Vor welchem Hintergrund schrieb Anna Seghers ihren Roman "Das siebte Kreuz"? Wie wirkte sich das Exil auf ihr schriftstellerisches Wirken aus; welche Bedeutung hat Anna Seghers für die deutsche Exilliteratur zwischen 1933 und 1945? Und warum wurde „Das siebte Kreuz“ so ein Welterfolg?
Zur Beantwortung dieser Fragen empfiehlt es sich, zunächst mit einer Biographie der Autorin Anna Seghers zu beginnen. Dabei sollen vor allem die Umstände ihrer Flucht und ihr Leben und Schaffen im späteren Exil genauer betrachtet werden. Der zweite Teil der Arbeit wird sich mit dem Werk „Das siebte Kreuz“ befassen. Dabei soll sowohl auf mögliche historische Bezüge eingegangen werden als auch auf den Inhalt und stilistische Besonderheiten der Autorin. Außerdem soll anhand der Wirkung des Buches versucht werden, eine Erklärung für den Welterfolg zu finden.
Die Quellenlage für dieses Thema gestaltet sich sehr ausführlich und vielfältig: Als Primärliteratur wurde „Das siebte Kreuz“ von Anna Seghers verwendet, als Sekundärliteratur boten sich Bücher wie beispielsweise „Das siebte Kreuz. Erläuterungen - Interpretationen – Materialien. Hinweise zum Unterricht“ von Michael Zimmer an. Als Internetquellen wurde unter anderem die Seite der Universität Potsdam genutzt und ein Artikel von privaten Website, der aber auch in einer Fachzeitschrift für Literatur publiziert wurde.
„Ich verstand, dass es nichts gab, was man nicht schreiben kann.“ Dieses Zitat stammt von Anna Seghers, einer der wichtigsten und wohl bekanntesten deutschen Autorinnen. Sie war eine der vielen Schriftsteller und Schriftstellerinnen, die mit dem Aufstieg des Nationalsozialismus gezwungen waren, zu emigrieren. Dabei könnte das Zitat ihr literarisches Werk wohl nicht besser beschreiben: Ihre Werke, beispielsweise der vier Monate vor der Machtergreifung Hitlers erschienene Roman „Die Gefährten“, waren systemkritisch und Seghers scheute auch vor schwierigeren Themen nicht zurück, wie sie während ihres 14-jährigen Aufenthalts
im Exil bewies. So schrieb sie neben diversen anderen Erzählungen und Romanen auch „Das siebte Kreuz“, ein Roman, der sich trotz der Tatsache, dass sie sich zu der Entstehungszeit nicht in Deutschland befand, mit der Flucht sieben Gefangener aus einem deutschen Konzentrationslager befasst.
Inhaltsverzeichnis
2 EINLEITUNG
3 BIOGRAPHIE VON ANNA SEGHERS
3.1 Junge Jahre: Geburt bis Studium
3.2 Flucht und Exil in Mexiko
3.3 Rückkehr nach Deutschland
4 ANNA SEGHERS: „DAS SIEBTE KREUZ“
4.1 Kurze Einführung in die Deutsche Exilliteratur 1933-1945
4.1.1 Begriffsdefinition
4.1.2 Situation im Exil
4.1.3 Die Bedeutung Anna Seghers' für die Exilliteratur
4.2 Das Werk im Allgemeinen
4.3 Inhalt
4.3.1 Historische Bezüge
4.4 Die Figuren
4.4.1 Die Repräsentanten des Nationalsozialismus
4.4.2 Die Opfer des Nationalsozialismus - Die sieben Flüchtlinge
4.5 Sprache
4.5.1 Die Titelmetapher
4.5.2 Der Schreibstil.
4.6 Wirkung
5 SCHLUSSWORT
6 BIBLIOGRAPHIE
6.1 Bildquellen
6.2 Buchquellen
6.2.1 Primärliteratur
6.2.2 Sekundärliteratur
6.3 Internetquellen
2 Einleitung
„Ich verstand, dass es nichts gab, was man nicht schreiben kann.“[1] Dieses Zitat stammt von Anna Seghers, eine der wichtigsten und wohl bekanntesten deutschen Autorinnen. Sie war eine der vielen Schriftsteller und Schriftstellerinnen, die mit dem Aufstieg des Nationalsozialismus gezwungen waren, zu emigrieren. Dabei könnte das Zitat ihr literarisches Werk wohl nicht besser beschreiben: Ihre Werke, beispielsweise der vier Monate vor der Machtergreifung Hitlers erschienene Roman „Die Gefährten“, waren systemkritisch und Seghers scheute auch vor schwierigeren Themen nicht zurück, wie sie während ihres 14-jährigen Aufenthalts im Exil bewies. So schrieb sie neben diversen anderen Erzählungen und Romanen auch „Das siebte Kreuz“, ein Roman, der sich trotz der Tatsache, dass sie sich zu der Entstehungszeit nicht in Deutschland befand, mit der Flucht sieben Gefangener aus einem deutschen Konzentrationslager befasst.
Dabei stellt sich die Frage, vor welchem Hintergrund Anna Seghers einen solchen Roman über Deutschland schrieb. Wie wirkte sich das Exil auf ihr schriftstellerisches Wirken aus; welche Bedeutung spielt Anna Seghers für die deutsche Exilliteratur zwischen 1933 und 1945? Und warum wurde „Das siebte Kreuz“ so ein Welterfolg? Zur Beantwortung dieser Frage empfiehlt es sich, zunächst mit einer Biographie der Autorin Anna Seghers zu beginnen. Dabei sollen vor allem die Umstände ihrer Flucht und ihr Leben und Schaffen im späteren Exil genauer betrachtet werden. Der zweite Teil der Arbeit wird sich mit dem Werk „Das siebte Kreuz“ befassen. Dabei soll sowohl auf mögliche historische Bezüge eingegangen werden als auch auf den Inhalt und stilistische Besonderheiten der Autorin. Außerdem soll anhand der Wirkung des Buches versucht werden, eine Erklärung für den Welterfolg zu finden. Die Quellenlage für dieses Thema gestaltet sich sehr ausführlich und vielfältig: Als Primärliteratur wurde „Das siebte Kreuz“ von Anna Seghers verwendet, als Sekundärliteratur boten sich Bücher wie beispielsweise „Das siebte Kreuz. Erläuterungen - Interpretationen - Materialien. Hinweise zum Unterricht“ von Michael Zimmer an. Als Internetquellen wurde unter anderem die Seite der
Universität Potsdam genutzt und ein Artikel von privaten Website, der aber auch in einer Fachzeitschrift für Literatur publiziert wurde[2].
3 Biographie von Anna Seghers
3.1 Junge Jahre: Geburt bis Studium
Am 19. November 1900 wurde Anna Seghers in Mainz, damals noch unter dem Namen Netty Reiling, geboren. Sie wuchs in einem gut behütetem Elternhaus ohne Geschwister auf. Ihre Eltern waren Isidor Reiling, ein vermögender Kunsthändler, der zu seiner Heimatstadt eine sehr enge Verbindung hatte, und Hedwig Reiling (geboren Fuld), eine solzial engagierte Frau aus einer gut betuchten Kaufmannsfamilie. Hedwig half oft in Armenvierteln und teile ihre Eindrücke mit Seghers, weshalb diese in ihren späteren Werken das Leben der unteren Gesellschaftsschicht so authentisch darstellen konnte. Wie beide Eltern gehörte auch Anna Seghers dem orthodoxen Judentum an.[3]
Als kleines Mädchen war Seghers verhältnismäßig oft krank, das zog sich bis in ihr erstes Schuljahr. Weil sie dadurch so oft allein zu Hause war, versuchte sie, sich ihre eigene Welt zu schaffen und begann so, sich Geschichten auszudenken. Um diese festhalten zu können, lernte sie schon vor dem ersten Schuljahr Schreiben.[4] Mit sieben Jahren begann Seghers, in die Schule zu gehen: Zunächst besuchte sie die Privatschule von Fräulein Goertz, sie wurde jedoch bereits 1910 in die Höhere Mädchenschule Mainz aufgenommen. Dort leistete sie während des Ersten Weltkriegs Kriegsdienste, sonst ging der diese aber weitestgehend an ihr vorbei.[5] Um das Abitur ablegen zu können, wechselte Seghers 1917 auf die Großherzogliche Studienanstalt. Ihr Reifezeugnis erhielt sie im Jahre 1920.[6]
Ihr Kindheit beschrieb Seghers später als „Eingesperrtsein“ in der „typisch bürgerlichen Wohnzimmerathmosphäre“.[7] Ihrem Freiheitsdrang folgend begann Seghers ihr Studium in Heidelberg, wo sie zunächst „Allgemeine Geschichte im 19. Jahrhundert; Chinesische Umgangssprache; Sozialtheorie des Marxismus; Moderne Entwicklung in China und Japan; Einführung in die ägyptische Kunst“ belegte.[8]
Außerdem lernte sie ihren späteren Ehemann, den ungarischen Emigranten Laszlo Radvanyi (auch bekannt als Johann Lorenz Schmidt), kennen. 1921 studiert sie dann zwei Semester Kunstgeschichte in Köln, im Wintersemester '22 kehrte sie nach Heidelberg zurück. Ihre Dissertation schrieb sie zum kunsthistorischem Thema „Jude und Judentum im Werk Rembrandts am 4. November 1924 promovierte sie zum Doktor der Philosophie in Heidelberg. [9]
Im selben Jahr folgte ihr Debüt als Autorin: In der Weihnachtsbeilage der „Frankfurter Zeitung und Handelsblatt“ erschien „Die Toten auf der Insel Djal. Eine Holländische Sage, nacherzählt von Antje Seghers“. Warum sie sich für dieses Pseudonym entschied ist nicht bekannt, allerdings liegt die Vermutung nahe, dass sich Seghers von dem Namen Hercules Seghers'[10] inspirieren ließ.[11] Nach erfolgreichem Abschluss ihres Studiums zog Seghers nach Berlin, wo sie sich mit Dr. phil. Laszlo Radvanyi trauen liess. Der erste Sohn, Peter, wurde 1926 geboren, 1928 folgte die Tochter Ruth. Sie veröffentlichte weitere literarische Werke, darunter auch die Erzählung „Aufstand der Fischer von St. Barbara“ und „Grubetsch“, für die sie 1928 den Kleistpreis verliehen bekam. Beide Erzählungen wurden zunächst unter dem Pseudonym „Seghers“ (ohne Vornamen) veröffentlicht, woraufhin als Autor zunächst ein Mann vermutet wurde.[12]
Im gleichen Jahr trat Seghers der Kommunistischen Partei bei, nur ein Jahr später, 1929, dem Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller (BPRS). Diese frühe Mitgliedschaft zeigt, dass Seghers sich bereits früh von ihrer bürgerlichen Herkunft löste und ihre Werke von da an in Solidarität mit der Arbeiterschaft eben jener widmete.[13] Sie arbeitete von nun an u.a. für die kommunistische Presse, war aktiv auf Tagungen des BPRS und später auch im Untersuchungsausschuss über den Naziterror; außerdem reiste sie 1930 zum ersten Mal in die Sowjetunion.[14] 1932 nahm Seghers am Antikriegskongress in Amsterdam teil. Noch unter Einfluss dieser Eindrücke gelang es ihr mit „Die Gefährten“ nur vier Monate vor Hitlers Machtergreifung 1933 ihren ersten (und gleichzeitig letzten vor dem Exil) Roman zu veröffentlichen, der bereits zu diesem Zeitpunkt vor dem drohendem Faschismus Deutschlands warnte.[15]
3.2 Flucht und Exil in Mexiko
Mit der Machtergreifung Hitlers begann für Anna Seghers wie für so viele andere Schriftsteller auch eine Zeit der Flucht und Verfolgung: Da sie sowohl jüdisch als auch eine Kommunistin war, war Seghers für die Nationalsozialisten gleich eine doppelte Bedrohung. Zunächst wurden all ihre Bücher im März 1933 auf die „Schwarze Liste“ gesetzt, im Zuge der Bücherverbrennung später wurden sie dann alle mit verbrannt.[16]
Als Seghers vom Reichstagsbrand in der Nacht zum 28. Februar 1933 hörte, war sie gerade in Süddeutschland (Schwarzwald) mit ihrem Sohn Peter, der schwerkrank war und dringend einen Facharzt brauchte. Sie fuhr schnell nach Berlin zu ihrem Mann zurück, der sich allerdings nicht mehr in der Wohnung des Paares aufhielt: Ihm gelang es vor der Ankunft der Sturmabteilung der NSDAP zu fliehen, Seghers jedoch wurde von der Geheimen Staatspolizei verhaftet, das Haus wurde durchsucht und viele Bücher beschlagnahmt. Auf dem Polizeirevier konnte sie jedoch nach einer kurzen Haft durchsetzten, als Nicht-Deutsche (Ungarin durch ihren Mann) nach Hause zurückkehren zu können, sich aber im gleichen Zuge zur Verfügung zu halten.
Da das Haus aber nur von einer Seite bewacht wurde, konnte sie durch den Garten zu Verwandten fliehen.[17] Nach kurzer Zeit wurde auch dieses Versteck zu heikel; Seghers beschloss also, wieder nach Süddeutschland zu fahren. Von dort aus gelangte sie - immer noch ohne ihren Ehemann und Kinder - über den Bodensee in die Schweiz, wo sie in Zürich endlich wieder mit ihrem Ehemann zusammentreffen sollte. Die beiden Kinder Peter und Ruth wurden von ihren Großeltern an die Grenze zur Schweiz gebracht. Es sollte das letzte Mal sein, dass Anna Seghers ihre Eltern sah. Wieder vereint floh die kleine Familie weiter nach Paris.[18] Dort setzte Seghers auch ihre literarische Arbeit fort, außerdem arbeitete sie an antifaschistischen Exilzeitschriften wie den in Prag erscheinenden „Neuen Deutschen Blätter. Monatsschrift für Literatur und Kritik“ mit.[19]
Als publizierte Werke während des Exils in Frankreich sind unter anderem „Der Kopflohn“ (1933) und „Der Weg durch den Februar“ (1935) zu nennen, die beide als Hauptthema die Ursachen des Nationalsozialismus in Deutschland behandelten. Ihre literarische Produktivität litt also nicht unter dem politischem Exil. Im Gegenteil sind sogar viele Experten der Meinung, dass die Zeit des Exils sowohl qualitativ als auch quantitativ ihre beste Schaffensperiode war.[20] Im Zuge dessen besucht sie auch zwei große internationale Schriftstellerkongresse in Paris (1935) und Madrid (1937). Auf ersterem sprach sie u.a. über Vaterlandsliebe als Aspekt einer Kultur, der positiver und sozialer betrachtet werden sollte, aber ohne in den Faschismus abzurutschen. Auch ihr Mann war indes nicht untätig: er leitetet ab 1935 die Freie Deutsche Hochschule Paris.[21]
Auch versuchte Seghers, sich in Paris, später auch in Mexiko, wie zu Hause zu fühlen. Anstatt darauf zu bauen, dass das Exil nur ein temporärer Zustand wäre, besuchte sie regelmäßig die selben Geschäfte und Cafés. Eine große Hilfe war ihr dabei, dass sie sehr seit langem frankophil war und sich deswegen schon in frühen Lebensjahren intensiv mit der französischen Sprache auseinandersetzt hatte.[22] So machte sie viele neue Bekanntschaften, unter anderem auch Jeanette Stern. Diese sollte später über ihre gemeinsame Zeit sagen: „Während die meisten Emigranten noch herumschwirren und in Hotels kampieren, hatte sie sich schon verankert, nur vorläufig und mit der inneren Bereitschaft, jederzeit die Anker zu lichten, aber doch so fest, daß sie in relativer Ruhe arbeiten konnte.“[23] Seghers verlor auf der einen Seite also nie ihre Hoffnung, eines Tages nach Deutschland zurückkehren zu können, andererseits schaffte sie sich auch in Frankreich eine stabile Lebensgrundlage.[24] Jedoch sollte auch dieses Leben in Frankreich nicht von ewiger Dauer sein: Zunächst wurde im Sommer 1940 ihr Ehemann Laszlo Radvanyi interniert und in das südfranzösische Gefangenenlager Le Vernet gebracht, des weiteren führte Hitler im Zuge des Zweiten Weltkrieges im Jahr 1940 Krieg gegen Frankreich, den er letztendlich auch gewann. So wurde am 22. November 1940 ein Waffenstillstand unterzeichnet, der Frankreich von nun an teilen sollte: Der Norden und die Westküste wurden von den Deutschen besetzt, der Süden blieb unbesetzt. Paris lag somit aber in der besetzten Zone, weswegen Seghers nach dem Einmarsch deutscher Truppen gezwungen war, weiter zu fliehen. Diesmal beschloss sie jedoch, aus Angst, Hitler würde auch noch andere europäische Staaten einnehmen, ganz aus Europa zu fliehen.[25] Der erste Fluchtversuch, in den unbesetzten Teil Frankreichs misslang, so dass Seghers sich mit ihren Kindern weiter im besetzten Teil Paris verbergen musste. Bei der Planung und Durchführung des zweiten Versuches half die bereits erwähnte Jeanette Stern mit. Die Flucht gelang und Seghers lebte kurze Zeit in Marseille. Von dort aus versuchte sie, die Freilassung ihres Mannes zu erwirken und eine Ausreisemöglichkeit zu finden, da ihr die Situation in Frankreich zu heikel erschien, um noch länger dort leben zu können.[26] Sie wollte in die USA ziehen, allerdings wurde ihr das von Seiten der Amerikaner unmöglich gemacht: Das FBI sammelte schon seit längerer Zeit Informationen und Daten über sie, da sie in Seghers eine Gefahr für das System sahen und später sogar ihren Roman „Das Siebte Kreuz“ auf eine kommunistische Weltverschwörung untersuchen sollten.[27] Am 23. März 1941 wurde ihr Mann schließlich unter der Auflage, Frankreich am nächsten Tag zu verlassen, freigelassen. Damit ergab sich für die Familie die Möglichkeit, nach Mexiko zu emigrieren. So verließen sie am 24. März in einem Frachtschiff Marseille, um über die Route Martinique ^ Santo Domingo ^ Ellis Island / New York am 30. Juni 1941 in Veracruz, Mexiko anzukommen.[28] Die Radvanyis beschlossen, von Vera Cruz weiter nach Mexiko-Stadt zu gehen. Auch im lateinamerikanischem Exil engagierte sich Seghers weiter für antifaschistische Bewegungen und Gruppierungen. So gründete sie den antifaschistischen Heinrich-Heine-Klub, eine deutsche Literatur- und Kulturvereinigung, und wurde dessen Präsidentin. Auch ihr Mann, der mit der Ankunft in Mexiko den Namen Johann-Lorenz Schmidt angenommen hatte, nahm eine Stelle als Professor an der Arbeiter-Universität Mexiko an, ab 1944 unterrichtete er auch an der mexikanischen Nationaluniversität.[29]
Mexiko war jedoch nicht nur „Fluchtort“ von Anna Seghers: Viele andere Deutsche Autoren fanden dort Exil, so auch Ludwig Renn[30], mit dem Seghers die Bewegung „Freies Deutschland“ organisierte und eine Zeitschrift unter dem gleichen Namen herausgab. Für diese schrieb sie auch zahlreiche Artikel sowie eine Erzählung.[31] Außerdem fanden zahlreiche weitere spanische und lateinamerikanische Intellektuelle und Künstler dort eine Bleibe. Trotz der sprachlichen Barrieren gab es aufgrund der ähnlichen politischen Hintergründe teils sehr enge Kontakte zwischen den Emigrierten. Auch hierfür kann Anna Seghers als gutes Beispiel dienen: Jorge Amado, ein bekannter brasilianischer Autor, und Pablo Neruda, der 1971 den Literaturnobelpreis erhielt, sahen in Seghers trotz der Tatsache, dass sie sich erst in Mexiko kennengelernt hatten, eine kleine Schwester.[32]
Anna Seghers wollte auch im mexikanischem Exil nicht untätig bleiben, und so begann sie mit der Arbeit an ihrem nächsten Roman „Das siebte Kreuz. Roman aus Hitlerdeutschland“. Die erste Veröffentlichung erfolgte im September 1942 in der USA auf Englisch. In Mexiko wurde das Buch wenig später auf Deutsch in dem eigens für Exilliteratur gegründetem Verlag „El Libro Libre“ veröffentlicht. Dieses Buch sollte ihren Weltruhm begründen.[33]
Im Juni 1943 erlitt Seghers einen schweren Autounfall, der zu einem ausgedehntem Krankenhausaufenthalt führte. Dort wurde leichte Amnesie diagnostiziert. Als „Prüfung ihres Gedächtnisses“ versetzte sie sich zurück in ihre Jugend und erinnerte sich an einen Schulausflug mit ihren Freundinnen, mit denen sie vor dem Ersten Weltkrieg eine sehr unbeschwerte Beziehung pflegte. Sie beschrieb, wie die Leben ihrer damaligen Freundinnen weiter verliefen: Viele waren durch den Krieg bereits ums Leben gekommen, von anderen hatte sie schon sehr lange nichts mehr gehört, da sie sich mit dem Aufblühen des Nationalsozialismus immer mehr von ihr abgewandt hatten. Die Erinnerungen hielt sie in der Erzählung „Der Ausflug der toten Mädchen“ fest.[34]
Obwohl Seghers im Exil einige deutsche Autoren kennenlernte, war sie doch die meiste Zeit von spanisch-sprachigen Leuten umgeben. Im Gegensatz zu anderen Kunstformen wie der Malerei oder der Musik, die unabhängig von Kultur und Sprache, wenn auch unterschiedlich, interpretiert und verstanden werden können, kann die Trennung von der eigenen Muttersprache ein großes Problem für Autoren werden. Seghers begann daher im Exil, die deutsche Sprache zunächst als Muttersprache (also als Teil ihrer Identität) zu verstehen, gleichzeitig sah sie sie aber immer mehr als Sprache der Nationalsozialisten an. Ihrer Ansicht nach hatte der Nationalsozialismus die Schönheit der deutschen Sprache vergiftet, indem er sie zum Beispiel für Propagandazwecke nutzte. Später sagte Seghers, dass ihr dieser Fakt besonders zugesetzt hatte, da sie in ihren Büchern eine einfache Sprache bevorzugt und auch die Nazis oft eine relativ einfache Sprache verwendeten.[35] 1944 veröffentlichte Seghers schließlich den letzten von ihr im Exil geschrieben Roman: „Transit“, der die Entwicklungsgeschichte eines Flüchtlings mit autobiografischen Elementen verknüpft.[36]
3.3 Rückkehr nach Deutschland
1947 beschloss Seghers, Mexiko wieder zu verlassen und nach Deutschland zurückzukehren. Über New York, Stockholm und Paris gelangte sie schließlich am 22. April 1947 nach Ostberlin, im Gepäck den auf dem Rückweg geschriebenen Roman „Die Toten bleiben jung“, der die deutsche Geschichte zwischen 1918 und 1945 kritisch reflektiert.[37] Nach dem langen Exil in Mexiko kam ihr Deutschland jedoch zunächst „ganz beklemmend und ganz unwahrscheinlich frostig“ vor. Obwohl sie im Exil immer auf eine Rückkehr gehofft hatte, beschrieb sie die Deutschen noch 1948 als „Volk der kalten Herzen“.[38]
[...]
[1] Unbekannter Autor: Anna Seghers, in: http://geboren.am/person/anna-seghers, [Zugriff vom 28.02.2016].
[2] Homann, Ursula: Wer war Anna Seghers?, http://www.ursulahomann.de/WerWarAnnaSeghers/komplett.html.
[3] Vgl. Homann, Ursula: Wer war Anna Seghers?, in: http://www.ursulahomann.de/WerWarAnnaSeghers/komplett.html [Zugriff: 14.02.2016].
[4] Vgl. Wagner, Frank/ Emmrich, Ursula/ Radvanyi, Ruth: Anna Seghers. Eine Biographie in Bildern, 2. Auflage, Berlin 2000: Aufbau-Verlag Berlin, Seite 19.
[5] Vgl. Bircken, Margrid: Mainz (1900-1920), in: http://www.anna-seghers.de/biographie_mainz.php [Zugriff: 21.02.2016].
[6] Vgl. Wagner/ Emmrich/ Radvanyi: Segher. Biographie in Bildern, Seite 25, wie Anm. 3.
[7] Vgl. Wagner/ Emmrich/ Radvanyi: Segher. Biographie in Bildern, Seite 23, wie Anm. 3.
[8] Vgl. Bircken, Margrid: Von Heidelberg über Köln nach Berlin (1920-1925), in: http://www.anna- seghers.de/biographie_heidelberg.php [Zugriff: 22.02.2016].
[9] Vgl. Harders, Levke/ Kock, Sonja: Anna Seghers 1900-1983, in: https://www.dhm.de/lemo/biografie/anna-seghers [Zugriff: 22.02.2016].
[10] Hercules Seghers (1589/90 - ca. 1640) war ein niederländischer Maler und Zeitgenosse Rembrandts. Über sein Leben ist nur wenig bekannt. (https://www.rijksmuseum.nl/en/explore-the- collection/overview/hercules-segers, Zugriff: 15.03.2016).
[11] Vgl. Bock, Sigrid: Anna-Seghers-Gesellschaft Mainz e.V. Berlin und Mainz, in: http://www.uni- potsdam.de/u/germamstik/hteratur20/Seiten/geseUschaft.htm [24.02.2016].
[12] Vgl. Wagner/ Emmrich/ Radvanyi: Seghers. Biographie in Bildern, Seite 50, wie Anm.
[13] Vgl. Homann, Ursula: Wer war Anna Seghers?, in: http://www.ursulahomann.de/WerWarAnnaSeghers/komplett.html [Zugriff: 14.02.2016].
[14] Vgl. Berkessel, Hans: Anna Seghers, in: http://www.regionalgeschichte.net/bibliothek/texte/biographien/seghers-anna.html [Zugriff:
[15] Homann, Ursula: Wer war Anna Seghers?, in: http://www.ursulahomann.de/WerWarAnnaSeghers/komplett.html [Zugriff: 25.02.2016].
[16] Ebenda.
[17] Wagner/ Emmrich/ Radvanyi: Seghers. Biographie in Bildern, Seite 62, wie Anm. 3.
[18] Wagner/ Emmrich/ Radvanyi: Seghers. Biographie in Bildern, Seite 75, wie Anm. 3.
[19] Vgl. Harders, Levke/ Kock, Sonja: Anna Seghers 1900-1983, in: https://www.dhm.de/lemo/biografie/anna-seghers [Zugriff: 26.02.2016].
[20] Vgl. Zunker, Detlef: Anna Seghers, in: http://www.tierradenadie.de/archivo/literatura/seghers/annaseghers1.htm#biografia [Zugriff:
[21] Bircken, Magrid: Paris (1933-1940), in: http://www.anna-seghers.de/biographie_paris.php [01.03.2016].
[22] Vgl. Homann, Ursula: Wer war Anna Seghers?, in: http://www.ursulahomann.de/WerWarAnnaSeghers/komplett.html [Zugriff: 14.02.2016].
[23] Wagner/ Emmrich/ Radvanyi: Segher. Biographie in Bildern, Seite 81, wie Anm. 3.
[24] Vgl. Wagner/ Emmrich/ Radvanyi: Segher. Biographie in Bildern, Seite 81, wie Anm. 3.
[25] Vgl. Bircken, Magrid: Paris (1933-1940), in: http://www.anna-seghers.de/biographie_paris.php [Zugriff: 01.03.2016].
[26] Vgl. Harders/ Levke/ Kock, Sonja: Anna Seghers 1900-1983, in: https://www.dhm.de/lemo/biografie/anna-seghers [Zugriff: 01.03.2016].
[27] Vgl. Wagner/ Emmrich/ Radvanyi: Seghers. Biographie in Bildern, Seite 93, wie Anm. 3.
[28] Vgl. Homann, Ursula: Wer war Anna Seghers?, in: http://www.ursulahomann.de/WerWarAnnaSeghers/komplett.html [Zugriff: 14.02.2016].
[29] Vgl, Bircken, Margrid: Mexiko (1940-1947), in: http://www.anna-seghers.de/biographie_mexiko.php [Zugriff: 01.03.2016].
[30] Ludwig Renn (* 1889 in Dresden - f 1979 in Berlin) war u.a. Mitglied der KPD und wurde 1932 wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ verurteilt. 1936 kam er frei und floh nach Mexiko. (https://www.dhm.de/lemo/biografie/ludwig-renn, Zugriff: 01.03.2016)
[31] Vgl. Bircken, Margrid: Mexiko (1940-1947), in: http://www.anna-seghers.de/biographie_mexiko.php [Zugriff: 01.03.2016].
[32] Vgl. Zunker, Detlef: Anna Seghers, in: http://www.tierradenadie.de/archivo/literatura/seghers/annaseghers1.htm#biografia [Zugriff:
[33] Vgl. Homann, Ursula: Wer war Anna Seghers?, in: http://www.ursulahomann.de/WerWarAnnaSeghers/komplett.html [Zugriff: 14.02.2016].
[34] Vgl. Wagner/ Emmrich/ Radvanyi: Seghers. Biographie in Bildern, Seite 114, wie Anm. 3.
[35] Vgl. Rüdiger, Bernhardt: Erläuterungen zu Anna Seghers. Das siebte Kreuz, Reihe Königs Erläuterungen und Materialien 408, 5. Auflage, Hollfeld 2009: Bange Verlag, Seite 13.
[36] Vgl. Harders, Levke/ Kock, Sonja: Anna Seghers 1900-1983, in: https://www.dhm.de/lemo/biografie/anna-seghers [Zugriff: 01.03.2016].
[37] Vgl. Bircken, Magrid: Mexiko (1940-1947), in: http://www.anna-seghers.de/biographie_mexiko.php
[38] [Zugriff: 01.03.2016].
- Quote paper
- Djamila Hiller (Author), 2016, Deutsche Exilliteratur am Beispiel von Anna Seghers "Das siebte Kreuz", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/375128
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