Der Mensch ist ein soziales Wesen, dessen gesamtes Wissen aus den Erfahrungen mit anderen
und durch andere Menschen in einer sozialen Welt resultiert. Nur diese Erfahrungen ermöglichen
ihm das Leben in einer Gemeinschaft mit anderen Individuen. Am stärksten wird er dabei
beeinflusst von dem Umfeld, das ihm am nächsten steht: seine Familie und darüber hinaus das
unmittelbare Milieu, das sie umgibt. Es bestimmt sein Handeln, die Erfahrungen, die er erlebt und
damit den gesamten Prozess der Entfaltung seiner Persönlichkeit. In jeder Situation, der sich ein
Mensch ausgesetzt sieht, wirken auf ihn die Reaktionsmuster und Strategien, die er sich in und
durch sein soziales Milieu angeeignet hat. Sie ermöglichen ihm die Bewältigung des Alltags. Aber
wie verhält es sich mit Situationen, die nicht seinem alltäglichen Geschehen entspringen? In
welchem Maße wirkt das soziale Milieu, in dem ein Mensch sich bewegt, auf den Umgang eines
Individuums mit schweren Krisensituationen? Welchen Nutzen zieht ein Mensch für die
Bewältigung einer Krise aus einem intakten Umfeld und welchen Problemen ist er dabei in einem
gestörten Milieu ausgesetzt? Diese Fragen zu beantworten, soll die Aufgabe dieser Hausarbeit
sein. Bei der Umsetzung der Aufgabenstellung sind dabei zunächst die grundlegenden Begriffe
von Milieu und Krise zu klären als auch die Bedeutung des Milieus bei der Habitualisierung der in
ihm lebenden Menschen.
Daran anschließend soll die Frage nach der Bedeutung des Milieus in Krisen anhand eines
praktischen Beispiels deutlich gemacht werden. Dafür soll der soziographische Versuch „Die
Arbeitslosen von Marienthal“ von Marie Jahoda, Paul Lazarsfeld und Hans Zeisel aus den 1930er
Jahren dienen. Die Studie über ein österreichisches Arbeiterdorf, dessen Einwohner alle auf einen
Schlag der Arbeitslosigkeit gegenüberstehen, zeigt eindrucksvoll wie eine ganze Gemeinde einer
Krisensituation begegnet und wie unterschiedlich die einzelnen Individuen – beeinflusst durch das
Milieu und ihre persönlichen Erfahrungen darin – mit der Krise umgehen. [...]
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Die Bedeutung des Milieus bei der Bewältigung von Krisensituationen
1. Der Krisenbegriff
2. Das Milieu
3. Der Habitus
3.1. Die Entstehung des gemeinsamen Habitus
3.2. Die Definition des Habitus
4. Handlungsstrategien geprägt durch das soziale Umfeld
5. Die Bedeutung des Milieus bei der Bewältigung von Krisensituationen – Das Beispiel „Marienthal“
5.1. Die Krise
5.2. Der Umgang mit der Krise
5.2.1. Das Gesellschaftliche Leben
5.2.2. Der psychische Zustand - die vier Familientypen
5.3. Schlussfolgerungen
5.3.1. Allgemein
5.3.2. Das Verharren in Marienthal
5.3.3. Der Verlust des kollektiven Habitus
5.3.4. Die Identitätskrise
III. Fazit
VI. Bibliographie
I. Einleitung
Der Mensch ist ein soziales Wesen, dessen gesamtes Wissen aus den Erfahrungen mit anderen und durch andere Menschen in einer sozialen Welt resultiert. Nur diese Erfahrungen ermöglichen ihm das Leben in einer Gemeinschaft mit anderen Individuen. Am stärksten wird er dabei beeinflusst von dem Umfeld, das ihm am nächsten steht: seine Familie und darüber hinaus das unmittelbare Milieu, das sie umgibt. Es bestimmt sein Handeln, die Erfahrungen, die er erlebt und damit den gesamten Prozess der Entfaltung seiner Persönlichkeit. In jeder Situation, der sich ein Mensch ausgesetzt sieht, wirken auf ihn die Reaktionsmuster und Strategien, die er sich in und durch sein soziales Milieu angeeignet hat. Sie ermöglichen ihm die Bewältigung des Alltags. Aber wie verhält es sich mit Situationen, die nicht seinem alltäglichen Geschehen entspringen? In welchem Maße wirkt das soziale Milieu, in dem ein Mensch sich bewegt, auf den Umgang eines Individuums mit schweren Krisensituationen? Welchen Nutzen zieht ein Mensch für die Bewältigung einer Krise aus einem intakten Umfeld und welchen Problemen ist er dabei in einem gestörten Milieu ausgesetzt? Diese Fragen zu beantworten, soll die Aufgabe dieser Hausarbeit sein. Bei der Umsetzung der Aufgabenstellung sind dabei zunächst die grundlegenden Begriffe von Milieu und Krise zu klären als auch die Bedeutung des Milieus bei der Habitualisierung der in ihm lebenden Menschen.
Daran anschließend soll die Frage nach der Bedeutung des Milieus in Krisen anhand eines praktischen Beispiels deutlich gemacht werden. Dafür soll der soziographische Versuch „Die Arbeitslosen von Marienthal“ von Marie Jahoda, Paul Lazarsfeld und Hans Zeisel aus den 1930er Jahren dienen. Die Studie über ein österreichisches Arbeiterdorf, dessen Einwohner alle auf einen Schlag der Arbeitslosigkeit gegenüberstehen, zeigt eindrucksvoll wie eine ganze Gemeinde einer Krisensituation begegnet und wie unterschiedlich die einzelnen Individuen – beeinflusst durch das Milieu und ihre persönlichen Erfahrungen darin – mit der Krise umgehen.
II. Die Bedeutung des Milieus bei der Bewältigung von Krisensituationen
1. Der Krisenbegriff
Wenn wir vom Begriff der „Krise“ reden, stellen wir uns eine Situation dar, die einen Menschen „überrennt“ und schwerwiegende Auswirkungen auf sein Leben mit sich bringt. Darüber hinaus wird eine Krise heute meist als etwas vorwiegend Negatives angesehen, obwohl ihr dieses Bild dem griechischen Ursprung „crisis“ nach gar nicht anhaftet. Der Begriff beschreibt viel mehr eine Situation des Wandels, eine Entscheidung. Diese Dynamik bildet die Voraussetzung für die Weiterentwicklung des Menschen, dem die Krise widerfährt.
Dass eine Krise heute vorrangig als etwas Negatives gesehen wird, lässt sich dadurch begründen, dass sie den Menschen, der sie durchlebt, sehr unvermittelt trifft. Nach W. I. Thomas ist das Ziel aller Zweckgerichteten Aktivitäten des Menschen die Beeinflussbarkeit und damit die Kontrolle durch den Mensch.[1] Eine kritische Situation aber stellt etwas völlig Neues dar, wofür sich im Moment des Geschehens keine geeignete Handlungsweise finden lässt. Die Krise entzieht sich jeglicher Kontrolle des Betroffenen und es ist ganz natürlich, dass er eine solche Situation als etwas Negatives, Bedrohliches empfindet. Des Weiteren charakterisiert sich eine Krise durch ihre Vergänglichkeit. Sie stellt immer etwas Vorübergehendes dar.[2] Gleichzeitig jedoch erzeugt sie einen enormen Zeitdruck, der bedingt wird durch die Anforderung an den Betroffenen, die Krise als bald möglich zu beenden. Entscheidend für den Verlauf der Krise ist die Handlungsweise, mit der der Einzelne auf die Krise reagiert. Die Auflösung, Unverändertheit oder Zuspitzung der Krise ist folglich abhängig von der angewandten Lösungsstrategie, mit der ein Mensch auf eine Krise reagiert . Dabei wird jedoch nur die richtige Handlungsstrategie die Auflösung der Krise herbeiführen.
2. Das Milieu
Für Comte bezeichnete der Begriff Milieu „die Gesamtheit der existenznotwendigen äußeren Umstände eines Organismus“[3]. Aus dieser Definition lässt sich demzufolge schlussfolgern, dass es – entsprechend den jeweils vorherrschenden äußeren Umständen - viele verschiedene Arten von Milieus geben muss, denen ein Mensch angehört und mindestens ebenso viele Positionen, die er in eben diesen Milieus einnimmt. Er kann auch mehrere Positionen in einem einzigen Milieu beziehen. Innerhalb des Milieus der Familie kann ein Mensch beispielsweise gleichzeitig Vater als auch Sohn und Bruder sein. Außerhalb der Familie als dem wohl kleinsten sozialen Milieu – nach Hradil handelt es sich hierbei um ein sogenanntes Mikromilieu, welches er definiert als eine Lebensstilgruppierung, „deren Mitglieder miteinander in unmittelbarem persönlichen Kontakt stehen“[4] – sind aber noch etliche weitere Milieus denkbar. So zum Beispiel Wohnbezirk, Freundeskreis, Schichtzugehörigkeit und ähnliches.
Für Hradil bezeichnet das Wort weiter einen Begriff, „der auf konkrete Gruppen zielt, in denen „objektive“ und […] „subjektive“ Faktoren zu bestimmten Lebenszielen verschmelzen“[5]. Er versteht Milieu also als eine Gruppe von Personen, die sich in der gleichen Lebenslage befinden. Unter den objektiven und subjektiven Faktoren, die Hradil nennt, versteht er dabei demographische Angaben wie Alter und Geschlecht, aber auch beispielsweise die Wohnregion.
Generell lässt sich feststellen, dass Milieus Personen mit ähnlicher Lebenslage umfassen. Diese Lebenslage kann „Lebensstandard, Chancen und Risiken, Glücksmöglichkeiten, aber auch Privilegien und Diskriminationen, Rang und öffentliches Ansehen“[6] sowie jede andere Art äußerer Lebensumstände umfassen. Die gleiche äußere Lebenslage, welches die in einem bestimmten Milieu lebenden Personen vereint, erzeugt eine für dieses Milieu typische Mentalität. Auf die Entstehung solch eines gemeinsamen Habitus soll im folgenden Abschnitt näher eingegangen werden.
3. Der Habitus
3.1. Die Entstehung des gemeinsamen Habitus
Die Welt, in die ein Mensch geboren wird, ist eine soziale Welt. Alles Wirken und Handeln der sozialen Umwelt eines Menschen in dieser Welt hat Einfluss auf sein Handeln. Das „Wir“ – welches die soziale Interaktion eines Menschen mit seinen Mitmenschen umschreibt – koordiniert die Handlungen der im Miteinander lebenden Personen, bestimmt sie wechselseitig und bezieht sie aufeinander.[7] Auf diese Weise nimmt der Einzelne teil an den Erfahrungen und Handlungen seiner Mitmenschen. Er lernt von ihnen und durch sie Handlungsmuster und -motive kennen und erfährt ebenso die Reaktionen, die diese hervorbringen. Wie Schütz es formuliert, so „vermag das Ich in der umweltlichen sozialen Beziehung auch alle Erfüllungen und Nichterfüllungen des fremden Entwurfes durch das fremde Handeln mitzuerfahren.“[8] In gleicher Weise wirkt aber auch der Einzelne auf seine soziale Umwelt und beeinflusst sie durch sein Handeln, wie auch sie ihn beeinflusst.
Die Orientierung am Handeln der Mitmenschen hat zur Folge, dass sich im Handeln des Einzelnen das Handeln des Milieus als sozialer Umwelt des Einzelnen widerspiegelt. Man lernt eben nur, was man in seinem unmittelbaren Umfeld sieht, fühlt, erfährt, imitiert. Demnach hat die Zugehörigkeit zu einem Milieu zur Folge, dass die in ihm Lebenden nicht nur die gleiche äußere Lebenslage aufweisen, sondern aufgrund des Miteinanderlebens auch nach und nach die gleichen Erfahrungen machen und die gleichen Handlungen aus den gleichen Gründen vollziehen.
Aber weiter noch enthält der Erfahrungsschatz eines Menschen neben diesen unmittelbaren Erfahrungen auch indirekte Verweise auf die Welt von Zeitgenossen und Vorfahren.[9] So wird den Mitgliedern eines Milieus auch das Wissen zuteil, welches ihnen von Eltern, Freunden aber auch Lehrern etc. übermittelt wird. Ebenso erfährt ein Mensch das Wissen vergangener Generationen, welches an die Nachkommen weitervermittelt wurde. Das kann geschehen durch die mündliche Überlieferung von Erfahrungen, aber auch durch materielle Hinterlassenschaften, aus denen sich das Wissen früherer Generationen durch ein „Zeichensystem“ erschließen lässt.[10]
Dieses Zeichensystem ist es, welches jedes einzelne Milieu einzigartig macht. Denn nur die im Milieu Lebenden sind in der Lage, durch das Wissen, welches sie aus ihrer unmittelbaren sozialen Welt beziehen, dieses Zeichensystem zu verstehen und damit zu arbeiten.
Neben dem äußeren Milieu entsteht somit einen allen Mitgliedern gemeinsames geistiges Milieu, gekennzeichnet durch einen gemeinsamen Wissensschatz und das für das Verständnis desselben notwendige Zeichensystem. Solch ein Prozess ist lebensnotwendig, da sich ansonsten keiner der Milieuangehörigen in seiner Umwelt zurechtfinden würde. Man muss eben seine Lebenswelt „zu jenem Grad verstehen, der nötig ist, um in ihr handeln und auf sie wirken zu können.“[11] Dieser Vorgang kennzeichnet die Entstehung des „gemeinsamen Habitus“.
3.2. Die Definition des Habitus
Der Habitus beschreibt den Typus an Verhaltens- und Handlungsweisen, Zeichensystemen und anderen Gemeinsamkeiten der Menschen in einem Milieu, welche dieses bestimmte Milieu erst ausmachen.
Bader[12] definiert ihn wie folgt:
„1. Habitus ist [...] definiert als Körperhaltung, als Körpergefühl“
„2. Habitus meint sodann tiefsitzende und unbewußte Charakterstruktur, psychische Disposition oder Haltung“
„3. Habitus impliziert tiefsitzende ästhetische Wahrnehmungs- und Bewertungsmuster, welche mit jenen Körperhaltungen und Charakterstrukturen eng verbunden sind. Die Analyse der Strukturierung des Habitus [...] zeigt, daß Geschmack historisch und durch die Struktur positionaler und allokativer Ungleichheit bestimmt ist“
„4. Der Habitus umfaßt [...] auch spezifische Wahrnehmungs- und Denkhaltungen“
„5. Die je aktuellen kognitiven und normativen Urteile werden durch tiefer verankerte 'Denkhaltungen', durch kognitive und normative Deutungsmuster strukturiert, die mit Wahrnehmungsmustern, mit Geschmack, psychischen und körperlichen Haltungen verflochten sind.“
Kurz gesagt ist der Habitus das, was die Umwelt einem Menschen im Verlauf seines Sozialisationsprozesses vermittelt: jede Art von Wertesystemen und Einstellungen, die sein Handeln zukünftig prägen werden. „Im Verlauf des Handelns werden die Relevanz- und Typikschemata der handelnden Subjekte durch eben diese Wirklichkeit [die sozial verfestigte Wirklichkeit] geprägt. Die soziale Formung der subjektiven Erfahrungsweise, die Entstehung sozialer Identität und die Habitualisierung sozial gebilligter Handlungsmuster findet in diesem Mechanismus statt.“[13] Dieser Vorgang beinhaltet neben dem Einfluss der Individuen in einem bestimmten sozialen Umfeld auf einen Menschen auch die „Gegebenheiten des jeweiligen Wohnorts, die historische Situation bestimmter Kohorten“[14] und ähnliches. Denn dieses Umfeld mitsamt der Menschen und Gegebenheiten prägt die Handlungschancen derjenigen, die in ihm leben. Demzufolge sind einer gemeinsamen Gruppe von Menschen im gleichen sozialen Milieu die gleichen Handlungsmöglichkeiten und -chancen gesetzt. Der Habitus ist damit „unbewußt oder vorbewußt und tief im Individuum verankert“.[15] Er wird nicht in Frage gestellt, denn er erscheint als selbstverständlich. Mit jedem neuen Handlungsprozess im Laufe der Sozialisation eines Menschen wächst dieser Mensch in den vorherrschenden Habitus seines sozialen Umfeldes hinein. Er wird ihn allein auch kaum ändern können oder wollen, da der Habitus ihn, wie bereits angeführt, unbewusst lenkt.
Dennoch ist der Habitus kein natürliches Phänomen. Er wird bestimmt durch „historische Gesellschaftsformationen und Perioden, durch spezifische kulturelle Traditionen“.[16] Er stellt also eine langjährige Entwicklung dar, die sich im Laufe von Generationen herauskristallisiert hat zu einem Bündel tief greifender Wertemuster und Handlungsstrukturen im Leben der Menschen. Ebenso gewährleistet er „die aktive Präsenz früherer Erfahrungen, die sich in jedem Organismus in Gestalt von Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata niederschlagen und die Übereinstimmung und Konstantheit der Praktiken im Zeitverlauf viel sicherer als alle formalen Regeln und expliziten Normen zu gewährleisten suchen.“[17] Der Habitus kann somit verstanden werden als eine Sammlung von „Dispositionen als Vergangenheit, die im Gegenwärtigen überdauert und sich in die Zukunft fortzupflanzen trachtet, indem sie sich in den nach ihren eigenen Prinzipien strukturierten Praktiken aktualisiert“.[18]
Man spricht hier von einer permanenten Anpassung des Wissensvorrates an die Welt, welcher im Verlauf der Generationen und der Weitergabe an die Nachkommen immer mehr verallgemeinert worden ist, so dass er am Ende unabhängig von allen äußeren Lebensumständen und für jede folgende Generation anwendbar ist.
Es scheint selbstverständlich, dass natürlich nur jenes Wissen weitervermittelt wurde, welches sich bewährt hat. So sucht der Habitus „die »vernünftigen« Verhaltensweisen des »Alltagsverstands« zu erzeugen, und nur diese, die in den Grenzen dieser Regelmäßigkeit möglich sind und alle Aussicht auf Belohnung haben, weil sie objektiv der Logik angepaßt sind, die für ein bestimmtes Feld typisch ist, dessen objektive Zukunft sie vorwegnehmen. Zugleich trachtet der Habitus, »ohne Gewalt, List oder Streit« alle »Dummheiten« (»so etwas tut man nicht«), also alle Verhaltensweisen auszuschließen, die gemaßregelt werden müssen, weil sie mit den objektiven Bedingungen unvereinbar sind.[19] In diesem Sinn kann der Habitus als die Vervollkommnung des idealen Wissensvorrates angesehen werden. Einerseits schließt er all das aus, was sich in der Vergangenheit als unnötig herausgestellt hat und andererseits beinhaltet er exakt jenes Wissen, welches sich als nützlich bewährt hat. Nicht mehr und nicht weniger.
Dass dieser Wissensvorrat ausschließlich den Mitgliedern eines bestimmten sozialen Milieus zugängig ist und nicht auch andere Personengruppen ihn deuten und von ihm profitieren können, liegt in der Natur des Habitus: „Die Einstellungen und Bewußtseinsformen der miteinander lebenden Menschen gleichen sich in Prozessen gegenseitiger Auseinandersetzung und Anpassung einander an.“[20] Demnach werden nur die Personen Zugriff auf das Wissen und somit auch die Fähigkeit haben, den Wissensvorrat zu alterieren, welche den „gemeinsamen Code“ beherrschen, der das Wissen umgibt. Nämlich jenes Mindestmaß an Verständnis, das den Mitgliedern eines Milieus, sowie deren Ahnen gemeinsam ist. Der Habitus stellt damit das Fundament dar, welches ein Milieu ausmacht und zusammenhält.
Natürlich existiert neben dem so genannten Gruppenhabitus auch ein für jedes einzelne Individuum der Gruppe individueller Personenhabitus. Denn trotz des gleichen sozialen Umfelds, der gleichen Art von Erfahrungen und dem gleichen Wissensstand, so kann doch kein Mensch desselben Milieus „dieselben Erfahrungen gemacht haben und dazu noch in derselben Reihenfolge“.[21] Keine zwei Individuen einer Milieugruppe weisen eine völlig identische Biografie auf. Diese Tatsache macht ihr Leben und eben ihren Habitus verschieden voneinander: „Der wichtigste und absolut einzigartige autobiographische Aspekt [...] ist die Abfolge der Erfahrungen in meiner inneren Dauer.“[22]
So verschieden ihre Lebenserfahrungen – besonders von der chronologischen Abfolge her gesehen – sind, so verschieden sind auch ihre ganz persönlichen Werte und Einstellungen. Das ist es, was den Personen gebundenen, individuellen Habitus ausmacht.
Dass dennoch letztlich der Gruppenhabitus über den Habitus der einzelnen Individuen dominiert liegt daran, dass „die besonderen Habitusformen der verschiedenen Mitglieder derselben Klasse durch ein Verhältnis der Homologie vereinheitlicht“[23] werden. Anders formuliert stellt der Klassenhabitus erst die Grundlage für die Formung des individuellen Habitus dar. Der Unterschied besteht allein in der Perspektive und Abfolge der Erfahrungen der Menschen des gleichen sozialen Umfeldes. Eine weitere Erklärung gibt Bourdieu[24]:
[...]
[1] Ulrich, S. 7
[2] a.a.O., S. 3
[3] Hradil, S. 165
[4] a.a.O., S. 168
[5] a.a.O., S. 165
[6] Geißler, S. 7
[7] Schütz 1991 S. 96
[8] Schütz 1993, S. 237
[9] Schütz 1991, S. 104f
[10] vgl. Schütz 1991, S. 121
[11] a.a.O., S. 28
[12] Bader, S. 93f
[13] Srubar, S. 51
[14] Hradil, S. 163
[15] Bader, S. 93
[16] a.a.O.
[17] Bourdieu, S. 100f
[18] a.a.O., S. 102
[19] a.a.O., S. 104
[20] Hradil, S. 163
[21] Bourdieu, S. 112
[22] Schütz 1991, S. 86f
[23] Bourdieu, S. 113
[24] a.a.O., S. 113f
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