“The Czech Republic would be seen as a country that is unable to enter into defence contracts in a clean way [. . .]”. Mit dieser Aussage fasst David Ondracka (Asiedu, 2007) von Transparency International zusammen, was nachfolgend im Mittelpunkt einer Kurzanalyse stehen soll: der Korruptionsskandal rund um die Beschaffung der Kampfflugzeuge Gripen im Jahr 2002 (Amara & Pargac, 2009). Zuerst folgt eine skizzenhafte Darlegung des Kontextes.
1 Überblick
"The Czech Republic would be seen as a country that is unable to enter into defence con¬tracts in a clean way [. . .]" (S. 2). Mit dieser Aussage fasst David Ondracka (Asiedu, 2007) von Transparency International zusammen, was nachfolgend im Mittelpunkt einer Kurzana¬lyse stehen soll: der Korruptionsskandal rund um die Beschaffung der Kampfflugzeuge Gripen im Jahr 2002 (Amara & Pargac, 2009, S. 72). Zuerst folgt eine skizzenhafte Darlegung des Kontextes.
2 Der Kontext - Transformation zivil-militärischer Beziehungen
Bereits während der kommunistischen Herrschaft in der noch damaligen Tschechoslowakei war Korruption eine für die Funktionsfähigkeit des „zentralistisch organisierten" Regimes unabdingbare Komponente (Bebler, 2001, S. 129). Seit der demokratischen Wende von 1989 bleibt das weitgehend unverändert, wobei sich in zahlreichen mittel- und osteuropäischen Staaten nicht genau eruieren lässt, ob und in welchem Masse das Korruptionsniveau über¬haupt gesunken oder dieses sich auf einem unverändert hohen Niveau gehalten hat. Nen¬nenswert scheint jedoch die Tatsache, dass die tschechische „Zivilgesellschaft sowie Medien¬landschaft" vermehrt ablehnend auf solche jahrzehntelangen Gewohnheiten in Politik und Wirtschaft reagieren (Bebler, 2010, S. 129). Denn die Wirkung von Korruption ist intakten Abläufen der Rechtsstaatlichkeit sowie Demokratie abträglich und wirkt im erweiterten Sin¬ne der von der Weltbank geprägten Good Governance entgegen (Schedler & Proeller, 2006; Brunnengräber, Dietz, Hirschl & Walk, 2004, S. 14). Aber wie kam es dazu, dass sich die Kor¬ruption derart hartnäckig hält? Hier spielen nun auch die ab 1989 dringend notwendig ge¬wordenen, „demokratischen zivil-militärischen Transformationsreformen" mitsamt den Kon¬sequenzen mit ein (Cottey, Edmunds & Forster, 2000, zit. in Lambert, 2009, S. 27).
Vor dem Hintergrund des angestrebten NATO-Beitritts musste die tschechische Regierung gewaltige finanzielle Anstrengungen unternehmen, um alle militärisch-technologischen und demokratisch-institutionellen Bedingungen erfüllen zu können. Im Hinblick auf die erstge¬nannten bedeutete dies das Tätigen enormer Investitionen in den militärischen Ausrüs¬tungsbestand, um diesen auf den von der NATO geforderten Standard zu bringen. So musste das Verteidigungsministerium die Streitkräfte beispielsweise in mobilere, defensive Brigaden umformieren, damit Teile derselben eigenständig operierend für multinationale Friedensein¬sätze entsendet werden können oder Bereiche der Teilstreitkraft Luftwaffe eher den Anfor¬derungen einer QRA genügen (Betz, 2004; Helmig & Schörnig, 2008, S. 18). Diese Pläne machten aber Sparmassnahmen erforderlich, die die Verteidigungsminister innerhalb des MOD andernorts implementieren mussten, um ihren budgetären Vorgaben jeweils nach¬kommen zu können (Betz, 2004). Es kam zu massiven Kürzungen der Gehälter und Löhne von Berufsmilitärs, bei gleichzeitig ersatzlos gestrichenen, vergünstigten Wohn- sowie Gesund¬heitsleistungen. Das führte mittelfristig zu einem langanhaltend spürbaren brain-drain (Frei, 2010): Junge, gut ausgebildete Offiziere entschieden sich gegen eine militärische Laufbahn und wechselten in die lukrativere Privatwirtschaft (Bebler, 2010, S. 137; Zipfel, 2001).
Erschwerend trat hinzu, dass sich die makrowirtschaftliche Situation Tschechiens ab 1997 derart verschlechterte, dass sich die jeweils aufeinanderfolgenden Regierungen zu Budget¬kürzungen gezwungen sahen, was letztlich auch die Beschaffungsvorhaben unmittelbar ne¬gativ beeinflusste (Schmitt, 2004). Diese oben dargelegten Entwicklungen führten allesamt zu einer höheren Zahl an Korruptionsfällen, was sich nicht auf einzelne Angehörige der Streitkräfte oder des Ministeriums beschränkte, sondern sich auf die in „Beschaffungsprojek¬ten" involvierten Akteure ausweitete (Bebler, 2010). Als Beispiel dient hier womöglich der Kauf einheimischer Trainingsflugzeuge der Unternehmung Aero Vodochody, obwohl sie sich als technisch mangelhaft erwiesen. Hier liegt die Vermutung nahe, dass die zu Beginn der 90er Jahre nach wie vor aktive Rüstungslobby auf die Politik im Allgemeinen, und spezifi¬scher auf die eben unzufriedenen Stellen im MOD, einen enormen Einfluss ausübte (Vlachová, zit. in Born, Caparini, Haltiner & Kuhlmann, 2006). Dem grössten tschechischen Flugzeughersteller Aero Vodochody kam angesichts der ab Ende der 90er Jahre stetig stei¬genden Arbeitslosenquote jedoch auch als Arbeitgeber eine ungemein wichtige Rolle zu, da diese Rüstungsfirma alleine im Jahr 2002 etwa 2'000 Personen beschäftigte (Schmitt, 2004). Dem Kaufentscheid der L-159 vom Jahre 2002 gehen also eher sozialpolitische, monetäre Überlegungen voraus (Schubert, 2004).
Trotz mehrfacher Anläufe scheiterte diese geplante Trainerakquisition aus dem Hause Aero Vodochody, weil sich die technischen Schwierigkeiten beziehungsweise die damit einherge-henden Folgekosten vor dem Parlament nicht mehr rechtfertigen liessen. Es liegt also nahe, dass die damalige Regierung ihre finanziellen Ressourcen eher für den Kauf und den Unter¬halt von 14 Saab JAS-39 Gripen verwenden wollte (Schmitt, 2004), die sich zudem besser für die Erfüllung vorgegebener Aufträge im Rahmen der NATO-Missionen zu eignen schienen (Vlachová, zit. in Born, Caparini, Haltiner & Kuhlmann, 2006). Doch auch dieses Beschaf-fungsprojekt wurde nur fünf Jahre nach dem Kaufentscheid von Korruptionsvorwürfen über-schattet (Transparency International [TI], 2010). Worum ging es im Detail?
3 Beschaffungspacket der Gripen als Ergebnis von Korruptionshandlungen
Im Jahre 2007 eröffneten nämlich nicht nur die tschechischen „Antikorruptionsbehörden" (Asiedu, 2007, S. 2), sondern ebenso die schwedische Staatsanwaltschaft und das britische serious fraud office ein Verfahren gegen SAAB AB sowie British Aerospace Systems (TI, 2010, S. 19). Letzteres zeigte sich in jener Zeit für die weltweite Vermarktung des Kampfflugzeugs Gripen verantwortlich (Page, 2011). Die Vorwürfe gingen dabei in insgesamt drei verschie¬dene Richtungen: Erstens bot die englische Unternehmung einigen ranghohen, tschechi¬schen Regierungsmitarbeitern grosse Summen Geld über Dritte an (TI, 2010; Pyman, 2008, S. 12), um letztlich den Zuschlag für den Verkauf der Gripen zu erzwingen. Zweitens erfolgte die Ausschreibung der Suche nach einem neuen Kampfflugzeug auf eine Art und Weise, die auf das Gripen-Angebot zugeschnitten war und dieses somit mittelbar favorisierte. Unter dem Vorwand eindeutiger, technischer sowie wirtschaftlicher Vorteile schloss die tschechi¬sche Regierung sämtliche Konkurrenzanbieter von SAAB vom Wettbewerbsverfahren aus. Drittens, und gleichzeitig schwerwiegendster Kritikpunkt, schien die im Rahmen von Kampf-flugzeugbeschaffungen gängige Praxis der O/fset-Regelung bedeutender zu sein als der ur-sprüngliche Zweck des Geschäfts selbst: nämlich die Beschaffung militärischer Ausrüstung unter militärisch-strategischen Gesichtspunkten (Pyman, 2008, S. 9), die im tschechischen Fall hauptsächlich von der NATO vorgegeben wurden (Tuma, 2006, S. 18).
Das sah im Einzelnen dann so aus, dass bezüglich der Urteilsfällung technische Kriterien bloss mit einem Anteil von 30% und Kostenfaktoren mit rund 20% ins Gewicht fielen, während „Kompensationsgeschäfte" ungefähr die Hälfte ausmachten (Pyman, 2008, S. 9). Pyman hebt treffend hervor, dass zwar Offset-Geschäfte durchaus ihre Berechtigung haben, wenn die mit einem Kaufentscheid verbundenen Investitionen in Höhe einiger Milliarden Schweizer Fran- ken wieder über wirtschaftliche „Direktinvestitionen" in die eigene Volkswirtschaft zurück- fliessen und darüber hinaus bilaterale Beziehungen vertieft werden sollen (Krugman & Obst¬feld, 2009). Die Gegengeschäfte verlieren jedoch dann ihre Legitimationsgrundlage, wenn eine sauber durchgeführte Überprüfung eines eingereichten Angebots zur Erkenntnis führt, dass es weder die vorgegebenen militärischen noch finanziellen Anforderungen zu erfüllen vermag und dabei gleichzeitig ein grosszügig geschnürtes Offset-Packet bloss der Über- tünchung dient (Pyman, 2008).
Hier ist denn die Grenze zur Korruption fliessend, weil damit gerechnet werden muss, solche „direkten Kompensationsgeschäfte" kämen womöglich nur jenen tschechischen Rüstungs¬firmen zugute (Amara & Pargac, 2009, S. 74), die über die Rüstungslobby eng mit Regie-rungsvertretern oder Spitzenbeamten verbandelt sind (Vlachová, zit. in Born, Caparini, Halti- ner & Kuhlmann, 2006). Im Falle Tschechiens ist aber tatsächlich davon auszugehen, dass genau eine soeben beschriebene Täuschung vorlag. Trotzdem gelang es der schwedischen Staatsanwaltschaft nicht, die Anklageschriften gegen „SAAB AB" fundiert zu belegen, wes¬halb sie 2009 den Fall ohne greifbares Resultat abschliessen musste, obwohl in anderen Län¬dern wie „Ungarn oder Südafrika" ähnliche Verdachtsfälle bestanden (TI, 2010, S. 57).
4 Ausblick
Es bleibt abschliessend festzuhalten, dass ganz unabhängig von der Frage, ob es im Vorfeld der Gripen-Beschaffung korrupte Handlungen gab oder nicht, milliardenschwere Projekte stets risikobehaftet bleiben werden. Es wird zukünftig also umso wichtiger sein, bereits vor¬handene Überwachungsinstrumente bei ähnlichen „Competitive Tenderings" effektiv einzu¬setzen (Schedler & Proeller, 2006, S. 201).
5 Literaturverzeichnis
Amara, J. & Pargac, P. (2009). Offsets and Defense Procurement in the Czech Republic: A Case study. European Security, 18 (1), 63-80
Asiedu, D. (2007). Czech Politicians under suspicion of corruption involving Gripen deal. Radio Prag. Gefunden am 15. November 2011 unter: http://www.radio.cz/en/section/curraffrs/czech-politicians-under- suspicion-of-corruption-involving-gripen-deal
Bebler, A. (2001). Corruption Among Security Personnel in Central and Eastern Europe. Journal of Communist Studies and Transition Politics, 17 (1), 129-145
Betz, D.-J. (2004). Civil-Military Relations in Russia and Eastern Europe. New York: Routledge.
Born, H., Caparini, M., Haltiner, K.-W. & Kuhlmann, J. (2006). Civil-military relations in Europe - Learning from crisis and institutional change. New York: Routledge.
Brunnengräber, A., Dietz, K., Hirschl, B. & Walk, H. (2004). Interdisziplinarität in der Governance-Forschung. Gefunden am 19.09.2011 unter: http://www.tu-berlin.de/uploads/media/InterdiszGov_01.pdf
Frei, C. (2010). Brennpunkte und Grundprobleme internationaler Politik. St. Gallen: Skriptekommission.
Helmig, J. & Schörnig, N. (2008). Die Transformation der Streitkräfte im 21. Jahrhundert - Militärische und poli-tische Dimensionen der aktuellen "Revolution in Military Affairs". Frankfurt: Campus.
Krugman, P. & Obstfeld, M. (2009). International Economics: Theory & Policy. Boston: Pearson Addison.
Lambert, A. (2009). Democratic Civilian Control Of Armed Forces In The Post-Cold War Era. Berlin: Lit Verlag.
Page, L. (2011). Saab fingers BAE over South African fighter deal. Gefunden am 19. November 2011 unter: http://www.theregister.co.uk/2011/06/20/saab_sa_fighter_accusation/
Pyman, M. (2008). Offsets and Corruption Risk. Gefunden am 14. November 2011 unter: http://www.ti- defence.org/component/cckjseblod/?task=download&file=publication_file&id=672
Schedler, K. & Proeller, I. (2006). New Public Management (3. Aufl.). Bern: Haupt.
Schmitt, B. (2004). EU enlargement and armaments - Defence industries and markets of the Visegrad countries. Paris: European Union Institute for Security Studies. Gefunden am 21. November 2011 unter: www.iss.europa.eu/uploads/media/occ54.pdf
Schubert, G. (2004). Tagesecho - Grösster tschechischer Kampfjethersteller in Turbulenzen. Czech Radio 7, Ra-dio Prag. Gefunden am 22. November 2011 unter: http://www.radio.cz/de/artikel/50514
Transparency International [TI]. (2010). Progress Report - Enforcement of the OECD Anti-Bribery Convention [Elektronische Version]. Gefunden am 15. November 2011 unter: http://www.ti- j.org/TIJdoc/2010%20TI%20PR0GRESS%20REP0RT.pdf
Tuma, M. (2006). Relics of Cold War - Defence Transformation in the Czech Republic. Stockholm: Stockholm International Peace Research Institute. Gefunden am 22. November 2011 unter: books.sipri.org/files/PP/SIPRIPP14.pdf
Zipfel, T. (2001). The Politics and Finance of Civil-Military Reform in the Czech Republic. Journal of Communist Studies and Transition Politics, 17 (1), 96-112
[...]
- Quote paper
- Anonymous,, 2011, Korruptionsskandal im tschechischen Verteidigungsministerium. Die Gripen-Beschaffung 2002 im Kontext der Demokratisierung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/382041