Algorithmen sind formulierte Anweisungen zur schrittweisen Durchführung einer Methode. Sozial- und Kulturwissenschaftler tendieren jedoch dazu, diesen Begriff auszuweiten und als Generalbegriff für digitale Automatisierung zu verwenden. Computerprogramme enthalten aber auch nicht-algorithmische Anweisungen. Algorithmen sind außerdem wandelbar, wandeln sich während ihrer Implementierung und ihrer Verwendung, weshalb die Rede von „dem“ mit sich selbst immer identischen Algorithmus oft nicht zutrifft. Eine zu große Distanz vom Verständnis, das die Informatik vom Begriff des Algorithmus hat, beeinträchtigt die Verständlichkeit sozial- und kulturwissenschaftlicher Erörterungen seitens Computerwissenschaftlern, gleichzeitig sollten diese Wissenschaften ihr Verständnis des Begriffs nicht auf dasjenige der Informatik einschränken, um das Phänomen auch weiterhin aus anderen Perspektiven behandeln zu können. (vgl. Dourish 2016)
Automatisierte Persönlichkeitsanalyse braucht keine Fragebögen mehr, die von den zu analysierenden Personen ausgefüllt werden, sie braucht nicht einmal mehr eigens für ihren Zweck erhobene Daten, sondern verwendet Nutzungsdaten, die ohnehin bzw. in anderen Kontexten anfallen. Das ist die große Neuheit, die dieses Gebiet mit sich bringt und die dazu führte, dass die beiden in den Jahren 2013 und 2015 in den „Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America“ erschienenen Artikel von Kosinski und Stillwell über die Ermittlung der Persönlichkeit von Facebook-Usern aus deren Likes nach eigenen Angaben Kosinskis auf seiner Webseite gemäß ihres Altmetric Scores die beiden einflussreichsten jemals in den „Proceedings“ erschienenen Artikel sind und der viert- bzw. 19.-einflußreichste wissenschaftliche Artikel überhaupt. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Algorithmen und Automatisierte Persönlichkeitsanalyse
- Big Data Paradoxe
- Automatisierte Persönlichkeitsermittlung: Ein junges Forschungsfeld
- Das Big-Five-Persönlichkeitsmodell
- Smartphone-Nutzungsdaten
- Mobilfunknutzungsdaten
- Facebook-Likes
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die automatisierte Persönlichkeitsanalyse anhand von Online- und Mobilfunknutzungsdaten. Sie beleuchtet die methodischen Ansätze, die zugrundeliegenden Algorithmen und die ethischen Implikationen dieser Technologie. Die Studie analysiert die Genauigkeit der Vorhersagen und diskutiert die Grenzen der aktuellen Methoden.
- Algorithmen und deren Wandelbarkeit in der Persönlichkeitsanalyse
- Die drei Paradoxe von Big Data im Kontext der Persönlichkeitsanalyse
- Vergleichende Analyse verschiedener Datenquellen (Smartphone-Daten, Mobilfunkdaten, Facebook-Likes)
- Genauigkeit und Limitationen der automatisierten Persönlichkeitsvorhersage
- Ethische Implikationen und das Macht-Paradox
Zusammenfassung der Kapitel
Algorithmen und Automatisierte Persönlichkeitsanalyse: Dieses Kapitel führt in die Thematik der automatisierten Persönlichkeitsanalyse ein und beleuchtet die Definition und Verwendung von Algorithmen in diesem Kontext. Es betont die Unterschiede im Verständnis des Algorithmusbegriffs zwischen der Informatik und den Sozialwissenschaften und hebt die Bedeutung der Nutzung von bereits vorhandenen Nutzungsdaten hervor. Die bahnbrechenden Arbeiten von Kosinski und Stillwell zur Persönlichkeitsanalyse anhand von Facebook-Likes werden als wegweisend dargestellt und der Einfluss dieser Studien wird hervorgehoben.
Big Data Paradoxe: Das Kapitel beschreibt die drei Paradoxe von Big Data nach Richards und King (2013) – Transparenz-, Identitäts- und Macht-Paradox – und analysiert deren Relevanz für die automatisierte Persönlichkeitsanalyse. Es wird erläutert, wie die vermeintliche Transparenz durch die Undurchschaubarkeit der Algorithmen und Datenspeicherung konterkariert wird. Das Identitäts-Paradox wird anhand von Filterblasen veranschaulicht, während das Macht-Paradox die Risiken der Datenkontrolle durch große Organisationen und staatliche Behörden hervorhebt und die besondere Brisanz im Kontext intimer Persönlichkeitsdaten verdeutlicht.
Automatisierte Persönlichkeitsermittlung: Ein junges Forschungsfeld: Dieses Kapitel beleuchtet den jungen Charakter des Forschungsfeldes und den sprunghaften Anstieg an Publikationen ab 2010. Es wird die überwiegende Verwendung des Big-Five-Persönlichkeitsmodells in den analysierten Publikationen hervorgehoben. Die interdisziplinäre Natur des Forschungsfeldes mit Informatikern und Psychologen wird ebenfalls erwähnt.
Das Big-Five-Persönlichkeitsmodell: Dieses Kapitel beschreibt detailliert das Big-Five-Modell und seine fünf Dimensionen: Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Neurotizismus. Es werden auch alternative Modelle wie die „basic human values“ von Schwartz und ein auf Maslows Bedürfnispyramide basierendes Modell erwähnt. Die Kritik an der intraindividuellen zeitlichen Stabilität des Big-Five-Modells wird ebenfalls angesprochen.
Smartphone-Nutzungsdaten: Dieses Kapitel fokussiert auf Studien, die Smartphone-Nutzungsdaten zur automatisierten Persönlichkeitsanalyse verwenden. Es werden verschiedene Datenquellen wie Call Logs, SMS Logs und App Logs beschrieben, und die Methodik, basierend auf Regressions- und Korrelationsanalysen, wird erklärt. Die Studie von Chittaranjan et al. (2011) wird als Beispiel detailliert analysiert, inklusive der erzielten Genauigkeit der Persönlichkeitsvorhersagen und der Interpretation der Ergebnisse.
Mobilfunknutzungsdaten: Hier werden Studien vorgestellt, die ausschließlich auf Call Detail Records (CDR) von Mobilfunkanbietern basieren. Die Studien von Oliveira et al. (2011) und Montjoye et al. (2013) werden als Beispiele für die Verwendung von Metadaten wie Anrufhäufigkeit, SMS-Verkehr und Zeitabständen zwischen Kontakten analysiert. Die erzielte Genauigkeit der Persönlichkeitsvorhersagen und der Einfluss sozialer Netzwerkdaten werden diskutiert.
Facebook-Likes: Dieses Kapitel behandelt die Verwendung von Facebook-Likes als Datenquelle für die automatisierte Persönlichkeitsanalyse, insbesondere die Arbeiten von Kosinski und Stillwell. Die Methodik, die Genauigkeit der Vorhersagen im Vergleich zu menschlichen Einschätzungen und die externen Validierungen werden detailliert dargestellt. Die Ergebnisse werden im Hinblick auf den "data driven approach" und deren Implikationen diskutiert.
Schlüsselwörter
Automatisierte Persönlichkeitsanalyse, Algorithmen, Big Data, Big-Five-Modell, Smartphone-Nutzungsdaten, Mobilfunknutzungsdaten, Facebook-Likes, Persönlichkeitsvorhersage, Transparenz-Paradox, Identitäts-Paradox, Macht-Paradox, Data-driven Approach, Ethik.
Häufig gestellte Fragen zur automatisierten Persönlichkeitsanalyse anhand von Online- und Mobilfunknutzungsdaten
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht die automatisierte Persönlichkeitsanalyse mithilfe von Online- und Mobilfunknutzungsdaten. Sie analysiert die verwendeten Methoden, Algorithmen und ethischen Implikationen dieser Technologie, bewertet die Genauigkeit der Vorhersagen und diskutiert die Grenzen der aktuellen Verfahren.
Welche Datenquellen werden betrachtet?
Die Studie analysiert verschiedene Datenquellen, darunter Smartphone-Nutzungsdaten (Anrufprotokolle, SMS-Logs, App-Logs), Mobilfunknutzungsdaten (Call Detail Records, CDR) und Facebook-Likes. Ein Vergleich der verschiedenen Datenquellen und deren Eignung zur Persönlichkeitsanalyse wird durchgeführt.
Welche Algorithmen werden verwendet?
Die Arbeit beschreibt die Algorithmen, die zur automatisierten Persönlichkeitsanalyse eingesetzt werden. Dabei wird der Unterschied im Verständnis des Algorithmusbegriffs zwischen Informatik und Sozialwissenschaften betont. Die Arbeit konzentriert sich auf die Nutzung bereits vorhandener Nutzungsdaten und deren Auswertung mittels Regressions- und Korrelationsanalysen.
Welches Persönlichkeitsmodell wird verwendet?
Die meisten analysierten Studien basieren auf dem Big-Five-Persönlichkeitsmodell, welches detailliert beschrieben wird, inklusive seiner fünf Dimensionen (Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Neurotizismus). Alternative Modelle wie die „basic human values“ von Schwartz und ein auf Maslows Bedürfnispyramide basierendes Modell werden ebenfalls erwähnt.
Welche ethischen Implikationen werden diskutiert?
Die Arbeit beleuchtet die ethischen Implikationen der automatisierten Persönlichkeitsanalyse, insbesondere im Hinblick auf die drei Paradoxe von Big Data (Transparenz-, Identitäts- und Macht-Paradox). Das Macht-Paradox, welches die Risiken der Datenkontrolle durch große Organisationen und staatliche Behörden hervorhebt, wird im Kontext intimer Persönlichkeitsdaten besonders hervorgehoben.
Wie genau sind die Vorhersagen?
Die Arbeit analysiert die Genauigkeit der Persönlichkeitsvorhersagen anhand der verschiedenen Datenquellen. Dabei werden sowohl die erzielten Ergebnisse als auch die Limitationen der Methoden diskutiert. Die Genauigkeit wird im Vergleich zu menschlichen Einschätzungen und durch externe Validierungen überprüft.
Welche Studien werden analysiert?
Die Arbeit analysiert verschiedene Studien, darunter die bahnbrechenden Arbeiten von Kosinski und Stillwell zur Persönlichkeitsanalyse anhand von Facebook-Likes, sowie Studien von Chittaranjan et al. (2011), Oliveira et al. (2011) und Montjoye et al. (2013) zur Verwendung von Smartphone- und Mobilfunknutzungsdaten.
Was sind die wichtigsten Ergebnisse?
Die Arbeit fasst die wichtigsten Ergebnisse der analysierten Studien zusammen und diskutiert deren Implikationen für den "data driven approach". Es werden sowohl die Möglichkeiten als auch die Grenzen der automatisierten Persönlichkeitsanalyse anhand von Online- und Mobilfunknutzungsdaten aufgezeigt.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter: Automatisierte Persönlichkeitsanalyse, Algorithmen, Big Data, Big-Five-Modell, Smartphone-Nutzungsdaten, Mobilfunknutzungsdaten, Facebook-Likes, Persönlichkeitsvorhersage, Transparenz-Paradox, Identitäts-Paradox, Macht-Paradox, Data-driven Approach, Ethik.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit beinhaltet ein Inhaltsverzeichnis, eine Zielsetzung mit Themenschwerpunkten, Kapitelzusammenfassungen und Schlüsselwörter. Sie ist in Kapitel unterteilt, die jeweils eine spezifische Datenquelle oder einen Aspekt der automatisierten Persönlichkeitsanalyse behandeln.
- Quote paper
- Steffen Schumacher (Author), 2017, Quantified Personality. Automatisierte Persönlichkeitsanalyse anhand von Online- und Mobilfunknutzungsdaten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/383162