etwas Autonomes, d.h. als etwas, was unabhängig von Bedeutungen existiere. Ein Satz entstehe nun in zwei Schritten: Zunächst bilde sich eine abstrakte Tiefenstruktur des Satzes, um dann in einer bestimmten konkreten Form an die Oberfläche zu treten. Die Tiefenstruktur bilde sich nach sogenannten Phrasenstrukturregeln, d. h., sie erstelle eine hierarchische Folge von einzelnen Phrasen, während bei der Umwandlung in die Oberflächenstruktur Transformationsregeln zum Zuge kämen, die aus der gleichen zugrundeliegenden Tiefenstruktur verschiedene Oberflächen generieren könnten. Zimmers Ausführungen zur Transformationsgrammatik bleiben knapp. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Zimmer hier die Transformationsgrammatik nur erläutert, um ihr die „eigentlich wissenschaftliche“ Forschung der Psycholinguistik entgegenzuhalten, die den Zusammenhang zwischen psychischen Vorgängen und der Sprachäußerung empirisch gestützt untersucht. Für Zimmer hat die Transformationsgrammatik keine „psychische Realität“ (S. 79), während sich die Psycholinguistik genau diese zu bestimmen zur Aufgabe macht.
In Hinsicht auf die psychischen Vorgänge bei der Bildung eines Satzes bedient sich die Psycholinguistik aufgezeichneter Sprechfehler und steht so einer empirischen Wissenschaft näher. Grundlegend ist nach Zimmer die Einsicht, dass Sprechfehler systematisch seien, d. h. nur an bestimmten Stellen und auf bestimmte Art und Weise auftauchen. Aus solchen Sprechfehlern ließen sich – so die Prämisse der Psycholinguisten – Schlüsse darüber ziehen, in welcher Reihenfolge die Planung eines Satzes vonstatten gehe, indem sie feststellen, welche Einheiten (Lautmerkmale, Laute, Lautgruppen, Silben, Wörter und Wendungen) von einem einzigen Planungsfehler betroffen sind – diese müssten dann im selben Schritt geplant werden:
Nachdem sich eine sprachlose Vorstellung einer Bedeutung etabliert hat, wird die Bedeutungsvorstellung grammatikalisch. Hier legt sich die Satzbetonung fest. Dann werden die Vorstellungen mit Wörtern aus dem inneren Lexikon assoziiert. Als nächstes werden Funktionswörter und Elemente für grammatische Bezüge eingefügt. Die Äußerung wird in eine Lautserie übersetzt, welche dann auf ungewöhnliche, sprachfremde Lautfolgen untersucht und gegebenenfalls korrigiert wird. Der feststehende Satz wird dann zwischengespeichert und an die „Sprachausgabe“ weitergeleitet.
Diese Abfolge, die Zimmer durchaus noch für ausbaubar und korrekturbedürftig hält, steht für ihn aber nicht im Gegensatz zur Generativen Transformationsgrammatik: Die von ihr postulierte Tiefenstruktur könnte durchaus in einem der frühen Planungsschritte ihren Platz haben. Zweifel an der Transformationsgrammatik äußert Zimmer wegen psycholinguistischer Tests, die ergaben, dass die Bildung eines Passivs, das ja erst durch eine Transformation an die Oberfläche gefördert wird, nicht länger dauert als bei der Aktivbildung bei gleicher angenommener Tiefenstruktur: ein relativ schwaches Argument gegen die Transformationsgrammatik.
[...]
[1] Zimmer wirft Herders Theorie mit anderen spekulativen Theorien in einen Topf. Eine Auseinandersetzung mit Herders interessanten Gedanken auch mit Rücksicht auf seine Zeitverhältnisse entfällt leider.
[2] Die ersten Worte, die das Kind lernt, scheinen Bezeichnungen für Dinge zu sein, die sich bewegen oder verändern. Unverhofft findet hier eine evolutionstheoretische Begründung Eingang: Es sei „ein gesundes Überlebensprinzip, denn vom statischen droht normalerweise keinerlei Gefahr, und Vorteile bringt es auch nicht.“ (S. 37)
- Arbeit zitieren
- Peter Wöhrle (Autor:in), 2002, Zu: Dieter E. Zimmer: So kommt der Mensch zur Sprache. Über Spracherwerb, Sprachentstehung, Sprache und Denken, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/38329
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