In der altnordischen Kultur waren Spezialisten mit dem Umgang besonderer Textsorten betraut, die ein sekundäres modellbildendes System auf der Grundlage einer formal gebundenen Sprache pflegten. Diese Funktionsträger komponierten und überlieferten poetische Texte, deren Fragmente größtenteils in den unterschiedlichen, auf mittelalterliche Handschriften zurückgehenden Sammlungen der Lieder-Edda oder Eddica Minora zusammengefasst sind, die als sogenannte lose Strophen Fornaldarsögur und Íslendingasögur schmücken oder als Preislied und Preisdichtung in den aristokratischen Kreisen der altgermanischen Kulturen vorgetragen wurden.
Obwohl es sich bei diesen Texten um äußerst unterschiedliche Genre, auch um formal sehr verschieden komponierte Dichtungen handelt und die einzelnen Kompositionen zeitlich weit auseinanderliegen können, sind diese Gattungen doch durch ihre kunstvolle, formal gebundene Sprache als altnordische Dichtung vereint.
Gegenstand dieser Arbeit ist es, nachzuweisen, dass die altnordischen Dichtungen die im Mittelalter verschrifteten Versionen ehemals im Ritual mündlich komponierter und vortragener Dichtungen sind.
Inhaltsverzeichnis
- DIE MÜNDLICHE, ALTGERMANISCHE DICHTUNG
- VÖLUNDARKVIÐA UND BEOWULF
- DAS LIED VON GRÍMNIR (GRÍMNISMÁL)
- DAS LIED VON SKÍRNIR (SKÍRNISMÁL)
- DES HOHEN LIED (HAVAMÁL)
- DER ALTGERMANISCHE DICHTER-SPRECHER (ÞULR / ÞYLE)
- DIE GESCHICHTE DER ÞULR-FORSCHUNG
- GEMALT VON FIMBULÞULR, BESCHWOREN VON HROPTR
- KRIEG UND FEHDE
- ÓÐINNISCHES HELDENTUM
- NEKROMANTIE (TOTENBESCHWÖRUNG)
- MAGISCH INSZEnierte VerfühRUNG (LIEBESZAUBER)
- ZUSAMMENFASSUNG
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Dieser Essay befasst sich mit der Rolle des Dichter-Sprechers (Þulr) in der altnordischen Kultur. Der Essay untersucht die mündliche Tradition der altnordischen Dichtung und die spezifischen Merkmale der Þulr-Kunst, die sie von anderen Formen der mündlichen Dichtung unterscheiden.
- Die mündliche Tradition der altnordischen Dichtung
- Die Rolle des Dichter-Sprechers (Þulr) in der altnordischen Kultur
- Die kunstvolle, formal gebundene Sprache der altnordischen Dichtung
- Die Bedeutung der Þulr-Kunst für das Verständnis der altnordischen Kultur und Geschichte
- Die Verbindung zwischen Þulr-Kunst und ritueller Praxis
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel führt in die Thematik der altnordischen Dichtung ein und beleuchtet die verschiedenen Genres und Texttypen, die in der altnordischen Literatur vorkommen. Das Kapitel untersucht die sprachlichen und formalen Gemeinsamkeiten dieser Texte und stellt die Rolle des Þulr als Dichter-Sprecher in den Mittelpunkt. Kapitel Zwei befasst sich mit der Geschichte der Þulr-Forschung und den verschiedenen Ansätzen, die zur Interpretation dieser komplexen Figur entwickelt wurden. Kapitel Drei analysiert die verschiedenen Aspekte der Þulr-Kunst, wobei der Schwerpunkt auf den rituellen Aspekten der Þulr-Praxis liegt. Das Kapitel geht auf die enge Verbindung zwischen Þulr-Kunst und magischen, religiösen und kriegerischen Praktiken ein. Das vierte Kapitel untersucht die verschiedenen Themen und Motive, die in der Þulr-Dichtung vorkommen, und stellt die Beziehung zwischen Þulr-Kunst und den verschiedenen Aspekten der altnordischen Lebenswelt her.
Schlüsselwörter
Altnordische Dichtung, Þulr, Dichter-Sprecher, mündliche Tradition, Rituelle Praxis, Krieg und Fehde, Óðinn, Nekromantie, Liebeszauber, Skalden, Edda, Fornaldarsögur, Íslendingasögur, Oral Poetry, Oral Formulaic Composition.
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- Dr. Herbert W. Jardner (Author), 2007, Mál er pylja. Rituelle Rede in altnordischer Dichtung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/379162