Mit dieser Arbeit wollten wir Veränderungen in der Arbeitswelt aufzeigen, die seit dem Ende des Taylorismus stattgefunden haben und zum derzeitigen Stand der Bedingungen und Anforderungen an den Arbeitnehmer geführt haben. Weiterhin sollen im Hauptteil der Arbeit die Auswirkungen und Herausforderungen der Veränderungen auf das duale Ausbildungssystem eruiert werden. Dazu orientiert sich die Arbeit an den folgenden Leitfragen:
1. Welche Veränderungen haben sich auf dem Arbeitsmarkt vollzogen?
2. Welche Auswirkungen haben diese Veränderungen auf das System der dualen Berufsausbildung?
3. Welchen Herausforderungen sieht sich das duale System gegenüber und welcher Reformbedarf lässt sich daraus ableiten?
Während in den Glanzzeiten des Taylorismus noch eine strikte Trennung von Hand- und Kopfarbeit bestand und Produktionsprozesse in kleine Ablaufeinheiten zerlegt wurden, die dann von einzelnen Arbeitern zu bewältigen waren, geht die Tendenz immer mehr zu einer ganzheitlichen Arbeitsbewältigung, in der der Arbeiter in einen kompletten Prozess eingebunden wird. So führte Volvo Anfang der 70er Jahre als erstes die Inselproduktionen mit teilautonomen Arbeitsgruppen ein. Die Arbeiter erstellten in Teams komplette (Teil-)Produkte bzw. bekamen die Verantwortlichkeit für Dienstleistung übertragen (Volvoismus).1 Damit beginnend ergaben sich gänzlich neue Anforderungen an die Mitarbeiter, besonders im sozialen Bereich, aber auch im persönlichen und fachlichen Bereich. Diese Veränderung von Wissen und Fertigkeiten, vor allem im fachlichen Bereich, entbrannte die Diskussion vom lebenslangem Lernen und der Notwendigkeit nach unveränderlichen bzw. länger überdauernden Fähigkeiten oder Kenntnissen. Dieter Mertens, Arbeitsmarktforscher und früherer Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit, lies sich im Rahmen seiner Flexibilitätsforschung in den 70er Jahren auf die Frage nach überdauernden Fähigkeiten ein. Als Ausgangspunkt charakterisiert Mertens die moderne Gesellschaft durch
· „einen hohen technischen und wirtschaftlichen Entwicklungsstand,
· Dynamik,
· Rationalität,
· Humanität,
· Kreativität,
· Flexibilität und
· Multi-Optionalität der Selbstverwirklichung.“2
1 Vgl. Schulte-Zurhausen, Manfred (2002) Seite 178
2 Mertens, D. (1974), Seite 36
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Welche Veränderungen haben sich auf dem Arbeitsmarkt vollzogen?
3. Welche Auswirkungen haben diese Veränderungen auf das System der dualen Berufsausbildung?
4. Welchen Herausforderungen sieht sich das duale System gegenüber und welcher Reformbedarf lässt sich daraus ableiten?
4.1 Gesamtwirtschaftlicher Qualifikationsbedarf
4.2 Rückgang des Ausbildungsstellenangebotes
4.3 Finanzierung der betrieblichen Ausbildung
4.4 Attraktivitätsverlust der dualen Ausbildung bei den Jugendlichen
4.5 Heterogenität der Auszubildenden
4.6 Kooperation der Lernorte
4.7 Europäische Dimension der Berufsausbildung
4.8 Sonstige Herausforderungen für das duale System
5. Zusammenfassung und Ausblick
6. Literatur
1. Einleitung
Mit dieser Arbeit wollten wir Veränderungen in der Arbeitswelt aufzeigen, die seit dem Ende des Taylorismus stattgefunden haben und zum derzeitigen Stand der Bedingungen und Anforderungen an den Arbeitnehmer geführt haben. Weiterhin sollen im Hauptteil der Arbeit die Auswirkungen und Herausforderungen der Veränderungen auf das duale Ausbildungssystem eruiert werden. Dazu orientiert sich die Arbeit an den folgenden Leitfragen:
1. Welche Veränderungen haben sich auf dem Arbeitsmarkt vollzogen?
2. Welche Auswirkungen haben diese Veränderungen auf das System der dualen Berufsausbildung?
3. Welchen Herausforderungen sieht sich das duale System gegenüber und welcher Reformbedarf lässt sich daraus ableiten?
Während in den Glanzzeiten des Taylorismus noch eine strikte Trennung von Hand- und Kopfarbeit bestand und Produktionsprozesse in kleine Ablaufeinheiten zerlegt wurden, die dann von einzelnen Arbeitern zu bewältigen waren, geht die Tendenz immer mehr zu einer ganzheitlichen Arbeitsbewältigung, in der der Arbeiter in einen kompletten Prozess eingebunden wird. So führte Volvo Anfang der 70er Jahre als erstes die Inselproduktionen mit teilautonomen Arbeitsgruppen ein. Die Arbeiter erstellten in Teams komplette (Teil-)Produkte bzw. bekamen die Verantwortlichkeit für Dienstleistung übertragen (Volvoismus).[1] Damit beginnend ergaben sich gänzlich neue Anforderungen an die Mitarbeiter, besonders im sozialen Bereich, aber auch im persönlichen und fachlichen Bereich. Diese Veränderung von Wissen und Fertigkeiten, vor allem im fachlichen Bereich, entbrannte die Diskussion vom lebenslangem Lernen und der Notwendigkeit nach unveränderlichen bzw. länger überdauernden Fähigkeiten oder Kenntnissen. Dieter Mertens, Arbeitsmarktforscher und früherer Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit, lies sich im Rahmen seiner Flexibilitätsforschung in den 70er Jahren auf die Frage nach überdauernden Fähigkeiten ein. Als Ausgangspunkt charakterisiert Mertens die moderne Gesellschaft durch
- „einen hohen technischen und wirtschaftlichen Entwicklungsstand,
- Dynamik,
- Rationalität,
- Humanität,
- Kreativität,
- Flexibilität und
- Multi-Optionalität der Selbstverwirklichung.“[2]
Mertens vertritt als Grundlage seines Konzeptes die These „[…], dass das Obsoleszenztempo (Zerfallszeit, Veraltenstempo) von Bildungsinhalten positiv mit ihrer Praxisnähe und negativ mit ihrem Abstraktionsniveau korreliert.“[3] Auf der Suche nach den überfachlichen Qualifikationen verfasste er 1972 sein Konzept von Schlüsselqualifikationen unter dem Titel „Schulung für eine moderne Gesellschaft“ und stellte es 1974 zu Diskussion.
Mertens definierte Schlüsselqualifikationen als „solche Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, welche nicht unmittelbaren und begrenzten Bezug zu bestimmten, disparaten, praktischen Tätigkeiten erbringen, sondern vielmehr
a) die Eignung für eine große Zahl von Positionen und Funktionen als alternative Option zum gleichen Zeitpunkt, und
b) die Eignung für die Bewältigung einer Sequenz von (meist unvorhersehbaren) Änderungen von Anforderungen im Laufe des Lebens“ ermöglichen.[4]
Mit dem Beginn der Diskussion um Schlüsselqualifikationen haben zahlreiche Weiterentwicklungen des Schlüsselqualifikationsprinzips stattgefunden.
An dieser Stelle sei stellvertretend auf Lothar Reetz verwiesen. Er nahm die Kritik an Mertens Konzept, dass es einseitig kognitiv ausgerichtet sei und soziale, emotionale und motivationale Komponenten außer Betracht ließe, zum Ansatz sein Konzept der Schlüsselqualifikationen, auf der Basis der Persönlichkeitstheorie von Roth, zu entwerfen. Hierbei liegt der Fokus auf der Persönlichkeitsbildung und Förderung der beruflichen Handlungskompetenz, welche sich aus Selbst-, Sozial- und Sachkompetenz ergibt. Schlüsselqualifikationen sollen auf eine erweiterte berufliche Handlungsfähigkeit statt auf bloße Funktionsfähigkeit zielen. Dies verdeutlicht die Zielsetzung seiner Schlüsselqualifikations-Programmatik: „eine höhere Form beruflicher Handlungsfähigkeit, die es der einzelnen Arbeitskraft ermöglichen soll, nicht nur über Sach-, sondern auch über Handlungswissen zu verfügen und so durch eine allgemeine Kompetenz jeweils einen situativen Transfer auf konkrete berufliche Situationen herzustellen.“[5]
Die meisten Autoren sind sich inzwischen darüber einig, dass es nicht um eine ausschließliche Schlüsselqualifizierung gehen kann, sondern dass diese nur in Verbindung mit der fachlichen Ausbildung parallel gefördert werden kann. Eine neue didaktisierte Fachlichkeit steht also im Fokus, bei der das Fachliche allerdings nicht mehr allein das eigentliche des Lernprozesses ist.[6] Die Vermittlung des Fachlichen bleibt zwar ein vorrangiges Ziel der Ausbildung aber die Ergänzung durch Schlüsselqualifikationen ist unerlässlich, um eine Handlungskompetenz, basierende auf einer Trinität zwischen Fachkompetenz, Methodenkompetenz und Sozialkompetenz, zu erreichen.
An dieser Stelle möchte ich auf die Begrifflichkeit der Schlüsselqualifikationen eingehen. Er entspricht dem damaligen innerdeutschen Diskussionsstand. Der Qualifikationsbegriff birgt eine Doppeldeutigkeit und führt insbesondere im internationalen Vergleich zu Missverständnissen. Im Englisch ist darunter der formale Abschluss zu verstehen, während im Deutschen manchmal die tatsächliche Fähigkeit zu bestimmten Aktivitäten gemeint ist, welche international mit Kompetenz bezeichnet wird.
Des Weiteren muss hier eine Unterscheidung auf der Subjektebene getroffen werden. Eine qualifizierte Person muss nicht gleichzeitig kompetent sein. Eine Qualifizierung, meist durch das Bestehen verschiedener Prüfungen und anschließender Zertifizierung, stellt nur eine Momentaufnahme der Könnens und Wissens dar. Ob diese Person aber auch gleichzeitig eine Handlungskompetenz besitzt, bleibt fraglich.
Ähnliche Faktoren, wie sie bereits von Mertens als charakterisierende Elemente der modernen Gesellschaft aufgeführt wurden, wirken sich ebenfalls auf die duale Berufsausbildung aus und führt dazu, dass sie mit ihrer Struktur, die sie 1969 mit der Schaffung des Berufsbildungsgesetzes erhalten hat, nicht länger den veränderten Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt gerecht werden kann. Dies führt zur Forderung nach einer grundlegenden Novellierung des Berufsbildungsgesetzes.
2. Welche Veränderungen haben sich auf dem Arbeitsmarkt vollzogen?
Veränderungsprozesse jeglicher Art, haben die Menschheit ständig und fortwährend begleitet. Diese Veränderungen spiegeln sich bis heute auf allen Ebenen und in allen Bereichen des menschlichen Lebens ab. Die Schnelligkeit der Veränderungsprozesse und der damit einhergehenden Wechsel der Qualifikationserfordernissen der Arbeitnehmer, erfuhr durch den Einsatz neuer Informations- und Kommunikationstechnologien eine zusätzliche Entgrenzung bzw. Beschleunigung.
Der gegenwärtig in Wirtschaft und Technik sich vollziehende Strukturwandel ist von einem breiten Spektrum unterschiedlicher Veränderungsprozesse gekennzeichnet, wie: Arbeitsorganisation und Technikeinsatz, neue Tätigkeitsfelder und Arbeitsinhalte, Beschäftigungsstruktur und Qualifikationserfordernisse, Werthaltungen und Verhaltensweisen. Die aktuellen Veränderungen und langfristigen, wenig prognostizierbaren Folgen des technischen und wirtschaftlichen Wandels als treibende Kraft des gesellschaftlichen Modernisierungsprozesses in Richtung eines zunehmenden Dienstleistungssektors, veränderten Arbeitsorganisationen und einer zunehmenden internationalen Verflechtung der Wirtschaft, erfordern neue Qualifikationen und mehr Flexibilität. Daher machen sie eine Reform der beruflichen Aus- und Weiterbildung unumgänglich. „Eine Gesellschaft, die sich solchen Entwicklungen nicht nur anpasst, sondern diese globale Herausforderung aktiv gestalten und auch morgen in Wohlstand und sozialer Gerechtigkeit leben will, braucht mehr und bessere Bildung und die Bereitschaft zu Innovationen.“[7]
Der evolutionäre Prozess als wirtschaftlicher, technologischer und Wertewandel kann nach Rummler folgendermaßen skizziert werden.[8]
- Steigerung des Wettbewerbdrucks und Internationalisierung der Märkte.
- Globalisierung der Märkte durch Vernetzung nationaler Unternehmen.
- Abkehr von reiner Massenproduktion bei schrumpfenden Märkten
- Technische Innovationen unter sich verschärfenden Wettbewerbsbedingungen führen zur Neuorganisation des Arbeitsprozesses und damit auch der Betriebe.
- Erhöhung des Rationalisierungsdrucks durch kürzere Arbeitszeiten, verschärfte Konkurrenz und steigenden Innovationstempo.
- Informations- und Kommunikationstechnologie in Produktion und Verwaltung.
- Entwertung von Erfahrung und Wissen machen verstärkten Aufwand von Fachqualifikation und ein gewandeltes Verständnis von Lernen notwendig.
- Die technische Entwicklung ermöglicht erweiterte Organisations- und neue Produktionskonzepte und ganzheitliche Aufgabenbereiche, wodurch ein erweitertes fachübergreifendes Qualifikationsspektrum notwendig wird.
- Die neue Betriebsorganisation nach dem Ende des tayloristischen Arbeitsmodells erfordert zunehmend mehr soziale Fähigkeiten.
- Die Konsequenz aus der technisch-organisatorischen Umgestaltung von Arbeitsprozessen und Betriebsstrukturen machen neue Anforderungsprofile, neue Qualifikationsbündel und vermehrt übergreifende Qualifikationskomponenten erforderlich. Damit geht eine Umgestaltung von Aus- und Weiterbildung einher.
Weitere Folgen des Wandels sind:
- Explosionsartige Zunahme des Wissens und technologischer Innovationen bei gleichzeitiger Verkürzung deren Geltungszeiträume, d.h. kürzere Innovationszyklen und schnellere Obsoleszens.
- Wandelnde Einstellung gegenüber Arbeit aufgrund gewandelter Einstellungen, Motive und Werthaltungen.
- Berufliche Erstausbildung und betriebliche Qualifikationsanforderungen klaffen zunehmend weiter auseinander.
- Die Zeiten zwischen wissenschaftlichen Entwicklungen und ihrer technologischen Anwendung werden zunehmend kürzer. Damit wird Wissen immer schneller entwertet.
- Prognosefähigkeit über Qualität und Quantität des zukünftig erforderlichen Personalbedarfs wird unschärfer.
Antonius Lipsmeier skizzierte in einem Vortrag 1993 den „betrieblich-technologisch-arbeitsorganisatorischen Wandel“ einerseits und den „gesellschaftlichen Wandel“ andererseits, als die wesentlichen Aspekte, die sich auf die duale Berufsausbildung auswirkten.[9]
Der mit diesen Veränderungen zusammenhängende „eskalierende Veralterungsprozess bei gleichzeitiger Wissensexplosion stellt das Vorbereitungs- und Behaltenslernen unseres Bildungssystems grundlegend in Frage. Besonders betroffen sind dabei die Institutionen der berufsvorbereitenden Fachbildung (Berufsschulen, Hochschulen, betriebliche Weiterbildung usw.). Deren Leitkonzept der Vermittlung von Spezialkenntnissen auf Vorrat wird von den Füßen auf den Kopf gestellt.“[10]
Aus diesen Wandlungsprozessen ergeben sich auch für die duale Berufsausbildung neue Anforderungen und Bedingungen. Diese sollen im Folgenden Abschnitt diskutiert werden.
3. Welche Auswirkungen haben diese Veränderungen auf das System der dualen Berufsausbildung?
Das deutsche Bildungssystem genießt traditionell einen guten Ruf. Trotzdem braucht es tiefgreifende Reformen, um sich auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten.
Gesellschaft und Wirtschaft befinden sich in einem anhaltenden Strukturwandel, der alle Lebens- und Arbeitsbereiche umfasst. Das immer schnellere Wachstum von Wissen und dessen weltweite Verfügbarkeit bringen große Chancen für die persönliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung. Dem steht allerdings das Risiko gegenüber, dass das Wissen aufgrund seiner enormen Menge, seiner Differenziertheit und seiner dynamischen Entwicklung immer schwerer zu erschließen ist. Die Fähigkeit, Wissen aufzufinden, auszuwählen, zu bewerten und anzuwenden für die jeweils beste Lösung einer aktuellen Aufgabe, entscheidet immer mehr über persönliche Chancen, über gesellschaftliche Teilhabe und Erfolg im wirtschaftlichen Wettbewerb.
[...]
[1] Vgl. Schulte-Zurhausen, Manfred (2002) Seite 178
[2] Mertens, D. (1974), Seite 36
[3] Mertens D. (1974) S.40
[4] Mertens D. (1974) S.40
[5] Lehmkuhl, Kirsten (1994) S. 148
[6] vgl. Arnold, Rolf (1999)
[7] Berufsbildungsbericht 2003, Seite 1
[8] Vgl. Rummler (1991) Seite 15ff.
[9] Vgl. Lipsmeier, Antonius Seite 7ff.
[10] Arnold, Rolf (1996) Seite 60
- Arbeit zitieren
- Michael Baerwald (Autor:in), Tobias Bischof (Autor:in), 2004, Wandel in der Arbeitswelt: Auswirkungen auf die duale Berufsausbildung und Reformbedarf, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/37630
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