Die vegetarische Ernährung wird immer beliebter. Nicht nur die Wissenschaft hat in den letzten Jahrzehnten sehr dazu beigetragen, das öffentliche Bild des Vegetarismus von einer Mangelernährung zu einer Ernährungsweise mit gesundheitlichen Vorteilen zu verändern. Längst folgen auch namhafte Musiker, Schauspieler und auch Profisportler diesem Trend. So ist es nicht verwunderlich, dass die Auswirkungen von vegetarischer Ernährung auf den Leistungssport in zahlreichen Studien untersucht wurden.
Vegane Ernährung für Leistungssportler ist hingegen ein mehr oder weniger weißer Fleck der Wissenschaft. Ein Großteil der Bevölkerung hält eine vegane Ernährungsweise im Leistungssport tatsächlich für schwierig. In dieser Publikation fasst der Autor nun alle bisher verfügbaren Erkenntnisse zusammen und gibt einen Überblick über den aktuellen Stand der Wissenschaft im Hinblick auf vegetarische und vegane Ernährung.
Der Autor beantwortet zudem die wichtigen Fragen, warum pflanzliche Nahrung schon immer einen großen Stellenwert in der Ernährung des Menschen gespielt hat und weshalb eine rein pflanzliche Ernährung heute immer beliebter wird. Zudem untersucht er, ob mögliche Problematiken in der Nährstoffversorgung veganer Leistungssportler vorliegen und gibt Ernährungsempfehlungen.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
2 Entwicklungsgeschichte der Ernährung des Menschen
3 Vegetarismus und Veganismus
3.1 Vegetarismus
3.2 Kurze Entwicklungsgeschichte des Vegetarismus
3.3 Vegetarismus, Veganismus und die Gesundheit des Menschen
4 Ausgewählte Nährstoffe im Kontext veganer Ernährung im Sport: Bedeutung und Bedarfsdeckung
4.1 Hauptnährstoffe
4.2 Mineralstoffe
4.3 Vitamine
4.4 Vitaminoide
4.5 Sekundäre Pflanzenstoffe
5 Pflanzliche Ernährung im Sport
5.1 Aktuelle Studienlage
5.2 Der gesunde Athlet als Voraussetzung für Leistungsfähigkeit
5.3 Nitratreiche Lebensmittel in der veganen Ernährung zur Leistungssteigerung
5.4 Die Herzgesundheit von Leistungssportlern und mögliche Effekte einer veganen Ernährung
5.5 Ernährungsempfehlungen für vegane Leistungssportler
6 Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Tabellen
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Formen vegetarischer Ernährung (verändert nach Leitzmann & Keller, S. 22).
Tabelle 2: Schnelligkeit der Kohlenhydrataufnahme aus verschiedenen Lebensmitteln (nach Friedrich, S. 61).
Tabelle 3: Pflanzliche Proteine in der Ernährung des Menschen: Mythen und Realität (nach Young & Pellet, 1994).
Tabelle 4: Proteinzufuhr von Veganern (nach Leitzmann & Keller, S. 273)
Tabelle 5: Ausgewählte Mineralstoffe und Spurenelemente der veganen Ernährung im Sport (verändert nach Konopka, S. 95, Leitzmann & Keller, S. 209 & 210; Friedrich, S: 125-152).
Tabelle 6: Pflanzliche Lebensmittel mit hohem Jodgehalt (verändert nach Leitzmann & Keller, S. 230)
Tabelle 7: Ausgewählte Vitamine der veganen Ernährung im Sport (verändert nach Konopka, S. 95, Leitzmann & Keller, S. 205; Friedrich, S: 101-120; Lamprecht& Yfanti, 2015).
Tabelle 8: Bioaktive Substanzen und ihre möglichen Wirkungen (verändert nach Watzl & Leitzmann, 2005, S. 23).
Tabelle 9: Verschiedene Leistungssportler, die sich vegan ernähren
1 Einleitung
Die vegetarische und vegane Ernährungsweise wird immer beliebter. Laut der Nationalen Verzehrstudie II aus dem Jahr 2008 waren es zu diesem Zeitpunkt rund 1,3 Millionen Menschen, die sich vegetarisch ernährten. Dazu kamen 80.000 Veganer. Nach Evana gab es 2013 rund sieben Millionen Vegetarier und 700.000 Veganer.
Die Akzeptanz der vegetarischen Ernährungsweise hat in den letzten Jahren ebenfalls zugenommen und ist heute nicht mehr mit gesellschaftlicher Isolation verbunden (vgl. Leitzmann & Keller, 2013, S.68). Dies liegt auch daran, dass neben vielen historischen Persönlichkeiten auch weitere Personen mit öffentlichem Ansehen, wie Sportler (siehe Anhang Tab. 9), Musiker oder Schauspieler einer vegetarischen Lebensweise folgen. Auch die Wissenschaft hat in den letzten Jahrzehnten sehr dazu beigetragen, das öffentliche Bild der vegetarischen Ernährung von einer Mangelernährung zu einer Ernährungsweise mit gesundheitlichen Vorteilen zu verändern. Es gibt mittlerweile einige Studien zu vegetarischer Ernährung im Sport, insbesondere im Leistungssport.
Im Bereich der veganen Ernährung, im Zusammenhang mit Leistungssport, gibt es allerdings erst sehr wenige Studien. Im Hinblick auf die steigende Anzahl vegan lebender Menschen ist dies ein mehr oder weniger weißer Fleck der Wissenschaft. Dies ist insbesondere deswegen beachtlich, da ein Großteil der Bevölkerung eine vegane Ernährung und gleichzeitig Leistungssport für schwierig hält. In dieser Übersichtsarbeit fasse ich daher alle bisher verfügbaren Erkenntnisse zusammen.
Im ersten Abschnitt geht es um eine kurze Entwicklungsgeschichte der menschlichen Ernährung, sowie um eine Einführung in die Geschichte des Vegetarismus und Veganismus. Diese beiden Abschnitte sind wichtig um zu verstehen, warum pflanzliche Nahrung schon immer einen großen Stellenwert in der Ernährung des Menschen gespielt hat, eine rein pflanzliche Ernährung heute immer beliebter wird und die wissenschaftliche Untersuchung daher auch im Sport von Bedeutung ist. Danach erfolgt eine Auseinandersetzung mit den Nährstoffen des Menschen im Kontext der veganen Ernährungsweise, insbesondere im Leistungssport. Hier soll es hauptsächlich darum gehen, herauszufinden ob mögliche Problematiken in der Nährstoffversorgung veganer Leistungssportler vorliegen. Es folgt ein Überblick zum aktuellen Stand der Wissenschaft im Hinblick auf vegetarische und vegane Ernährung. Abschließend geht es um mögliche zusätzliche Effekte einer veganen Ernährung, die immer wieder genannt werden, aber noch in zukünftigen Studien überprüft werden müssen. Abschließend folgen Ernährungsempfehlungen für vegane Leistungssportler.
2 Entwicklungsgeschichte der Ernährung des Menschen
Die Ernährung des heutigen Menschen kann sehr unterschiedlich sein und hängt nicht zuletzt von der Verfügbarkeit der unterschiedlichen Nahrungsmittel ab. Der Mensch wird alles Essbare verzehren, wenn die Alternative dazu, der Tod durch Verhungern ist (vgl. Leitzmann & Keller, S.37).
Ein spannendes Feld der Wissenschaft ist die Suche nach der sogenannten artgerechten Ernährungsweise des Menschen. Diese Frage lässt sich mithilfe anatomischer und physiologischer Merkmale des Verdauungstraktes und des Stoffwechsels beantworten. Ebenfalls nützlich ist die Analyse der Ernährungsweise unserer genetisch nächsten Verwandten, den großen Menschenaffen. Viele Wissenschaftler haben sich in den letzten 25 Jahren intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt. Dabei wird meistens der Zeitraum von 2,6 Millionen Jahren bis 8000 Jahren v. Chr. untersucht, also die archäologische Epoche der Altsteinzeit. Andere Wissenschaftler, die sich diesem Themenbereich widmen merken allerdings an, dass es aus methodischen Gründen sehr schwierig ist, die ursprüngliche Steinzeitdiät zu rekonstruieren (vgl. Ströhle & Hahn, 2006; Ungar, 2006, S.3).
Die ersten bekannten Vorfahren des Menschen ernährten sich wahrscheinlich von Insekten, während die nachfolgenden, bereits als Primaten bezeichneten, Lebewesen großteilig Blätter und Früchte verzehrten. Der Anteil tierischer Kost bestand wahrscheinlich weiterhin aus Insekten (Eaton & Konner, 1985). Auch die Australopithecinen, die als sehr früher Vorfahre des Menschen gelten, ernährten sich wahrscheinlich von harter, stärkehaltiger Pflanzenkost, die sie mit ihren Zähnen abtrennten. Dies lässt sich anhand der Gebissmorphologie und Zahnstruktur vermuten (Yeakel et al. 2007). Auch heute lebende Menschenaffen wie Gorillas, Orang-Utans oder Schimpansen verzehren hauptsächlich reife Früchte, Blätter und Pflanzenmark, während der Anteil tierischer Nahrung bei 4-8% liegt (vgl. Stanford, 1996). Bei Menschenaffen variiert die saisonale Verfügbarkeit der Hauptnahrungsmittel sehr stark, da sie vom Reifegrad der Früchte abhängt. Daher schwankt beispielsweise die Fettzufuhr zwischen 1,5% und 17,5% und die Proteinzufuhr liegt bei etwa 10% der Nahrungsenergie (vgl. Conklin-Brittain et al, 1998). Gleichzeitig liegt die Ballaststoffzufuhr bei ca. 200g pro Tag (vgl. Milton, 1993). Mit Veränderungen der Gebissstruktur infolge der Jagd mit Holz- und Steinwerkzeugen erhöhte sich wahrscheinlich der Fleischanteil in der Nahrung (vgl. Leitzmann & Keller, S. 31).
Laut Ungar ist die genaue Zusammensetzung der Nahrung unserer Vorfahren aber weiterhin umstritten (2006). Es ist wohl von einer damals schon mischköstlichen Ernährungsweise in Abhängigkeit der vorhandenen Nahrung auszugehen (vgl. Leitzmann & Keller, S. 32). Es wurden viele wissenschaftliche Hypothesen aufgestellt, die aber meist in einigen Punkten nicht mit physiologischen Merkmalen übereinstimmen oder für die es keine archäologischen Beweise gibt. Beim Jägermodell (Hill, 1982) wird der Fokus auf die Jagd gelegt, was allerdings im Widerspruch zum nur begrenzt möglichen Abbau von Ammoniak in der Leber steht. Ammoniak entsteht im Abbau von Protein. Das Sammlermodell von O‘Connell et al. aus dem Jahr 1999, sieht im Sammeln die Grundlage für Nahrungssicherheit, was aber im Widerspruch dazu steht, dass mithilfe der Jagd mehr Nahrungsenergie in größerer Zeit erbeutet werden kann. Das Aasfressermodell von Capaldo (1997) geht von der Nutzung von Tierkadavern aus. Allerdings ist dies aufgrund des stark schwankenden Angebotes als Hauptnahrungsquelle nicht wahrscheinlich. Das aquatische Modell (Cunnane, 2007) setzt aquatische Nahrungsmittel wie Fische und andere Meeresfrüchte an erste Stelle. Begründet wird dies mit dem hohen Anteil, der für die Gehirnentwicklung notwendigen Nährstoffe der Omega 3 Fettsäuren, Jod, Zink und Selen in Meeresfrüchten. Archäologische Daten fehlen für jede dieser Hypothesen. Es wird heute vom sogenannten Adaptive Versatility Model von Unger (2006) ausgegangen. Dieses besagt, dass die Nahrungsstrategie des Menschen flexibel, opportunistisch und mischköstlich ausgerichtet war.
Es gilt nun also noch herauszufinden, wie hoch der Anteil tierischer und pflanzlicher Kost in der flexiblen artgerechten Ernährung des Menschen ist. Ein viel verwendeter Ansatzpunkt ist die Untersuchung heute noch lebender Sammler- und Jägergemeinschaften auf allen Kontinenten. Da diese allerdings von überwiegend pflanzlich bis rein tierisch variieren, ist dies wenig hilfreich (vgl. Ströhle et al. 2009). Weiterhin lebte der archaische und moderne Homo Sapiens im Mittel- Paläolithikum (vor 200.000 – 50.000 Jahren) ausschließlich in Ostafrika. Südamerika beispielsweise wurde erst vor 12.000 Jahren besiedelt. Der Mensch erschließt sich erst seit etwa 40.000 Jahren neue Nahrungsressourcen und dieser Zeitraum ist zu kurz, um die genetische Veranlagung der Menschen in Bezug auf die Ernährung grundlegend zu verändern (vgl. Leitzmann & Keller, S. 33). Nach Marlowe (2005) ernährten sich wohl über 90% aller Jäger- und Sammlerkulturen, wie der Australopithecus, also mischköstlich, opportunistisch und flexibel. Aufgrund der langen Zeitspanne, die unsere Gene und unser Organismus für eine Anpassung benötigen, können wenn überhaupt nur die heutigen Jäger- und Sammler Kulturen Ost- und Südafrikas herangezogen werden. Die Kost dieser Menschen war mischköstlich, aber mit 60-80% der Nahrungsenergie überwiegend pflanzlicher Natur (vgl. ebd.).
Vor etwa 10.000 Jahren begann der Mensch dann mit dem systematischen Anbau von Nahrungspflanzen, besonders Getreide. Im Vergleich zu den weiterhin bestehenden Jäger- und Sammlerkulturen verzehrten diese Menschen eine geringere Pflanzenvielfalt mit gleichzeitig höherem Kohlenhydratanteil. Erst gegen Ende der Jungsteinzeit vor 4500-2000 v. Chr. erhöhte sich der Anteil tierischer Kost durch die Domestikation von Haus- und Nutztieren (vgl. Leitzmann & Keller, S. 34). Der hohe Anteil pflanzlicher Nahrung in der artgerechten Ernährung des Menschen lässt sich auch aufgrund von körperlichen Merkmalen bestätigen. Die aufgenommene Nahrung wird zunächst im Mund mechanisch zerkleinert und teilweise enzymatisch abgebaut (vgl. Leitzmann & Elmadfa, 2015, S. 44).
Das Vorhandensein von Mahlzähnen bei den Vorfahren des Menschen, sowie die Dicke des Zahnschmelzes sind ein Beleg für den Verzehr überwiegend pflanzlicher Kost. Im Mund befindet sich außerdem die α-Amylase Ptyalin, welche zur Vorverdauung von Stärke, Glykogen und Dextrinen dient. Im Magen wird die Nahrung dann durch peristaltische Bewegungen unter Mithilfe des Magensaftes verkleinert und durchgemischt (vgl. ebd.). Danach erfolgt die weitere Verdauung in den verschiedenen Teilen des Dünndarms, sowie die Wasserrückgewinnung im Dickdarm (vgl. ebd.). Die Untersuchung des Magen-Darm-Traktes von Menschen und Tieren ermöglicht hier weitere Hinweise auf die artgerechte Ernährung des Menschen. So weist der Magen-Darm-Trakt mit seinen Proportionen und seiner Größe auf eine gemischte, jedoch überwiegend pflanzliche Kost hin (vgl. Leitzmann & Keller, S.35). Reine Fleischfresser besitzen einen im Verhältnis zum restlichen Verdauungstrakt größeren Magen als der Mensch, reine Pflanzenfresser einen im Verhältnis größeren Blind- und Dickdarm. Nach Milton (1993) weist dies auf eine Abstammung des Menschen von insektenfressenden Primaten hin. Weiterhin können Menschen das Vitamin C nicht selbst synthetisieren, wie es reine Fleischfresser wie Katzen können. Dies deutet darauf hin, dass Vitamin C immer reichlich in der Ernährung unserer Vorfahren vorhanden gewesen sein muss. Tatsächlich wird die geschätzte Menge Vitamin C in der steinzeitlichen Ernährung auf ca. 600 mg geschätzt (vgl. Benzie & Wachtel-Galor, 2010), was dem 6-fachen der aktuellen Bedarfsempfehlung entspricht (vgl. Leitzmann & Elfmadfa, S. 498). Außerdem besitzt unser Dickdarm sogenannte Tänien und Haustren, welche typische Bestandteile von Pflanzen- und Allesfressern mit überwiegend pflanzlicher Nahrung darstellen und zum Abbau sonst unverdaulicher Pflanzenbestandteile benutzt werden können. Auch der Schluckmechanismus und das Vorkommen von Schweißdrüsen sind Merkmale einer überwiegend pflanzlichen Ernährung. Jedoch hatte weder eine rein pflanzliche, noch eine rein tierische Nahrung einen arterhaltenden oder artfördernden Auslesewert für die Menschheit, was wiederum für eine gemischtköstliche Ernährung spricht (vgl. Leitzmann und Keller, S.36). Eine überwiegend pflanzliche Ernährung kann daher als artgerecht und gesundheitsfördernd angesehen werden, sollte allerdings an die stark reduzierte körperliche Aktivität angepasst sein (vgl. Koerber et al., 2012).
3 Vegetarismus und Veganismus
3.1 Vegetarismus
Eine vegetarische Ernährung zählt zu den sogenannten alternativen Ernährungsformen. Nach Keller (2008) folgen alternative Ernährungsformen einer Konzeption, die sich deutlich von der üblichen Ernährungsweise in Industrieländern unterscheidet. Dabei werden Aspekte der Lebensmittelqualität genauso berücksichtigt, wie Wirkung und Zubereitung. Sie zeichnen sich im Gegensatz zu Modeerscheinungen durch Beständigkeit aus. Aus diesem Grund zählen Ernährungsformen wie die Atkins Diät, die Blutgruppendiät, Low-Carb Diäten oder die Steinzeiternährung, solange nicht zu den alternativen Ernährungsformen, bis sie langfristig eine hohe Anhängerschaft vorweisen können. Nach Leitzmann und Michel (1993) weisen alternative Ernährungsformen eine Reihe von Gemeinsamkeiten auf. Dazu zählen die Bevorzugung pflanzlicher Lebensmittel, Bevorzugung von ökologischer Landwirtschaft, die Ablehnung übertriebener Lebensmittelverarbeitung und bestimmter Produktionsverfahren, sowie die Bevorzugung regionaler und saisonaler Lebensmittel, welche schonend zubereitet werden. Zum Vegetarismus gehören „eine Reihe von alternativen Ernährungsformen, deren Selbstverständnis nicht unter Vegetarismus fällt, die in ihrer praktischen Durchführung aber einer vegetarischen Ernährung entsprechen“ (Leitzmann & Elmadfa, S. 741).
Es lassen sich dabei verschiedene Arten von vegetarischer Ernährung anhand der Lebensmittelauswahl unterscheiden.
Tabelle 1: Formen vegetarischer Ernährung (verändert nach Leitzmann & Keller, S. 22).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Vegetarismus ist weder eine Ideologie, noch eine Ernährungsweise. Der Vegetarismus wird als Weltanschauung verstanden und definiert (vgl. Leitzmann & Keller, S. 39). Auch wenn die artgerechte Ernährung wahrscheinlich überwiegend pflanzlich ausgerichtet war, so gab es nie einen Zeitraum, in dem unsere Vorfahren sich ausschließlich vegetarisch ernährt haben und heutige Überlegungen einer vegetarischen Ernährungsweise zu folgen spielten damals keine Rolle (vgl. ebd.). Erst der Aufbruch in das Ackerbauzeitalter schuf eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung des Vegetarismus (vgl. Dierauer, 2001, S.11). Wie bereits erwähnt gab es 2008 rund 1,3 Millionen Vegetarier und 80.000 Veganer in Deutschland. Diese Zahlen basieren meist auf nicht repräsentativen Umfragen oder Schätzungen der Vegetarierverbände und deswegen sind die nun folgenden Zahlen wahrscheinlich nicht ganz korrekt und müssen nach unten korrigiert werden (vgl. Leitzmann & Keller, S. 66). Laut Zahlen der European Vegetarian and Animals News Alliance gab es 2013 rund 700.000 Veganer und laut des Meinungsforschungsinstituts YouGov ernährten sich 2014 rund 900.000 Menschen vegan. Heute sollen es laut Marktforschungsinstitut Skopos rund 1,3 Millionen Menschen sein. Das würde bedeuten, dass sich die Anzahl der vegan lebenden Menschen in 9 Jahren versechzehnfacht hat. Aufgrund dieser rasanten Entwicklung lohnt es sich, einen kurzen Blick auf die Entwicklungsgeschichte des Vegetarismus zu werfen.
3.2 Kurze Entwicklungsgeschichte des Vegetarismus
Bereits im griechischen Altertum gab es Berichte über vegetarisch lebende Natur- und Kulturvölker, welche entweder aus Not oder aus sittlichen Gründen vegetarisch lebten (vgl. Hausleiter, 1935, S.32 und. S. 53). Im 8. Jahrhundert v. Chr. bildete sich dann in Indien ein Vorläufer des Hinduismus, dessen Bestandteil eine vegetarische Ernährung ist, wie sie auch heute noch von vielen Menschen in Indien praktiziert wird. Der westliche Vegetarismus hat seine Wurzeln im antiken Griechenland, wo der Philosoph Pythagoras im 6. Jahrhundert v. Chr. den Vegetarismus aus ethischen und philosophischen Gründen propagierte (vgl. Leitzmann und Keller, S. 39).
Der östliche Vegetarismus existierte seitdem über die Jahrhunderte fort, während der westliche Vegetarismus erst ab dem 19. Jahrhundert eine umfassende Renaissance erlebte. Im alten Griechenland war der seltene Fleischverzehr hauptsächlich an religiöse Opferfeiern gekoppelt und die Ablehnung dieser Tieropfer führte zu einer starken Selbstausgrenzung aus der Gesellschaft (vgl. ebd., S. 41). Die überwiegende Ernährung bestand damals aus Getreide, Hülsenfrüchten, Obst und Gemüse (vgl. Bommer & Bommer, 1943, S. 11-15). Auch die Ernährung der römischen Legionäre im antiken Rom, welche extreme Fußmärsche überstehen mussten, war hauptsächlich vegetarisch mit einem hohen Kohlenhydratanteil und 5000-6000 kcal pro Tag (vgl. Longo et al., 2008). Genauso die Gladiatoren im antiken Rom, welche vom antiken Historiker Plinius dem Jüngeren als Gerstenfresser bezeichnet wurden, aßen wahrscheinlich vegetarisch (vgl. ebd.) Pythagoras beeinflusste viele Philosophen nach ihm, die eine vegetarische Ernährung propagierten, wie z.B. Empedokles von Akragas (490-430 v.Chr.), Xenokrates von Chalkedon (396-314 v. Chr.) oder Theophrastos von Eresos (370-287 v. Chr.). Gleichzeitig gab es auch damals verschiedenen Denker und philosophische Gruppen, die nichts vom Vegetarismus hielten, wie z.B. Xenophon oder Gruppen der Peripatetiker, Stoiker und Epikureer (vgl. Dierauer, 2001, S: 24-26; Riedweg, 2002, S: 68). In praktisch allen Religionen gibt es Elemente des Vegetarismus, wenn gleich auch in sehr unterschiedlichem Ausmaß (vgl. Leitzmann & Keller, S. 47). In den östlichen Religionen und besonders im alten Indien gibt es das Prinzip des Nichtverletzens und der Glaube an eine Seelenwanderung ist im Hinduismus weit verbreitet, weswegen dort ca. 40% der Menschen vegetarisch leben. Im Buddhismus ist eine vegetarische Lebensweise die Voraussetzung für die Erlangung von Weisheit, der Jainismus ist der stärkste Vertreter des Prinzips der Nichtverletzung, im von Zarathustra gegründeten Zoroastrismus ist Vegetarismus ein wichtiger Eckpfeiler und auch im Judentum gibt es in den heiligen Schriften der Tora zahlreiche Gebote für einen barmherzigen Umgang mit Tieren.
Jedes pflanzliche Nahrungsmittel ist koscher, also rein und tauglich für den Verzehr, während zahlreiche tierische Produkte als unrein gelten. Im Christentum und dem Islam hat der Verzicht auf Fleisch die geringste Bedeutung, wenngleich es auch bis heute bestehende Gruppen gibt, die dem Vegetarismus nahestehen. Dazu gehören z.B. die Quäker in England, sowie die Mormonen und Siebenten-Tags-Adventisten in den USA. So isst z.B. ein Großteil der 16 Millionen Adventisten weltweit vegetarisch (vgl. Schwartz, 2010). Während es zu Zeiten des christlichen Mittelalters keine wichtigen Vertreter des Vegetarismus gab, so verbanden sich zu Zeiten von Renaissance und Humanismus antikes und modernes Gedankengut (vgl. Leitzmann und Keller, S.52).
Der Gedanke, dass auch Tiere leidensfähig sind, verbreitete sich und im Zeitalter der Aufklärung verbreitete sich in den Naturwissenschaften zunehmend eine rationalistische Denkweise. Bei der Verbreitung des Vegetarismus spielten sowohl religiöse Motive wie Barmherzigkeit, als auch Gedanken des Humanismus, wie Gerechtigkeit und Mitgefühl eine Rolle (vgl. ebd.).
Die Verbindung von antiken und modernen Gedanken zeigt sich insbesondere im Werk „Emil“ (1762) von Jean-Jacques Rousseau, der die tierethische Argumentation des griechischen Philosophen Plutarch zitierte und auf die Vorzüge einer vegetarischen Ernährung hinweist. Jedoch erlebte der Vegetarismus erst im 19. und 20. Jahrhundert eine neue Blütezeit. Während der Vegetarismus in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch von christlich-asketischem und christlich-fundamentalistischem Denken beeinflusst wurde (vgl. Spencer, 2000, S. 239), bildeten sich ab der Mitte des 19. Jahrhunderts nationale und lokale Vegetariervereine in den USA, Großbritannien und Deutschland. Im Jahr 1892 gründete sich in Deutschland der Deutsche Vegetarier-Bund, an dessen Arbeit die Vegetarier-Union Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg anknüpfte und aus dem sich der noch heute bestehende Vegetarier-Bund-Deutschlands e.V., kurz VEBU gründete. Der European Vegetarian Union gehören mittlerweile rund 200 Organisationen an.
3.3 Vegetarismus, Veganismus und die Gesundheit des Menschen
Die Anzahl wissenschaftlicher Beiträge zum Vegetarismus und seinen biomedizinischen Wirkungen haben sich in den letzten Jahrzehnten vervierfacht (vgl. Leitzmann & Elmadfa, S. 741). Es ist wichtig zu verstehen, wieso sich das Bild des Vegetarismus von einer bedenkenbehafteten Ernährungsform hin zu einer Ernährungsform mit medizinisch- therapeutischem und präventiven Vorteilen gewandelt hat. Auch der Veganismus ist in den Köpfen vieler Menschen heute mehr mit Mangelerscheinungen, denn mit guter Gesundheit verknüpft und spiegelt somit die Einstellung vieler Menschen zum Vegetarismus in früherer Zeit wieder.
Schon die Anhänger Pythagoras waren dem Gebrauch von Arzneimitteln eher kritisch gegenüber eingestellt. Die Ärzte unter ihnen waren der Meinung, dass sämtliche Krankheitserscheinungen durch eine vernünftige Lebensweise geheilt werden könnten (vgl. Leitzmann und Keller, S.62.). Allerdings wird keinem der griechischen Vertreter antiker Medizin eine ausgesprochen vegetarische Richtung zugewiesen.
Erst der Apotheker Theodor Hahn gilt als Wegbereiter für eine Verbindung zwischen Naturheilkunde und vegetarischer Ernährung. Er empfahl im 19. Jahrhundert eine vegetarische Schonkost in seiner Wasserheilanstalt in der Schweiz (vgl. ebd.). Heinrich Lahmann gilt als einer der ersten wissenschaftlichen Naturärzte, da durch seine Arbeiten die Sicht auf pflanzliche Lebensmittel grundlegend verändert wurde. Weg vom reinen Energiewert, hin zur Erforschung der übrigen Bestandteile. Maximilian Oskar Bircher-Benner ist ein weiterer Arzt, der sich mit den Heilerfolgen pflanzlicher (Roh)kost auseinandersetzte und gegen das gerade aufkommende „Eiweißdogma“ der modernen Ernährungswissenschaft argumentierte (vgl. Wirz, 1993, S. 57). Auf Basis des Verarbeitungsgrades ordnete Bircher-Benner die Nahrungsmittel neu und zusammen mit dem deutschen Arzt Werner Kollath gilt er als einer der Wegbereiter der heutigen Vollwert-Ernährung mit überwiegend pflanzlicher Ausrichtung (vgl. Leitzmann & Keller, S. 65).
Für den Vegetarismus gilt mittlerweile, dass eine günstig zusammengestellte Ernährung als stärker gesundheitsfördernd und weniger gesundheitsgefährdend einzustufen ist, als eine Ernährungsweise, die die üblichen Mengen an Fleisch und anderen tierischen Bestandteilen enthält (vgl. Biesalski et al., 2004, S.623; Hoffmann, 2004, S.28). Viele Wissenschaftler erforschen mittlerweile auch die Auswirkungen einer veganen Ernährung auf die Gesundheit des Menschen und aus dem letzten Stellungspapier der amerikanischen Academy of Nutrition and Dietetics geht hervor, dass eine gut geplante vegane Ernährung gesund und nährstoffreich ist und für die Prävention und Therapie bestimmter Erkrankungen geeignet ist. Dies gilt für alle Phasen des Lebens, inklusive Schwangerschaft, Laktation, Kindheit, Erwachsenenalter, älteres Erwachsenenalter und auch für Athleten (vgl. ADA, 2016). Bei den wissenschaftlichen Vertretern einer veganen Ernährungsweise gibt es eine besondere Form der veganen Ernährung, welche als Whole Food Plant Based Diet bezeichnet wird. Dies meint nicht nur das Weglassen tierischer Nahrungsmittel, sondern auch, dass der Verzehr von verarbeiteten Lebensmitteln, Weißmehlprodukten, Zucker und Salz zu vermeiden ist, während möglichst unverarbeitete Pflanzenkost mit einem gewissen Anteil Rohkost zu bevorzugen ist. Es entspricht damit der Vollwertkost nach Leitzmann, Koerber und Männle in rein pflanzlicher Ausführung mit Vollkorn- und Pseudogetreide, Obst, Gemüse, Nüssen, Samen und Saaten, Hülsenfrüchten und Pilzen als Nahrungsmittel und hohem Kohlenhydratanteil. Wann immer im weiteren Verlauf dieser Arbeit von veganer Ernährung die Rede ist, soll eine Ernährung in diesem Sinne gemeint sein.
Im weiteren Verlauf dieser Arbeit soll nun geklärt werden, welche Nährstoffe im Kontext einer veganen Ernährung im Sport besondere Bedeutung haben und ob es zu Problemen in der Versorgung kommen kann.
4 Ausgewählte Nährstoffe im Kontext veganer Ernährung im Sport: Bedeutung und Bedarfsdeckung
4.1 Hauptnährstoffe
Die Kohlenhydrate spielten in der Ernährung des Menschen von allen Nährstoffen schon immer die wichtigste Rolle (vgl. Leitzmann und Elmadfa, S. 181). Auch im Sport spielen Kohlenhydrate eine herausragende Rolle, hier insbesondere im Ausdauer- und Spielsport (vgl. Weineck, 2007, S. 982). Bei gesteigerter Belastungsintensität erfolgt eine Erhöhung der Kohlenhydratverbrennung und eine Abnahme der Fettverbrennung (vgl. ebd.). Bei sehr hoher Belastung werden nur noch die Kohlenhydrate verwendet (vgl. Jacobs, 1988, S. 23).
Kohlenhydrate kommen in Form von Strukturelementen oder Energielieferanten hauptsächlich in Pflanzenform vor und werden z.B. in Samen oder Knollen gespeichert (vgl. Leitzmann und Elmadfa, S. 182). Einzig die Leber oder die Muskeln verfügen über Kohlenhydratspeicher in Form von Glykogen, die allerdings im Vergleich zu Pflanzen klein sind (vgl. ebd.). Die Füllung dieser Speicher besitzt im sportlichen Kontext eine überaus wichtige Rolle. So korreliert z.B. die Ausdauerleistungsfähigkeit in Spielsportarten direkt mit der Höhe der intramuskulären Energiespeicher (vgl. Helgerud et al., 2001) und Spieler mit erhöhten Glykogenspeichern legen eine größere Strecke während des Spiels zurück, insbesondere in der 2. Halbzeit (vgl. Helgerud; Hoff et al., 2006, S. 117). Außerdem ermöglicht nur eine kohlenhydratreiche Ernährung eine Auffüllung der Glykogenspeicher über Nacht (vgl. Costill et al., 1971, S. 834).
Der Kohlenhydratanteil sollte dabei in einem Bereich von 70% der Kalorienaufnahme liegen (vgl. Weineck, S. 983). Trotz dieser Erkenntnisse liegt der Kohlenhydratanteil bei vielen Sportlern höchsten Niveaus zu niedrig, um eine optimale Leistung zu erzielen. Jacobs et al. (1982) konnten zeigen, dass Fußballer meist nur 50% ihrer Kalorien über Kohlenhydrate aufnehmen. Dies hat zur Folge, dass es im Zuge eines umfangreichen Trainings, schweren Spiels oder einem Turnier zu Leistungsverlusten kommt. Der Körper benutzt Kohlenhydrate nach der Verdauung und zur Absorption, also zur Energiegewinnung. Primäre Energiequelle ist dabei die Glukose oder der Traubenzucker, welcher entweder direkt verwendet oder zum Aufbau von Glykogen im Muskel oder Leber dient. Nach oder während einer sportlichen Belastung kann es zu einer Unterzuckerung des Organismus kommen, wenn die Blutglukosekonzentration infolge leerer Glykogenspeicher absinkt. Verschiedene Lebensmittel wirken aufgrund der unterschiedlichen Zusammensetzung anders auf den Blutzuckerspiegel des Menschen.
Tabelle 2: Schnelligkeit der Kohlenhydrataufnahme aus verschiedenen Lebensmitteln (nach Friedrich, S. 61).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der Kohlenhydratanteil von Vegetariern in der Nahrung ist meist höher, als der von Mischköstlern (vgl. Davey et al., 2003; Cade et al, 2004; Deriemaeker et al., 2010).
Der Anteil liegt bei Veganern noch höher, da fettreicher Käse oder fetthaltige Milchprodukte entfallen. Generell spielt die Aufnahme von Stärke in Form von Getreide- und Getreideprodukten und die Aufnahme von Monosacchariden wie Fructose aus Obst eine größere Rolle im Vergleich zu Mischköstlern (vgl. Leitzmann & Keller, S. 195). Man sieht also, dass die Versorgung mit Kohlenhydraten in der veganen Ernährung eher an das heranreicht, was für Sportler empfohlen wird.
Dennoch muss man im Leistungssport wahrscheinlich von den Grundregeln der veganen Vollwertkost abweichen und auch Einfachzucker wie Traubenzucker oder kohlenhydrathaltige Getränkelösungen zum richtigen Zeitpunkt konsumieren, um einen optimalen leistungsfördernden Effekt zu erzielen. So wird z.B. bei einer länger andauernden Belastung eine Kohlenhydrataufnahme von 30-60g pro Stunde in Form einer Getränkelösung empfohlen (vgl. Weineck, S. 989). Die Kombination von Kohlenhydraten und Protein in Form einer Getränkemischung führt dabei zu einer weiteren Ausdauer-Leistungssteigerung (vgl. Ivy, Res, Sprague & Widzer, 2003; Saunders, Kane & Todd, 2004).
Außerdem gibt es weitere Studien zu einer vorteilhaften Aufnahme von Kohlenhydraten vor oder während der sportlichen Belastung (vgl. Weineck, S. 989). Die sogenannte Zeit-Mengen Problematik spielt bei der Kohlenhydrataufnahme ebenfalls eine wichtige Rolle. Diese Problematik tritt auf, wenn Sportler mit hohem Trainingspensum und hoher außersportlicher Belastung nicht die gewünschte Menge an Nährstoffen über den üblichen Verzehr aufnehmen können oder wenn dies aufgrund anhaltender Belastungen, wie im Ultramarathonbereich, Zehnkampf oder bei Radrennen nicht möglich ist. Auch hier bieten sich Kohlenhydratgels in günstiger Zusammensetzung von Einfach- und Mehrfachzuckern mit eventuellen weiteren Zusätzen wie Proteinen an. Im Kontext der steigenden Zahlen vegan lebender Menschen wächst auch der Markt für vegane Sportsupplemente, womit für den veganen Leistungssportler keine Nachteile entstehen.
Eine besondere Gruppe der Kohlenhydrate sind die sogenannten Ballaststoffe. Dies ist ein Sammelbegriff für Bestandteile von pflanzlichen Zellwänden, von denen früher angenommen wurde, dass sie unverdaulich sind und daher unwichtig. Heutzutage weiß man, dass Ballaststoffe einen wichtigen Beitrag für die menschliche Gesundheit leisten und in geringem Maße an der Energiebereitstellung beteiligt sind (vgl. Leitzmann & Elmadfa, S. 210).
Zu den gesundheitlichen Effekten gehören die Wirkung gegen Verstopfung, Karies und Adipositas, sowie gegen Karzinome der Verdauungswege, Diabetes, Gallen- und Nierensteine und Herz-Kreislauferkrankungen (vgl. ebd.). Dies liegt allerdings auch an dem, mit dem Verzehr von ballaststoffreichen Lebensmitteln konsumierten anderen physiologisch wirksamen Stoffen, wie Vitaminen, Mineralstoffen und sekundären Pflanzenstoffen. Die Empfehlungen für die Zufuhr von Ballaststoffen liegen bei mind. 30g pro Tag. Dieser Wert gilt auch für Sportler. Vegetarier verzehren meist mehr Ballaststoffe als Mischköstler (vgl. Davey et al; Cade et al.) Mit bis zu 58g Ballaststoffen pro Tag verzehren die Veganer am meisten Ballaststoffe (vgl. Appleby et al., 1999; Waldmann et al., 2005). Einzig am Vor- und Wettkampftag ist der Verzicht auf ballaststoffreiche Nahrung wohl sinnvoll (vgl. Friedrich, 2015, S. 62). Eine Begründung dafür gibt es in der vorliegenden Literatur allerdings nicht. Wer dieser Empfehlung folgt, kann auch hier auf vegane ballaststofffreie kohlenhydratreiche Getränkelösungen, Pulver oder Riegel zurückgreifen, die es auf dem Markt gibt. Weiterhin gibt es keine Studien dazu, ob der in Untersuchungen festgestellte Rückgang der verdaulichen Nahrungsenergie von 97% auf 92,5% (vgl. Leitzmann & Eldmadfa, S. 209), bei ballaststoffreicher Ernährung im Vergleich zu ballaststoffarmer Ernährung im Sport von Bedeutung ist.
Die meisten Wissenschaftler im 20. Jahrhundert glaubten, dass eine Erhöhung des Bedarfs an Protein durch körperliche Bewegung nicht nötig sei, während ein Großteil der Athleten scheinbar anderer Meinung war (vgl. Lemon, 1996). Im Jahr 1890 empfahl das amerikanische Landwirtschaftsministerium die Aufnahme von 110g Protein pro Tag (vgl. Carpenter, 1986), was viel höher ist, als die heutige empfohlene Zufuhr von 50-60g für die Normalbevölkerung (vgl. Leitzmann und Elmadfa, S. 237). In den 1950er Jahren ging man davon aus, dass Proteindefizite das ernsthafteste und am weitesten verbreitete Problem der Welt darstellen. Die wissenschaftliche Meinung zum Proteinbedarf hat sich derweil dahingehend geändert, dass eine Erhöhung der Proteinzufuhr im Sport durchaus Sinn ergibt (vgl. Leitzmann und Elmadfa, S. 619).
Trotzdem sind viele Sportler weiterhin der Meinung, dass auch die erhöhten Empfehlungen zu gering sind. Die Empfehlungen zur Proteinzufuhr für die Normalbevölkerung liegen bei 0,8g Protein pro kg Körpergewicht. Für Sportler gilt eine Empfehlung von 1,2g Protein pro kg Körpergewicht bis maximal 1,6g Protein (vgl. Leitzmann und Elmadfa, S. 619). An diesen Empfehlungen hat sich in den letzten 20 Jahren auch nichts geändert (vgl. Lemon 1996). Der einzige Fall, bei dem mehr Protein benötigt wird, ist eine kalorienreduzierte Diät unter der Prämisse, den Muskelverlust möglichst gering zu halten. Hier werden 2,3-3,1g Protein pro kg Körpergewicht empfohlen (vgl. Helms et al., 2014). Ganz im Gegensatz zu diesen Empfehlungen, gibt es im männlichen Bodybuilding eine Proteinaufnahme von durchschnittlich 1,9-4,3g Protein pro kg Körpergewicht bei Männern und auch Frauen sind oft über den Empfehlungen (vgl. Spendlove et al., 2015). Proteine selbst dienen nicht der Energieerzeugung, sondern dienen dem Aufbau und Ersatz körpereigener Proteine und sind in jeder Zelle enthalten. Ihre Aufgabe besteht darin, den Körper mit den 8 essentiellen Aminosäuren zu versorgen. Essentielle Aminosäuren sind die, die für den Körper unentbehrlich sind. Weiterhin gibt es bedingt essentielle und nicht essentielle Aminosäuren, sodass die Anzahl auf 22 anwächst (vgl. Leitzmann & Elmadfa, S. 213; Konopka, S. 68).
Proteine brauchen für die Verbrennung noch mehr Sauerstoff als Fette, weswegen sie zur Energiebereitstellung im Sport nicht geeignet sind (vgl. Konopka, S. 73). Sie dienen im Sport, wie im normalen Stoffwechsel auch, zum Aufbau von Körpermasse, zur Herstellung von Enzymen und einigen Hormonen, als Antikörper im Immunsystem, als Gerinnungsfaktoren im Blut und zur Kontraktion von Muskelzellen (vgl. Leitzmann & Eldmadfa, S. 217). Dabei unterscheiden sich tierische und pflanzliche Nahrungsproteine in ihren Eigenschaften.
In diesem Rahmen entstand der sogenannte Protein-Kombinations-Mythos, bzw. viele Mythen über die Eignung von pflanzlichem Protein zur Deckung des menschlichen Bedarfs. Der Ursprung liegt in Studien mit Ratten, die gezeigt haben, dass Ratten mit pflanzlicher Nahrung weniger gut wachsen (vgl. Osborne & Mendel, 1914). Außerdem gibt es das Modell der sogenannten biologischen Wertigkeit von Protein aus Nahrungsmitteln. Es besagt, dass die biologische Wertigkeit eines Proteins davon abhängt, in welcher Menge und in welchem Verhältnis die essentiellen und nicht essentiellen Aminosäuren vorhanden sind, in Anlehnung an den Bedarf (vgl. Leitzmann & Elmadfa, S. 226). Nach diesem Modell sind tierische Proteine höherwertiger, da sie dem menschlichen Protein ähnlicher sind. Daher entstand die Annahme, dass man pflanzliche Proteinquellen wie Bohnen und Mais miteinander kombinieren müsse, um die gleiche biologische Wertigkeit zu erreichen.
Dieses Modell gilt allerdings nur bedingt, da z.B. in der Skelettmuskulatur zu jedem Zeitpunkt ein großer Pool aus freien Aminosäuren besteht, aus denen der Körper die benötigten Proteine zusammenbaut (vgl. Munro, 1970). Außerdem besitzt der Körper die Möglichkeit, die Proteine von Bakterienzellen des Verdauungstraktes wiederzuverwenden und ungefähr die gleiche Menge Protein, die man mit der Nahrung aufnimmt werden vom Körper selbst in den Verdauungstrakt abgegeben (vgl. Moughan et al., 2012). Die Bioverfügbarkeit der essentiellen Aminosäuren steht ebenfalls nicht immer im Verhältnis zur Menge an essentiellen Aminosäuren (vgl. Leitzmann und Elmadfa, S. 228), was wiederum gegen ein Modell spricht, dass auf die Anzahl der Aminosäuren setzt. Daher ist es unmöglich eine vegane Ernährung zusammenzustellen, die zwar ausreichend in Bezug auf die Kalorien ist, aber zu wenig Aminosäuren enthält (vgl. McDougall, 2002; Young & Pellet, 1994). Siehe hierzu auch Tab 3. im Tabellenverzeichnis.
Es wird diskutiert, den Bedarf an Protein für Menschen, die nur wenig bis gar kein tierisches Protein aufnehmen, von 0,8 auf 1g pro kg Körpergewicht zu erhöhen (vgl. Kniskern & Johnston, 2011). Auf Basis der aktuellen Empfehlungen der DGE liegt die Proteinzufuhr von Veganern in Bezug auf die Gesamtmenge und prozentual mit 12% Anteil an der Gesamtenergie, im bedarfsdeckenden Bereich (vgl. Tab. 4 nach Leitzmann & Keller; Rizzo et al., 2013).
Tabelle 4: Proteinzufuhr von Veganern (nach Leitzmann & Keller, S. 273)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Wie bereits betont, ist die Energiezufuhr entscheidend an die Proteinzufuhr bei Veganern gekoppelt, weswegen es nur dann zu einem Mangel kommen kann, wenn unterkalorisch gegessen wird.
Der dritte Hauptnährstoff sind die Fette. Friedrich (2015) betont, dass die Bedeutung der Fette für die Energiegewinnung von der Belastungsintensität und der Verfügbarkeit von Kohlenhydraten abhängt. Wie bereits angesprochen, sind die Kohlenhydrate, der wichtigste Energielieferant bei lange andauernden Belastungen.
Fette untergliedern sich unter anderem in die Neutralfette (Tryglyzeride), Fettsäuren, Terpenoide (z.B. Vitamin A, D, E oder K) und Steroide, wie Cholesterin (vgl. Leitzmann und Keller, S. 195). Von ernährungsphysiologischer Bedeutung ist dabei der Sättigungsgrad der Fettsäuren. Aufgrund dessen gibt es eine Unterscheidung in gesättigte Fettsäuren, die hauptsächlich in tierischen Lebensmitteln wie Butter oder Fleisch vorkommen und ungesättigten Fettsäuren. Einfach ungesättigte Fettsäuren, die hauptsächlich in pflanzlichen Ölen vorkommen (Linolsäure) und mehrfach ungesättigte Fettsäuren, die essentiell als ALA in hauptsächlich pflanzlichen Lebensmitteln und semiessentiell als EPA und DHA in tierischen Lebensmitteln wie Fisch vorkommen. Belastungen mit geringer und mittlerer Intensität fordern die Fettverbrennung schon von Arbeitsbeginn der Muskelzellen (vgl. Konopka, 2015, S. 65). Der Fettstoffwechsel zur Energiegewinnung dient der Schonung der Kohlenhydratspeicher. Der Nachteil der Fettverbrennung zur Energiegewinnung liegt darin, dass mehr Sauerstoff für die Verbrennung benötigt wird.
Dies wirkt sich allerdings bei Belastungen mit geringer und mittlerer Intensität nicht negativ aus, da genügend Sauerstoff zur Verfügung steht. Ausdauertrainierte Athleten besitzen auch bei hoher Intensität, mit 80% oder mehr der verfügbaren Sauerstoffaufnahmefähigkeit, die Fähigkeit Energie aus dem Fettstoffwechsel zu beziehen, weswegen sie für Zwischen- und Endspurts während eines Rennens mehr Energie aus den Kohlenhydratspeichern beziehen können. Die allgemeinen Empfehlungen der DGE für die Fettzufuhr sagen, dass 30% der Nahrungsenergie nicht überschritten werden sollte (vgl. DGE, ÖGE, SGE & SVE, 2013).
Für den Ausdauer- und Spielsportler sollte der Anteil in der Nahrung noch geringer sein, da es bereits die Empfehlung für einen 70 prozentigen Kohlenhydratanteil in der Nahrung gibt. Auch die Zufuhrempfehlungen für gesättigte Fettsäuren (maximal 10%), ungesättigte Fettsäuren (mindestens 10%) und mehrfach ungesättigte Fettsäuren (maximal 7-10%) müssen dementsprechend geändert werden. Der Anteil an gesättigten Fettsäuren kann heruntergestuft werden, während der Anteil an einfach- und mehrfach ungesättigten Fettsäuren erhöht werden kann. Die vegane Ernährung entspricht hier den Empfehlungen der DGE in Bezug auf den Gesamtfettanteil (vgl. Davey et al.; Waldmann et al.), welcher bei der Allgemeinbevölkerung mit 40-45% viel zu hoch ist (vgl. Konopka, S. 60). Auch die Aufnahme gesättigter, einfach- und mehrfach ungesättigter Fettsäuren entspricht bei Veganern den Empfehlungen der DGE, ganz im Gegensatz zur Allgemeinbevölkerung.
Wie bereits erwähnt gibt es Unterschiede bei den mehrfach ungesättigten Fettsäuren bezüglich der Verfügbarkeit in der Nahrung. Die mehrfach ungesättigten Fettsäuren EPA und DHA sind in pflanzlichen Lebensmitteln nicht enthalten, gelten allerdings für den menschlichen Organismus als semiessentiell und niedrige Spiegel sind mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, entzündungsassoziierten Erkrankungen, sowie neurologischen Erkrankungen assoziiert (vgl. Muskiet et al., 2004). Dabei spielen insbesondere die Spiegel an EPA und DHA bei neuropsychiatrischen Erkrankungen eine Rolle (vgl. Young & Conquer, 2005). Im Sport wird ein Effekt von mehrfach ungesättigten Fettsäuren kontrovers diskutiert. Es gibt bereits Erkenntnisse, dass Omega 3 Fettsäuren wie ALA, EPA und DHA günstige Effekte auf die Blutzellen, Muskelschäden, Entzündungsreaktionen und das Immunsystem haben. (vgl. Da Boit et al., 2017). Die Autoren des letzten Übersichtsartikels weisen allerdings darauf hin, dass die Datenlage inkongruent ist und es daher nicht genug Beweise für eine erhöhte Aufnahme im Sport oder gar die Notwendigkeit zur Supplementierung gibt (vgl. ebd.).
Vegane Sportler nehmen in ihrer Ernährung kein EPA und DHA auf und sind daher auf die Umwandlung von ALA in EPA und DHA angewiesen. Die Umwandlungsrate von ALA zu EPA beträgt bei Nicht-Vegetariern etwa 5%, während die Umwandlung von EPA zu DHA etwa 0,5% beträgt (vgl. Plourde & Cunnane, 2007). Außerdem hängt die Umwandlungsrate auch von der aufgenommenen Menge an Linolsäure und Transfettsäuren ab, da alle um die gleichen Enzymsysteme konkurrieren (vgl., Brenna, 2002). Eine Erhöhung der Zufuhr an ALA erhöht hier die Synthese von DHA und eine Verringerung der Linolsäurezufuhr erhöht die Bildung von EPA (vgl. Goyens et al., 2006). Es gibt einerseits Studien, bei denen Veganer einen niedrigen Spiegel an EPA und DHA aufweisen (vgl. Li et al., 1999; Fokkema et al., 2000; Kornsteiner et al., 2008; Sanders, 2009), andererseits auch Studien, bei denen sich die Plasmaspiegel nicht von anderen Ernährungsgruppen unterscheiden (vgl. Welch et al, 2010).
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- Quote paper
- Dominik Machner (Author), 2017, Vegane Ernährung im Sport, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/379022
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