Auch wenn Durkheim in seiner Studie „Über soziale Arbeitsteilung“ das Organisationsprinzip moderner Gesellschaften beleuchtet, so bleibt die Frage nach den Ursachen der sozialen Ordnung weitgehend unbeantwortet (vgl. Wiesnet 2004, S. 7). Durkheim konstatiert lediglich, dass die Arbeitsteilung als „Hauptquelle der sozialen Solidarität (...) gleichzeitig zur Basis der moralischen Ordnung“ wird (Durkheim 1992, S. 471), indem sie ein „ganzes System von Rechten und Pflichten“ erzeugt, das die Menschen „untereinander dauerhaft bindet“ (Ebd. S. 476). Einerseits misst dieser ursprüngliche Erklärungsversuch der Arbeitsteilung als ordnungsstiftendes Element zu große Bedeutung bei – zumal zu jener Zeit weite Teile des wirtschaftlichen Lebens trotz Arbeitsteilung ungeregelt und amoralisch waren (Durkheim 1999, S. 20-24). Andererseits ist er schlichtweg unzureichend: Im Zuge der Arbeitsteilung bilden sich unterschiedliche Berufsgruppen mit jeweils eigenen „berufstypischen Regeln“ und jeweils eigener Berufsmoral heraus (Ebd., S. 17ff). Angesichts einer daraus resultierenden „Dezentralisierung des moralischen Lebens“ und eines „moralischen Polymorphismus“ (Ebd.) können die Berufsgruppen allein nicht den Zusammenhalt der Gesellschaft garantieren: Die gesamtgesellschaftliche Integration muss sich auf eine umfassendere Art und Weise vollziehen und sie bedarf einer allgemeinverbindlichen Moral, die die Gefühle und das Bewusstsein des gesamten Kollektivs – der Gesellschaft – nicht nur widerspie gelt sondern auch vor Übergriffen schützt. Bevor aber darauf eingegangen werden kann, wie diese Moral beschaffen ist und wie sie wirkt (Kap. 2), wie sie produziert, aufrechterhalten und erneuert wird (Kap. 3), muss erst noch geklärt werden, warum sie überhaupt nötig ist (Kap. 1).
Inhaltsverzeichnis
- Arbeitsteilung als alleiniger Integrationsmechanismus?
- Warum ist Moral notwendig?
- Beschaffenheit und Wirkungsweise der Moral
- Geist der Disziplin
- Anschluss an soziale Gruppen
- Autonomie des Willens
- Produktion, Aufrechterhaltung und Erneuerung der Moral
- Alles in bester Ordnung?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Dieser Essay befasst sich mit der Frage nach der moralischen Ordnung der Gesellschaft, die sich aus Durkheims Theorie ableitet. Der Autor analysiert, warum Moral für die Gesellschaft notwendig ist, wie sie funktioniert und welche Rolle soziale Gruppen und Institutionen in der Aufrechterhaltung der Moral spielen.
- Die Bedeutung der Moral für die Stabilität der Gesellschaft
- Die Rolle der Disziplin und sozialer Kontrolle
- Die Integration durch soziale Gruppen und Institutionen
- Die Herausforderungen der modernen Gesellschaft für die moralische Ordnung
Zusammenfassung der Kapitel
Arbeitsteilung als alleiniger Integrationsmechanismus?
Der Autor stellt die Frage, ob die Arbeitsteilung allein die soziale Ordnung gewährleisten kann. Er argumentiert, dass die Arbeitsteilung zwar ein wichtiges Element der modernen Gesellschaft ist, jedoch nicht ausreicht, um die soziale Integration und moralische Ordnung zu gewährleisten.
Warum ist Moral notwendig?
Der Autor erläutert, warum Moral und Disziplin notwendig sind, um das individuelle Handeln zu regulieren und somit die Stabilität der Gesellschaft zu gewährleisten. Er bezieht sich dabei auf Durkheims Konzept der menschlichen Natur und des Bedürfnisses nach äußeren Grenzen, um die inneren Triebe zu kontrollieren und friedliches Zusammenleben zu ermöglichen.
Beschaffenheit und Wirkungsweise der Moral
Der Autor untersucht die Beschaffenheit und die Wirkungsweise der Moral. Er beschreibt die Moral als ein System von Regeln, die das menschliche Handeln leiten und für Stabilität in den zwischenmenschlichen Beziehungen sorgen. Die Moral erhält ihre Autorität durch die Gesellschaft, die die Regeln festlegt und ihre Einhaltung durch Sanktionen sicherstellt.
Geist der Disziplin
Der Autor erklärt, wie die Moral durch den „Geist der Disziplin“ das menschliche Handeln beeinflusst und für Regelmäßigkeit und Voraussagbarkeit sorgt. Er stellt die Bedeutung der moralischen Autorität und die Rolle der Gesellschaft in der Vermittlung von Moral heraus.
Anschluss an soziale Gruppen
Der Autor beschreibt, wie verschiedene soziale Gruppen – wie Familie, Schule, Berufsgruppen und politische Gesellschaft – zur Bildung und Aufrechterhaltung der Moral beitragen. Er erläutert, dass jede Gruppe ihre eigene spezifische Moral besitzt und dass die Gesellschaft die Aufgabe hat, diese verschiedenen Moralvorstellungen miteinander zu verknüpfen.
Produktion, Aufrechterhaltung und Erneuerung der Moral
Der Autor untersucht, wie die Moral produziert, aufrechterhalten und erneuert wird. Er bespricht die Rolle der Sozialisation, Bildung und Sanktionen in der Gestaltung und Aufrechterhaltung der moralischen Ordnung.
Schlüsselwörter
Dieser Essay befasst sich mit den Schlüsselbegriffen der moralischen Ordnung, der sozialen Integration, der Disziplin, der sozialen Gruppen und der Rolle der Gesellschaft in der Gestaltung und Aufrechterhaltung der Moral. Weitere wichtige Begriffe sind: Arbeitsteilung, individuelle und kollektive Interessen, sozialer Zwang, Moralvorstellungen, Sanktionen und Bildungsprozesse.
- Arbeit zitieren
- Sebastian Wiesnet (Autor:in), 2005, Die moralische Ordnung der Gesellschaft nach Durkheim, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/38249