Bis heute werden in der Schule Figurengedichte wie selbstverständlich im Bereich der Poetik beziehungsweise der Lyrik eingeordnet und als Gedichte behandelt. Dabei wird kein Schüler bei der Frage nach der Lyriktheorie zuerst an Figurengedichte denken. Viel mehr hat sich das Verständnis von einem Gedicht als kurzer Text, der aus Versen besteht und sich bestenfalls reimt, in den Gedanken der Menschen festgesetzt.
Dieser Fakt erscheint bei Betrachtung vieler moderner Gedichte, die keineswegs mehr derart einfach von Prosatexten zu differenzieren sind, als erstaunlich. Feste Grenzen werden immer weiter gesprengt, Reime sind kein Muss mehr und es wird zunehmend schwieriger, festzulegen, was ein Gedicht ausmacht.
Dieses Definitionsproblem ist nicht neu. Schon seit dem Barock bemühen sich Literaten und Dichter darum, eine allgemeingültige Definition von Lyrik zu finden, die alle Untergenres mit einbezieht. Der Mensch strebt nach Systematisierung, und doch gibt es bislang keinen Ansatz, der von der Allgemeinheit akzeptiert wird. Für diese Problemstellung bilden Figurengedichte ein Paradebeispiel. Als Genre, das zwei künstlerische Medien – nämlich die Bildende Kunst und Literatur – in sich vereint, fällt es zunehmend stärker aus dem Diskussionsspektrum als viele andere Gedichtarten. Dies ist mitunter der Grund dafür, dass Figurengedichte bereits im Barock abgewertet und nie als vollwertige Gedichte wahrgenommen wurden. Selbst im 21. Jahrhundert gibt es nur wenige detaillierte Einzelinterpretationen zu Figurengedichten und eine genaue Gattungsdefinition erweist sich aufgrund der unterschiedlichen Formen als schwierig.
Aus diesem Grund bilden sie den Kern der vorliegenden Arbeit, in der es darum gehen soll, darzulegen, welche Probleme es bei der Einordnung von Figurengedichten in die Lyriktheorie gibt. Zudem soll ein Ansatz vorgeschlagen werden, um diese Lücken innerhalb der Theorie zu füllen. Das Ziel der Arbeit soll es demnach sein, die Fragen zu klären, was überhaupt als Figurengedicht bezeichnet wird und inwieweit das Genre als ein Anzeiger für eine unzulängliche Lyrikdefinition betrachtet werden kann.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Definition des Bild-/Figurengedichts
- Problem der Einordnung: visuelle Poesie vs. 'Visuelle Poesie'
- Formen von Figurengedichten und deren Anfänge
- Figurengedichte im Randbereich von Lyrik und Dichtung
- Im Barock (1575-1770)
- Die Moderne im Zwiespalt: Lösungsansatz oder weiterhin Randerscheinung?
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit beschäftigt sich mit der Einordnung von Figurengedichten in die Lyriktheorie. Sie beleuchtet die Schwierigkeiten, die sich aus der besonderen Verbindung von Bildender Kunst und Literatur ergeben, und untersucht die Rolle des Genres in der Geschichte der Poesie, insbesondere im Barock und der Moderne.
- Definition des Figurengedichts und seine Einordnung in die Lyriktheorie
- Analyse des Problems der Einordnung von Figurengedichten in die Strömung der „Visuellen Poesie“
- Beurteilung von Figurengedichten im Kontext des Barock und der Moderne
- Diskussion der Bedeutung von Figurengedichten für die Entwicklung der Lyrik
- Entwicklung eines Ansatzes, um die Lücken in der Lyriktheorie in Bezug auf Figurengedichte zu schließen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt das Problem der Einordnung von Figurengedichten in die Lyriktheorie dar und begründet die Relevanz der Arbeit. Im zweiten Kapitel wird eine Definition des Bild-/Figurengedichts erarbeitet und das Problem der Einordnung in die Strömung der „Visuellen Poesie“ beleuchtet. Kapitel 3 betrachtet die Rezeption von Figurengedichten im Barock und in der Moderne und zeigt auf, wie sie in diesen Epochen als Randerscheinung oder als innovativer Ansatz wahrgenommen wurden.
Schlüsselwörter
Figurengedicht, visuelle Poesie, Lyriktheorie, Barock, Moderne, Intermedialität, Bild-Text-Beziehung, Gattungsdefinition, Definitionsproblem.
- Citation du texte
- Sera Herrmann (Auteur), 2016, Figurengedichte als beispielhafter Anzeiger für eine unzulängliche Lyrikdefinition, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/380865