Jeder Stadt widerfährt im Laufe ihrer Geschichte eine Entwicklung. Diese Entwicklung kann von unterschiedlichen Faktoren abhängen: Veränderte Funktionen der Stadt, alternierende Einwohnerzahlen, auftretende Katastrophen oder industrielle bzw. militärische Entwicklungen. Diese Faktoren erfordern stets eine Anpassung an die nun vorherrschende Situation. Umstrukturierungen müssen meist über längere Zeiträume geplant werden, können jedoch aus finanziellen Gründen in den meisten Fällen nur bruchstückhaft realisiert werden.
Eine Option, Stadtentwicklung schneller betreiben zu können, bietet sich mit der Durchführung eines Großprojekts. Finanzielle Zuschüsse und großes mediales Interesse bieten darüber hinaus die Möglichkeit sich, je nach Größe des Projekts, überregional bis international zu präsentieren. Immer mehr Städte wollen sich diese Eigenschaften der Großprojekte zunutze machen: Sie bewerben sich als Ausrichter und Veranstalter von Großereignissen wie beispielsweise Weltausstellungen, Olympische Spiele, Musik- und Filmfestspiele oder Landesgartenschauen. Auch Landau in der Pfalz versprach sich mit der Durchführung einer Landesgartenschau im Jahr 2015 diesen Effekt.
In dieser Arbeit soll untersucht werden, ob die Durchführung der Landesgartenschau der Stadt geholfen hat sich weiterzuentwickeln, oder ob die Gartenschau zwei Jahre nach der Durchführung lediglich als halbjähriges Veranstaltungsspektakel angesehen werden kann. Im zweiten Kapitel soll dazu zuerst der Begriff "Stadtentwicklung" definiert und in seinen verschiedenen Formen dargestellt werden. Darüber hinaus soll vor allem ein Fokus auf die Projektpolitik gelegt werden. Das dritte Kapitel stellt die Geschichte Landaus dar, in der vor allem die militärische Geschichte mit all ihren Veränderungen im Vordergrund steht, die städtebauliche Voraussetzung für das Durchführen dieser Gartenschau.
In den folgenden zwei Kapiteln soll das Großereignis "Landesgartenschau" zum einen an allgemeinen Beispielen und dann speziell am Beispiel "Landesgartenschau Landau 2015" präsentiert werden.
Abschließend soll im letzten Kapitel mit Hilfe einer Auswertung von "Experteninterviews" und einer Bevölkerungsumfrage die Forschungsfrage "War die Landesgartenschau 2015 für Landau ein nachhaltiger Motor der Stadtentwicklung?" beantwortet werden.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Stadtentwicklung und Stadtplanung
2.1 Stadtentwicklung - Probleme der Definition
2.2 Drei-Phasen-Modell der Stadtentwicklung
2.2.1 Erste Phase: Extensive Urbanisierung
2.2.2 Zweite Phase: Intensive Urbanisierung
2.2.3 Dritte Phase: Desurbanisierung
2.3 Stadtentwicklung durch Großprojekte
2.3.1 Merkmale von Großprojekten
2.4 Politik durch Festivalisierung
2.4.1 Vorteile der Festivalisierung
2.4.2 Nachteile der Festivalisierung
2.5 Zwischenfazit
3. Die Stadt Landau
3.1 Der geschichtliche Anfang der Stadt Landau
3.2 Stadtentwicklung als Garnisonsstadt im 17. und 18. Jahrhundert
3.3 Stadtentwicklung im 19. und 20. Jahrhundert
3.4 Zwischenfazit
4. Die Landesgartenschau in Rheinland-Pfalz
4.1 Der Sinn einer Landesgartenschau
4.1.1 Integrative, modellhafte Regional- und Stadtentwicklungspolitik
4.1.2 Zeitliche und räumliche Zusammenführung von Maßnahmen verschiedener Themen- und Politikbereiche
4.2 Finanzierung einer Landesgartenschau
4.3 Veranstaltungsorte / Gelände einer Landesgartenschau
4.4 Attraktionen einer Landesgartenschau
4.5 Zwischenfazit
5. Die Landesgartenschau Landau
5.1 Planung
5.2 Durchführung
5.3 Veranstaltungen auf dem Gelände
5.4 Besucherzahlen
5.5 Zwischenfazit
6. Die Landesgartenschau als Motor der Stadtentwicklung? - Evaluation
6.1 Qualitative Befragung — Experteninterviews
6.2 Auswertung der Experteninterviews
6.2.1 Hypothese 1: Finanzen
6.2.2 Hypothese 2: Aufwertung der Stadtgebiete
6.2.3 Hypothese 3: Infrastruktur
6.2.4 Hypothese 4: Ökonomie
6.2.5 Hypothese 5: Tourismus und Imagegewinn
6.2.6 Resümee
6.3 Quantitative Befragung — Bevölkerungsumfrage
6.4 Auswertung der Bevölkerungsumfrage
6.4.1 Stadtbild
6.4.2 Verkehr
6.4.3 Freizeit
6.4.4 Resümee
7. Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
I. Leitfaden für die qualitative Befragung
II. Transkription der qualitativen Befragung
III. Fragebogen der quantitativen Befragung
IV. Auswertungsgrafiken der quantitativen Befragung
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 01: Lage Landaus in der BRD
- Innenstadtentwicklungskonzept der Stadt Landau (2016). S.9 <http:// www.landau.de/media/custom/1815_6363_1.PDF?1478501662> 22.04.2017
Abbildung 02: Das mittelalterliche Landau
- Innenstadtentwicklungskonzept der Stadt Landau (2016). S. 13 <http:// www.landau.de/media/custom/1815_6363_1.PDF?1478501662> 22.04.2017
Abbildung 03: Vaubans Plan des „neuen“ Landaus
- Innenstadtentwicklungskonzept der Stadt Landau (2016). S. 15 <http:// www.landau.de/media/custom/1815_6363_1.PDF?1478501662> 22.04.2017
Abbildung 04: Landau um 1790
- Imhoff, Andreas: Landau: Wirtschaft & Gesellschaft in einer Garnisonsstadt. Vom Ausgang des 17. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts. Bezirksverband Pfalz Inst. f. pfälz. Geschichte. 1996. S. 67
Abbildung 05: Raimund Hubers Stadterweiterungsplan von 1871
- Innenstadtentwicklungskonzept der Stadt Landau (2016). S. 17 <http:// www.landau.de/media/custom/1815_6363_1.PDF?1478501662> 22.04.2017
Abbildung 06: Vergleichende Übersicht der Landesgartenschauen in Rheinland-Pfalz seit 2000
- Petrisberg Dokumentation: Das Ende der Landesgartenschau. <http:// www.petrisberg-dokumentation.de/ereignis/pm041025> 30.04.2017
- Petrisberg Dokumentation: Durchführungshaushalt. <http://www.petrisberg- dokumentation.de/schlagworter/durchfuhrungshaushalt> 30.04.2017
- Stadt Trier (2014): Mut zum Risiko hat sich ausgezahlt. <http://www.trier.de/ Startseite/broker.jsp uMen=0af70f72-90a0-9c31-9577-29a532ead2aa&uCon=f07203eb- d4f0-5541-40ea-2013a348b027&uTem=63f7089a-29fc-6c31-e777-d8b132ead2aa> 27.04.2017
- FAQs Landesgartenschau Landau 2015 gemeinnützige GmbH. <http://lgs- landau.de/faq/?downloadId=559a82aeeac51dfa47c0322854e1a822-2297> 17.03.2017
- Landesgartenschau Landau (2015) - Abschlussdokumentation. <http://lgs- landau.de/assets/filepool/Broschueren/lgs_landau_Broschur_AD_A4_12web.pdf> 30.04.2017
- Auszüge aus der Broschüre „Die Dokumentation“ der LGS Kaiserslautern 2000. Diese Auszüge wurden mir von der iKL - Gemeinnützige Integrationsgesellschaft zur Verfügung gestellt; im Besitz der kompletten Broschüre ist auch die Integrationsgesellschaft nicht mehr.
- Bitte beachten: Die Zahlen der Gartenschau Kaiserslautern stammen aus dem Jahr 2000 und werden daher noch in DM angegeben, da eine 1:1 Umrechnung zu ungenau wäre.
Abbildung 07: Planerischer Überblick über das LGS-Gelände
- Landesgartenschau Landau (2015). Zahlen-Daten-Fakten. <http:// www.landtag.rlp.de/landtag/Landesgartenschau%20Landau.pdf> 30.04.2017
Abbildung 08: Eintrittspreise für die Landesgartenschau in Landau
- FAQs Landesgartenschau Landau 2015 gemeinnützige GmbH. <http://lgs- landau.de/faq/?downloadId=559a82aeeac51dfa47c0322854e1a822-2297> 17.03.2017
Abbildung. 09: Tatsächliche Investitionen des Investitionshaushaltes
- Landesgartenschau Landau (2015) - Abschlussdokumentation. <http://lgs- landau.de/assets/filepool/Broschueren/lgs_landau_Broschur_AD_A4_12web.pdf> 30.04.2017
Abbildung 10: Tatsächlicher Durchführungshaushalt
- Landesgartenschau Landau (2015) - Abschlussdokumentation. <http://lgs- landau.de/assets/filepool/Broschueren/lgs_landau_Broschur_AD_A4_12web.pdf> 30.04.2017
Abbildung 11: Wohngebäude Schulze-Delitzsch-Carree, direkt an der Landschaftsachse Süd
- eigenes Foto
Abbildung 12: Wohngebäude im neuen Wohnquartier
- eigenes Foto
Abbildung 13: Ausstellungsplan der Landesgartenschau
- Landesgartenschau Landau (2014). Allgemeine Gartenschauinformationen. <http:// www.landau.de/media/custom/1815_4061_1.PDF?1414418763> 30.04.2017
Abbildung 14: Blick auf den Eingangsbereich Theodor-Heuss-Platz
- eigenes Foto
Abbildung 15: Blick vom Eingangsbereich auf das LGS-Gelände
- eigenes Foto
Abbildung 16: Blick auf den Südpark
- eigenes Foto
Abbildung 17: Panorama-Aufnahme des Wasserbeckens
- eigenes Foto
Abbildung 18: Blick auf Kinderspielplatz und Vinothek „Par Terre“
- eigenes Foto
Abbildung 19: Blick auf die Landschaftsrampe und den Aussichtsturm
- eigenes Foto
Abbildung 20: Blick vom Aussichtsturm auf die Landschaftsachse Süd
- eigenes Foto
Abbildung 21: Die Sporthalle am Ebenberg, dahinter das Kunstrasenfeld
- eigenes Foto
Abbildung 22: Neugestalteter Vorplatz am Hauptbahnhof
- eigenes Foto
Abbildung 23: Entwicklung der Gäste- und Übernachtungszahlen 1989-2016
- eigene Darstellung; Daten Interview Müller, Tourismusbüro der Stadt Landau
Abbildung 24: Blumenkübel in der Fußgängerzone
- eigenes Foto
Abbildung 25: Blumeninstallation auf dem Rathausplatz
- eigenes Foto
Abbildung 26: Grundgerüst des Fragebogens
- eigene Darstellung nach Denz, H.: Einführung in die empirische Sozialforschung. Wien/ New York. 1989.
1. Einleitung
Jeder Stadt widerfährt im Laufe ihrer Geschichte eine Entwicklung. Diese Entwicklung kann von unterschiedlichen Faktoren abhängen: Veränderte Funktionen der Stadt, alternierende Einwohnerzahlen, auftretende Katastrophen oder industrielle bzw. militärische Entwicklungen. Diese Faktoren erfordern stets eine Anpassung an die nun vorherrschende Situation. Umstrukturierungen müssen meist über längere Zeiträume geplant werden, können jedoch aus finanziellen Gründen in den meisten Fällen nur bruchstückhaft realisiert werden.
Eine Option, Stadtentwicklung schneller betreiben zu können, bietet sich mit der Durchführung eines Großprojekts. Finanzielle Zuschüsse und großes mediales Interesse bieten darüber hinaus die Möglichkeit sich, je nach Größe des Projekts, überregional bis international zu präsentieren.
Immer mehr Städte wollen sich diese Eigenschaften der Großprojekte zunutze machen: Sie bewerben sich als Ausrichter und Veranstalter von Großereignissen wie beispielsweise Weltausstellungen, Olympische Spiele, Musik- und Filmfestspiele oder Landes- gartenschauen.
Auch Landau in der Pfalz versprach sich mit der Durchführung einer Landesgartenschau im Jahr 2015 diesen Effekt. In der vorliegenden Arbeit soll untersucht werden, ob die Durchführung der Landesgartenschau der Stadt geholfen hat sich weiterzuentwickeln, oder ob die Gartenschau zwei Jahre nach der Durchführung lediglich als halbjähriges Veranstaltungsspektakel angesehen werden kann.
Im zweiten Kapitel soll dazu zuerst der Begriff ‚Stadtentwicklung‘ definiert und in seinen verschiedenen Formen dargestellt werden. Darüber hinaus soll vor allem ein Fokus auf die Projektpolitik gelegt werden.
Das dritte Kapitel stellt die Geschichte Landaus dar, in der vor allem die militärische Geschichte mit all ihren Veränderungen im Vordergrund steht, die städtebauliche Voraussetzung für das Durchführen dieser Gartenschau.
In den folgenden zwei Kapiteln soll das Großereignis ‚Landesgartenschau‘ zum einen an allgemeinen Beispielen und dann speziell am Beispiel ‚Landesgartenschau Landau 2015‘ präsentiert werden.
Abschließend soll im letzten Kapitel mit Hilfe einer Auswertung von ‚Experteninterviews‘ und einer Bevölkerungsumfrage die Forschungsfrage „War die Landesgartenschau 2015 für Landau ein nachhaltiger Motor der Stadtentwicklung?“ beantwortet werden.
2. Stadtentwicklung und Stadtplanung
2.1 Stadtentwicklung - Probleme der Definition
„Stadtentwicklung:
1. Genese einer Stadt von ihren Anfängen bis zur Gegenwart oder während einer bestimmten Epoche. Aufgrund der Stadtentwicklung lassen sich historisch- genetische Stadttypen zusammenfassen.
2. In der Terminologie der Raumplanung wird demgegenüber Stadtentwicklung in der Regel als Aufgabe der Stadtplanung im Sinne eines zukunftsorientierten Konzepts zur weiteren Entwicklung einer Stadt verstanden“ (Leser 1997, 810).
Anhand dieser Definition erkennt man die Komplexität des Begriffes ‚Stadtentwicklung‘. Städte unterliegen einem ständigen Wandel, welcher sich in der Stadtstruktur abzeichnet. Bei der Stadtentwicklung liegt das Hauptaugenmerk auf der Steuerung der Gesamtentwicklung der Stadt. Dabei gelten genau vier Determinanten als die wesentlichen Einflussfaktoren auf die Stadtentwicklung — die Bevölkerung bzw. Gesellschaft, die Wirtschaft, die Verkehrs- und Bautechnologie sowie die Politik und Planung (vgl. Fassmann 2004, 87).
Dementsprechend definiert Heuer den Begriff Stadtentwicklung „[…] als sichtbares Ergebnis eines sozioökonomischen Wachstums- oder Schrumpfungsprozesses einer Stadt, der aus den Verhaltensweisen und sich wechselseitig beeinflussenden Entscheidungen der handelnden Akteure resultiert und einen ständigen Wandel der sozialen und wirtschaftlichen sowie der baulichen und räumlichen Struktur der Städte impliziert“ (Heuer 1977, 40).
Betrachtet man die Geschichte, haben Städte schon immer eine Vielzahl von Funktionen, wie z.B. als Handelsplätze, Verwaltungs- und Regierungssitze, erfüllt. Über die Zeit kamen dann Funktionen wie Industriezentren, Einkaufsorte und kulturelle Mittelpunkte hinzu. Vor allem aber sind Städte stets „Zentren der gesellschaftlichen Macht und des gesellschaftlichen Wandels gewesen, in denen den einzelnen Menschen mehr Chancen der persönlichen Entfaltung im Wirtschaftlichen, Gesellschaftlichen oder im Kulturellen geboten wurde als anderswo“ (Böventer 1987, 9). Dabei ist nicht nur der Mensch von Wertewandel, Modernisierung, Industrialisierung und dem technischen Fortschritt betroffen — die Stadt als Lebensraum unterzieht sich gleichfalls diesem Wandel, wodurch die Stadtentwicklung stark beeinflusst wird. Gründe finden sich zum einen in der starken Zerstörung der Städte, verursacht durch die beiden Weltkriege und zum anderen beim technischen Fortschritt. Darüber hinaus spielte der Wechsel von persönlichen Präferenzen eine Rolle bei der Stadtentwicklung. Städte stehen ständig vor neuen Herausforderungen. Kriege oder auch Naturkatastrophen wie z.B. Überschwemmungen, Brände oder Erdbeben können die Situation von Städten stark beeinflussen (vgl. Zehner 2001, 129ff). So untersuchten amerikanische Soziologen in den 1920er Jahren die durch den Einfluss der Industrialisierung bedingten Veränderungen in den Städten und entwickelten daraus verschiedene Theorien der Stadtentwicklung. Dazu gehören das Ringmodell der Stadtentwicklung von E.W. Burgeis, das später entstandene Sektorenmodell von H. Hoyt und das Mehrkerne-Modell von D. Harris und E. L. Ullmann — Modelle welche scharf kritisiert wurden und intensive Diskussionen über hypothetische Annahmen zur Stadtentwicklung entfachten (vgl. Nutz 1998, 23).
Denn während Burgess, Harris, Hoyt und Ullmann die Städte in ihren Sektoren wahrnahmen, werden diese heute als ganzheitliche, komplexe Gefüge gesehen, was dazu führt, dass sich die Entwicklungen der Städte untereinander kaum gleichen. Weiterhin sollte die Entwicklung einer Stadt mehr aktiv als reaktiv vor sich gehen. Eine bestimmte Struktur, welche in naher Zukunft als wünschenswert für eine Stadt angesehen wird, soll herbeigeführt werden, sodass auch aus diesem Grund keine einheitliche Entwicklung für mehrere Städte verzeichnet werden kann (vgl. Nutz 1998, 24).
Letztendlich kamen Geographen und Soziologen zu dem Ergebnis, dass keine allgemeine Theorie zur Stadtentwicklung formuliert werden kann: „Stadtentwicklung ist ein komplexer Prozess, der sich nicht als Ganzes erklären lässt; erklären lassen sich nur einzelne Sachverhalte des Prozesses[…]“ (Friedrichs 1995, 29). Heinz Fassmann vertritt ebenfalls die Ansicht, dass das Aufstellen einer Theorie zur Stadtentwicklung aufgrund ihrer komplexen Heterogenität nicht möglich ist. Er unterscheidet dann zwischen einer analytischen und einer normativen Stadtentwicklung. Unter der analytischen Begriffsdimension versteht Fassmann das historische Entstehen und auch die aktuellen Veränderungen einer Stadt. Die normative Stadtentwicklung hingegen bezeichnet den Zustand einer Stadt, den diese zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt erreicht haben soll (vgl. Fassmann 2004, 86).
2.2 Drei-Phasen-Modell der Stadtentwicklung
Verdeutlich wird somit, dass jede Stadt ihre eigene Entwicklung zu verzeichnen hat und diese von den verschiedensten Faktoren abhängig ist. Hierbei gilt es jedoch anzumerken, dass bestimmte Ereignisse Auswirkungen für ganze Regionen oder Länder bedeuten, sodass sich dennoch einige Parallelen in der Entwicklung erkennen lassen. So existiert ein oft zu beobachtender Prozess, welchen die Stadtentwicklung vieler Städte seit dem 2. Weltkrieg durchschreitet. Häußermann und Siebel unterteilen diesen Prozess in drei Phasen, die „extensive Urbanisierung“, die „intensive Urbanisierung“ und die „Desurbanisierung“ (Häußermann/ Siebel 1993, 11), welche im Folgenden näher erläutert werden sollen. Die Darstellung der Phasen ist generell als grobes Modell zu betrachten, da, wie bereits verdeutlicht wurde, jede Stadt eigene Voraussetzungen und demzufolge auch unterschiedliche Entwicklungen vorweist. Deshalb muss die Entwicklung einer Stadt stets individuell und vor dem Hintergrund der eigenen Geschichte betrachtet werden.
2.2.1 Erste Phase: Extensive Urbanisierung
Nach dem 2. Weltkrieg galt es die Städte der alten Bundesrepublik Deutschland neu aufzubauen und deren Funktionen und Strukturen wieder herzustellen. Diese so genannte Rekonstruktion der Städte dauerte bis in die 1960er Jahre an und hatte generell zur Folge, dass die Städte expandierten und deren Bevölkerungszahlen stetig zunahmen. Besonders Vertriebene und Flüchtlinge aus der Ostzone, aber auch ein großer Teil der ländlichen Bevölkerung, zog es aufgrund besserer Lebensbedingungen und zunehmender Attraktivität der Städte in die städtischen Ballungszentren.
Durch die stetig zunehmende Bevölkerungsdichte verminderte sich jedoch die zunächst gewonnene Lebensqualität schnell wieder. Mit dem Wachstum verdichtete sich die Konzentration an Arbeitsplätzen, sodass vorhandene städtische Areale maximal genutzt wurden und demzufolge innerstädtische Freiflächen drastisch reduziert werden mussten. Um dieser extensiven Urbanisierung standzuhalten, mussten sich die Städte neuen Aufgaben stellen, z.B. dem Ausbau der Verkehrsnetze und der Einteilung verfügbarer Flächen in unterschiedliche Nutzungsgebiete, wodurch die Phase der intensiven Urbanisierung eingeleitet wurde (vgl. Häußermann/ Siebel 1993, 11f.; Fassmann 2004, 103f.).
2.2.2 Zweite Phase: Intensive Urbanisierung
Der Wandel der Rekonstruktionsphase zur versuchten Wachstumsbegrenzung fand seinen Ursprung Mitte der 1960er Jahre. Durch die neuen Aufgaben zur organisatorischen Bewältigung der extensiven Urbanisierung wurde den Städten bewusst, dass sie dem ständigen Wachstum nicht auf Dauer standhalten konnten. Neues Ziel der Stadtpolitik wurde somit, die Folgen des räumlichen und sozialen Wachstums einerseits zu bremsen, andererseits aber auch zu steuern. Dies wurde dadurch umgesetzt, dass ein Wachstum von Gewerbe und Verkehr durch einen Ausbau der Infrastruktur zur Verbesserung der Lebensqualität und die gezielte Umverteilung öffentlicher Investitionen sozialverträglich gemacht wurde. Hierfür benötigten die Städte allerdings ausreichend Bauland im suburbanen Raum und natürlich auch die Unterstützung der ansässigen Bevölkerung. Darüber hinaus konzentrierte man sich auf die neuen Formen des Einzelhandels (Einkaufs- und Fachmarktzentren), auf die Stadtsanierung in Form verbesserter Wohn- und Lebensverhältnisse der benachteiligten Bevölkerungsgruppen und auf den Abbau räumlicher Ungleichheiten, welche die Stadtsanierung unterstützen sollte (vgl. Häußermann/ Siebel 1993, 11f.; Fassmann 2004, 104).
2.2.3 Dritte Phase: Desurbanisierung
Mitte der 1970er Jahre nahmen Einwohnerzahlen und die Zahl der Arbeitsplätze in den meisten Städten ab. Ursache war die Verschärfung internationaler Wettbewerbe auf den Gütermärkten, damit verbundener Verlust von Arbeitsplätzen, geringere Neuinvestitionen und daraus resultierende steigende Armutszahlen. Einmal mehr sahen sich die Städte einem Strukturwandel gegenüber. Dieser Wandel, in Form einer so genannten Desurbanisierung, galt vor allem für Agglomerationsräume mit industrieller Monostruktur. „Als ein Hauptgrund dafür wird die geringe Erneuerungsfähigkeit strukturschwacher Räume angesehen, auch die geringe Bereitschaft, sich in hoch belasteten Räumen anzusiedeln und zu investieren“ (Gaebe 1991, 9). Somit kann die Desurbanisierung als eine Fortsetzung der intensiven Urbanisierung betrachtet werden und beschreibt die großräumige Dekonzentration der Wohnbevölkerung und der Unternehmen zulasten der Stadtregionen. Hiervon profitierten jedoch die ländlichen Regionen mit einer Industrialisierung und einer Tertiärisierung.
Durch die Wiedervereinigung Deutschlands 1989 wurde dieser Negativtrend kurzzeitig unterbrochen. Dennoch stieg die Wohnungsknappheit kurze Zeit darauf durch eine erneute Zunahme von Flüchtlingen und Einwanderern sowie einen wachsenden Flächenkonsum erneut an (vgl. Häußermann/ Siebel 1993, 11f.; Fassmann 2004, 104).
2.3 Stadtentwicklung durch Großprojekte
Hervorgehend aus obiger Darstellung, wird Stadtentwicklung sehr stark durch vorhandene Ressourcen, die Verkehrs- und Wohnungssituation und dem soziokulturellen Wertewandel beeinflusst. Durch die ständigen Veränderungen, welchen unsere Gesellschaft und somit auch eine Stadt unterliegt, muss die Gewichtung dieser Determinanten neu überdacht werden. Hierfür sind Organisationsmodelle und grundlegende Konzepte, welche die Sanierung, Neugestaltung und Weiterentwicklung ganzer Stadtbezirke, sowie die Realisierung städtebaulicher Ziele, umwelt- und sozialverträglicher städtischer Lebensbedingungen sichern, unabdingbar (vgl. Zehner 2001, 24ff).
Dennoch wird eine Stadt stets ein Produkt aus Raum und Zeit bleiben. Komplikationen treten meist dann auf, wenn einer dieser beiden Faktoren starken Veränderungen ausgesetzt wird. Eine derartige Situation entsteht, wenn beispielsweise die Veränderungen einer Stadt schneller von statten gehen, als es die Planungen zeitlich gestatten (vgl. Nutz 1998, 25f.). Um daraus resultierende Probleme einzudämmen, bietet sich die Durchführung eines Großereignisses an (vgl. Häußermann/ Siebel 1993, 7f.).
2.3.1 Merkmale von Großprojekten
„Großveranstaltungen finden in regelmäßigen zeitlichen Abständen in Städten und Regionen statt, die sich in einem mehr oder weniger aufwendigen Auswahlverfahren gegen ihre Mitbewerber durchgesetzt haben.“ (Huning/ Peters 2003, 5f.). Hierzu zählen u.a. die Olympischen Spiele, Weltmeisterschaften, Weltausstellungen, Theater-, Musikund Filmfestspiele, Kultursommer, Bundes- oder auch Landesgartenschauen (vgl. Häußermann/ Siebel 1993, 10).
Dabei können Großprojekte eine lange Tradition vorweisen. Schon 1851 fand in London die erste Weltausstellung statt. 1896 wurden in Athen die ersten Olympischen Spiele ausgetragen. Damals spielte allerdings die Wirkung eines solchen Großprojektes auf die Entwicklung der Städte noch keine maßgebliche Rolle, sie dienten ausschließlich zu Präsentationszwecken. So präsentierten sich z.B. die Länder der ersten Weltausstellungen als neue, starke und kapitalistische Industriegesellschaften (vgl. Häußermann/ Siebel 1993, 16f.).
Heutzutage hingegen leitet die Durchführung einer Großveranstaltung meist den Umbau einer Stadt ein. Dabei wird in der Regel das Ziel verfolgt die Infrastruktur zu verbessern und die regionale Wirtschaftskraft zu steigern. Somit sind Großprojekte per se zunächst einmal nur Mittel zum Zweck (vgl. Häußermann/ Siebel 1993, 16f.). „Unabhängig davon, welche Charakteristika Großprojekte im Einzelnen aufweisen, sind sie alle gleichermaßen eingebunden in einen Wandel gesellschaftlicher, ökonomischer wie politischer Rahmenbedingungen, der die Entstehung von Großprojekten befördert und damit auch die Planungsdisziplin selbst verändert hat“ (Huning/ Peters 2003, 8).
Umsetzung sowie Planung eines Festivals stellen jedoch keine Routineaufgaben für die Städte dar. Sie bedeuten einen exorbitanten Eingriff in die Struktur der Stadt, wobei versucht wird, ungenutzte Flächen mit Dienstleistungs-, Büro- und Hightech-, aber auch Freizeitfunktionen aufzuwerten (vgl. Simons 2003, 35f.). Dabei werden vor allem Stadtteile präferiert, die während der Deindustrialisierung der Brache zum Opfer fielen. Somit sollen besonders die Lücken geschlossen werden, welche durch das Zurückziehen der Industrie entstanden sind. Dies können zum Beispiel alte Industrie- und Werftanlagen, Bahnhöfe oder Militärgelände sein.
Mit der Durchführung von Großprojekten wird also einer Stadt die Möglichkeit gegeben, eigene Bezirke zu sanieren oder neue Landschaften zu integrieren. Dr. Meyer-Künzel unterscheidet hier drei unterschiedliche Lagen eines Großprojektes innerhalb eines Stadtgebietes. Die erste Lage wäre z.B. die Citylage der Weltausstellung in Paris, bei der das Projekt entlang der Seine im Stadtkern durchgeführt wurde. Zweite Lage wäre dann die Durchführung auf einem Areal innerstädtischer Brache (Olympische Spiele München 1972, Weltausstellung Sevilla 1992). Dritte und letzte Lage wäre die Ausweitung eines bereits existierenden Veranstaltungsgeländes, welches auf frei umliegende Landschaften ausgeweitet wird (Expo Hannover 2000) (vgl. Meyer-Künzel 2001, 13). Bei diesen Aufwertungen wird dem kommerziellen Nutzen meist ein höherer Stellenwert zugeschrieben, als der Wohnungsnutzung, ist aber meist nur im Rahmen von Großveranstaltungen möglich, da häufig finanzielle Mittel fehlen. Dadurch ergeben sich lukrative Investitionsmöglichkeiten für Immobilieninvestoren und Unternehmer und die Stadt hat die Chance, Gelder von außerhalb in selbige kommen zu lassen. Darüber hinaus werden solche Aufwertungen aufgrund eines stärkeren Medieninteresses schneller publik, sodass der Bekanntheitsgrad der Stadt oder Region ansteigt. Somit hat die Stadt mit Hilfe des Großereignisses die Möglichkeit, ein bestimmtes Image zu präsentieren (vgl. Huning/ Peters 2003, 8).
Großprojekte benötigen grundsätzlich eine lange Planungsdauer, da Vorbereitungen bezüglich der Infrastruktur, der Stadtsanierung, des Veranstaltungsaufbaus und anderer Entwicklungsmaßnahmen getroffen werden wollen. Da sich die Städte hinsichtlich ihres Images möglichst positiv präsentieren wollen, gilt es, die Pläne effizient und durchdacht zu gestalten. So müssen Sanierungen und Veränderungen zu einem festgelegten Zeitpunkt, dem Veranstaltungsbeginn, abgeschlossen sein. Dabei ist jedoch nicht nur die Vorbereitung an sich, sondern bereits die Bewerbung für ein solches Projekt extrem zeitaufwendig — die Expo 2000 in Hannover wurde insgesamt 12 Jahre lang vorbereitet und geplant. 1988 begannen bereits die ersten Planungen, am 14. Juni 1990 erhielt Hannover dann den Zuschlag für die Ausstellung, welche im Jahr 2000 stattfinden sollte (vgl. Kaiser 2000; Diez/ Kramer 2000, 25).
Die Zuständigkeit für diese Art von Projekten unterliegt mehr und mehr Public Private Partnerships. Dadurch soll ein effektiveres Management, besserer Informationsfluss, Flexibilität und schnellere Kooperation garantiert werden, um eine Beschleunigung der Projekte zu erreichen (vgl. Huning/ Peters 2003, 6f.). Da den politisch administrativen Strukturen eine rasche Lösung oftmals nicht zugetraut wird, werden diese PPPs unterstützend eingerichtet. Sie existieren außerhalb der öffentlichen Verwaltung und bleiben von der Planung bis zum Abschluss des Projektes bestehen. Darüber hinaus soll so der öffentliche Kostenanteil gesenkt werden (vgl. Häußermann/ Siebel 1993, 9f.).
Jedoch entsteht aus einer solchen Zusammenarbeit auch ein signifikanter Nachteil. So muss die Stadt Kompromisse mit den Investoren eingehen und büßt somit ihre noch bis ins 19. Jahrhundert uneingeschränkte Macht ein (vgl. Fassmann 2004, 123). Generell wird die Finanzierung eines solchen Großereignisses nicht nur von der Stadt selber, sondern auch von Bund bzw. Land unterstützt. Die Stadt München beispielsweise plante für die Olympischen Spiele 1972 Baukosten für das gesamte Gelände in Höhe von 520 Millionen D-Mark ein. Die Finanzierungssumme sollte dann zu gleichen Teilen von Bund, dem Bundesland Bayern und der Stadt München getragen werden. Aus unerklärten Gründen übernahm der Bund die Hälfte der Kosten, Stadt und Bundesland jeweils nur ein Viertel. 1,93 Milliarden D-Mark standen dann Einnahmen in Höhe von 1,334 Milliarden D- Mark gegenüber. Die Belastung für den öffentlichen Haushalt betrug 572,7 Millionen D- Mark, wovon der Bund schließlich rund 283 Millionen, das Land Bayern und die Stadt München jeweils rund 145 Millionen D-Mark übernahmen (vgl. Geipel et al. 1993, 292). Die Größe eines solchen Projektes bestimmt über das öffentliche Interesse und darüber, inwiefern das Ziel, das Image der Stadt zu verbessern, erfüllt wird. Häußermann und Siebel beschreiben diese Abhängigkeit wie folgt: „Das ganze Jahr über an jedem Tag ein anderer Jongleur in der Stadt wird vielleicht Kinder begeistern, aber sonst nicht weiter auffallen. 365 Jongleure an einem Nachmittag auf dem Marktplatz ergeben dagegen ein Medienereignis — und überhaupt erst ein Ereignis“ (Häußermann/ Siebel 1993, 15). ‚Größe’ kann hierbei verschieden definiert werden. Beispielsweise kann die genutzte Fläche als Maß zur Bestimmung der Größe dienen. Andere Maßstäbe wären die Besucherzahlen, die Anzahl der Beschäftigten, die Zahl der betroffenen Bürger, aber auch die Höhe der Investitionssumme (vgl. Huning/ Peters 2003, 5f.). Dabei gilt es laut Häußermann/ Siebel zu beachten, dass mit der Größe der Veranstaltung auch die Risiken aus finanzieller und politischer Sicht steigen (vgl. Häußermann/ Siebel 1993, 15).
Diese Ausführungen zeigen somit, dass Großereignisse vor allem darauf ausgerichtet sind, sich Vorteile gegenüber anderen Städten zu schaffen und den Bekanntheitsgrad der Stadt zu verbessern, um externe Investitionen in die Stadt zu holen und potenziellen Investoren, wie auch Touristen, zu gefallen. „Gelingt es der Stadt, diese Großereignisse an sich zu binden, dann funktionieren diese wie eine ,Lokomotive’, welche viele Waggons nach sich zieht“ (Fassmann 2004, 104).
2.4 Politik durch Festivalisierung
Wie unter 2.3.1 bereits angeklungen, spielten die Folgen und Auswirkungen der ersten städtebaulichen Großprojekte auf die Bevölkerung keine große Rolle. Die Olympischen Spiele und Weltausstellungen wurden nicht genutzt, um die Stadt in einem neuen Glanz darzustellen, sondern durchgeführt, um die Größe und Stärke einer Nation zu präsentieren. Daher bestanden die ersten Weltausstellungen aus einfachen Installationen, wie zum Beispiel der Kristallpalast in London. Er wurde in neun Monaten errichtet und in weiteren neun Monaten wieder abgebaut (vgl. Häußermann/ Siebel 1993, 16).
Mitte der 1970er Jahre, mit Beginn der Desurbanisierung, veränderte sich schließlich die Politik, da, wie bereits in 2.2.3 aufgezeigt, nun neben den Arbeitsplätzen auch die Einwohnerzahlen der Städte abnahmen. Dies führte unweigerlich zu innerstädtischen Problemen: Anstieg von Arbeitslosen- und Armutszahlen, ökonomische Stagnation, Verlust öffentlicher Einnahmen — der tertiäre Sektor breitete sich in den Städten vermehrt aus (vgl. Häußermann/ Siebel 1993, 13).
Großprojekte wurden oft zur Initiation von Stadterweiterungs-, Stadtverschönerungs- oder Stadtveränderungsmaßnahmen verwendet. Beispiele hierfür wären Wohngebiete, Bepflanzungsvorhaben, die Gestaltung einzelner Stadtgebiete oder Infrastrukturprojekte (vgl. Meyer-Künzel 2001, 12). Jedoch wurde es durch Finanzprobleme für die Städte immer schwieriger, die Bevölkerung zu halten, da Umbaumaßnahmen nicht durchgeführt werden konnten. Somit galt es Strategien zu entwickeln, welche „Wachstum unter den Bedingungen der Stagnation“ ermöglichen würden (Häußermann/ Siebel 1993, 13). Die Städte mussten neue Entwicklungen unterstützen und Wachstum schaffen. Großereignisse treiben den Umbau einer Stadt an, unterstützen und beschleunigen den Ausbau von Infrastruktur und fördern die regionale Wirtschaft (vgl. Häußermann/ Siebel 1993, 17). Mit der Festivalisierung soll die Bürokratie aus ihrer Routine herausgerissen werden, „Planerinnen und Planer können sich als ‚Macher‘ präsentieren und ihren Ruf als bürokratische Verhinderer abstreifen“ (Huning/ Peters 2003, 8).
Sich als Stadt international zu präsentieren und auf sich aufmerksam zu machen wurde somit das erklärte Ziel bei der Durchführung eines Großereignisses. Dadurch entstand aber auch ein enormer Konkurrenzkampf unter den Städten, welcher sich durch die Öffnung innereuropäischer Grenzen weiter verschärfte. Hierbei haben es die kleineren Städte wesentlicher schwieriger sich zu behaupten, da sie, aufgrund ihrer Größe und Geschichte, erfahrungsgemäß weniger konkurrenzfähig sind (vgl. Häußermann/ Siebel 1993, 13f.).
Die Großprojekte ermöglichen es den Städten finanzielle Mittel in die Kassen zu spülen. Dies erfolgt, wie bereits angesprochen, durch Zuschüsse seitens des Bundes oder der Länder. Darüber hinaus werden auch neue Investoren in die Städte gelockt, welche neue Arbeitsplätze schaffen können — die Städte profitieren von weiteren steuerlichen Einnahmen (vgl. Häußermann/ Siebel 1993, 13ff). Durch die Ansiedlung von Unternehmen lassen sich also Wirtschaftsleistung und Einkommen steigern, welche wiederum Vorteile gegenüber anderen Städten versprechen (vgl. Ehrenberg/ Kruse 2000, 311). Ein Großprojekt scheint heutzutage somit schon lukrativ, da dadurch fehlendes Kapital zur Stadtentwicklung generiert werden kann. Projekte, welche eine Stadt aus finanziellen Gründen bislang nicht realisieren konnte, können mit Hilfe eines Großereignisses umgesetzt werden (vgl. Siebel 1992, 62).
Als erfolgreiche Beispiele lassen sich hier die Olympischen Spiele in Los Angeles oder die Weltausstellung in Seattle anführen. Beide Projekte deckten die Ausgaben mit Hilfe touristisch generierter Einnahmen, Zuschüssen vom Staat und privaten Investoren. Dennoch gilt es zu erwähnen, dass beide Ereignisse kostensparend geplant wurden, um ein finanzielles Defizit zu verhindern (vgl. Häußermann/ Siebel 1993, 17). Im Gegensatz dazu geschieht es relativ häufig, dass zum Beispiel Infrastruktur-Projekte finanziell zu niedrig kalkuliert werden — absichtlich oder unabsichtlich. Flyvberg, Holm und Buhl können belegen, dass 86% der zufällig ausgewählten Projekte die zu Beginn geschätzten Kosten übertrafen. Die endgültigen Kosten waren durchschnittlich 28% höher als die vorher kalkulierten. Die Kostenschätzung werden systematisch irreführend eingesetzt. Durch falsche Darstellung entstehen schnell größere Finanzlöcher, unter denen dann die Steuerzahler oder private Investoren zu leiden haben (vgl. Flyvberg/ Holm/ Buhl 2003, 19).
Die Politik hat auch Interesse daran den Bürgern eine stärkere Identifikation mit ihrer Stadt zu ermöglichen, was mit Hilfe eines Großereignisses ermöglicht werden kann. Da Städte häufig das Problem haben, dass der Stadtkern durch zunehmende Agglomeration nicht mehr klar erkennbar ist (‚Siedlungsband‘), fehlt den Bürgern häufig ein klarer Bezug zu ‚ihrer‘ Stadt. Durch eine Festivalisierung soll den Einwohnern ein klareres Gesamtbild gestaltet werden, mit dessen Hilfe sie sich wieder mit der Stadt identifizieren können (vgl. Häußermann/ Siebel 1993, 15).
Festivals bieten der Stadtpolitik darüber hinaus die Möglichkeit die Stadt schnellstmöglich weiterzuentwickeln. Die Durchführung beschleunigt die Entwicklung der Stadt, geplante Projekte können durchgesetzt werden. Bisher gibt es kein Beispiel dafür, dass die Entwicklung einer Stadt durch ein Großprojekt stagnierte (vgl. Häußermann/ Siebel 1993, 20).
Die Bedeutsamkeit solcher Großprojekte zeigt sich daran, dass sich Städte wie Barcelona, Berlin, Genua, Hannover, Manchester, Peking, Sydney oder Wien (Städte die Anfang der 1990er Jahre um Olympische Spiele oder Weltausstellungen konkurriert haben) sich immer wieder um die Durchführung eines Großereignisses bemühen (vgl. Häußermann/ Siebel 1993, 21).
Für eine erfolgreiche Bewerbung und Durchführung, ist die Zustimmung und Unterstützung der Bevölkerung in Bezug auf das städtische Vorgehen notwendig. Und der Plan eines Großprojektes trifft nur auf Zustimmung, wenn ein entsprechender Erfolg zu erwarten ist. Daher gilt es im Vorfeld der Planung alle Vor- und Nachteile abzuwägen. Bevorzugungen und Belastungen gilt es dabei stets zu vermeiden, da sich andernfalls ein negativer Trend herauskristallisieren kann (Beispiel Wien siehe 2.4.2) (vgl. Häußermann/ Siebel 1993, 20; Ehrenberg/ Kruse 2000, 312). Ein Großereignis kann somit nur im Erfolg münden und eine „auf sich selbst gerichtete Mobilisierung des politisch-administrativen Systems“ (Häußermann/ Siebel 1993, 21) ermöglichen, wenn der politische und der ökonomische Erfolg zusammentreffen (vgl. ebd. 21ff).
Trotz der finanziellen Risiken einer Durchführung, können Kritiker lediglich mit dem ‚tristen’ Alltag argumentieren. Es gibt keinen Zweifel daran, dass durch das Großprojekt eine Stadtentwicklung herbei geführt werden kann. Ohne finanzielle Zuschüsse ist dies meist nicht möglich, bzw. scheitert an der Bürokratie. Dadurch wird es der Regierung oder Verwaltung erleichtert, die Durchführung eines Großereignisses zu rechtfertigen — ein mögliches Scheitern bleibt meist unberücksichtigt.
Verläuft das Großprojekt schließlich erfolgreich, kann sich dies im Hinblick auf die Wahlen für die Regierung zusätzlich als Vorteil erweisen. Ein vor dem Projekt vorherrschendes negatives Image kann ausgelöscht und durch eine Politik ersetzt werden (vgl. Häußermann/ Siebel 1993, 21).
Eine Stadt entfernt sich somit durch die Festivalisierung von alten Strukturen und entwickelt neue. Häußermann und Siebel formulieren, „[…] dass die Festivalisierung der Politik die Inszenierung von Gemeinsinn und Identifikation mit politischen Institutionen darstellt — eine Form politischer Repräsentation, die sich aus sozialstrukturellen Veränderungen, aus veränderten Konfliktlinien in der Gesellschaft und aus den wachsenden Schwierigkeiten regulativer Politik ergibt“ (Häußermann/ Siebel 1993, 23). Dabei stellt sich jedoch die Frage, ob durch die Festivalisierung von Politik Vor- und Nachteile entstehen, welche im Folgenden betrachtet werden sollen.
2.4.1 Vorteile der Festivalisierung
Eine ‚Politik der Festivalisierung‘ lässt sich meist dann rechtfertigen, wenn die gewohnte Vorgehensweise innerhalb eines politischen Systems überwiegend negativ bewertet wird. Hierbei spielt vor allem die Unfähigkeit des politischen Systems bzw. die Bürokratie eine Rolle.
Als großer Vorteil gilt es, geplante Projekte der Stadt schnell voranzutreiben, da die sonst üblichen zeitraubenden Auseinandersetzungen und Widerstände meist eingedämmt werden — die sonst recht lange Planungszeit wird enorm beschleunigt (vgl. Häußermann/ Siebel 1993, 22). Diese Projekte können dann durch Zuschüsse, welche von Bund, Land, Kommune und privaten Investoren bereitgestellt werden, leichter umgesetzt werden (vgl. ebd. 9ff). So wurde bei der Weltausstellung 1992 in Sevilla die Trassenführung komplett saniert. Vor dem Großereignis verliefen die Gleise parallel entlang des Flusses und zogen sich durch Wohngebiete. Die neue Strecke der Bahn beinhaltete dann zwei zentrale Linien: Einerseits eine Hochgeschwindigkeitsstrecke Richtung Madrid, andererseits eine neue Strecke, welche unter dem Stadtkern hindurch führte. So konnten die vorher vorhandenen Probleme des Schienennetzes mit Hilfe der Weltausstellung finanziell ermöglicht und schnell umgesetzt werden. Mit dem Bau einer Ringstraße um Sevilla konnten auch die Hauptstraßen entlastet und die Stadtrandquartiere besser an das Stadtzentrum angebunden werden (vgl. Meyer-Künzel 2001, 381ff).
Am Vorteil der Finanzierung hielt auch der 1964 amtierende Oberbürgermeister der Stadt München Georg Brauchle fest, als er die Finanzierung eines Großstadions in München als nicht realisierbar abwies — solange München nicht den Zuschlag für die Olympischen Spiele bekommen sollte (vgl. Meyer-Künzel 2001, 410).
Dennoch muss die Politik auf Dauer Unterstützung einbüßen, wenn soziale bzw. ökonomische Erfolge ausbleiben. Ist die dauerhafte Mehrheit der aktuellen Politik gefährdet, bietet sich eine Festivalisierung an, da hier heterogene Interessen verbunden werden können und die Politik ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen kann (vgl. Häußermann/ Siebel 1993, 26f.). Das politische System hat also die Möglichkeit, Probleme der Bürokratie und den Alltagstrott der Administration zu umgehen. Somit ist die Festivalisierung zunächst einmal „eine auf sich selbst gerichtete Innovationsstrategie“ (Häußermann/ Siebel 1993, 22).
Barcelona und München sind besonders gute Beispiele für den Erfolg einer ‚Politik der Festivalisierung‘. Beide Städte konnten dazu beitragen, dass sich Deutschland und Spanien mit Hilfe der Olympischen Spiele von ihrer faschistischen Vergangenheit trennen konnten und so den Anschluss an die demokratischen Nationen fanden. Barcelona konnte darüber hinaus dessen Diskrepanz zu Madrid verringern. Ebenfalls konnten beide Städte durch die Ausrichtung der Spiele die internationale Aufmerksamkeit auf sich lenken (vgl. Häußermann/ Siebel 1993, 20f.).
Ein weiterer Vorteil der Festivalisierung ist die Möglichkeit differente Gemeinden wieder zu vereinen. Viele der Stadtbewohner identifizieren sich nicht mehr zentral mit dieser — Privatleben, Beruf und Freizeitinteressen führen zu einer Abgrenzung voneinander, da jede Gemeinde andere Ansprüche an die Stadt stellt. Ein Großprojekt kann hier helfen, da sich die gesamte Bevölkerung auf ein Ereignis konzentriert und sich somit wieder mit der Stadt identifizieren kann. Dieses Phänomen wirkt auch in der Politik: Bei einem Großereignis ziehen ausnahmsweise auch Regierung und Opposition an einem Strang. So kooperierten zum Beispiel die SPD-regierte Stadt München und das CSU-regierte Bayern miteinander, um die Olympischen Spiele in München zu realisieren (vgl. Häußermann/ Siebel 1993, 21f.) Diese politische Zusammenarbeit vereinfacht ein Regieren in kommunalem Umfeld, politische Kräfte und Interessen können vereint werden. Somit zeigt sich, dass die schnell realisierbaren Veränderungen des Verwaltungsvorgangs nicht nur zu verringertem Widerstand führen, sondern auch zu einer Interessenvereinigung und einer gemeinsamen Politik. Bestes Beispiel ist hier wohl die Verkehrspolitik, die als eines der größten Probleme der Politik gilt. Diese kann durch eine Festivalisierung stark vereinfacht werden, da es selbstverständlich im Interesse einer erfolgreichen Durchführung des Großereignisses ist, ein ausgeprägtes Infrastrukturnetz bieten zu können (vgl. Häußermann/ Siebel 1993, 25).
Neben einem Ausbau der Infrastruktur werden Großprojekte auch genutzt, um den Umbau von Städten zu ermöglichen (vgl. Häußermann/ Siebel 1993, 17). Da im Zuge der Deindustrialisierung viele Flächen des Stadtgebiets der Brache zum Opfer gefallen sind, können solche Flächen mit Hilfe von Großereignissen in wesentlich kürzerer Zeit saniert werden, da, wie bereits erwähnt, alle Parteien an einem Strang ziehen und die normalerweise fehlenden Gelder durch die Zuschüsse des Großprojektes zur Verfügung stehen. Darüber hinaus sind die Städte gezwungen die Sanierungen schnell durchzuführen, da diese zu einem festen Datum, dem Beginn der Großveranstaltung, abgeschlossen sein müssen. 1972 wurden beispielsweise die Oberwiesenfelder im Nordwesten der Altstadt Münchens für die Durchführung verwendet. Dieses ehemalige Militär- und Industriegelände konnte mit Hilfe der Olympischen Spiele neugestaltet werden (vgl. Meyer-Künzel 2001, 414).
Die Internationale Bauausstellung Emscher Park (1989-1999) kann als weiteres Musterbeispiel angeführt werden. Hierbei handelt es sich um ein sich auf 803 Quadratkilometer erstreckendes Gebiet zwischen Duisburg und Bergkamen. Nach dem zweiten Weltkrieg entstand hier das schwerindustrielle Zentrum für Kohle und Stahl in Deutschland. Um die Arbeitsplätze miteinander zu verbinden, entstanden riesige Geflechte aus Siedlungen, Bahnlinien und Kanälen. Mit der Schließung der Zechen und Förderanlagen zog sich der gesamte Industriezweig immer weiter zurück und hinterließ neben enormer Erwerbslosigkeit auch eine riesige Industriebrache. Die Bauausstellung verfolgte allerdings nicht das Ziel, die verfallende Region wieder konkurrenzfähig zu machen, vielmehr sollte dem Gebiet eine „eigene Modernität“ (Siebel 1992, 221) verschafft und Altlasten der vorangegangenen 150 Jahre beiseite geschafft werden. Die Internationale Bauausstellung diente somit mehr der Bewältigung, nämlich die Vergangenheit der Industriegesellschaft hinter sich zu lassen (vgl. Siebel 1992, 214ff).
Weiterer Pluspunkt der Projektpolitik ist ein möglicher Aufschwung regionaler Wirtschaftskraft. Mit der Durchführung des Großereignisses wird ein verbessertes Image und somit ein „Anstoß- und Ausstrahlungseffekt“ (Häußermann/ Siebel 1993, 14) erwartet. Die Stadt soll dadurch für Investoren und Firmen attraktiv erscheinen, sodass diese sich dort ansiedeln. Somit profitiert die Stadt neben neuen Arbeitsplätzen auch durch den wirtschaftlichen Aufschwung (vgl. Häußermann/ Siebel 1993, 13ff). Das Image verbessert sich ebenfalls durch die meist von Star-Architekten geplanten Gebäude der Großereignisse, da hiervon mehr Touristen angezogen werden (vgl. Häußermann/ Siebel 1993, 29). Bei der Weltausstellung 1929 in Barcelona errichtete der Architekt Mies van der Rohe den deutschen Pavillon. Dem für damalige Maßstäbe recht unscheinbaren Bau, der in starkem Kontrast zu den anderen Gebäuden der Ausstellung stand, wurde zunächst von der Fachpresse kaum Beachtung geschenkt. Dies führte zu einem raschen Abbau direkt nach der Ausstellung, bis das Gebäude schließlich von 1984 — 1986 von den Architekten Cirici, Ramos und Solà-Morales detailgetreu wiedererrichtet wurde, was einer weltweiten Beachtung widerfuhr. Heute gilt der Pavillon immer noch als äußerst beliebte Touristenattraktion (vgl. Meyer-Künzel 2001, 334ff).
2.4.2 Nachteile der Festivalisierung
Trotz den vielen Vorteilen verzeichnet eine ‚Politik der Festivalisierung‘ auch einige Nachteile. So ist es auch Aufgabe der Stadtpolitik, sich mit den Problemen sozial schwächerer Gruppen auseinander zu setzen. Dennoch konzentriert sich die Stadtpolitik vornehmlich auf die Planung und Durchführung des Großereignisses. Dadurch leiden Minderheiten, wie z.B. ausländische Arbeitnehmer, Rentner und andere Randgruppen unter der Planung eines solchen Projekts (vgl. Venturi 1993, 57). Die Stadtverwaltung kann durch ein Großprojekt zwar ihre Handlungskompetenz unter Beweis stellen, welche sich aber oftmals eben nur auf dieses eine Ereignis beschränkt. Durch die Festivalisierung wird die Aufmerksamkeit zwar auf die Politik gelenkt, reelle Probleme wie Langzeitarbeitslosigkeit oder ökologische Probleme der Stadt fallen allerdings schnell unter den Tisch (vgl. Häußermann/ Siebel 1993, 18, 24). „Festivals haben Haseneffekte: die vorübergehende Konzentration der Kräfte auf einen Höhepunkt trocknet andere (Zeit)- Räume der Politik aus. Festivalisierung ist auch das organisierte Wegsehen von sozialen, schwer lösbaren und wenig spektakuläre Erfolge versprechenden Problemen“ (Häußermann/ Siebel 1993, 28).
Weiterer Nachteil ist die Kommunikation mit der Öffentlichkeit: Die Idee, sich für die Durchführung einer Großveranstaltung zu bewerben, wird meist von einer bzw. von einigen wenigen Personen zur Diskussion gestellt und erst nach einer ausführlichen Machbarkeitsstudie an die Öffentlichkeit gebracht. Grund dafür ist die Top-Down-geführte Regierung — eine stärkere Einbindung der Bevölkerung würde diesen Prozess nur verlangsamen. Ist die Planung des Projekts dann erst einmal angelaufen, wird den Gegenstimmen kaum Beachtung geschenkt. Einer Opposition wird dadurch der Wind aus den Segeln genommen. Daher wirkt diese Organisationsform wie eine „angebotene Wohltat“ (Ehrenberg/ Kruse 2000, 312) oder wie eine „externe Bedrohung“ (ebd.). Dies wird problematisch, da keine Einigkeit besteht und das Gesamtbild eher spaltend als verbindend wirkt (vgl. Ehrenberg/ Kruse 2000, 312).
Die lange Vorbereitung und der extrem hohe finanzielle Aufwand bei gleichzeitig relativ kurzer Durchführungszeit kann als weiterer Nachteil angesehen werden. Sind Planung und Aufbau des Projekts erst einmal angelaufen, gibt es in der Regel kaum Alternativen ein etwaiges Scheitern zu verhindern. Je größer der finanzielle Aufwand, desto schwieriger wird die Situation (vgl. Häußermann/ Siebel 1993, 29f.; Huning/ Peters 2003, 9). Nichtsdestotrotz ist die Finanzierung des Projekts das größte Problem mit dem Veranstalter und Organisatoren zu kämpfen haben. Ein vollständiger Kosten-Nutzen-Plan kann bei einem solchen Event meist nie aufgestellt werden, da zu viele Variablen auftauchen. Viele Veranstalter haben daher das Problem, dass nach Abschluss des Projekts ein großer Schuldenberg hinterlassen wird, welcher von der öffentlichen Hand oder den unterstützenden Gesellschaften abgetragen werden muss. Viele Betreibergesellschaften melden daher, oft bereits vor der eigentlichen Veranstaltung, Konkurs an (vgl. Häußermann/ Siebel 1993, 17). Beispiel dafür sind die Olympischen Spiele 2006 in Turin. Dem zuständigen Organisationskomitee Toroc drohte kurz vor Beginn der Spiele eine Insolvenz. Nur durch die Unterstützung der italienischen Regierung, Gelder der öffentlichen Hand (30 Millionen Euro) und der Glücksspiellotterie (24 Millionen Euro) konnte das Defizit von knapp 64 Millionen Euro nahezu getilgt werden. Zwar besteht keine Gefahr, dass Olympische Spiele aufgrund einer drohenden Insolvenz abgesagt werden, dennoch muss die Regierung die bei einer Insolvenz entstehenden Schulden übernehmen (vgl. Lausitzer Rundschau 2005).
Wie bereits in Kapitel 2.4 aufgezeigt wurde, haben Flyvbjerg et al. die Kostenunterschätzung öffentlicher Bauprojekte untersucht und eine systematische Irreführung der Öffentlichkeit in Bezug auf die Kostenschätzungen aufzeigen können (vgl. Flyvbjerg/ Holm/ Buhl 2003, 19). Nach Simons werden begleitende Kontrollen unverzichtbar, sobald die Öffentlichkeit zum Risikoträger erklärt wird. Durch solche Kontrollen könnte ein Projektscheitern frühzeitig erkannt und schwerwiegende Folgen rechtzeitig verhindert werden. Dadurch könnten letztendlich die Interessen der Bürgerinnen und Bürger der Stadt besser gewahrt bleiben (vgl. Simons 2003, 47f.). Denn abschließend bleibt im Falle eines Scheiterns stets unklar, wer die Schulden übernehmen wird. Meist wird dann versucht die Defizite durch Preissteigerungen in verschiedenen Bereichen auszugleichen, obgleich dadurch vor allem die ökonomisch schwächere Bevölkerung zu leiden hat. Hierfür ist Brisbane ein exzellentes Beispiel: Durch ein Anheben der Immobilienpreise sollte versucht werden die Fehlkalkulation der Weltausstellung aufzufangen, mit der Folge, dass während der Weltausstellung die Mieten nahe des Geländes um bis zu 62% anstiegen. Viele Menschen der einkommensschwächeren Schicht wurden somit gezwungen aus dem Stadtteil wegzuziehen, da sie die Kosten nicht mehr tragen konnten (vgl. Häußermann/ Siebel 1993, 18; Ehrenberg/ Kruse 2000, 312).
Somit zeichnet sich also ab, dass besonders Minderheiten und sozial bzw. einkommensschwächere Bürger unter der Festivalisierungspolitik leiden, da ihre Belange deutlich in den Hintergrund rücken.
Als weiterer Kritikpunkt kann die finanzielle Unterstützung an sich aufgeführt werden, da diese zu einem großen Teil vom Staat bereitgestellt wird. Diese Gelder werden umgelenkt, sodass sie aufgrund der Durchführung dem Großprojekt zur Verfügung gestellt werden können. Dabei stellt sich natürlich die Frage, ob Gelder, welche z.B. für Olympische Spiele in Berlin bereitgestellt werden, nicht besser Regionen wie Leipzig, dem Ruhrgebiet oder Stuttgart, in ihrer Stadt- und Regionalentwicklung unterstützt hätten können (vgl. Häußermann/ Siebel 1993, 18).
Zwar erhofft sich jede Stadt mit der Durchführung eines Großprojekts einen regionalen wirtschaftlichen Aufschwung, welcher, vor allem in den Bereichen Gastronomie und Tourismus, auch eintritt, dennoch entwickelt sich dieser nach der Veranstaltung meist rasch zurück. Vor allem im Bereich der Gastronomie schließen viele der Lokale später wieder, speziell entstandene Arbeitsplätze (wie z.B. Parkplatzwächter, Kartenverkäufer, Ordner usw.) erscheinen überflüssig und werden wieder gestrichen. Dies bedeutet, dass nur wenige der entstandenen Arbeitsplätze das Großereignis überdauern (vgl. Häußermann/ Siebel 1993, 18).
Mangelnde Transparenz gegenüber der Bevölkerung kann ebenfalls schnell zu einem weiteren Problem werden (vgl. Häußermann/ Siebel 1993, 18). Das wohl beste Beispiel hierfür ist die Weltausstellung in Wien, welche bereits während der Planungsphase von der Bevölkerung abgelehnt wurde. Trotz einer intensiven Kampagne und einer ausführlichen Planung konnte die Bevölkerung nicht überzeugt werden, eine Umfrage führte schließlich zu einer Absage. Zwar konnte die Neugestaltung des Donauareals nicht mit Hilfe der Ausstellung umgesetzt werden, die geplante zweite Innenstadt aber dennoch: Diese Entwicklung führt Häußermann und Siebel zu der Frage, ob Wien nicht gerade erst durch eben diese Absage den größtmöglichen Erfolg einer Weltausstellung verzeichnen konnte (vgl. Häußermann/ Siebel 1993, 21; Schröder 1993, 81ff; Schmink 1993, 112ff).
Das Einbeziehen von Star-Architekten wurde bei den Vorteilen von Festivalisierung erwähnt, kann allerdings auch negativ ausgelegt werden. Zwar ist es richtig, dass ein Bau moderner Gebäude den Tourismus ankurbelt und das Stadtbild nachhaltig verändert, es birgt aber auch die Gefahr lokale Identität zu zerstören — die Städte gleichen sich immer mehr. Die Stadtstruktur an sich wird dabei immer mehr von Investoren und Architekten diktiert, worunter die Kultur einer Stadt leidet, da die modernen Gebäude im Extremfall nicht in das alte Stadtgefüge passen (vgl. Häußermann/ Siebel 1993, 28).
Als letzter Punkt sollte erwähnt werden, dass sich eine Stadt gerade während eines Großereignisses, aufgrund der enormen Medienpräsenz und des touristischen Andrangs, keine negativen Schlagzeilen erlauben kann. Da derartige Ereignisse gerade wegen eben dieser Präsenz als optimales Anschlagsziel gelten, wurden die Sicherheitsvorkehrungen in den letzten Jahren enorm erhöht. Immer mehr Geld wird in Sicherheit investiert, um Ereignisse wie in München 1972 zu vermeiden. Damals überfielen acht Palästinenser das Olympische Dorf der Isrealis, töteten zwei Sportler und nahmen neun Geiseln. Dadurch wurde das international beobachtete Ereignis zu einem Schauplatz der Auseinandersetzung zwischen Isreal und Palästina. 2004 war das Budget der Olympischen Spiele in Athen größer als bei irgendeiner anderen Großveranstaltung zuvor. 650 Millionen Euro standen als Sicherheitsetat zur Verfügung — doppelt so viel wie bei den Spielen in Sydney 2000 oder Salt Lake City 2002 (vgl. Häußermann/ Siebel 193, 29; Olympia: Sicherheitsmaßnahmen um 1,5 Milliarden Euro, 2005).
2.5 Zwischenfazit
Stadtentwicklung und Großprojekte gehen heute meist miteinander einher. Diese benötigen jedoch grundlegende Konzepte, damit die Durchführung eines solchen Projekts den Umbau einer Stadt einleiten kann, bei dem das Ziel verfolgt wird, Infrastruktur zu verbessern und die regionale Wirtschaftskraft zu steigern (vgl. Häußermann/ Siebel 1993). Nichtsdestotrotz bedeuten solche Großveranstaltungen einen enormen Eingriff in die Struktur der Stadt, da hierbei natürlich versucht wird ungenutzte Flächen mit Dienstleistungs-, Büro- und Hightech-, aber auch Freizeitsfunktionen aufzuwerten (vgl. Simons 2003).
Dies betrifft vor allem Stadtflächen, welche von Deindustriealisierung bzw. Militärbrache betroffen sind - diese Teile erhalten somit die Chance saniert zu werden und neu in das Stadtbild integriert zu werden.
Doch nicht nur die Städte, sondern auch die Politik hat gelernt, das Instrument ‚Großveranstaltung‘ für sich zu nutzen: Seit der Mitte der 1970er Jahre dienen Großveranstaltungen in der Politik als Werkzeug für Stadterweiterungs-, Stadtverschönerungs- oder Stadtveränderungsvorhaben. Hierdurch sollten den innerstädtischen Probleme wie ansteigende Arbeitslosen- und Armutszahlen, ökonomische Stagnation und der Verlust öffentlicher Einnahmen entgegen gewirkt werden.
Dennoch lässt sich abschließend festhalten, dass die Großprojekte nicht nur Vorteile mit sich bringen: Sozial schwächere Gruppen (Rentner, ausländische Arbeitnehmer oder andere Randgruppen) können mitunter nicht in die Planung mit eingebunden werden; Langzeitarbeitslosigkeit oder ökologische Probleme können ebenfalls nicht durch den Motor ‚Großprojekt‘ behoben werden, ebenso wenig wie gewährleistet werden kann, dass es bei Projekten dieser Art nicht zu einer ‚Kostenüberschätzung‘ kommen kann — was wiederum die Frage aufwirft, was im Zweifel nach dem Großevent mit dem Schuldenberg passiert (siehe Olympische Spiele Tourin 2006).
3. Die Stadt Landau
3.1 Der geschichtliche Anfang der Stadt Landau
Im folgenden Abschnitt soll die Geschichte der Stadt Landau betrachtet werden. Ziel ist es, die entwicklungsbedingten Gründe herauszustellen, aus denen hervorgehen soll, warum sich die Stadt in ihrer Entwicklung für das Projekt Landesgartenschau entschieden hat. Landau liegt im Süden von Rheinland-Pfalz, unweit den Grenzen von Baden-Württemberg, Hessen, dem Saarland und Frankreich und ist Teil des PAMINA-Raumes (‚PAMINA‘ ist ein kommunaler deutsch-französischer Zweckverband, welcher sich zusammensetzt aus PAlatinat (Pfalz), MIttlerer Oberrhein und Nord Alsace (Nordelsass)).
Abb.01: Lage Landaus in der BRD
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1268 wird Landau das erste Mal als ‚civitas‘, also als städtisch geprägtes Gemeinwesen mit Ratsverfassung unter Emich IV. erwähnt. Diese ‚civitas‘ entwickelt sich nur wenige Jahre später schon zu einem ‚oppodium‘, einer befestigten Stadt. Für eben diese bittet Emich beim König Rudolf von Habsburg um die Gnade einer Privilegierung, welche ihm gewährt wird — Landau erhält am 30. Mai 1274 das Recht eine eigene Ratsverfassung sowie ein eigenes Gericht aufzubauen. 1291 folgt dann die Erhebung in den Rang einer Reichsstadt: Landau ist nun in der Lage einen eigenen Markt abzuhalten, was wöchentliche Einnahmen für die Stadtkasse, Gewinne für die Bevölkerung und eine Sogwirkung für das Umland bedeutete. Die folgenden Jahre kristallisierten sich zu einer Blütezeit Landaus heraus, was sich auch auf die kirchlichen Bauten auswirkte: So entstanden in den folgenden Jahren die Stiftskirche, die Katharinenkapelle und das Augustinerkloster. Doch der Markt schien bald den speziellen Bedürfnissen der schnell wachsenden Bevölkerung nicht mehr zu genügen. So bildeten sich in der Folgezeit einzelne Sondermärkte heraus, wie der Kornmarkt, Holzmarkt, Krautmarkt oder der Fischmarkt. Was jedoch noch fehlte und was eine Stadt zu dieser Zeit ausmachte, war eine Mauer. Nachdem Kaiser Albrecht (1298-1308) Landau erlaubte die alte Burg einzureißen und die Steine zum Bau einer neuen Stadtmauer zu verwenden, entstand innerhalb weniger Jahre eine für damalige Verhältnisse starke Festung (vgl. Martin 2006, 9ff). Nachdem Landau in den folgenden Jahren unter einer politischen Schlechtwetterlage zu leiden hatte, die Stadt wurde verpfändet und verlor den Status einer Reichsstadt, muss es im 15. Jahrhundert und zu Beginn des 16. Jahrhunderts wirtschaftlich gesehen gut dagestanden haben.
Abb.02: Das mittelalterliche Landau (rot)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Dies ist unter anderem auf den Weinhandel zurückzuführen. Durch den Export des Weins bis an den Niederrhein konnte die Stadtkasse aufgebessert werden. Beleg für den städtischen Wohlstand wäre hierfür auch die Einrichtung der ersten pfälzischen Lateinschule (1436). Ebenfalls gibt das „Landauer Pfennigbüchlein“ Auskunft über den Wohlstand der Bevölkerung dieser Zeit: In diesem vollständigen Einwohnerverzeichnis mit Namen, Beruf und Steueraufkommen finden sich etwa 2500 Personen, wobei die Winzer mit 150 Familien die zahlenmäßig stärkste Zunft bildeten und neben den Schultheißen und den Stadtschreibern die einkommensstärkste Gruppe darstellte (Martin 2006, 15ff.).
Die darauf folgende Zeit war für Landau eher eine ruhige — die Stadt konnte endlich die Verpfändung von 1324 auslösen und die reformatorischen Ideen Luthers wurden in Landau von der Bevölkerung mit Ausnahme des Bischofs positiv aufgenommen, sodass bis ins 17. Jahrhundert keine größeren Konflikte oder Veränderungen auftraten. 1618 kam es aber dann zu eben diesen Veränderungen. Zu Beginn des 30-jährigen Krieges wurden Landaus Festungswerke instand gesetzt, die Waffen geprüft und Vorräte angelegt. Obwohl sich die Stadt für neutral erklärte, drang das Heer des Grafen von Mansfeld ein, welches die Bevölkerung drangsalierte und vor allem den Stift plünderte. Die Besatzer blieben bis 1622, dann mussten sie dem Erzherzog von Österreich die Stadt überlassen. Bis zur Ankunft des Königs von Schweden 1631 blieben somit Österreicher, Kroaten und Spanier in der Stadt — eine der schwierigsten Besatzungsjahre in der Landauer Geschichte, zum einen aus der Parteinahme der Besatzung für die katholische Kirche, zum anderen aber auch aus Zwangssteuern, Naturalienabgaben und Sachleistungen (vgl. Martin 2006, ebd.).
Die Schweden wiederum blieben nur zwei Jahre, auf sie folgten die Franzosen. Auch diese blieben nur drei Jahre in Landau, auf sie folgten wiederum die Österreicher. Zu diesem Zeitpunkt herrschte in Landau große materielle Not, welche sich bald auch durch Seuchen ergänzte. 1636 konnten schon nicht mehr alle öffentlichen Ämter besetzt werden, weiteres Unglück traf in Form des Herzogs von Sachsen-Weimar ein, welcher 1639 Landau einnahm. Kurze Zeit später folgten dann wieder die Österreicher und auf diese, lothringische Truppen. Sechs Jahre später besetzten dann die Franzosen erneut Landau, um dann bis zum Ende des Krieges zu bleiben. Siebenmal hatte die Stadt somit zwischen 1621 und 1639 verschiedene Besatzungen ertragen müssen — alle plünderten und nahmen sich was gebraucht wurde. Glück hatte Landau dabei, dass es nicht niedergebrannt wurde. Dennoch war die Bevölkerungszahl stark gesunken (1648 rund 1500 Bewohner) und die Stadt völlig verarmt (vgl. Martin 2006, 28ff.). Die darauffolgenden Jahre waren gekennzeichnet durch eine diplomatische und militärische Absicherung des bisher Erreichten, Landau wurde der westlichste vorgeschobene Posten Frankreichs. Am 1. November 1673 wurde die Stadt abermals von den Franzosen besetzt und blieb auch bis 1680 unter dauerhafter französischer Besatzung (vgl. Martin 2006, ebd.).
3.2 Stadtentwicklung als Garnisonsstadt im 17. und 18. Jahrhundert
Von den vielzähligen Veränderungen, welche Landaus Übergang an Frankreich mit sich brachte, war der Vaubansche’ Umbau Landaus der wohl auswirkungsreichste. Landaus neue Eigenschaft als Festungs- und Garnisonsstadt veränderte nicht nur nachhaltig die wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen, sondern war wohl auch der Grund für den Ausbruch eines gewaltigen Brandes, welcher im Juni 1689 große Teile der Stadt vernichtete. Erst dieses Großfeuer schuf die Voraussetzung, um Landau auch in städtebaulicher Hinsicht in eine moderne Festungsstadt umwandeln zu können (vgl. Imhoff 1996, 17).
Mit der Neugestaltung der Innenstadt wurde Ingenieuroberst Jacques Tarade betraut, welcher unter der Leitung Vaubans bereits bei der Befestigung zahlreicher Städte in Flandern und im Elsass mitgewirkt hatte.
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- Arbeit zitieren
- Alex Begoll (Autor:in), 2017, Die Landesgartenschau Landau 2015. Großprojekte als Möglichkeit zur effektiven Stadtentwicklung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/380836
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