Hugo von Hofmannsthal und Stefan George lösen sich von der inhaltlichen Bestimmtheit des Wortes, die jede Aussage auf einen vom Sprachgebrauch geprägten Sinngehalt beschränkt. Bei George wird die Form zum eigentlichen Bedeutungsträger, nicht indem sie den Wortinhalt ergänzt und untermalt, sondern indem sie zum Maß, d.h. Maßstab wird, der erst den Sinn bewirkt. Maß und Form sollen verhindern, dass die Gestaltung eines persönlichen Erlebnisses des Dichters ausschweift ins Individuelle. Sie sind Mittel zur Distanzierung, die erst die Freiheit gibt, ein subjektives geistiges Erlebnis als objektives Kunstgebilde zu gestalten. Die Spannung zwischen subjektivem Erleben und objektiver Form bewirkt "jenes tief erregende", das den Leser anrührt und ein Nacherleben ermöglicht. Die Form wird damit zum Symbol, zur sinnlich wirkenden Gestalt eines Geistigen.
Was für George "jenes tief erregende in maass und klang", ist für Hofmannsthal die magische Kraft der Worte, um derentwillen allein sie als Gedicht sprechen dürfen. Die Leistung dieser Kraft ist es, uns zu verwandeln, uns aufzulösen, so dass wir mit den symbolkräftigen Worten identisch werden. So wie bei der Opferung eines Tieres für einen Augenblick tatsächlich unser Blut vergossen wird, so wie sich das Sterben des Tieres in einem mystischen Vorgang an uns selbst vollzieht, so lösen wir uns auch beim Lesen eines Gedichts auf in den Dingen, im Leben, von dem wir durch den Vorgang der Individuation, des begrifflichen Denkens und Sprechens getrennt sind.
Zwei Dinge sind Voraussetzung für diesen Vorgang: Die Symbole sind nicht Bilder und Metaphern, die für eine Wirklichkeit stehen, sondern sie sind die Wirklichkeit, sind das Leben selbst. Und wir, die wir der Welt denkend gegenüberstehen, sind im Grunde eins mit ihr.
Inhaltsverzeichnis
- A) Äußerungen Georges und Hofmannsthals über ihr Verständnis von Dichtung und Symbol
- B) Darlegung des Symbolbegriffs an zwei Gedichtinterpretationen
- I. Hugo von Hofmannsthal: „Weltgeheimnis“
- I.1) Gegenstand und Wirkung des Gedichts
- I.2) Traum und tiefer Brunnen als symbolische Offenbarung des Weltgeheimnisses
- I.3) Die Kraft des Wortes im Gegensatz von „Einst“ und „Jetzt“
- I.4) Die Überwindung dieses Gegensatzes im Lied des Dichters, in der Entrückung des Kindes und der Liebe der Frau
- I.5) Das Gedicht „Weltgeheimnis“ als Lied
- II. Stefan George: „Das Wort“
- II. 1) Die bewusste Situation des lyrischen Ichs bei George
- II. 2) Versinnlichung von Wunder und Traum durch das Wort
- II. 3) Die Begegnung mit dem Wort, als es ausbleibt
- II. 4) Der erlernte Verzicht als das gewonnene Verhältnis zur Sprache und als Begründung des Herrschaftsanspruchs des Dichters
- I. Hugo von Hofmannsthal: „Weltgeheimnis“
- C) Der Symbolbegriff bei Hofmannsthal und George im Gegensatz zum Symbol bei Goethe
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert den Symbolbegriff in der Lyrik des Symbolismus, insbesondere im Werk von Hugo von Hofmannsthal und Stefan George. Sie konzentriert sich auf die Gedichtinterpretationen von „Weltgeheimnis“ und „Das Wort“, um die besondere Bedeutung des Symbols in der Poetik der beiden Dichter zu verdeutlichen.
- Das Verständnis von Dichtung und Symbol bei George und Hofmannsthal
- Die Rolle des Symbols in der sprachlichen Gestaltung der Gedichte
- Der Unterschied zwischen dem Symbolbegriff bei George und Hofmannsthal und dem Symbol bei Goethe
- Die Bedeutung des Wortes als Schlüssel zum Weltgeheimnis
- Die ästhetische Leistung der Sprache im Kontext der symbolistischen Poetik
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel A beleuchtet die Sichtweise von George und Hofmannsthal auf Dichtung und Symbol anhand von Textstellen aus ihren Werken. Kapitel B analysiert die Gedichte „Weltgeheimnis“ von Hofmannsthal und „Das Wort“ von George, um die Funktion und Bedeutung des Symbols in diesen Werken zu untersuchen. Kapitel C vergleicht den Symbolbegriff bei George und Hofmannsthal mit dem Symbol bei Goethe.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit dem Symbolbegriff in der Lyrik des Symbolismus, insbesondere in Bezug auf die Gedichte „Weltgeheimnis“ von Hugo von Hofmannsthal und „Das Wort“ von Stefan George. Zentral sind dabei die Themen Sprache, Poetik, Form, Inhalt, Sinn, Weltgeheimnis, Traum, Entrückung, Wort, Verzicht, und das Verhältnis zwischen subjektiver Erfahrung und objektiver Gestaltung in der Kunst.
- Quote paper
- Oberstudienrätin i.R. Gertraud Pippow (Author), 1966, Der Symbolbegriff in der Lyrik des Symbolismus. Interpretation der Gedichte "Weltgeheimnis" von Hugo von Hofmannsthal und "Das Wort" von Stefan George, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/382789