Die Masterarbeit beschäftigt sich mit dem Einfluss von Kultur auf den Erfolg von Produkteinführungen am Beispiel der Einführung des BMW X4 in den brasilianischen Kfz-Markt. Es werden konkrete Handlungsempfehlungen für die Adaption des Marketing-Mix des X4 unter Berücksichtigung der Landeskultur und der Gegebenheiten des brasilianischen Kfz-Markts entwickelt. Hierfür werden zunächst anhand der ausgewählten Elemente Produkt, Vertrieb und Kommunikation des Marketing-Mix der nationale Kfz-Markt analysiert. Die kulturellen Werte der brasilianischen Konsumenten werden anhand eines Konstrukts von drei, für den Kfz-Kauf relevanten Dimensionen abgebildet, basierend auf den kulturvergleichenden Forschungsansätzen von Geert Hofstede und dem GLOBE Projekt. Anschließend werden strategische Handlungsschwerpunkte bei der Gestaltung des Marketing-Mix in Brasilien abgeleitet. Die Arbeit kommt zu dem Schluss, dass sich BMW als Premiumhersteller zunächst auf die Schaffung grundlegender Strukturen in Brasilien konzentrieren muss. Hierbei handelt es sich um den Aufbau des After-Sales-Markts, sowie die Anpassung des Vertriebs an das Premiumsegment. Wichtige Faktoren im brasilianischen Markt sind außerdem eine hohe Markenpräsenz und der Fokus auf Nachkaufkommunikation. Letztlich zeigt sich die Bedeutung von Kultur nicht nur für die Platzierung neuer Produkte, sondern auch für das strategische Vorgehen eines Unternehmens bei der Erschließung neuer Märkte.
Inhaltsverzeichnis
I Abbildungsverzeichnis
II Tabellenverzeichnis
1. Standardisierung versus Adaption im Automobilmarketing
1.1 Einflussfaktoren
1.2 Handlungsfelder
1.3 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit
2. Käuferverhalten im Kfz-Markt
2.1 Der Kaufentscheidungsprozess
2.2 Art der Kaufentscheidung
2.3 Determinanten des Kaufverhaltens
3. Der Kfz-Markt in Brasilien
3.1 Der BMW X4 in Brasilien
3.2 Allgemeine Marktentwicklung
3.3 Produkt
3.3.1 Produktbezogene Aspekte
3.3.1.1 Produkttypen
3.3.1.2 Sonderausstattungen & Zubehör
3.3.2 After-Sales-Services
3.3.3 Bedeutung der Marke
3.4 Vertrieb
3.4.1 Händlernetzwerk
3.4.2 Autokauf
3.5 Kommunikation
3.5.1 Kanäle
3.5.2 Werbebotschaften
3.6 Zwischenfazit
4. Kulturvergleichende Forschung
4.1 Definition von Kultur
4.2 Operationalisierung von Kultur
4.3 Ausgewählte Forschungsprojekte
4.3.1 Hofstedes Kulturdimensionen
4.3.1.1. Studienüberblick
4.3.1.2 Die sechs Dimensionen im Detail
4.3.2 Das GLOBE-Projekt
4.3.2.1 Studienüberblick
4.3.2.2 Die neun GLOBE-Dimensionen im Detail
4.3.3 Kritische Betrachtung
5. Methodik
5.1 Auswahl relevanter Kulturdimensionen
5.2 Auswahl signifikanter Werte für Brasilien
5.3 Interpretation der Werte für Brasilien
5.3.1 Uncertainty Avoidance
5.3.2 Institutional Collectivism
5.3.3 Performance Orientation
6. Handlungsempfehlungen für die Vermarktung des BMW
6.1 Produkt
6.1.1 Sonderausstattungen & Zubehör
6.1.2 After-Sales-Services
6.1.3 Marken- & Modellpositionierung
6.2 Vertrieb
6.2.1 Point-of-Sale-Gestaltung
6.2.2 Gestaltung des persönlichen Kontakts
6.2.3 Autokauf
6.3 Kommunikation
6.3.1 Kanäle
6.3.2 Absender
6.3.3 Werbebotschaften
6.3.4 Kommunikation in der Nachkaufphase
6.4 Apps als digitale Begleiter im Kaufentscheidungsprozess
6.5 Zusammenfassung der Handlungsempfehlungen
6.6 Ableitung von strategischen Handlungsschwerpunkten
6.7 Kritische Betrachtung
7. Fazit
III Literaturverzeichnis
I Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Der Kaufentscheidungsprozess beim Automobilkauf
Abbildung 2: Darstellung des BMW X4 auf der brasilianischen BMW-Webseite
Abbildung 3: Auszüge aus dem Katalog des BMW X4
Abbildung 4: Das Zwiebelmodell von Hofstede
Abbildung 5: Item der GLOBE-Dimension 'Uncertainty Avoidance', abgefragt nach Werten und Praktiken
Abbildung 6: Unterschiedliche Formulierung der Items zur Abfrage von Uncertainty Avoidance nach
Abbildung 7: Country Cluster nach GLOBE
Abbildung 8: Mögliche Positionierung von BMW im deutschen Herstellerkreis in Brasilien
Abbildung 9: Beispielhafte schematische Darstellung der Nutzung von Beacons im Autohaus
II Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Ausgewählte Argumente für Standardisierung bzw. Adapation
Tabelle 2: Positive und negative Gegebenheiten im brasilianischen Kfz-Markt aus Sicht von BMW
Tabelle 3: Messwerte der ausgewählten Dimensionen für Brasilien
Tabelle 4: Normierung der Dimensionenwerte auf Prozent
Tabelle 5: Fünfstufige Skala zur Bewertung der Ausprägung der Kulturdimensionen
Tabelle 6: Handlungsempfehlungen für Uncertainty Avoidance
Tabelle 7: Handlungsempfehlungen für Insititutional Collectivism
Tabelle 8: Handlungsempfehlungen für Performance Orientation
ABSTRAKT
Die vorliegende Masterarbeit beschäftigt sich mit dem Einfluss von Kultur auf den Erfolg von Produkteinführungen am Beispiel der Einführung des BMW X4 in den brasilianischen Kfz-Markt. Es werden konkrete Handlungsempfehlungen für die Adaption des Marketing-Mix des X4 unter Berücksichtigung der Landeskultur und der Gegebenheiten des brasilianischen Kfz-Markts entwickelt. Hierfür werden zunächst anhand der ausgewählten Elemente Produkt, Vertrieb und Kommunikation des Marketing-Mix der nationale Kfz-Markt analysiert. Die kulturellen Werte der brasilianischen Konsumenten werden anhand eines Konstrukts von drei, für den Kfz-Kauf relevanten Dimensionen abgebildet, basierend auf den kulturvergleichenden Forschungsansätzen von Geert Hofstede und dem GLOBE Projekt. Anschließend werden strategische Handlungsschwerpunkte bei der Gestaltung des Marketing-Mix in Brasilien abgeleitet. Die Arbeit kommt zu dem Schluss, dass sich BMW als Premiumhersteller zunächst auf die Schaffung grundlegender Strukturen in Brasilien konzentrieren muss. Hierbei handelt es sich um den Aufbau des After-Sales-Markts, sowie die Anpassung des Vertriebs an das Premiumsegment. Wichtige Faktoren im brasilianischen Markt sind außerdem eine hohe Markenpräsenz und der Fokus auf Nachkaufkommunikation. Letztlich zeigt sich die Bedeutung von Kultur nicht nur für die Platzierung neuer Produkte, sondern auch für das strategische Vorgehen eines Unternehmens bei der Erschließung neuer Märkte.
1. Standardisierung versus Adaption im Automobilmarketing
1.1 Einflussfaktoren
Um auf dem hart umkämpften Weltmarkt überleben zu können, müssen international agierende Firmen unterschiedlichste Käufergruppen und deren Bedürfnisse zielgenau bedienen können. Herausforderung für das internationale Marketing ist die Anpassung des Marketingkonzepts auf verschiedene Zielmärkte (Keegan & Green, 2015, S. 37). Es muss abgewogen werden, bis zu welchem Grad Anpassungen nötig sind, und in welchen Fällen eine Standardisierung des Marketing-Mix sinnvoll ist. Die zu beantwortende Frage ist hier nicht ‚Entweder oder?’, sondern viel mehr ‚Was bis zu welchem Grad?’. Entscheidend ist es, eine Balance zwischen Standardisierung und Adaption zu finden, sodass „Kundenbedürfnisse bedient werden, ohne die Kostenseite unverhältnismäßig ansteigen zu lassen“ (Diehlmann, 2012, S. 106).
Um langfristig wettbewerbsfähig bleiben zu können, sehen sich auch Automobilhersteller zunehmend gezwungen maßgeschneiderte Angebote für jeden Markt zu entwickeln (Euler Hermes, 2016a, 2. Abs.). Ein umfassendes Verständnis der einzelnen Zielmärkte und deren Besonderheiten ist dafür unabdingbar, gerade für Wachstumsmärkte wie die BRIC-Staaten Brasilien, Russland, Indien und China. „To be competitive in these RGMs [rapid growth markets, Anmerkung des Verfassers], companies need a firm grasp of consumer needs. A one-size-fits-all approach of bringing in best-selling products from other markets will not do“ (Ernest & Young, 2013, S. 2). Einfluss auf die Standardisierungsdebatte haben Produkteigenschaften, Charakteristika des Unternehmens, das Geschäftsumfeld und die Konsumenten (De Mooij, 2014, S. 18). Daraus ergeben sich eine Reihe von Rahmenbedingungen mit Einfluss auf die Marketingstrategie (siehe Tabelle 1). Ein Faktor mit großem Einfluss auf die Entscheidung, inwieweit Marketingkonzepte lokalen Bedürfnissen angepasst werden müssen, sind kulturelle Rahmenbedingungen. Durch den großen Einfluss von Kultur auf Konsumenten und deren Kaufverhalten (Foscht, Swoboda & Schramm-Klein, 2011, S. 159), müssen solche Unterschiede bei der Vermarktung von Produkten berücksichtigt werden. Der US-amerikanische Kosmetikkonzern Avon scheiterte bei seinem Markteintritt in Japan Ende der 60er Jahre zunächst, weil er die kulturellen Besonderheiten des Ziellandes nicht berücksichtigte. Die, in den Vereinigten Staaten bewährte Vertriebsstruktur des Verkaufs an der Haustüre durch nicht berufstätige Frauen aus der Umgebung wurde so auch in Japan aufgebaut. Japaner sind jedoch zögerlich, wenn es um den Kontakt mit Fremden geht, sowohl auf Käufer- als auch Verkäuferseite. Außerdem wird das Zuhause in Japan als extrem dicht bevölkertes Land als Rückzugsort angesehen und ein Eindringen darin als unhöflich wahrgenommen. Erst eine Anpassung der Vertriebsstruktur an lokale Gegebenheiten verhalf Avon zum Erfolg. (Knight, 1995, S. 110)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Ausgewählte Argumente für Standardisierung bzw. Adapation
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Diehlmann, 2012, S. 106; Hollensen, 2011, S. 458; Usunier & Lee, 2013, S. 229
1.2 Handlungsfelder
Um Produkte erfolgreich an lokale Gegebenheiten anzupassen, stehen dem internationalen Marketing mehrere Stellschrauben im Marketing-Mix zu Verfügung. Wichtig ist es, nicht nur das Produkt als solches, sondern den ganzen Marketing-Mix auf die kulturellen Rahmenbedingungen des Zielmarkts hin auszurichten. Für jede der vier Säulen des Marketing-Mix, Produkt, Preis, Vertrieb, Kommunikation und deren einzelne Bestandteile gilt es abzuwägen, wo Anpassungen sinnvoll und relevant für die Kunden sind, und wo standardisiert werden kann (Schilke, Reimann & Thomas, 2009, S. 38). Dies hat auch die Automobilindustrie verstanden, die sich durch die Erschließung neuer Märkte, vor allem in den BRIC-Staaten mit bisher unbekannten Konsumentenbedürfnissen und kulturellen Gegebenheiten, konfrontiert sieht. Auch sie versucht sich deshalb vermehrt auf lokale Kundenbedürfnisse auszurichten, zum Beispiel im Vertrieb. „Localization is the biggest sticking point for multinational manufacturers as they seek to create dealer sales processes that meet local customer requirements and cultural norms while maintaining brand standards. For example, Chinese dealers may need the ability to adjust test-drive experiences for customers who don’t have a lot of time to spend“ (A.T. Kearney, 2014, S. 6).
1.3 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit
Schwellenländer mit stark steigender Kaufkraft bieten großes Absatzpotenzial und gelten als die Zukunftsmärkte im Automobilbereich. Gerade Premiumhersteller wie BMW entdecken diese Märkte für sich. Dort bildet sich durch den wirtschaftlichen Aufschwung und steigende Löhne eine solide Mittel- und Oberschicht, die ihren sozialen Aufstieg durch Premiumprodukte, unter anderem hochpreisige Autos nicht-brasilianischer Hersteller, nach außen darstellt. (Ebel, Hofer & Genster, 2014, S. 6; Ernest & Young, 2013, S. 2)
Bei der Einführung neuer Produkte ist der, von vornherein optimale Zuschnitt eines Produkts auf den Zielmarkt ausschlaggebend für dessen Erfolg (Euler Hermes, 2016a, 3. Abs.; Strategy&, 2016, S. 9), vor allem in der Automobilproduktion mit großen Vorleistungen und hohen Investitionskosten in Entwicklung und Produktionsstätten. Markteinführungen müssen innerhalb der wirtschaftlichen Möglichkeiten möglichst passgenau entlang des gesamten Marketing-Mix auf einen neuen Markt und die Bedürfnisse dessen Konsumenten zugeschnitten werden. Neben Faktoren wie gesetzlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der strategischen Ausrichtung der Konkurrenz vor Ort, spielt hierbei auch die Kultur eines Landes eine entscheidende Rolle (Hollensen, 2011, S. 458). Diese kulturellen Eigenheiten gilt es bei der Einführung eines neuen Produktes und dessen Adaption an den lokalen Markt zu beachten, um die Kunden optimal anzusprechen und das Produkt langfristig erfolgreich zu platzieren.
Vor diesem Hintergrund überprüft die vorliegende Arbeit, inwieweit kulturelle Rahmenbedingungen bei der Einführung von Produkten eine Rolle spielen und zu berücksichtigen sind. Dies geschieht am Beispiel und aus der Sicht des deutschen Autobauers BMW für die Produkteinführung des Modells X4 in Brasilien als Schwellenland mit großem Absatzpotenzial und einer Landeskultur, die von der des Herstellers abweicht. Ziel der Arbeit ist die Beantwortung der folgenden Forschungsfrage:
„Welchen Einfluss hat das kulturelle Umfeld in Brasilien auf Produkteinführungen im Automobilbereich und welche Handlungsempfehlungen lassen sich daraus für die Vermarktung des BMW X4 ableiten?“
Zu Beginn der Arbeit wird kurz auf das Käuferverhalten im Kfz-Markt allgemein eingegangen. Es wird erläutert, wie sich der Kaufentscheidungsprozess darstellt, welche Faktoren auf die Kaufentscheidung wirken und wie diese zu typisieren ist. Im Anschluss liegt der Fokus auf dem brasilianischen Automobilmarkt. Dieser wird in seinen Eigenheiten entlang der Elemente des Marketing-Mix beschrieben, wobei das Element der Preisgestaltung in vorliegender Arbeit bewusst ausgeschlossen wird. Grund hierfür ist die Tatsache, dass die Preisgestaltung im Automobilbereich größtenteils von wirtschaftlichen Überlegungen und Kalkulationen getrieben ist. BMW als Premiumhersteller verfolgt zusätzlich klar eine Hochpreis-Strategie. Über den Preis wird die Positionierung des Autos als Premiumprodukt vermittelt. Die behandelten Elemente sind also Produkt, Vertrieb und Kommunikation. Das anschließende Kapitel beschäftigt sich mit der Messung kultureller Unterschiede in der Forschung und stellt mit Hofstedes Kulturdimensionen und dem GLOBE-Projekt zwei Ansätze zur systematischen Erfassung von Kultur vor. Aus diesen Ansätzen werden im Anschluss für die Arbeit relevante Dimensionen zur Abbildung von Kultur ausgewählt, und mittels dieses Gerüsts die brasilianische Landeskultur charakterisiert. Im letzten Kapitel werden Handlungsempfehlung für die Einführung des BMW X4s unter Berücksichtigung der brasilianischen Kultur erarbeitet. Dies geschieht durch eine Matrix aus den zuvor ausgewählten Kulturdimensionen und den thematisierten Elementen des Marketing-Mix. Am Ende des Kapitels werden vier strategische Handlungsschwerpunkte abgeleitet.
Da es sich bei vorliegender Arbeit um eine unabhängige Arbeit ohne interne Informationen von Seiten des behandelten Unternehmens BMW handelt, werden alle Empfehlungen rein auf Basis der Landeskultur und der Gegebenheiten des Kfz-Markts vor Ort getroffen. Rückschlüsse auf das Vorgehen von BMW in Brasilien oder weltweit werden ausschließlich anhand der Außendarstellung des Unternehmens gezogen.
2. Käuferverhalten im Kfz-Markt
2.1 Der Kaufentscheidungsprozess
Der Kaufentscheidungsprozess für Automobile lässt sich in drei Phasen einteilen. Am Anfang steht die Informationsphase. Diese reicht von den ersten Überlegungen einen Neuwagen anzuschaffen, bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Entscheidung für einen Kauf fällt. Bis zum Auftreten eines konkreten Bedarfswunsches werden Informationen rund um den Autokauf zunächst rein passiv aufgenommen. Wird ein konkreter Bedarf erkannt, sei es durch den Ausfall des bisherigen Autos oder die Einführung eines neuen, interessanten Modells, beginnt die aktive Suche nach Informationen. Informationsquellen können zum Beispiel das Internet, ein Händler, das persönliche Umfeld, Autofachzeitschriften oder Werbeanzeigen sein. (Diez, 2009, S. 55f.) Ziel des Herstellers muss es also sein, auf seine Marke und Modelle aufmerksam zu machen und den Suchenden Informationen bereitzustellen.
In der Kaufentscheidungsphase werden auf Grundlage der eingeholten Informationen verschiedene, in Frage kommende Marken und Modelle bewertet und in eine Rangfolge gebracht. Auf die Einflussfaktoren, die diese Kaufentscheidung beeinflussen, wird weiter unten in diesem Kapitel eingegangen. Für die Autobauer ist eine hohe Marken- und Modellbekanntheit wichtig, um überhaupt in den Kreis der in Frage kommenden Modelle zu gelangen. (Diez, 2009, S. 57f.) Auch die Wahl der Einkaufsstätte fällt in diese Phase, wobei Marken- und Modellwahl hier den größeren Einfluss ausüben (ACI Trendletter, 2005, S. 14; zitiert nach Diez, 2009, S. 61). Die Einkaufsstätte wird also eher danach gewählt, welche Marke und welches Modell ausgewählt wurden und nicht umgekehrt. Hier kommt der Händler ins Spiel. Er muss optimale Beratung und eine reibungslose Kaufabwicklung gewährleisten. Informations- und Kaufentscheidungsphase zusammen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
bilden die Vorkaufphase.
Die letzte Phase, die Nachkaufphase beginnt mit dem Kaufabschluss. Ist das Fahrzeug nicht direkt vorrätig, beinhaltet sie außerdem eine Wartephase bis zur letztendlichen Übernahme des Fahrzeugs. Der Käufer sucht hier gezielt nach Informationen, die ihn in seiner Kaufentscheidung bestärken. Mit Fahrzeugübergabe beginnt die Nutzungsphase, in welcher der Kunde seine Kaufentscheidung wieder überprüft und bewertet, also seine Erwartungen bei Kauf mit den tatsächlichen Produkterfahrungen abgleicht. (Diez, 2009, S. 62f.) Für Hersteller und Händler ist es folglich wichtig, den Kunden aktiv in seiner Kaufentscheidung zu bestärken und seine Zufriedenheit zu fördern, zum Beispiel durch gezielte Kontaktaufnahme, um so die Bindung zur Marke zu stärken. After-Sales-Services und der Umgang mit Beschwerden spielen in dieser Phase eine große Rolle.
2.2 Art der Kaufentscheidung
Das Auto als Konsumgut weist eine Reihe von Eigenschaften auf, die es von anderen Konsumgütern abheben und die Art der Kaufentscheidung beeinflussen. Es ist ein langlebiges und extrem hochpreisiges Konsumgut, dessen Kaufhäufigkeit durch die lange Nutzungsdauer sehr gering ist. Außerdem ist die Kaufentscheidung eigentlich nicht reversibel. Einmal gekauft können Autos nicht einfach umgetauscht, sondern nur mit Wertverlust weiterverkauft werden. Oft betrifft die Kaufentscheidung nicht eine einzelne, sondern mehrere Personen, wie eine Familie. Die hohe soziale Sichtbarkeit und Außenwirkung eines Fahrzeugs beeinflussen ebenfalls die Kaufentscheidung. Diese Faktoren machen den Autokauf zu einer Anschaffung mit einem großen wahrgenommenen Kaufrisiko. Die Kaufentscheidung zieht sich über einen längeren Zeitraum und ist von hoher Komplexität und einem hohen Informationsbedarf gekennzeichnet. (Diez, 2009, S. 51f.) Außerdem ist der Automobilkauf immer eine stark emotional geprägte Entscheidung. Faktoren wie Fahrzeugdesign und Markenimage spielen eine größere Rolle als rationale Überlegungen (Breuer, Craemer-Kühn & Schröder, 2002, S. 18; zitiert nach Diez, 2009, S. 47). Neben der emotionalen Bedeutung spielt die Marke beim Automobilkauf auch deshalb eine große Rolle, da durch die Wahl eines Markenprodukts das wahrgenommene Kaufrisiko subjektiv verringert wird (Lauszus, 2014, S. 490).
Diese Charakteristika sprechen zunächst für eine extensive Kaufentscheidung (Foscht, et al., 2011, S. 170). Ein Autokauf ist zumeist aber kein Erstkauf. Die Käufer verfügen also durch vorherige Erfahrungen schon über eine gewisse Systematik an Kaufentscheidungskriterien, Vorwissen über Hersteller und Modelle und sowie eigene Präferenzen beim Autokauf. Das schränkt den Informationsbedarf stark ein und kennzeichnet eine limitierte Kaufentscheidung (vgl. Foscht et al., 2011, S. 172). Gerade Premiumautos sind in der Regel keine Einsteigermodelle. Hier handelt es sich also fast immer um Erfahrungskäufe. Sprechen empirische Untersuchungen sogar für den Wiederholungskauf als dominierenden Kaufentscheidungstyp beim Autokauf (Diez, 2009, S. 53), so gilt das nicht im Falle von Produkteinführungen. Hier liegen zwar bereits Erfahrungen im Bereich des Autokaufs vor, allerdings keine mit dem neu eingeführten Modell, weshalb der Typus des Wiederholungskaufs ausgeschlossen werden kann. Für den in vorliegender Art behandelten Autotyp des Premiummodells BMW X4 als Produktneueinführung kann also von einer limitierten Kaufentscheidung ausgegangen werden. Wichtig ist aus Herstellersicht deshalb die Platzierung des Modells und der Marke im Kreis der in Betracht gezogenen Modelle und Hersteller.
2.3 Determinanten des Kaufverhaltens
Grundsätzlich wirken neben kulturellen Einflüssen noch weitere Faktoren auf das Kaufverhalten (siehe Abbildung 2). Teils sind diese durch Marketing steuerbar, teils handelt es sich um nicht beeinflussbare Rahmenbedingungen. Für den Autokauf besonders zu berücksichtigen sind die folgenden Einflüsse.
Hohes Involvement
Das bereits angesprochene hohe Kaufrisiko und der hohe Stellenwert eines Autos für die Selbstdarstellung nach außen machen es zu einem High-Involvement-Produkt par excellence (Diez, 2009, S. 45). Die starke kognitive Beteiligung führt dazu, dass mehr Informationen gesucht und mit größerer Tiefe verarbeitet werden als in Low-Involvement-Situationen (Foscht et al., 2011, S. 136). Durch die aktive Suche nach Informationen sind Konsumenten in High-Involvement-Situationen besonders empfänglich für Marketingkommunikation (Foscht et al., 2011, S. 139).
Hohe Anzahl an angesprochenen Motiven
Zudem wird beim Autokauf eine sehr hohe Zahl an Motiven angesprochen, was einen weiteren Grund für dessen hohe Bedeutung in der Konsumentenwahrnehmung darstellt. Neben rationalen Bedürfnissen, wie Sicherheit und Wirtschaftlichkeit eines Wagens, werden auch emotionale Bedürfnisse, wie Design, das Image der Marke und der Ausdruck von Individualität durch das eigene Auto angesprochen (Diez, 2009, S. 46).
Dominanz emotionaler Faktoren
Gerade diese emotional geprägten Faktoren haben letztendlich den größten Einfluss auf die Kaufentscheidung (siehe Kapitel 2.2). Auch hier zeigt sich wieder die Bedeutung der Marke beim Autokauf. Gerade im Premiumsegment zahlt der Kunde für die Marke und deren Image.
Großer Einfluss des sozialen Umfelds
Vor allem bei prestigeträchtigen Produkten und risikoreichen Kaufentscheidungen dient das soziale Umfeld als wichtiger Orientierungspunkt und Informationsquelle (Foscht et al., 2011, S. 145f). Während zum engeren Bezugsfeld persönlich bekannte Personen, wie Familienmitglieder, Freunde und Kollegen zählen, beinhaltet das weitere Bezugsfeld auch Personen, die dem Konsumenten zwar nicht persönlich bekannt sind, aber dennoch eine Vorbildfunktion erfüllen und Orientierung bieten. Hierunter fallen auch Testimonials und Prominente als Werbeträger. Meinungsführer, also Personen, denen eine erhöhte Kompetenz in einem bestimmten Bereich zugeschrieben wird, können aus beiden Bezugsfeldern stammen und üben beim Autokauf potenziell großen Einfluss aus. Ein Beispiel für Meinungsführer im Automobilbereich sind Rennfahrer. (Diez, 2009, S. 49) Mercedes setzte im Werbespot für seinen 4MATIC-Allradantrieb 2010 mit Michael Schuhmacher und Mika Hakkinen gleich zwei Motorsportgrößen ans Steuer (Panzariu, 2010).
3. Der Kfz-Markt in Brasilien
3.1 Der BMW X4 in Brasilien
Der X4 ist ein als Coupé geschnittener SUV des deutschen Premiumherstellers BMW. Durch die Coupé-Form wirkt sein Erscheinungsbild eleganter und weicher als das anderer SUVs. BMW positioniert den X4 als Kombination aus Lifestyle und Performance (BMW, k.D.).
Betrachtet man die Bildsprache in der Kommunikation zeigt sich der X4 als Stadtauto mit sportlicher Fahrweise. Auch außerhalb der Stadt wird das Auto nur auf der Straße gezeigt, soll also trotz seiner Sportlichkeit nicht als Offroad-Fahrzeug wahrgenommen werden. (BMW, 2016)
Die Zielgruppe wird als gut situierte, moderne und modebewusste Personen in der Altersklasse 30+ dargestellt, die ihre soziale Position gerne nach außen vermitteln. Das Auto wird zum Modestatement und Statussymbol und zieht in der urbanen Umgebung die Blicke auf sich. (BMW, 2016; BMW do Brasil, k.D) [1]
Das Modell wurde bisher in nur sehr geringer Stückzahl nach Brasilien importiert, weshalb der X4 in vorliegender Arbeit als Produkteinführung behandelt werden soll. Ab 2017 wird das Modell im BMW-Werk vor Ort produziert. BMW visiert damit eine Absatzsteigerung von 50 Prozent auf 45 Einheiten pro Monat an. (Silva, 2016, 2. – 4. Abs.)
Der bisherige Basisverkaufspreis ändert sich mit 300.000 brasilianischen Real trotz Wegfall der Importzölle nicht (Silva, 2016, 7. Abs.). Dies entspricht umgerechnet 82.400 Euro, was den X4 in Brasilien mit einem jährlichen Bruttonationaleinkommen pro Einwohner von umgerechnet knapp über 9000 Euro ganz klar zu einem Premiummodell macht (Statistisches Bundesamt, 2016).[2]
3.2 Allgemeine Marktentwicklung
Neben den U.S.A., China und Indien ist Brasilien aktuell einer der vier größten Absatzmärkte für Automobile weltweit und stellt durch den starken Aufschwung in den letzten Jahren und die zunehmende Sättigung der klassischen Märkte U.S.A. und Europa einen der Zukunftsmärkte für die Automobilindustrie dar (Teixeira, 2015b, 3. Abs.). Grund hierfür ist auch die fehlende lokale Konkurrenz, gibt es doch bislang keine brasilianischen Automobilhersteller (Center für Automobil-Management, 2010, S. 6). Seit 2009 befindet sich der brasilianische Neufahrzeugmarkt im Aufschwung mit einer jährlichen Wachstumsrate von durchschnittlich 6,3 Prozent zwischen 2009 und 2013. Der zunehmende Wohlstand der Bevölkerung äußert sich auch in einem erhöhten Motorisierungsgrad. Durch den Anstieg des Pro-Kopf-Einkommens bis 2011 um 65% innerhalb von neun Jahren (Havas Digital, 2011, S. 4) und der Etablierung einer soliden Mittel- bzw. Oberschicht (Havas Digital, 2011, S. 18) ist der Markt nicht nur für günstige Einsteigermodelle, sondern zunehmend auch für Premiumhersteller attraktiv. Die größten Akteure sind Volkswagen, General Motors, Fiat und Hyundai mit einem Marktanteil von zusammen fast 55 Prozent (GTAI, 2016, S. 1f.). BMW ist mit Marktanteilen unter einem Prozent bisher einer der kleinsten Marktteilnehmer (Posada & Façanha, 2015, S. 5).
Um die Wirtschaft im eigenen Land weiter anzukurbeln, erhöhte Brasilien 2011 die Einfuhrzölle auf Neufahrzeuge massiv (Center für Automobil-Management, 2012, S. 2; MarketLine, 2014, S. 14) und zwang die Hersteller so zur Produktion vor Ort. In Kombination mit Steuererleichterungen für Automobilproduzenten führte diese Maßnahme zu starken Investitionen auch von bisher wenig präsenten Herstellern, wie BMW und Toyota (Business Monitor International, 2013, S. 18). 2012 erreichte der brasilianische Neufahrzeugmarkt ein Rekordhoch von 2,85 Millionen verkauften Fahrzeugen (ANFAVEA, 2016b) und einem Nettoumsatz von umgerechnet mehr als 76 Millionen Euro (ANFAVEA, 2016a, S. 36). Stimmten die Prognosen mit einem erwarteten jährlichen Durchschnittswachstum von fast 7 Prozent bis 2018 (MarketLine, 2014, S. 12) die Hersteller zu diesem Zeitpunkt noch geradezu überschwänglich positiv, erfolgte nur ein Jahr später der Einbruch. Seit 2013 befindet sich der Markt aufgrund der schwachen Wirtschaft in einem starken Abwärtstrend. 2015 verzeichnete einen Einbruch von 24 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (Euler Hermes, 2016b) mit nur noch 2,12 Millionen Neuzulassungen (ANFAVEA, 2016b). Auch für 2016 wird eine schwache Bilanz erwartet, die Talfahrt verlangsamt sich aber langsam. Ab 2018 wird jedoch wieder mit einem Aufschwang gerechnet (GTAI, 2016, S. 1) und die mittel- bis langfristigen Prognosen für den brasilianischen Kfz-Markt bleiben weiterhin positiv (Strategy&, 2016, S. 7).
Trotz gedämpftem Wachstum drängen immer neue Hersteller, gerade aus dem Premiumsegment, in den Markt. BMWs Absatz wächst stetig, 2015 sogar um 50 Prozent, und auch Mercedes verkauft stetig mehr Autos in Brasilien (FENABRAVE, 2015, S. 21; ANFAVEA, 2016a, S. 72).
3.3 Produkt
3.3.1 Produktbezogene Aspekte
3.3.1.1 Produkttypen
Befand sich bis 2013 noch kein Premiumhersteller in den Top10 der meistverkauften Automarken (Business Monitor International, 2013, S. 26), ist inzwischen ein zunehmender Anteil an Premiumfahrzeugen zu beobachten. Bisher wurden vor allem Klein- und Kompaktwagen verkauft (Center für Automobil-Management, 2012, S. 2; Fujikawa Nes, 2012, 8. Abs.). Die neue Mittel- und Oberschicht interessiert sich aber inzwischen vermehrt für luxuriösere Modelle (Havas Digital, 2011, S. 19), auch weil Mittelklassewagen in Brasilien verhältnismäßig teuer sind und der Sprung in den Premiumbereich dadurch relativ gering ist (Center für Automobil-Management, 2012, S. 2). Premiumautos zählen zu den am meisten im Internet gesuchten Luxusartikeln (Teixeira, 2015a, 6. Abs.). Schaffmeister (2015) nennt dieses Phänomen, das auch in den anderen BRIC-Staaten zu beobachten ist‚ ‚Premiumization’ (S. 364). Das Premiumsegment blieb sogar bisher von der Krise relativ verschont und rechnet erst Ende 2016 mit einer Stagnation (GTAI, 2016, S. 2).
In Bezug auf die verkauften Modelle ist eine klare Zweiteilung erkennbar. Über die Hälfte der verkauften Modelle sind Klein- und Kompaktwagen, also typische Einsteigermodelle. Daneben konnte vor allem die SUV-Sparte in den letzten Jahren eine vermehrte Nachfrage verzeichnen. (ANFAVEA, 2015, S. 26f.) Der Anteil an SUVs hat sich von 2011 bis 2016 verdoppelt und liegt im ersten Halbjahr 2016 bei 18 Prozent aller Neufahrzeugverkäufe (FENABRAVE, 2016 S. 12). Bei den 50 am häufigsten verkauften Modellen im ersten Halbjahr 2016 handelt es sich entweder um Klein- bzw. Kompaktwagen oder SUVs (Baumann, 2016).
3.3.1.2 Sonderausstattungen & Zubehör
Bisher gingen Premiumhersteller durch Verbreiterung des Portfolios und die Entwicklung immer neuer Derivate auf sich verändernde Kundenwünsche ein. Da eine unbegrenzte Verbreiterung der Produktpalette in Zukunft an ihre Grenzen stoßen wird, müssen sie sich auf anderem Wege von der Konkurrenz abheben und differenzieren. Eine Möglichkeit ist der Fokus auf Zubehör, sowohl in Bezug auf Design und Komfort also auch auf Sicherheitsfeatures. (McKinsey & Company, 2013, S. 18) In Brasilien brachten Autohersteller lange Zeit abgespeckte Versionen schon älterer Modelle mit wenig Ausstattung auf den Markt, beispielweise ohne Airbags. Mit zunehmendem Kundenanspruch ändert sich auch das inzwischen. (Center für Automobil-Management, 2012, S. 4) Sicherheitsaspekte stehen vermehrt im Vordergrund (Ernest & Young, 2013, S. 3). Brasilianer investieren nicht nur in teurere Autos, sondern auch verstärkt in ‚mehr von allem’: mehr Zubehör, mehr Luxus, mehr Technik (Havas Digital, 2011, S. 16). Der Zubehörmarkt in Brasilien ist bereits heute mit umgerechnet fast 6 Milliarden Euro Umsatz riesig. Alleine eine halbe Milliarde entfällt auf Audiozubehör, aber auch Sicherheitsfeatures und GPS-Geräte sind gefragt. Vor allem Männer zwischen 20 und 30 Jahren in der gehobenen Mittelschicht sind die Käufer. (Teixeira, 2015b, 9. & 10. Abs.)
Auch haben Brasilianer ein Faible für Personalisierung und Individualisierung und bevorzugen Produkte, die so weit wie möglich ihren Vorstellungen angepasst werden können (Mazza, 2014, S. 3). Die Personalisierungsmöglichkeiten sind bei vielen Modellen von den Herstellern begrenzt und oft werden feststehende Ausstattungspakete angeboten. Dennoch bietet sich hier eine große Chance zum einen für Zusatzgewinne durch Zubehörverkäufe, zum anderen sind Personalisierungsmöglichkeiten ein zusätzliches Verkaufsargument und potenzieller Wettbewerbsvorteil.
3.3.2 After-Sales-Services
Brasilien ist im Bereich After-Sales-Service im Automobilbereich noch relativ unterentwickelt. Das liegt unter anderem daran, dass die brasilianische Autoflotte bisher generell relativ alt und auch technologisch veraltet war. Sie bestand außerdem zum Großteil aus Basismodellen mit wenig Ausstattung, also geringem Reparaturbedarf. (Roland Berger, 2013, S.5f) Die Händler haben verhältnismäßig wenig Erfahrung damit, Kunden zu halten, fokussieren sich jedoch inzwischen mehr auf After-Sales-Services zur Kundenbindung und Umsatzsteigerung (Roland Berger, 2013, S. 6).
Dabei lassen sich gerade in krisengeschüttelten und umkämpften Märkten wie Brasilien durch herausragenden Service entscheidende Wettbewerbsvorteile und langfristige Kundenbindung erzielen (J.D. Power, 2015, 7. Abs) und langfristiges Wachstum sichern (Ebel et al., 2014, S. 6). Durch die noch starke Fragmentierung des Servicemarkts bietet sich für Hersteller und deren Vertragswerkstätten großes Potenzial. Das haben vor allem asiatische Hersteller wie Toyota, Hyundai und Mitsubishi erkannt und versuchen durch exzellenten Service den starken Marken wie Fiat und Volkswagen Marktanteile abzunehmen (J.D. Power, 2015, 4. Abs).
Der Stand der Hersteller im After-Sales-Markt ist schwierig, haben sie doch nur einen Anteil von 20 Prozent am Ersatzteil- und Reparaturmarkt (Roland Berger, 2013, S. 8). Sowohl Zulieferer als auch Kunden vertrauen mehr auf unabhängige Serviceanbieter und Werkstätten (Capgemini, 2014, S. 26; Roland Berger, 2013, S. 6). Für Hersteller sind die Brasilianer dankbare Kunden, denn sie achten sehr auf ihre Autos und reparieren sichtbare Schäden schnell. Allerdings sind sie auch enorm preissensitiv und misstrauisch gegenüber Vertragshändlern und -werkstätten, was Serviceleistung und Preis-Leistungsverhältnis betrifft. (Roland Berger, 2013, S. 6)
Gerade bei Premiumprodukten spielt der Service nach dem Kauf jedoch eine entscheidende Rolle. Brasilien ist hier extrem anspruchsvoll (Mazza, 2014, S. 3). Kostenlose Inspektionen, die Abholung des Autos direkt beim Kunden sowie geringe oder keine Wartezeiten bei der Terminvergabe werden erwartet (Deloitte, 2014, S. 23; J.D. Power, 2015, 10. Abs.). Services, wie Terminvereinbarung über das Internet und Information des Kunden über Status und Fortschritt von Reparaturen und Inspektionen, sind dagegen bisher wenig verbreitet (J.D. Power, 2015, 11. & 12. Abs.).
3.3.3 Bedeutung der Marke
In Brasilien spielt die Marke eines Autos eine entscheidende Rolle. Als zumeist Erfahrungskauf werden beim Autokauf lediglich eine bestimmte Anzahl von Marken in Betracht gezogen (Diez, 2009, S. 53). Vor allem im Premiumbereich kann vorausgesetzt werden, dass bereits auf Erfahrungswerte zurückgegriffen werden kann, da ein Premiumauto in der Regel kein Einsteigermodell ist. Brasilianer ziehen im internationalen Vergleich die meisten Marken in Betracht, nämlich zwischen drei und fünf (Deloitte, 2014, S. 19). Vorherige Erfahrungen mit der Marke werden von den Brasilianern als einer der Hauptgründe für den Kauf eines Wagens genannt (J.D. Power, 2016, 12. Abs.) Auch wird bereits bei der Informationssuche ganz gezielt nach Marken gesucht (Havas Digital, 2011, S. 28). Starke Markenpräsenz ist im brasilianischen Markt deshalb extrem wichtig.
Beim Autokauf steht nicht zuerst die Leistung eines Autos im Vordergrund, sondern emotionale, über die Marke transportierte Aspekte wie Prestige, Akzeptanz im Freundeskreis und die Bewertung des präferierten Automodells von Experten (Ciochetto, 2011, S. 28). Das Herkunftsland einer Marke und dessen Image spielen in Brasilien eine große Rolle. Für 65 Prozent der Konsumenten ist das sogenannte Country-of-Origin Image ausschlaggebend bei der Kaufentscheidung (Globeone, 2013, S. 2), vor allem in der Oberschicht und oberen Mittelschicht (Globeone, 2013, S. 6). Sozialer Status wird über die Marke nach außen dargestellt und der Besitz prestigeträchtiger Marken ist wichtig (Schaffmeister, 2015, S. 313). Diese beiden Gesellschaftsschichten sind außerdem sehr affin für nicht-brasilianische Marken, allen voran deutsche und japanische (Globeone, 2013, S. 11), was den Autoherstellern in die Hände spielt. Deutsche Marken werden generell als Premiummarken betrachtet, sind extrem bekannt und haben ein sehr positives Image.
VW kommt in Brasilien auf eine Markenbekanntheit von 99 Prozent und auch BMW hat trotz minimaler Marktanteile einen Bekanntheitsgrad von 94 Prozent (Globeone, 2013, S. 3).
3.4 Vertrieb
3.4.1 Händlernetzwerk
Mit zunehmender Digitalisierung hat der Neuwagenvertrieb einen starken Wandel erfahren. Statt dem klassischen Gang zum Händler stehen den Kunden schon bei der Informationssuche wesentlich mehr Möglichkeiten zur Verfügung. Hersteller setzen auf innovative Vertriebsformate wie Flagship- und Pop-Up-Stores (Lankers, 2014, 6. Abs.). Vor allem Kunden im Premiumsegment möchten beim Autokauf möglichst viele Vertriebskanäle zur Auswahl haben (Lankers, 2014, 5. Abs.). Generell steigt gerade in wachsenden Märkten die Bereitschaft Autos online zu kaufen (Capgemini, 2014, S. 7). Händler stehen deshalb vor der Herausforderung sich in diesem Umfeld zu behaupten.
In Brasilien wird der Großteil der Autos über Vertragshändler verkauft. Das Internet wird bisher hauptsächlich vom Gebrauchtwagenhandel als Absatzplattform genutzt. (Teixeira, 2015b, 4. Abs.) Allerdings sehen auch schon hier einzelne Hersteller ihre Chance Autos direkt abzusetzen (siehe Kapitel 3.4.2), vor allem in Ländern die flächenmäßig so groß und deshalb schwer flächendeckend stationär zu erschließen sind wie Brasilien.
Dennoch ist das physische Erleben des Autos vor dem Kauf immer noch entscheidend für die meisten Autokäufer. 82 Prozent weltweit absolvieren mindestens eine Probefahrt vor Kauf (McKinsey & Company, 2014, S. 13). Gerade in der Entscheidungsphase ist der persönliche Kontakt zum Händler wichtig für detaillierte Informationen zu Funktionen, Finanzierungsmöglichkeiten und Zubehör (McKinsey & Company, 2014, S. 13). Auch spielt der Händler eine wichtige Rolle für die emotionale Bindung zur Marke (Lankers, 2014, 9. Abs.). In Brasilien sind Vertrauen und persönlicher Kontakt bei größeren Investition ein Muss (GTAI, 2015, S. 19). Der Händler ist immer noch die, von den meisten brasilianischen Konsumenten genutzte Informationsquelle, dicht gefolgt von der Hersteller- webseite (Capgemini, 2013, S. 20). Dennoch haben Brasilianer keine gute Meinung von Vertragshändlern, wenn es um Beratung und Informationssuche beim Autokauf geht, sondern vertrauen eher auf ihr persönliches Umfeld, mediale Berichterstattung und Informationen direkt vom Hersteller (Deloitte, 2014, S. 20 & 22).
Außerdem sind Brasilianer gerade im Premiumsegment ungeduldige Konsumenten und sehen nicht ein, auf etwas warten zu müssen. Von Händlern wird erwartet Autos vorrätig zu haben, auf eine Warteliste gesetzt zu werden ist keine Alternative (Mazza, 2014, S. 3). Dies stellt auch hohe logistische Anforderungen an die Händler bei der Befriedigung der Kundenbedürfnisse. Diese sind bisher noch sehr auf Kunden aus dem Klein- und Kompaktwagensegment ausgerichtet und müssen sich nun langsam an die Erwartungen der oberen Segmente anpassen (A.T. Kearney, 2014, S. 5). Gerade bei hochpreisigen Produkten ist man in Brasilien sehr anspruchsvoll, was den Service rund um den Kauf betrifft. Wenn ein Kunde stationär einkauft, dann auch weil er den begleitenden Service, wie Erfrischungen, eine ansprechende Ladengestaltung, oder auch die Einladung zu exklusiven Events des Händlers schätzt (Mazza, 2014, S. 3). Den höchsten Einfluss auf die Zufriedenheit der Kunden mit dem Autokauf beim Händler hat die Auslieferung des Wagens. Eine ausführliche Einführung und Erklärung des neuen Autos wird erwartet. (J.D. Power, 2016, 10. Abs.)
3.4.2 Autokauf 3.0
Große Teile des Autokaufprozesses passieren bereits heute online. Brasilianer sind grundsätzlich extrem online-affin und verbringen im Vergleich zu Europäern wesentlich mehr Zeit im Internet, nämlich fast sechs Stunden mehr pro Woche (Havas Digital, 2011, S. 21). 60 Prozent der Neuwagenkäufer in Brasilien beginnen ihre Informationssuche online (J.D. Power, 2016, 8. Abs.). Der Besuch beim Händler für eine Probefahrt ist meistens der letzte Schritt vor dem eigentlichen Kauf (J.D. Power, 2016, 5. Abs.). Viele Herstellerwebseiten bieten neben einem Online-Konfigurator auch die Möglichkeit sich Händler anzeigen zu lassen, die das gewünschte Modell vorrätig haben (Teixeira, 2015a, 6. Abs.). Das ist bei den ungeduldigen brasilianischen Konsumenten besonders wichtig (siehe Kapitel 3.4.1). 47 Prozent der Brasilianer würden ihr Auto online kaufen (Capgemini, 2014, S. 20), am liebsten direkt vom Hersteller (Capgemini, 2014, S. 25). Auch hier spielt der in Kapitel 3.3.1.2 angesprochene Wunsch nach Personalisierung eine Rolle. Ein Auto kann online ganz leicht selbst den eigenen Wünschen angepasst und es können verschiedene Kombinationsmöglichkeiten ausprobiert werden, ohne extra zum Händler fahren zu müssen, der die gewünschte Ausstattung vielleicht gar nicht zur Ansicht vor Ort hat.
Ein Hersteller, der in Brasilien bereits erfolgreich den Sprung in den sogenannten Autokauf 3.0 geschafft hat, ist General Motors. GM vertreibt bereits seit 2000 sein Kleinwagenmodell Celta online. Die Kunden haben die Möglichkeit ihren Wagen inklusive Zubehör komplett online zu konfigurieren und zu bestellen. Den Auslieferungsstatus bis zum Eintreffen bei einem der 470 brasilianischen GM-Händler ihrer Wahl können sie live nachverfolgen. Die Lieferzeit beträgt nur eine Woche und der Celta ist seit Jahren eines der Bestsellerautos des Landes. (Bodisch, 2009, S. 5)
Ein Beispiel für die gelungene Verknüpfung von Online- und Offlinekanälen in Brasilien stammt von Fiat. Der Point-of-Sale ist immer noch einer der entscheidendsten Kommunikationskanäle im Automobilbereich (Capgemini, 2014, S. 27). Fiat eröffnete 2013 deshalb in Brasilien den ersten digitalen Showroom. Anstatt selbst zu einem Vertragshändler fahren zu müssen, konnten sich die Kunden online durch den Showroom führen lassen und die Automodelle digital erleben. Dazu entwickelte Fiat ein spezielles Headset für sein Verkaufspersonal. Die Kunden vor dem Computer konnten die Autos dann live durch die Augen des Verkäufers vor Ort sehen und sie sich erklären lassen. Fiat sah darin ein Mittel um Kunden den letzten, und gerade in Brasilien nicht sonderlich beliebten Schritt zum Händler (siehe Kapitel 3.4.1) zu erleichtern. Die Strategie ging auf; 65 Prozent der ‚Online-Besucher’ vereinbarten am Ende des Gesprächs eine Probefahrt. (Greenberg, 2014)
3.5 Kommunikation
3.5.1 Kanäle
Dem weltweiten Trend folgend verschiebt sich die Nutzung der Kommunikationskanäle auch in Brasilien zunehmend in den Online-Bereich. Das Internet ist während des gesamten Kaufentscheidungsprozesses die Hauptinformationsquelle für brasilianische Autointeressenten (Havas Digital, 2011, S. 27), dicht gefolgt vom persönlichen Umfeld und TV (Globeone, 2013, S. 3; Havas Digital, 2011, S. 29). Durch die hohe Internetnutzung in Brasilien, vor allem im Mobile-Bereich, wird die Präsenz in allen Onlinekanälen für Autohersteller und -händler immer wichtiger. Brasilianer verbringen im Vergleich zu den europäischen Ländern Frankreich, Deutschland und Großbritannien doppelt so viel Zeit online (Schaffmeister, 2015, S. 244) und Ende 2016 werden wohl fast 65 Prozent der brasilianischen Bevölkerung ein Smartphone besitzen (eMarketer, 2015a, 14. Abs.). Soziale Netzwerke sind, nach dem Fernseher, zweitwichtigster Kommunikationskanal (Schaffmeister, 2015, S. 244) und auch Blogs haben eine überdurchschnittliche Reichweite in Brasilien, nämlich über 21 Prozent mehr als im Rest der Welt und erreichen insgesamt 71 Prozent der brasilianischen Online-Community (Havas Digital, 2011, S. 24).
In Bezug auf vor allem hochwertige und kreative Werbung, herrscht in Brasilien eine starke Toleranz und Akzeptanz vor (O’Barr, 2008, 2. Abs.). Besonders begehrte Werbeflächen sind Product Placements und Werbeslots in den populären Telenovelas, aber auch bei Sportereignissen, vor allem Fußball (O’Barr, 2008, 2. Abs.). Telenovelas haben in Brasilien eine Reichweite von circa 90 Prozent und dort platzierte Produkte einen starken Einfluss auf Konsumenten (O’Barr, 2008, 4. Abs.). Da die Werbepreise vor allem im TV extrem hoch sind (eMarketer, 2015a, 8. Abs.), landen 63 Prozent der Werbeausgaben im FreeTV (eMarketer, 2016, 2. Abs.). Generell wandern die Werbeausgaben aber zunehmend ins Internet. Für digitale Werbeformen, vor allem im Mobile-Bereich stiegen sie in den letzten Jahren kontinuierlich an, und machten 2015 mehr als 15 Prozent des Gesamtwerbebudgets aus (eMarketer, 2015b, 1. Grafik).
Im Automobilbereich wird verstärkt in Werbung investiert, vor allem durch die großen etablierten Hersteller, aber auch neue Marktteilnehmer. Allein zwischen 2007 und 2009 stiegen die Werbeausgaben im Automobilbereich in Brasilien von umgerechnet 660 Millionen auf über eine Milliarde Euro (Havas Digital, 2011, S. 25). Auch hier ist ein klarer Trend in Richtung Mobile Advertising zu erkennen. VW erhöhte 2009 sein Budget in diesem Bereich um ganze 85 Prozent, gefolgt von GM mit 75 Prozent (Havas Digital, 2011, S. 21). Insgesamt fließt bis zu 30 Prozent des Werbebudgets der Autohersteller in Brasilien in digitale Kanäle (eMarketer, 2015a, 7. Abs.). Social Media wird von ihnen vor allem genutzt, um die eigene Markenpräsenz im umkämpften Markt zu erhöhen (Socintel360, 2014, 1. Abs.).
80 Prozent der Brasilianer halten auf Händler- und Herstellerwebseiten sogenannten user-generated content, also Inhalte, die von anderen Nutzern geschaffen wurden, für sehr wichtig (Capgemini, 2013, S. 19). In Schwellenländern steigt die Kaufwahrscheinlichkeit durch positive Nutzerkommentare in sozialen Medien um 50 Prozent an, bei negativen Kommentaren sinkt sie um 35 Prozent (Capgemini, 2013, S. 18). Unabhängige Berichterstattung und Rezessionen in Blogs und Fachzeitschriften, sowie positive Kommunikation in sozialen Netzwerken sind deshalb wichtig für die Autohersteller.
3.5.2 Werbebotschaften
Der Kauf eines Autos ist auch immer ein sehr emotionaler Vorgang, bei dem Aussehen, Design und Image eine große Rolle spielen, vor allem im Premiumsegment (Diez, 2009, S. 46). Deshalb müssen diese Aspekte auch in der Gestaltung der Werbebotschaften berücksichtigt werden. Gerade in Brasilien, wo das Auto als die Manifestation des sozialen Aufstiegs gilt (Arthur D. Little, 2009, S. 55), spielt die Außenwirkung des Fahrzeugs eine entscheidende Rolle.
General Motors konzentrierte sich 2008 im Werbespot für sein neues Modell Meriva nicht auf die Beschreibung der technischen Neuerungen und Ausstattungen des Autos, sondern positionierte es bewusst als modisches Statement. Das neue Getriebe, das es ermöglichte das Auto sowohl als Automatik und Schaltung zu fahren, wurde nicht einfach von der technischen Seite her betrachtet. Stattdessen wurde es im Spot mit einem Kleidungsstück gleichgesetzt, dass für jeden Anlass passend kombiniert und getragen werden kann. (O’Barr, 2008, 8. Abs.)
Brasilianer sind generell sehr optimistisch eingestellt. Deshalb ist die positive Formulierung von Werbebotschaften und das Vermitteln eines lebensfrohen Bildes in Werbungen entscheidend für den Erfolg von Kampagnen (Schaffmeister, 2015, S. 238f.). Außerdem überwiegt in der brasilianischen Werbung visuelle Kommunikation über dem geschriebenen Wort (O’Barr, 2008, 10. Abs.). Eindrucksvolle Bilder sollen für sich sprechen, Slogans und Werbetexte werden bewusst kurz gehalten.
3.6 Zwischenfazit
Betrachtet man den brasilianischen Automobilmarkt aus Sicht von BMW, weist dieser zusammenfassend sowohl positive als auch negative Voraussetzungen für die Einführung neuer Produkte auf.
Negativ zu bewerten ist die, trotz ursprünglich positiver Prognosen, derzeit anhaltende Absatzkrise im Automobilbereich. Sie trifft sowohl Händler als auch Hersteller, die, initiiert durch hohe Importzölle und Subventionen für die Produktion vor Ort, stark in den brasilianischen Markt investiert haben. Die Hauptakteure VW, Fiat und General Motors sind schon lange im Markt vertreten und stark etabliert. Außerdem drängen immer mehr neue Hersteller, gerade aus Asien, in den Markt, um von dessen großem Potenzial zu profitieren. BMW muss sich also in einem stark umkämpften Umfeld behaupten und verfügt bisher über einen extrem geringen Marktanteil.
Brasilien ist zudem ein Markt mit hohen Ansprüchen an Service und Vertrieb, gerade in den oberen Marktsegmenten. Der Bereich After-Sales-Services ist noch relativ unterentwickelt und Hersteller profitieren bisher noch wenig vom After-Sales-Geschäft. Auch sind Händler durch den bisherigen Fokus auf Einsteigermodelle noch nicht auf den Vertrieb von Premiumautos ausgerichtet und haben außerdem mit einem schlechten Image und wenig Vertrauen von Kundenseite aus zu kämpfen.
Positiv für BMW als Premiumhersteller ist in erster Linie das hohe Absatzpotenzial, das Brasilien als Schwellenland mit einer wachsenden Mittel- und Oberschicht und zunehmender Kaufkraft trotz derzeitiger Krise aufweist. Der Trend zu ‚Premiumization’ macht sich auch im Automobilbereich bemerkbar, ebenso wie die global beobachtbare Tendenz zur Personalisierung von Fahrzeugen. Einsteigermodelle wie Klein- und Kompaktwagen werden zunehmend durch hochpreisigere Modelle ersetzt.
Deutsche Marken haben bereits jetzt ein sehr gutes Image in Brasilien und BMW als deutscher Premiumhersteller einen extrem hohen Bekanntheitsgrad. Der große Zubehörmarkt und der Hang der Brasilianer zu Individualisierung von Produkten bieten zusammen mit einem Ausbau der After-Sales-Services eine gute Basis für Gewinne über den reinen Autokauf hinaus und langfristiges Wachstum.
Auch ist das Werbeumfeld in Brasilien durch die hohe Akzeptanz von Vorteil für die Einführung neuer Produkte. Durch ihre hohe Internetaffinität sind die Brasilianer sehr empfänglich für den Online-Vertrieb von Autos. Gerade ein Hersteller wie BMW, der noch wenig etabliert ist und über kein dichtes Händlernetzwerk im Vergleich zu den großen Marktteilnehmern verfügt, kann so Kunden dennoch erreichen und potenziell größere Gewinne durch das Überspringen des Händlers erzielen.
Die Defizite im Bereich After-Sales-Services können neue Marktteilnehmer wie BMW nutzen, um sich durch exzellenten Service von der Konkurrenz zu differenzieren und die Kunden dauerhaft an die Marke zu binden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: Positive und negative Gegebenheiten im brasilianischen Kfz-Markt aus Sicht von
Quelle: Eigene Darstellung
4. Kulturvergleichende Forschung
4.1 Definition von Kultur
Die Definition des Begriffs Kultur ist gleichzeitig Kern und Kernproblem der kulturvergleichenden Forschung. Je nach Forschungsdisziplin und -gegenstand werden bei der Definition und Operationalisierung des Begriffs verschiedene Aspekte ausgewählt und andere vernachlässigt (Jahoda, 2012, S. 300). Minkov (2013) setzte sich intensiv mit der Vielzahl existierender Kulturdefinitionen auseinander und gelangte letztlich zu einem sehr salomonischen, aber wenig praktikablen Urteil. „Culture can be pragmatically defined by the contents and boundaries of the interests of the scholars who study it“ (S. 11).
Geert Hofstede bezieht sich in seinem Kulturverständnis auf eine Definition von Kroeber und Kluckhohn (1952): „Culture consists of patterns, explicit and implicit, of and for behavior acquired and transmitted by symbols, (. . .) including their embodiments in artifacts; the essential core of culture consists of traditional (i.e. historically derived and selected) ideas and especially their attached values“ (S. 357). Kroeber und Kluckhohn integrieren in ihre Definition sowohl materielle Artefakte und Symbole als Manifestation von Kultur, als auch psychologische Aspekte, betonen jedoch explizit die Wichtigkeit von Werten (values) als Basis und Kernstück von Kultur. Hofstede (1984) greift dieses Verständnis von ideellen Werten als Grundlage kulturellen Verständnisses auf und basiert seine Forschung auf folgender Definition: „I treat culture as the collective programming of the mind distinguishing the members of one group or category of people from another“ (1984, S. 21). Der Begriff ‚mind’ im Sinne von Verstand steht bei Hofstede für Denken, Fühlen und Handeln, gesteuert von unterliegenden Werten, die zwar per se unsichtbar sind, sich jedoch in sichtbaren Elementen von Kultur, wie Symbolen oder menschlichem Handeln manifestieren können (Hofstede, 2001, S. 9f).
Auch das internationale Forschungsteam hinter dem GLOBE Projekt rund um Robert House nimmt bei seiner Definition des Konstrukts Kultur die psychologische Perspektive ein und spricht von Kultur als „shared motives, values, beliefs, identities, and interpretations or meanings of significant events that result from common experiences of members of collectives that are transmitted across generations“ (House, Hanges, Javidan, Dorfman & Gupta, 2004, S. 15). Beiden Definitionen ist also der Fokus auf Werte als Kern von Kultur gemein, die erlernt und innerhalb von Kollektiven (z.B. Nationen) weitergegeben werden.
[...]
[1] Wie den Quellenangaben unter den Beispielbildern zu entnehmen ist, wurde zur Bestimmung der Positionierung Bildmaterial von der brasilianischen BMW-Webseite, sowie aus der deutschen Version des Katalogs herangezogen. Rückschlüsse von der deutschen auf die brasilianische Version sind möglich, da die gesamte BMW Verkaufsliteratur zentral in Deutschland produziert, und anschließend ohne andere Anpassungen rein sprachlich für die Zielmärkte adaptiert wird. Hierbei handelt es sich um eigene Erfahrung der Verfasserin im Rahmen einer Tätigkeit für BMW, Abteilung Internationale Verkaufsliteratur.
[2] Zum Vergleich: Das Modell mit vergleichbarer Motorisierung kostet in Deutschland ab 55.700 € (BMW, 2016, S. 5) bei einem jährlichen Bruttonationaleinkommen von umgerechnet knapp über 42.000 Euro (Statistisches Bundesamt, 2016).
- Quote paper
- Julia Schmid (Author), 2017, Standardisierung versus Adaption. Der Einfluss kultureller Rahmenbedingungen auf die Erfolgsfaktoren von Produkteinführungen am Beispiel des brasilianischen Automobilmarkts, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/382013
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