Diese Arbeit ist in erster Linie ein Vergleich zwischen der eudaimonistischen Ethik des Aristoteles und der hedonistischen Ethik des Epikur. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Definitionen von eudaimonia und hêdonê der beiden Philosophen. Auf den ersten Blick scheinen sich beide Auffassungen sehr zu unterscheiden, aber wir werden sehen, daß der epikureische Hedonismus und der Eudaimonismus des Aristoteles viel gemeinsam haben. Grundlegend unterscheiden sie sich eigentlich nur in der Gewichtung bzw. Bewertung der Lust. Während diese für Epikur das höchste Gut darstellt, ist sie für Aristoteles mehr das Mittel zum Zweck, d.h. ein Mittel, um eudaimonia zu erlangen. Zur Sprache kommen auch die wichtigsten Vorläufer dieser Auffassungen von eudaimonia und hêdonê, mit Ausnahme von Aristippos von Kyrene wurde dabei auf die von Aristoteles in der Nikomachischen Ethik referierten Sichtweisen eingegangen.
Inhalt
I. Fragestellung
1. Analyse des Glücksbegriffes bei Aristoteles und Epikur
1.1 Der Glücksbegriff in der Nikomachischen Ethik des Aristoteles
1.1.1 Streben als Grundbegriff der Aristotelischen Glücksethik
1.1.2 Der Begriff der eudaimonia bei Aristoteles
1.1 Der Glücksbegriff bei Epikur
2. Über den Begriff der hêdonê – ein Vergleich
2.1 Zur Entwicklung des Hedonismus vor Epikur – Eudoxos von Knidos und Aristippos von Kyrene
3.2 Hêdonê in der eudaimonistischen Ethik des Aristoteles
3.2.1 Hêdonê als Bestandteil der eudaimonia
3.2.2 Über Lust und Unlust als Grundlage moralischen Handelns bei Aristoteles
3.3 Lust als das höchste Gut in der hedonistischen Ethik des Epikur
4. Fazit
5. Quellenverzeichnis
6. Literaturverzeichnis
I. Fragestellung
Diese Proseminararbeit ist in erster Linie ein Vergleich zwischen der eudaimonistischen Ethik des Aristoteles und der hedonistischen Ethik des Epikur. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Definitionen von eudaimonia und hêdonê der beiden Philosophen. Auf den ersten Blick scheinen sich beide Auffassungen sehr zu unterscheiden, aber wir werden sehen, daß der epikureische Hedonismus und der Eudaimonismus des Aristoteles viel gemeinsam haben. Grundlegend unterscheiden sie sich eigentlich nur in der Gewichtung bzw. Bewertung der Lust. Während diese für Epikur das höchste Gut darstellt, ist sie für Aristoteles mehr das Mittel zum Zweck, d.h. ein Mittel, um eudaimonia zu erlangen. Zur Sprache kommen auch die wichtigsten Vorläufer dieser Auffassungen von eudaimonia und hêdonê, mit Ausnahme von Aristippos von Kyrene ging ich dabei auf die von Aristoteles in der Nikomachischen Ethik referierten Sichtweisen ein.
Bei dieser Arbeit stützte ich mich v.a. auf folgende Sekundärliteratur: die beiden Bücher über Aristoteles bzw. die Nikomachische Ethik des Aristoteles von Otfried Höffe sowie die hervorragende Einführung in das aristotelische Denken von Jonathan Barnes. Sehr hilfreich waren auch die Bücher „Über das Glück des Menschen“ von Maximilian Forschner sowie „Epikur“ von Malte Hossenfelder. Das Thema scheint meiner Meinung nach recht gut erforscht zu sein, an Sekundärliteratur zum Thema eudaimonia bzw. hêdonê bei Aristoteles und Epikur herrscht kein Mangel.
Diese Arbeit folgt den Regeln der alten Rechtschreibung.
1. Analyse des Glücksbegriffes bei Aristoteles und Epikur
1.1 Der Glücksbegriff in der Nikomachischen Ethik des Aristoteles
1.1.1 Streben als Grundbegriff der Aristotelischen Glücksethik
In der Nikomachischen Ethik versucht Aristoteles die Frage zu lösen, was denn das moralisch Gute sei. Er definiert diesen Begriff als das uneingeschränkt Gute[1] und kommt über die Handlungstheorie des Strebens zum Moralprinzip des Glücks.[2] „Jede Kunst und jede Lehre, ebenso jede Handlung und jeder Entschluß scheint irgendein Gut zu erstreben. Darum hat man mit Recht das Gute als dasjenige bezeichnet, wonach alles strebt [...]“[3], so der Anfang der Nikomachischen Ethik. Aristoteles macht an dieser Stelle die Beobachtung, daß alles Streben ein Ziel hat, zur Prämisse seiner Ethik. Weiter im Text definiert er schließlich das höchste Ziel dieses Strebens: „Da also jede Erkenntnis und jeder Entschluß nach irgendeinem Gute strebt, [...] welches ist das oberste aller praktischen Güter? Im Namen stimmen wohl die meisten überein. Glückseligkeit nennen es die Leute ebenso wie die Gebildeten, und sie setzen das Gut-Leben und das Sich-Gut-Verhalten gleich mit dem Glückseligsein.“[4] Dieses Gute, welches in meiner Übersetzung etwas unglücklich mit Glückseligsein übersetzt wurde, wird im Griechischen mit dem Begriff agathon[5] bezeichnet.
Damit hätten wir nun festgestellt, daß das Streben Tätigkeiten bezeichnet, die der Mensch mit einem ganz bestimmten Ziel ausführt, nämlich glückselig zu werden. Doch was ist nun dieses Streben? Otfried Höffe schreibt, daß Aristoteles diesen Begriff, im Griechischen orexis, nicht für den Menschen reserviert hat, sondern im Gegenteil mit seiner Hilfe den Menschen in die Natur einordnet, der Begriff beinhaltet also die „generelle Bewegungsart von Lebewesen“[6]. Aristoteles räumt dem Menschen erst durch den Verstand (logos) eine Sonderstellung ein[7], das bedeutet, daß das Streben nicht vom Verstand gesteuert wird, sondern daß beide unabhängig voneinander agieren. Allerdings kann der Verstand auch eingeschaltet werden, um das Streben zu kontrollieren. Was passiert, wenn das Streben nicht verstandesgemäß abläuft, schreibt Aristoteles im dritten Kapitel des ersten Buches der Nikomachischen Ethik: „Nicht ohne Grund scheint man das Gute und die Glückseligkeit an den Lebensformen abzulesen. Die Mehrzahl der Leute und die rohesten wählen die Lust. Darum schätzen sie auch das Leben des Genusses.“[8] Diese nicht vernunftgemäß lebenden Leute „erweisen sich als völlig sklavenartig, da sie das Leben des Viehs vorziehen“[9]. Hier kann man zum einen ersehen, daß für Aristoteles das rein genußbezogene Leben (und damit ein rein lustvolles) nur ein scheinbar gutes Leben darstellt, da der Mensch, sofern er ein solches lebt, Sklave seiner Begierden und Affekte ist. In dem Kapitel über die eudaimonia werden wir noch genauer darauf eingehen. Zum anderen kann man aus dieser Stelle ersehen, daß es zwei verschiedene Formen des Strebens wie auch des Guten gibt:[10] die eine Form des Guten folgt aus ihrer jeweiligen Form des Strebens. Das heißt, wo jemand vernunftlos lebt, strebt er das nur scheinbar Gute an, setzt derjenige jedoch seinen Verstand ein, so wird er dieses scheinbar Gute als falsch erkennen und das wahrhaft Gute anstreben.[11]: Innerhalb dieses vernünftigen Strebens macht Aristoteles zwei Unterscheidungen[12]. Zum einen gibt es das Streben oder Handeln im weiteren Sinne, welches das Streben meint, bei dem es nicht auf den Vollzug der Tätigkeit ankommt, sondern auf das Resultat. Diese Art Streben ist ein Streben im technischen bzw. handwerklichen Sinne und wird im Griechischen mit poiêsis bezeichnet.[13] Die zweite Form des vernünftigen Strebens, das Streben im engeren Sinne, ist das Ziel des Handelns identisch mit der Handlung selbst: „[...] so sieht man also und hat schon gesehen, so überlegt man und hat schon gedacht [...][14]. Diese Form des Strebens wird mit dem griechischen Wort praxis bezeichnet.[15] Die erste Form meint eine „unvollendete Bewegung“[16], in dem Sinne, daß es ein Streben darstellt, das auf ein Ziel ausgerichtet ist, dem dieses Ziel jedoch nicht immanent ist: „[...] nicht aber lernt man und hätte damit schon gelernt, noch gesundet man und wäre damit schon gesund geworden."[17] Die zweite Form des Strebens, die praxis wird innerhalb der Nikomachischen Ethik wichtig für das moralische Handeln, denn alles moralische Handeln ist praxis. Diese weitschweifige Analyse ist relevant, um zu verstehen, was Aristoteles unter Leben versteht: für ihn stellt Leben eine praxis dar, was bedeutet, das im Leben die Handlung mit dem Ziel gleichzusetzen ist.[18] Um es populär auszudrücken: der Mensch lebt um des schlichten Lebens willen und er führt aus demselben Grunde ein tugendhaftes Leben. Nur ein solches handelndes Leben kann gelingen und deshalb zur eudaimonia führen.
[...]
[1] Höffe: Aristoteles. München 21999. S. 202.
[2] Höffe: Aristoteles. S. 202.
[3] Aristoteles, EN I 1 1094a 1f.
[4] Aristoteles, EN I 2 1095a 14f.
[5] Höffe: Aristoteles. S. 202.
[6] Höffe: Aristoteles. S. 203.
[7] Höffe: Aristoteles. S. 203.
[8] Aristoteles, EN I 3 1095b 15ff.
[9] Aristoteles, EN I 3 1095b 19f.
[10] Höffe: Aristoteles. S. 203.
[11] Aristoteles, Rhet. I 10 1369a 1 bis 4: An dieser Stelle entfaltet Aristoteles seine Handlungstheorie, die ich im Text in groben Zügen dargestellt habe.
[12] Höffe: Aristoteles. S. 203.
[13] Höffe: Aristoteles. S. 203.
[14] Aristoteles, Met. IX 6 1048b 24f.
[15] Höffe: Aristoteles. S. 204.
[16] Aristoteles, Met. IX 6 1048b 30f.
[17] Aristoteles, Met. IX 6 1048b 23f.
[18] Höffe: Aristoteles. S. 204.
- Quote paper
- Ines Jachomowski (Author), 2003, Über eudaimonia und hêdonê bei Aristoteles und Epikur - ein Vergleich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/37463
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