Einleitung
Die folgende Hausarbeit stellt eine kleine Ideensammlung für eine Lernsequenz im Deutschunterricht der Klassen 9 oder 10 der Realschule vor. Diese Lernsequenz ist im Bildungsplan im Arbeitsbereich 2: Literatur unter „Produktiver Umgang mit Texten“ einzuordnen. Ziel dieser Einheit ist es, Texte auszugestalten und Texte und Textmuster zu variieren. Dies kann geschehen, indem sowohl Stil als auch Textart und Perspektive einer literarischen Vorlage bearbeitet werden.1 Der produktive Umgang mit Texten ist eine eher freie und kreative Form des Schreibens und führt meist zu neuen literarischen Gebilden, Textergänzungen, Textalternativen oder Textzusätzen.
Andere Ausatzformen wie Textanalyse oder Textinterpretation führen dagegen zu Sachtexten. In der hier vorgestellten Lernsequenz sollen die Schüler die Kurzgeschichte „Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral“ von Heinrich Böll2 im Sinne des Handlungs- und Produktionsorientierten Literaturunterrichts bearbeiten. Seit 1996 ist diese Aufsatzform auch Bestandteil der Realschulabschlussprüfung.3 Der Hauptteil dieser Hausarbeit ist gegliedert in einen Theorie- und einen Praxisteil. Im Theorieteil werden einige Überlegungen zum Aufsatzunterricht aufgeführt, die die gedankliche Basis für die vorgestellte Lernsequenz darstellen. Im Praxisteil wird der Aufgabentyp „Produktiver Umgang mit einer Kurzgeschichte“, die Kurzgeschichte selbst und die dazu gestellten Aufgaben nach den Kriterien der didaktischen Analyse von Klafki4 analysiert. In einer kurzen methodischen Analyse werden dann noch Möglichkeiten zur Gestaltung der Lernsequenz im Unterricht vorgestellt.
Inhaltsverzeichnis
1.0 Einleitung
2.0 Hauptteil
2.1 Drei grundlegende Überlegungen zum produktiven Umgang mit Texten
2.1.1 Handlungs- und Produktionsorientierter Literaturunterricht
2.1.2 Prozessorientierung in der Aufsatzdidaktik
2.1.3 Aufsatz: Lerngegenstand oder Lernmedium?
2.2 Didaktische Analyse der Lernsequenz
2.2.1 Das exemplarische Prinzip
2.2.2 Die Gegenwartsbedeutung
2.2.3 Die Zukunftsbedeutung
2.2.4 Analyse der „Sache“: Die Kurzgeschichte und der produktive Umgang mit dieser Textsorte
2.2.5 Die Schreibanlässe
2.3 Methodische Überlegungen zur Lernsequenz
3.0 Schluss
1.0 Einleitung
Die folgende Hausarbeit stellt eine kleine Ideensammlung für eine Lernsequenz im Deutschunterricht der Klassen 9 oder 10 der Realschule vor.
Diese Lernsequenz ist im Bildungsplan im Arbeitsbereich 2: Literatur unter „Produktiver Umgang mit Texten“ einzuordnen. Ziel dieser Einheit ist es, Texte auszugestalten und Texte und Textmuster zu variieren. Dies kann geschehen, indem sowohl Stil als auch Textart und Perspektive einer literarischen Vorlage bearbeitet werden.1 Der produktive Umgang mit Texten ist eine eher freie und kreative Form des Schreibens und führt meist zu neuen literarischen Gebilden, Textergänzungen, Textalternativen oder Textzusätzen.
Andere Ausatzformen wie Textanalyse oder Textinterpretation führen dagegen zu Sacht- exten.
In der hier vorgestellten Lernsequenz sollen die Schüler die Kurzgeschichte „Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral“ von Heinrich Böll2 im Sinne des Handlungs- und Produktionsorientierten Literaturunterrichts bearbeiten.
Seit 1996 ist diese Aufsatzform auch Bestandteil der Realschulabschlussprüfung.3
Der Hauptteil dieser Hausarbeit ist gegliedert in einen Theorie- und einen Praxisteil. Im Theorieteil werden einige Überlegungen zum Aufsatzunterricht aufgeführt, die die gedankliche Basis für die vorgestellte Lernsequenz darstellen.
Im Praxisteil wird der Aufgabentyp „Produktiver Umgang mit einer Kurzgeschichte“, die Kurzgeschichte selbst und die dazu gestellten Aufgaben nach den Kriterien der didak- tischen Analyse von Klafki4 analysiert. In einer kurzen methodischen Analyse werden dann noch Möglichkeiten zur Gestaltung der Lernsequenz im Unterricht vorgestellt.
2.0 Hauptteil
2.1 Drei grundlegende Überlegungen zum produktiven Umgang mit Texten
2.1.1 Handlungs- und Produktionsorientierter Literaturunterricht
Der Handlungs- und Produktionsorientierte Literaturunterricht (HuPLi) versteht sich als eine Art Gegenpol zur bisherigen Literaturdidaktik. Er spricht die emotionale Intelligenz an und nicht mehr nur die kognitiven Aspekte des Lernens. Durch das Ansprechen sowohl der emotionalen als auch der kognitiven Intelligenz gibt der HuPLi langsamer Lernenden eine Chance: „er schafft auch für die Langsamen, [...] eine Basis dafür, sich dem jeweiligen Text individuell und zunächst spielerisch zu nähern, mit ihm umzugehen, in ihn gewissermaßen hineinzugehen.“5 Laut diesem Ansatz sollte der Leser die Literatur nicht mehr als Objekt ansehen, mit dem er sich auseinandersetzen muss, sondern selbst Teil der Literatur werden. Der Leser darf seine subjektive Stellung, die er z.B. nach der ersten Lektüre eines Texts hat, behalten und mit dieser arbeiten.
Novalis formuliert den Hauptgedanken, der hinter dem HuPLi steckt, folgendermaßen: „nur dann zeig ich, dass ich einen Schriftsteller verstanden habe, wenn ich in seinem Geist handeln kann, wenn ich ihn, ohne seine Individualität zu schmälern, übersetzen und mannigfach verändern kann.“6
Ein weiteres Anliegen des HuPLi ist, Lesen wieder attraktiver zu machen und Schülern ein positives Leseerlebnis zu vermitteln. Das Lesen in der Schule hat kaum etwas mit dem freiwilligen Lesen in der Freizeit zu tun: es schließt durch Vorgabe der zu lesenden Texte und eng gefasste Aufgabenstellungen nahezu jedes unbedarfte Vergnügen an Literatur aus. Um seine Ziele zu erreichen braucht der HuPLi auch neue Methoden. Die subjektive Beschäftigung mit Literatur kann geschehen durch Variation, Modifikation, Ergänzung, Veränderung, Widerspruch, Spiel, Aktualisierung, Verfremdung im Umgang mit Texten und vielem mehr. Diese Methoden ermöglichen einen unbedarfteren, freieren Umgang mit Literatur, weil sie keine klaren Zielvorstellungen implizieren. Kritiker des HupLi bemängeln, er sei nicht anstrengend, mache Schülern Spaß, koste nicht viel Überwindung und verbessere somit nicht die kognitiven Fähigkeiten. Schüler freuen sich jedoch meist über die Freiheit, die solche Verfahren bieten und den Spielraum, den sie aus dem bisherigen Literaturunterricht nicht kannten. Dies liegt vor allem daran, dass Inhalte und Strukturen ihre starke Dominanz verlieren und der gestalte- rischen Freiheit Vorrang gewährt wird.
Noch einige Anmerkungen zur Unterscheidung von Handlungs- und Produktionsorientierung: Beim handlungsorientierten Unterricht verändert oder übersetzt der Schüler den Text und wirkt bei der Wahl der Lektüre mit. Beim produktionsorientierten Ansatz bekommt der Schüler ein Thema, eine spezifische Personenkonstellation, einen Handlungsansatz und gestaltet von diesem ausgehend einen Text. Die Schüler sind durch die vom Lehrer ausgesuchten Texte und Aufgaben weniger frei als beim handlungsorientierten Unterricht. Die beiden Ansätze lassen sich aber nicht klar trennen, weshalb meist nur vom HuPLi als einem Konzept gesprochen wird.
2.1.2 Prozessorientierung in der Aufsatzdidaktik
Die Orientierung des Aufsatzunterrichts am Prozess des Schreibens heißt zunächst einmal, dass der Blickwinkel der Didaktik weggeht vom Produkt, dass am Ende in Form des „fertigen“ Aufsatzes vorliegt, hin zum ganzen Prozess des Schreibens. Der „fertige“ Aufsatz stellt hier also nur ein Element unter vielen dar. Gerhard Haas um- schreibt diesen Ansatz mit den Worten: „dass im Übrigen auch der Weg schon ein Teil des Ziels sein kann, dass auch Unterwegssein und nicht nur Ankommen zählt...“7. Der Schreibprozess läuft nach dem kognitiven Schreibmodell von Hays und Flower8 in verschiedenen Phasen ab. Zunächst muss der Schreiber für seine Aufgabe motiviert werden, denn ohne die richtige Motivation kann keine Phase des Schreibprozesses gelingen. In der zweiten Phase macht sich der Schreiber einen Plan vom zu schreibenden Text, er wird „konzeptionell tätig“9. Er benutzt dazu sein Langzeitwissen über das Thema, sein Wissen über die kommunikativen Bedingungen und das Textmuster. Wenn der Schreiber auf routiniertes Wissen zu der zu schreibenden Textsorte zurückgreifen kann, fällt ihm die Planung seines Textes leichter. Bei freieren Aufgabenstellungen wird der Schreiber sich seinen Textplan selbst entwickeln müssen, was natürlich den Schwierig- keitsgrad der Aufgabe erhöht.
Auf den Planungsprozess folgt dann die sprachliche Umsetzung, der Formulierungspro- zess. Dieser Prozess läuft allerdings zunächst noch im Kopf des Schreibers ab. Nach und nach wird der kognitive Plan in Worte und dann in Sätze ausformuliert. Diese innersprachliche Struktur wird dann durch motorische Prozesse umgesetzt, d.h. die vorformulierten Sätze werden aufgeschrieben. Der Schreiber wird seinen Text dann stän- dig überprüfen, verbessern oder anders formulieren. Diese Tätigkeiten fasst man unter „redigierende Prozesse“ zusammen.
Dieser Ansatz hat didaktische Konsequenzen: Ein Unterricht, bei dem die Betonung auf dem Schreibprozess liegt, sollte alle Einzelaspekte des Schreibens berücksichtigen und diese, soweit möglich, einübbar machen. Innersprachliche Problemfelder der jeweiligen Klasse sollten beachtet und durch Übung gezielt verbessert werden. Hinweise zu Arbeitstechniken und klare organisatorische Vereinbarungen (z.B. zum Durchstreichen eines Wortes) erleichtern das Schreiben ebenfalls.
2.1.3 Aufsatz: Lerngegenstand oder Lernmedium?
In seinem Buch „Zur Didaktik und Methodik des Deutschunterrichts“10 diskutiert Joachim Fritzsche die Funktion des Schreibens in der Schule.
In diesem Abschnitt beziehe ich mich auf die Aussagen, die in diesem Buch gemacht werden.
Fritzsche stellt die Frage, ob das Ziel des Aufsatzunterrichts in der Schule die Beherrschung der einzelnen Aufsatzarten sei, oder ob man das Schreiben als Denk-, Kommunikations-, und Selbstausdrucksmittel verfügbar machen sollte.
Den Aufsatz als Lerngegenstand anzusehen fordert einen Unterricht, der hauptsächlich auf Einübung von Strukturen setzt, welche die Schüler dann auf jeden neuen Text oder jede neue Aufgabe anwenden können sollen. Die systematische Beherrschung der Aufsatzarten impliziert jedoch eine Kürzung und Schematisierung der verschiedenen Schreibformen. Da Texte jedoch komplexe Gebilde sind und nicht einfach standardisiert werden können, seien „ unter dem Druck, Lerninhalte scharf zu konturieren, um sie einübbar zu machen [...] immer stärker künstliche, standardisierte Textsorten“11 geworden, so Fritzsche.
Sieht man den Aufsatz als Lernmedium, also als Hilfsmittel für weiterführende Aufgaben, so ergibt sich eine andere Perspektive. Fritzsche teilt dem Schreiben als Lernmedium 3 Funktionen zu: Schreiben sei Mittel zu Reflexion, zu Ausdruck und Kommunikation. Bei der Reflexion über Texte helfe der Aufsatz beim Erschließen des Inhalts. Beim poetischen Schreiben sieht Fritzsche die Funktion des Schreibens vor allem im Aus- druck von subjektiven Sichtweisen, Befindlichkeiten und Bedürfnissen. Das leser- orientierte Schreiben in Briefen, Bewerbungen u.ä. hat die Funktion der Kommunikation mit dem Adressaten. Fritzsche betont aber, dass beim Schreiben nie nur eine der Funktionen klar abgegrenzt auftritt, sondern dass meist eine der drei Funktionen dominant hervortritt.
[...]
1 Bildungsplan, 1994/95, S.296
2 s.Anlage
3 Döring, 1999, S.11
4 Siehe dazu Gudjons u.a., 1980, S.13-24
5 Haas, 1997, S.23
6 Haas, 1997, S.39
7 Haas, 1997, S.11
8 Siehe dazu: Brinker, 2000
9 Baurmann/ Ludwig, 1986, S.18
10 Fritzsche, 1994
11 Fritzsche, 1994, S.30
- Quote paper
- Kerstin Kloos (Author), 2003, Produktiver Umgang mit einer Kurzgeschichte - Theoretische und praktische Überlegungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/37495
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