In der vorliegenden Arbeit beschäftigen wir uns mit drei Themenkomplexen, deren Diskussion man fast tagtäglich in den Medien mitverfolgen kann. Im zweiten Abschnitt werden der Wandel in der Arbeitswelt und die damit einhergehenden neuen Anforderungen an die Arbeitnehmer betrachtet. Ausgehend von einer historischen Beschreibung des Wirtschaftssystems und der Berufswelt, wird der neue Arbeitnehmer in Form des Arbeitskraftunternehmers dargestellt. Eine steigende Flexibilität und eine Zunahme der Verantwortlichkeit jedes einzelnen Arbeitsnehmers charakterisieren diese neue Form. Marktähnliche Beziehungen in Unternehmen machen die Selbstorganisation des Arbeitnehmers notwendig. Dazu erfordert es ein breites Kompetenz-Portfolio an zunehmend fachübergreifenden, also extrafunktionalen Fähigkeiten. Diese Notwendigkeit erkannte bereist Dieter Mertens Mitte der 70er Jahre, als er im Rahmen der Flexibilitätsforschung der Bundesanstalt für Arbeit sein Konzept der Schlüsselqualifikationen veröffentlichte. Im dritten Abschnitt dieser Arbeit werden seine Überlegungen und Forderungen nach diesen überlebenswichtigen Kompetenzen, um sich in einer permanent wandelnden Welt mit schlechter Prognostizierbarkeit von Qualifikationsbedarf zurechtzufinden, dargestellt. Lothar Reetz griff dieses Konzept erneut auf und entwickelte, es basierend auf der Persönlichkeitstheorie von Roth, weiter. Er stellte fest, dass Schlüsselqualifikationen nur in Verbindung mit Fachinhalten vermittelt werden können und somit löste seiner Meinung nach der Kompetenz- den Qualifikationsbegriff ab. Im vierten Abschnitt dieser Arbeit werden wir auf den Wandel der Arbeitswelt im Hinblick auf die duale Berufsausbildung eingehen. Es werden in diesem Zusammenhang Reformansätze und die Einbeziehung der Schlüsselqualifikationen in die Berufsausbildung beschrieben. Am Beispiel der industriellen Metallberufe wird die Integration von Schlüsselqualifikationen in die Ausbildungsordnungen im Rahmen ihrer Neuordnung 1985/86 verdeutlicht. Schließen möchten wir diese Arbeit mit einer kurzen Zusammenfassung und einem Ausblick für die Zukunft der dualen Berufsausbildung.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Wandel in der Arbeitswelt
2.1. Entwicklungen und Tendenzen
2.2. Historische Typen der Arbeitskraft
2.3. Die neue Ideologie
2.3.1. Die Vermarktlichung des Unternehmens
2.3.2. Die Vermarktlichung des Arbeitnehmers
2.3.3. Das Kontrollproblem
2.4. Der neue Typus von Arbeitskraft
2.5. Kritik und Entwicklungschancen
3. Zum Begriff und Konzept der Schlüsselqualifikationen
3.1. Das Konzept der Schlüsselqualifikationen von Dieter Mertens
3.1.1. Basisqualifikationen
3.1.2. Horizontalqualifikationen
3.1.3. Breitenelemente
3.1.4. Vintagefaktoren
3.1.5. Kritik am Schlüsselqualifikations-Konzepts Mertens
3.1.6. Bezug zur Problematik der wandelnde Arbeitswelt
3.2. Das Konzept der Schlüsselqualifikationen nach L.Reetz
3.2.1. Das Persönlichkeitsmodell nach Roth
3.2.2. Bezug zur Problematik der wandelnde Arbeitswelt
3.3. Zusammenfassung Schlüsselqualifikationen
4. Schlüsselqualifikationen und das Duale Berufsausbildungssystem
4.1. Aktuelle Entwicklungen der Berufsbildung
4.2. Betonung der Schlüsselqualifikationen in der beruflichen Bildung
4.3. Neuordnung der Ausbildungsberufe am Beispiel des Metall- und Elektrohandwerks im Hinblick auf die Integration der Schlüsselqualifikationen in das Konzept der dualen Berufsausbildung
4.4. Notwendige Pädagogisierung der betrieblichen Berufsausbildung
4.5. Der Kooperation der Lernorte
4.6. Heterogenität der Auszubildenden
4.7. Attraktivitätsverlust der dualen Ausbildung bei den Jugendlichen
5. Ausblick
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In der vorliegenden Arbeit beschäftigen wir uns mit drei Themenkomplexen, deren Diskussion man fast tagtäglich in den Medien mitverfolgen kann. Im zweiten Abschnitt werden der Wandel in der Arbeitswelt und die damit einhergehenden neuen Anforderungen an die Arbeitnehmer betrachtet. Ausgehend von einer historischen Beschreibung des Wirtschaftssystems und der Berufswelt, wird der neue Arbeitnehmer in Form des Arbeitskraftunternehmers dargestellt. Eine steigende Flexibilität und eine Zunahme der Verantwortlichkeit jedes einzelnen Arbeitsnehmers charakterisieren diese neue Form. Marktähnliche Beziehungen in Unternehmen machen die Selbstorganisation des Arbeitnehmers notwendig. Dazu erfordert es ein breites Kompetenz-Portfolio an zunehmend fachübergreifenden, also extrafunktionalen Fähigkeiten. Diese Notwendigkeit erkannte bereist Dieter Mertens Mitte der 70er Jahre, als er im Rahmen der Flexibilitätsforschung der Bundesanstalt für Arbeit sein Konzept der Schlüsselqualifikationen veröffentlichte. Im dritten Abschnitt dieser Arbeit werden seine Überlegungen und Forderungen nach diesen überlebenswichtigen Kompetenzen, um sich in einer permanent wandelnden Welt mit schlechter Prognostizierbarkeit von Qualifikationsbedarf zurechtzufinden, dargestellt. Lothar Reetz griff dieses Konzept erneut auf und entwickelte, es basierend auf der Persönlichkeitstheorie von Roth, weiter. Er stellte fest, dass Schlüsselqualifikationen nur in Verbindung mit Fachinhalten vermittelt werden können und somit löste seiner Meinung nach der Kompetenz- den Qualifikationsbegriff ab.
Im vierten Abschnitt dieser Arbeit werden wir auf den Wandel der Arbeitswelt im Hinblick auf die duale Berufsausbildung eingehen. Es werden in diesem Zusammenhang Reformansätze und die Einbeziehung der Schlüsselqualifikationen in die Berufsausbildung beschrieben. Am Beispiel der industriellen Metallberufe wird die Integration von Schlüsselqualifikationen in die Ausbildungsordnungen im Rahmen ihrer Neuordnung 1985/86 verdeutlicht.
Schließen möchten wir diese Arbeit mit einer kurzen Zusammenfassung und einem Ausblick für die Zukunft der dualen Berufsausbildung.
2. Wandel in der Arbeitswelt
Der folgende Abschnitt, welcher sich im speziellen mit den Veränderungsprozessen der Arbeitwelt befasst, soll den historischen Hintergrund und Rahmen für unsere Arbeit darstellen. Da die Veränderung der Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt, und damit verbunden die höhere Bedeutung von Schlüsselqualifikationen, immer nur in einer kontextbezogenen Argumentation betrachtet werden kann, ist eine Darstellung der Rahmenbedingungen absolut notwendig. So ist es für den Leser möglich, die weitreichenden Verknüpfungen und Ansatzpunkte des Konzeptes Schlüsselqualifikation in den heutigen Arbeitsalltag nachzuvollziehen und zu verstehen.
Eine zentrale Veränderung der letzten Jahre, war dabei der doch relativ plötzliche und unerwartete Zusammenbruch des politischen „Ostblocks“, die Vereinigung der beiden deutschen Staaten und die Auflösung der Sowjetunion. Dies ließ Schlüsse darauf zu, dass sich das kapitalistische Wirtschaftssystem mit seinen marktwirtschaftlichen Mechanismen möglicherweise aufgrund seiner besseren Anpassungsfähigkeit als wirtschaftlich stärker und gegenüber der Planwirtschaft, zumindest in den führenden Industrienationen, als krisenresistenter erwiesen hat. Neben den politischen Umwälzungen und den noch lange nicht abgeschlossenen Umstrukturierungen in den ehemals planwirtschaftlich organisierten Wirtschaftssystemen der Ostblockstaaten, haben sich auch in den westlichen Industrienationen erhebliche Veränderungen ergeben, welche Ihren Schatten natürlich auch auf den Wirtschaftsstandort Deutschland werfen.
Im Folgenden werden die Gründe und Tendenzen dieser Veränderung in der Wirtschaft und damit zwangsläufig verbunden auch die neuen Anforderungen in der Arbeitswelt dargestellt.
2.1. Entwicklungen und Tendenzen
Die Auswirkungen der rasanten gesellschaftlichen und technologischen Entwicklung haben auch für den Standort Deutschland erhebliche Umdenkprozesse in Gang gesetzt.
Die rasante Entwicklung der Computertechnologie verbunden mit den Möglichkeiten der Vernetzung und Datenübertragung per E-Mail oder Internet haben die Vermarktungsplattformen für Kooperationen und Marktpräsenz erheblich erweitert.
Schlagworte wie Globalisierung und Kundenorientierung haben unter anderem zu einem weltweiten Konkurrenzkampf um die billigsten und besten Produkte geführt. Die westlichen Industrienationen, welche im Gegensatz zu anderen Produktionsmärkten wie Asien durch hohe Arbeitskosten geprägt sind, können sich nur behaupten, wenn die Produktionskosten gesenkt werden und damit zwangsläufig verbunden, die Produktivität gesteigert wird. Diese Einsparungen werden zum Teil durch denn Einsatz neuer Technologien realisiert, was zu einer Stellenreduzierung führt. In einigen Fällen wird die Produktion komplett ins Ausland verlegt, was dann mit einem immensen Stellenabbau bis hin zur Schließung von Unternehmen verbunden ist. Die Chance der deutschen Industrie liegt in der Produktion technisch besonders hochwertiger und innovativer Produkte, die maßgeschneidert die Kundenwünsche berücksichtigen. Voraussetzung dafür ist, dass die Betriebe in höherem Maße als früher in der Lage sind, Innovationen zu fördern um sich den geänderten Rahmenbedingungen anzupassen. Wie in anderen Industrienationen wandelt sich auch in Deutschland die Arbeitslandschaft von einer primären Produktions- hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft. Eine damit notwendige höhere Flexibilität der Betriebe muss ihre Entsprechung in einer größeren Mobilität und Flexibilität der Beschäftigten finden, welche den Fokus unserer Betrachtungen darstellen soll.
2.2. Historische Typen der Arbeitskraft
Um eine Einordnung der aktuellen Anforderungen an eine Arbeitskraft verstehen zu können, werden im Folgenden die bisherigen Entwicklungsschritte der Arbeiter näher erläutert. In der Vergangenheit dominierten bisher Typen von Arbeitskraft, die darauf ausgerichtet waren Arbeitsfähigkeit nach einem pauschalen und genormten Muster zur Verfügung zu stellen.
Frühere Phasen der industriegesellschaftlichen Entwicklung zeichneten sich durch drei verschiedene Basistypen aus:
Proletarisierter Lohnarbeiter[1]
In der frühen Entwicklung des modernen Kapitalismus hatte die Arbeitskraft eine sehr einfache Form, war sie doch selbst gerade zur Ware auf dem Arbeitsmarkt geworden. Es handelte sich um einen fast rohen Zustand der Arbeitskraft, ging sie doch hauptsächlich von bäuerlich-handwerklichen Arbeitskräften aus, die einem feudalen System entstammten. Die Betriebe versuchten mit strikter Kontrolle die Ausnutzung der Arbeitskraft zu erzwingen, um den durch höchst unsichere und verschleißende Ausnutzung der Arbeitsfähigkeit geplagten Arbeiter, zu einem bestmöglichen Grad effektiv zu nutzen. Eine Erholung von der sehr anstrengenden Arbeit war nur in sehr kleinem und nicht ausreichendem Ausmaße möglich.
Verberuflichter Arbeitnehmer
In der Phase des sogenannten Fordismus etablierten sich zunehmend sozialstaatliche Institutionen, welche eine soziale Sicherung, berufliche Bildung und eine gewisse systematische Ausbildung mit sich brachte. Die neue Qualifikationsform des “Berufes“, schließt Eigenschaften wie Fleiß, Ordnung und z.B. Pünktlichkeit mit ein.[2] Innerhalb der Betriebe wird die strikte Herrschaft durch technische und organisatorische Kontrolle ersetzt, welche durch psychosoziale Führungstechniken ergänzt wird. Hier zeigen sich klare Tendenzen zur zunehmenden sozialen Absicherung bei steigenden Löhnen und sinkenden Arbeitszeiten, welche allerdings unmissverständlich auf die Arbeitsteilung der Geschlechter hinweisen, und der Frau nur eine untergeordnete Rolle in Haushalt und Familienbetreuung zusprechen. Die Erholung spiegelt sich in der kleinbürgerlichen Alltagsform nieder, welche durch eine konsumorientierte Freizeit ergänzt wird.
Verbetrieblichter Arbeitskraftunternehmer
Das bis heute in den meisten westlichen Industriegesellschaften praktizierte Modell soll die Betrachtung der bisherigen Typen von Arbeitskraft abschließen.
Aus betrieblicher Fremd-Kontrolle wird zunehmend die individuelle Selbstkontrolle[3], welche als zentrale Aspekte die Selbstdisziplinierung und Selbstintegration als Qualifikationsgrundsätze beinhalten. Aus starren Berufsformen werden durch überfachliche Kompetenzen individuelle Berufsbilder, die in einem rationalisierten Alltag und in individuellen Lebensformen verankert sind. Die Vermarktung der eigenen Arbeitskraft sowie die Verbetrieblichung der Lebensorganisation, zeichnen diesen Typus aus.
2.3. Die neue Ideologie
Wie spiegeln sich nun in anbetracht der historischen Entwicklung, die Tendenzen auf dem Arbeitsmarkt heutzutage wieder? Es ist jedem Lohnabhängigen bekannt, das seine einzige Möglichkeit auf dem Arbeitsmarkt zu existieren ist, sich auf dem Selbigen zu verkaufen. Klassischerweise zeichnete sich der Begriff „Vermarktlichung“[4] durch eine klare Trennung der Arbeitsteilung zwischen Arbeitnehmer und Unternehmer bzw. Management aus. So übernahmen die Arbeiter die Herstellung der Produkte und wurden für die im Betrieb verbrachte Zeit entsprechend entlohnt. Der Arbeitgeber übte eine direkte Kontrolle auf die Beschäftigten aus und sorgte selbst für die Materialbeschaffung und den Vertrieb der Produkte, also die Prozesse die den Arbeitnehmer nur mittelbar betrafen.
In den letzten Jahren sorgte die hegemonial (neo-) liberalistische Ideologie für einen Veränderungsprozess in den Arbeitsbeziehungen. Ihr Kernpunkt, die Ökonomisierung aller Lebensbereiche, schreibt dem Markt große Fähigkeiten zu, mit denen alle Probleme fast im Selbstlauf zu lösen sind. Diese Tendenzen werden als bereichsübergreifend definiert, reichen sie doch von der Privatisierung bisher staatlicher- und kommunaler Bereiche,
über kulturelle Einrichtungen und Aufgaben bis hin in das private Lebensumfeld jedes einzelnen Menschen. Deshalb ist es kaum verwunderlich, das der wichtigste Teil der kapitalistischen Gesellschaft, die Wirtschaft, stets der Vorreiter von diesen Tendenzen ist.
In der aktuellen Marktsituation mutieren die klassischen Arbeitnehmer immer mehr zu „Humankapital“[5], einem Begriff von dem bereits in den 70er Jahren gesprochen wurde. Die Beschäftigten werden zu Anbietern von Leistungen, welche die Unternehmen verlangen, und erwerben die dazu benötigten Qualifikationen in Eigenregie. Sie sind selbst für die Anpassung Ihres „Wissenportfolio“ zuständig und haben die sich ständig ändernden Markttendenzen selbstständig zu verfolgen und zu analysieren. Die Arbeitnehmer sollen „unternehmerische Verantwortung“ übernehmen, was im Umkehrschluss nicht anderes bedeutet, als die Unternehmen von den Risiken des Marktes zu entlasten. Gefragt ist nicht mehr der tariflich eingebundene Arbeiter, der dem Betrieb für eine gewisse Zeit zur Verfügung steht, sondern der kreativ handelnde organisationsinterne Unternehmer, der sich mit den Unternehmenszielen identifiziert, und sich im Rahmen des internationalen Standortwettbewerbes klar ist, das sein Unternehmen im Konkurrenzkampf nur bestehen kann, wenn Belegschaft und Führung in einem Boot sitzen und die gleichen Ziele verfolgen.
2.3.1. Die Vermarktlichung des Unternehmens
Auch innerhalb der Unternehmen musste im Bezug auf die Firmenstruktur umgedacht werden. Die gigantischen, zentralistischen Strukturen der Vergangenheit werden durch Umstrukturierung in kleine Einzeleinheiten, „Profitcenter“ gegliedert, welche sich gezielt mit ihrem jeweiligen Kerngeschäft auseinandersetzen. Diese Teileinheiten agieren wie kleine Unternehmen im Unternehmen, verfügen sie doch über eigene Vertriebs- und Abrechnungsabteilungen. Alle nicht erforderlichen Abteilungen werden ausgegliedert und deren Aufgaben durch Fremdfirmen wahrgenommen, erreicht man durch dieses „Outsourcing“ doch eine Senkung der Fixkosten und eine höhere Flexibilität. Durch diese Neustrukturierung erreicht der Gesamtkonzern sein Ziel, sämtliche Abteilungen dem Druck des Marktes auszusetzen. Dabei geraten langfristige Orientierungen mehr und mehr in den Hintergrund, ist die Fixierung doch auf den Shareholder Value, d.h. den unmittelbaren Nutzen der Anleger ausgelegt. Das Unternehmen schafft durch Mittel dieser Gliederung und unter Inanspruchnahme von Benchmarking- und Rankingsystemen einen internen Wettbewerb, bei dem sich wie auf dem freien Markt an der profitabelsten Einheit orientiert wird. Durch diese Maßnahmen sollen die effektivsten Organisationsstrukturen sowie Rationalisierungsmaßnahmen ermittelt werden, um als Maßstab für andere Bereiche angewandt zu werden. Unternehmenseinheiten, die bei diesem Wettbewerb nicht mithalten können werden oftmals, sofern sie nicht eine zentrale Bedeutung besitzen, ausgegliedert.[6]
2.3.2. Die Vermarktlichung des Arbeitnehmers
Die Schaffung des Unternehmensinternen Wettbewerb durch Einführung von Marktbeziehungen zwischen den Unternehmenseinheiten, wird über die Teams bis auf die kleinste Ebene, den einzelnen Arbeitnehmer, übertragen. Der Arbeitsauftrag enthält nicht mehr klar definierte Arbeitsaufgaben, sondern vorrangig Ziele, die zu einem bestimmten Zeitpunkt unter Berücksichtigung eines definierten Kostenrahmens erreicht werden müssen. Die Realisierung des Auftrages liegt dabei in der Hand des Arbeitnehmers, tritt der Unternehmer doch sozusagen zur Seite und setzt den Beschäftigten direkt mit den Rahmenbedingungen seines Handelns, den Kräften des Marktes, auseinander.
Diese setzen den Beschäftigten unter permanenten Druck und lassen seine neu gewonnenen Autonomie in einem völlig neuen Licht erscheinen. Der Vorteil für den Vorgesetzen liegt darin, dass er nicht mehr selbst für ein schlechtes Abschneiden verantwortlich gemacht wird, sondern auch die schlechte Marktlage als Beurteilungskriterium herangezogen werden kann.
Der Erfolgsdruck auf den Einzelnen steigt dabei immens und so versucht der Einzelne, durch „freiwillige“ und natürlich unbezahlte Mehrarbeit, das Ergebnis zu verbessern um selbst nicht als Versager dazustehen. Dieser permanente Druck führt zu einem starkem Einfluss auf weniger Leistungsstarke Mitarbeiter durch die Gruppe selbst, führen doch z.B. Krankmeldungen zu einer erheblichen Mehrbelastung der ganzen Gruppe. Der in den letzten Jahren gesunkene Krankheitsstand ist eben nicht nur auf die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes zurückzuführen, sondern auch darauf, dass viele die Mehrarbeit ihren Kollegen nicht zumuten wollen. Somit ist auch der Faktor der Solidarität zu den Kollegen ein zusätzlicher Faktor des Leistungsdrucks. Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch Anreizsysteme für erfolgreiche Mitarbeiter, die sich mit diesen neuen Herausforderungen identifizieren und ein zeitweise sehr gutes Einkommen erzielen können.
2.3.3. Das Kontrollproblem
Betriebe haben seit jeher das Problem, dass sie durch die Anstellung von Mitarbeitern genau genommen nur das Recht erwerben, für eine definierte Zeit deren Potential von Arbeitsfähigkeiten zu nutzen, dieses im Arbeitsvertrag festgeschriebenes Recht sichert jedoch nicht, dass die gewünschte Arbeitsleistung auch tatsächlich erbracht wird. Arbeitgeber suchen also immer nach einer konkreten Maßnahme, das erworbene Arbeitspotential in konkrete Arbeitsleistung zu transformieren. Lange Zeit galten rigide Formen von technischer und organisatorischer Kontrolle als optimale Transformationsstrategien.[7]
Die Grundlage des Wandels ist aber nicht das Mitleid mit den tayloristisch geplagten Arbeitern, sondern das Versagen alter Managementstrategien, die in einzelnen Teilbereichen schon seit längerem an ihre Grenzen gestoßen sind, da der Kontrollaufwand nicht nur beträchtliche Kosten verursacht, sondern auch die Innovationsfreude und Flexibilität der Mitarbeiter bremst.
Die Unternehmen nutzten den schlechten Ruf von Bürokratie und Hierarchien, um daran anknüpfend die eigenen, modernen Positionen in den Köpfen der Beschäftigten zu verankern. Heute erleben wir die gezielte Reduzierung von Kontrolle und die Förderung von Selbstorganisation, was den mündigen Angestellten propagiert, der selbst weiß, was gut für ihn ist. Die Rücknahme der direkten Arbeitskontrolle wird aber unvermeidlich von der Ausweitung der indirekten Steuerung begleitet, welche sich in der Angabe von Leistungsbedingungen und Leistungszielen wiederspiegelt. Dadurch wird der Prozess der Transformation von Arbeitspotential zunehmend dem Erwerbstätigen zugewiesen und somit die bisherige Managementfunktion von den Arbeitenden selbst übernommen. Jedoch ist gerade die Eigeninitiative der Arbeitnehmer für die Firmen eine gefährliche Sache, welcher sie aber konsequent mit der bereits angesprochenen Vermarktlichung der Arbeitsbeziehungen und damit einhergehender Stärkung der internen Markt- und Wettbewerbskräfte entgegenwirken.
2.4. Der neue Typus von Arbeitskraft
Durch die zunehmende Verlagerung von Verantwortung und den Zuwachs an „Vermarktlichung“ bis auf die Ebene des einzelnen Subjektes könnte eine generell neue Auffassung von Arbeitsvermögen entstehen. Bei unserem Erklärungsversuch halten wir uns, an das für uns nachvollziehbarste und verständlichste Modell von Günter Voß und Hans Pongratz, dem Arbeitskraftunternehmer.
Der totale Markt[8]
Die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt sind in der heutigen Gesellschaft von einer umfassenden Durchdringung durch den Markt geprägt. Die totale Durchdringung hat natürlich auch Auswirkungen auf die Lebens- und Arbeitsverhältnisse der Bevölkerung. Die Arbeit dominiert immer mehr das gesamte Leben, ist es doch in der Zeit von Massenarbeitslosigkeit teilweise fast schon ein Prädikat, Arbeit zu besitzen. Voß spricht in diesem Zusammenhang von einer „Hyperarbeitsgesellschaft“,
die alle Bereiche der Erwerbsarbeit durchdringt und unter anderem durch zunehmenden Verschleiß der Arbeitskräfte bereits in jungen Jahren gekennzeichnet ist.
Die Verinnerlichung der neoliberalen Idee führt bei vielen Menschen dazu, den Markt als etwas Natürliches, nicht zu Hinterfragendes zu sehen, dem sie sich voll und ganz hingeben. Der Druck des Marktes wird somit zwangsläufig von den Unternehmen an die Beschäftigten weitergegeben, was bei diesen zu erhöhtem Druck und zu einer teilweisen negativen Beeinflussung von Familien- und Freundschaftsbeziehungen führt.
Der ideale Typus[9]
Durch diese Entwicklungen wird aus dem reaktiv agierenden Arbeitnehmer ein neuer Typus von Arbeitskraft, der sowohl auf dem Arbeitsmarkt als auch innerhalb des Betriebes seine Leistung anbietet und den Arbeitsprozess selbst organisiert. Dieser Typus wird als „Arbeitskraftunternehmer“ bezeichnet, vermarktet er doch faktisch als Unternehmer seine eigene Arbeitskraft. Seine Fähigkeiten werden im Folgenden durch drei idealtypisch formulierte Charakteristika formuliert:
Selbst-Organisation
Durch die Umlagerung des Transformationsprozesses auf den einzelnen Arbeiter hat dieser nun selbst die Aufgabe, für die Umwandlung des Potentials in konkrete Arbeitsleistung zu sorgen. Durch diese Aufgabe wird die Gesamtware Arbeitskraft um das Instrument Selbstorganisation erweitert, welches nun einen wichtigen qualitativen Teil der gekauften Arbeitskraft darstellt. Zur Hinführung zur Selbstorganisation gehören unter anderem die Flexibilisierung von Arbeitszeiten, die Lockerung räumlicher Bindungen der Arbeit sowie die Lockerung von Vorgaben, die ein zielorientiertes Arbeiten hervorbringen.
Selbst-Ökonomisierung
Im Zuge der Selbstökonomisierung müssen Arbeitskräfte zum einen in selbstständigen Arbeitsformen ihre Fähigkeiten und Leistungen gezielt aktiv herstellen und betreiben damit immer mehr eine bewusste „Produktionsökonomie“ ihres Arbeitsvermögens. Andererseits müssen sie sich zunehmend auf betrieblichen und überbetrieblichen Märkten aktiv für Arbeit anbieten, also im Rahmen einer individuellen Marktökonomie sicherstellen, das ihre Fähigkeiten gebraucht, gekauft und effektiv genutzt werden. Im Rahmen dieser Entwicklung werden aus passiven Arbeitnehmern im engeren ökonomischen Sinne, „Unternehmer ihrer selbst“. Dies zieht natürlich Veränderungen im gesamten Lebenszusammenhang nach sich, ist die neue Qualität des Lebens doch systematisch auf den Erwerb ausgerichtet.
Selbst-Rationalisierung[10]
Was die Produzenten und Verkäufer von Arbeitskraft auf dieser Stufe ihres Lebens tun, gleicht dem Vorgehen der Anbieter von Waren, wenn sie die Herstellung und Vermarktung ihrer Produkte von einer unorganisierten zu einer gezielt koordinierten Form umstellen. Sie entwickeln eine Art Betrieb, der keinen Betrieb im gewöhnlichen Sinne darstellt, sondern sich um die Vermarktung der eigenen Arbeitskraft im Rahmen der privaten Lebensführung kümmert. Dabei bestimmen im Wesentlichen die Anforderungen der privaten Lebensführung, welche Vermarktungsstrategien, ob offensiv oder defensiv, angewandt werden.
2.5. Kritik und Entwicklungschancen
Der Idealtyp des Arbeitskraftunternehmers, wie er von uns vorgestellt wurde, stellt, wie alle idealtypischen Modelle, eine zugespitzte Verdichtung von Merkmalen dar. Somit handelt es sich nicht um eine Beschreibung von Wirklichkeit sondern um ein analytisches Modell, welches der Wirklichkeit im Einzelfall mehr oder weniger nahe kommt.
Somit verbindet der Idealtypus in verschiedenen Zusammenhängen beschriebene Elemente, die sich Rahmen einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung perspektivisch abzeichnen.
In bisherigen empirischen Untersuchungen zeigten die vorläufigen Ergebnisse, das vor allem die Dimension der Selbst-Organisation die deutlichste Ausprägung gezeigt hat. Die Analyse erfolgte bisher nicht in allen sondern nur in einzelnen Arbeitsfeldern, ließ aber aus diesen Beobachtungen die Überlegungen zu, dass vor allem zukunftsträchtige Berufsfelder, die vor allem für junge Hochschulabsolventen attraktiv sind, ein hohes Ausprägungsmaß des Typus Arbeitskraftunternehmer widerspiegeln. Diese Beobachtungen waren vor allem in den Sektoren Organisationsberatung, Medien- oder Kommunikationsberufe oder der New Economy zu erkennen, welche in den Studien von Baukrowitz/Boes[11], Geesterkamp[12] oder Gottschall/Schnell[13] aus dem Jahr 2000 zu erkennen sind. Gegenbewegungen wie die Retaylorisierung, welche bereits angesprochen wurde, zeigen deutlich, dass nicht von einem ungehinderten und gleichmäßigen Entwicklungsprozess ausgegangen werden kann, und somit das Ausmaß und die Geschwindigkeit der weiteren Entwicklung offen sind. Die Arbeitskraftunternehmen-These wird bewusst als Prognose vermittelt, stellt sie doch keinen endgültigen, wohl aber einen normativen Leittypus für die Veränderungen von Arbeits- und Erwerbsbedingungen dar. Ein prägnantes Beispiel dieser Entwicklung ist das Personalentwicklungsmodell der „Ich-AG“,[14] welches als ideologisches Leitbild, als Erfolgsmodell angepriesen wird, in der Realität aber oft zur Ernüchterung führt, wird doch an der Sozialen Absicherung gespart und durch die nun selbst durchzuführende Buchhaltung die Arbeitszeit um ein weites verlängert.
Die Chancen und Gefahren des Typus Arbeitskraftunternehmer bleiben trotz seiner Strukturierung nach wie vor eng mit bekannten Ungleichheitsfaktoren wie Bildung, Besitz, soziale Herkunft oder Geschlecht verknüpft. Als neuer Ungleichheitsfaktor tritt jetzt aber verstärkt die Verteilung von Fähigkeiten zur Bewältigung spezifischer Dilemmata auf, welche im Folgenden unter dem Fokus der Schlüsselqualifikation in Verbindung mit deren Vermittlung im Dualen System analysiert werden.
3. Zum Begriff und Konzept der Schlüsselqualifikationen
In Zeiten eine sich permanent verändernden Arbeitswelt mit den damit einhergehenden neuen Anforderungen an den Arbeitnehmer stellen sich folgende Fragen: Was ist wichtig? Worauf kommt’s an – um beruflich und privat erfolgreich zu sein?
Ernsthafte Antworten auf diese Fragen bedenken zuallererst die mit Veränderungen einhergehenden Unsicherheiten. Die Fähigkeit, mit diesen Veränderungen im Leben umzugehen, stellt eine erste entscheidende Schlüsselqualifikation dar. Damit werden Schlüsselqualifikationen zu einem bedeutsamen Faktor des Überlebens auf individueller als auch auf unternehmerischer Ebene. Das Wort „Schlüssel“ bringt die besondere Bedeutung, die Schlüsselqualifikationen beigemessen wird, zum Ausdruck. Er symbolisiert das Öffnen, das Aufschließen, das Zugänglich-machen, das Überwinden von Hindernissen. Das Schloß, welches bildhaft ausgedrückt vom Schlüssel aufgeschlossen werden soll, ist die gemeinsam zu gestaltende Zukunft des Menschen bzw. der Gesellschaft.
[...]
[1] Pongratz/Voß, 2001, S. 47
[2] Pongratz/Voß, 2001, S. 48
[3] Pongratz/Voß, 2001, S. 48
[4] Unruh, Ludwig, 2001, S. 1
[5] Unruh, Ludwig, 2001, S. 1
[6] Unruh, Ludwig, 2001, S. 2
[7] Pongratz/Voß, 2001, S. 43
[8] Unruh, Ludwig, 2001, S. 3
[9] Pongratz/Voß, 2001, S. 44
[10] Pongratz/Voß, 2001, S. 46
[11] Baukrowitz/Boes, 2000, In Frankfurter Rundschau
[12] Gesterkamp, Th., 2000, S. 353
[13] Gottschall/Schnell, 2000, S. 807
[14] vgl. Unruh, Ludwig, 2001, S. 3
- Quote paper
- M. Baerwald (Author), T. Bischof (Author), K. Domack (Author), 2003, Wandel der Arbeitswelt: Von der Industrie- zur Wissensgesellschaft. Schlüsselqualifikationen in der dualen Berufsausbildung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/37629
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