Diese Arbeit setzt sich mit dem Kalenderfest Fastnacht auseinander und beleuchtet insbesondere die historischen und religiösen Hintergründe sowie die kulturelle Verankerung des Festes.
Das Kalenderfest „Fastnacht“ erhielt seine entscheidende Prägung in der Spätphase des christlichen Mittelalters. Der ursprüngliche christlich-katholische Sinn der Fastnacht wandelte sich im Laufe der Jahrhunderte und wird heute irrtümlich als heidnisch-germanischer Brauch aus der vorchristlichen Zeit angesehen. Unter den Namen „Fasching“, „Karneval“ sowie regionalen Sonderformen ist es international bekannt.
2
gleichgestellt ist.
7
Viele dieser Merkmale sind in der heutigen Narrentracht zu finden. Im
Mittelalter hatte der Narr seinen Einzug in die Fastnacht gefunden, denn hier symbolisierte er
als Gottesleugner, Teufel und Tod die negative Zeit (Fastnacht) vor der positiven Fastenzeit.
Die Fastenzeit wird als positives Gegenmodell zur Fastnacht gesehen, deren Verhältnis im
Zweistaatenmodell des heiligen Augustinus verdeutlicht wird. Demnach entsprach die
Fastnacht der ,,civitas diaboli", dem Teufelsstaat, während die Fastenzeit der ,,civitas die"
dem Gottesstaat glich. Die Fastnacht bedeutete somit den Abstieg zur Hölle (Babylon), die
Fastenzeit hingegen Aufstieg zum himmlischen Jerusalem.
8
Während der Fastnacht nehmen jene, die als Narr maskiert sind und sich so von Gott
abwenden, fett gebackene Speisen, hauptsächlich Fleisch, zu sich. Fastnacht war stets ein
Spiel von begrenzter Dauer, in der das Leben noch einmal genossen wurde, bevor die
Fastenzeit begann. Am Fastnachtssonntag wird aus Luk. 18,31 vorgelesen: ,,Sehet, wir gehen
hinauf nach Jerusalem.".
9
Hier zeigt die Kirche eine Alternative auf, um die Menschen vom
falschen Weg abzubringen. Am Aschermittwoch erfolgt die Mahnung an den Tod sowie die
Entscheidung der Menschen, welchen Weg sie gehen wollen. Jener, der am Aschermittwoch
vom Priester mit dem Aschenkreuz versehen wird, erhält das Zeichen Christi und wird somit
in die Gemeinschaft der Gläubigen aufgenommen. Das bedeutet für den
Bekehrten, dass ihn
nach dem Tod die Auferstehung und das ewige Leben erwartet. Die Narrheit wird abgelegt
und der Anbruch der Buß- und Fastenzeit beginnt. Laut der Apokalypse 13,16-17 tragen
jene,
die dem Antichrist verfallen sind, an der Stelle des Aschenkreuzes ein Narrenmal, welches als
das Signum des Teufels bezeichnet wird.
10
Der Basler Franziskaner Johannes Meder
verdeutlichte in seiner Quadragesimale die Gegenüberstellung von Fastnacht und
Fastenzeit:,,Man müsse die Krankheit kennen, die man durch die Fastenzeit heilen wolle,
denn wer die Krankheit nicht kennt sorgt auch nicht für die richtige Medizin."
11
Hier wird
verdeutlicht, dass die Erfahrungen der Fastnacht wichtig sind, um in der Fastenzeit eine
bewusste Umkehr zu vollziehen.
Über die Jahre gab es Bedeutungswandel und zeitliche Verschiebungen der Fastnacht. Zu
Beginn der Renaissance war die ,,Schau" das dominierende Element. Die Kostüme und
Umzüge wurden aufwendiger gestaltet und die Bräuche wurden nicht nur aus- sondern
bewusst vorgeführt.
12
,,[...]dieser Vorführcharakter ließ die Fastnacht [...] zum Politikum
werden."
13
Die Fastnachtsnarren griffen immer häufiger aktuelle Alltagsthemen auf, um diese
unter lautem Gelächter der Öffentlichkeit preiszugeben.
14
Mit der Reformation kam der
theologische Umbruch. Die Fastnacht ist ein ,,[...] liturgisch begründetes Fest aufs engste mit
7
Vgl. Mezger 1984: 26-27
8
Vgl. Mezger 1984: 32
9
Vgl. Mezger 1984: 32
10
Vgl. Mezger 1984: 30
11
Mezger 1984: 33
12
Vgl. Mezger 1984: 38
13
Mezger 1984: 38
14
Vgl. Mezger 1984: 38
3
den Anschauungen der römischen Kirche verknüpft [...]".
15
Die reformierten Theologen
wiesen darauf hin, dass das närrische Treiben vor Aschermittwoch, nicht dem Verständnis
von einem christlichen Lebenswandel entsprach. Es widersprach dem protestantischen
Grundsatz, welcher besagt, dass die Aussagen der Heiligen Schrift Geltung haben und nicht
die von Menschen geschaffenen Traditionen. Die Fastnacht wurde als vom Papst gesteuerten
katholischen Brauch angesehen, weshalb sie im 18. und 19 Jahrhundert in evangelischen
Territorien verschwand.
16
Mit der Aufklärung im 17. und 18. Jahrhundert verschwand der
tiefere religiöse Sinn der Fastnacht, da dieser den Menschen nicht länger bewusst war. Im 19.
Jahrhundert wirkte sich die Romantik stark auf die Deutung der Fastnacht aus. Die
Kontinuitätsthese entstand, die noch heute von den meisten als Sinn der Fastnacht verstanden
wird. Sie besagt, dass die Fastnacht ein heidnisches Fruchtbarkeitsfest ist, in dem der Winter
ausgetrieben wird. Die
ursprüngliche Bedeutung des heidnischen Brauches wurde nicht länger
als ,,unchristlich" verstanden, sondern als vorchristlicher Kult
17
.
Die heutige Motivation der Fastnacht ist nicht mehr die der katholischen
Rahmenbedingungen,
sondern
vage
Erklärungen
mit
heidnisch-germanischem
Fruchtbarkeitsbezug ersetzen die wahre theologisch-historische mittelalterliche Rolle des
Narren und seiner Ab- und Umkehr von und zu Gott am Aschermittwoch. Ihre Motivation ist
der Ausbruch aus dem Alltag, die heimlichen Bräuche und die sozialen Spiele in der Rolle des
Narren.
18
Die Fastnacht wurde für mich insofern relevant, als dass ich als Protestantin in
einem Gebiet wohne, wo die Tradition der Fastnacht jährlich ausgeübt wird und ich anfangs
nicht verstanden habe, was der Sinn hinter diesem Geschehen ist. Ich bin nun in der Lage,
meinen Schülern den Sinn der Fastnacht religionsübergreifend, abseits der geläufigen
germanisch-heidnischen Bräuche, zu vermitteln.
Zeichen: 7595
15
Mezger 1984: 38
16
Vgl. Mezger 1984: 39
17
Vgl. Mezger 1984: 41
18
Vgl. Mezger 1984: 49
Excerpt out of 4 pages
- scroll top
- Quote paper
- R. S. (Author), 2012, Fastenzeit und Fastnacht. Geschichte und Hintergründe eines Kalenderfestes, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/375539
Look inside the ebook
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.