Freud beschäftigt sich in "Totem und Tabu" mit der Frage der Entstehung von Religion und erklärt diese mit dem von ihm beschriebenen Ödipuskomplex und dem daraus entstandenen Totemismus. Er bestreitet also bereits in diesem Werk den metaphysischen Ursprung von Religion. In diesem Werk begründet er auch, warum sich die Menschheit seiner Ansicht nach Gott als Vaterfigur vorstellt. Auch hier ist die Grundlage der Ödipuskomplex und dessen Folgen. In "Die Zukunft einer Illusion" holt er nun zu einer umfassenden Religionskritik aus und sieht eine zukünftige geistige Entwicklung der Menschen durch das Festhalten an Religionen gefährdet. Ich gehe in meiner Arbeit der Frage nach, ob die Methode, mit der Freud seine Schlussfolgerungen zieht allgemein nachvollziehbar ist und ob seine Argumentation ausreichend belegt wird.
Inhalt
I. Einleitung:
II. Basis der Thesen Freuds zur Religionsentstehung:
Instanzen der Persönlichkeit
Psychosexuelle Entwicklungsphasen
III. Freuds Herangehensweise an die Religionskritik
Ziel:
Methodologie:
Thesen/Argumente:
IV. Bewertung
V. Literaturverzeichnis:
I. Einleitung:
Freud beschäftigt sich in „Totem und Tabu“ mit der Frage der Entstehung von Religion und erklärt diese mit dem von ihm beschriebenen Ödipuskomplex und dem daraus entstandenen Totemismus. Er bestreitet also bereits in diesem Werk den metaphysischen Ursprung von Religion. In diesem Werk begründet er auch, warum sich die Menschheit seiner Ansicht nach Gott als Vaterfigur vorstellt. Auch hier ist die Grundlage der Ödipuskomplex und dessen Folgen. In „Die Zukunft einer Illusion“ holt er nun zu einer umfassenden Religionskritik aus und sieht eine zukünftige geistige Entwicklung der Menschen durch das Festhalten an Religionen gefährdet.
Ich gehe in meiner Arbeit der Frage nach, ob die Methode, mit der Freud seine Schlussfolgerungen zieht allgemein nachvollziehbar ist und ob seine Argumentation ausreichend belegt wird.
Dazu gehe ich kurz auf einige Grundlagen von Freuds psychoanalytischer Arbeit ein, die eine Voraussetzung für seine Schlussfolgerungen darstellen. Danach beschreibe ich die Herangehensweise Freuds an das Thema, seine Untersuchungsmethode und beispielhaft einige der daraus hervorgegangenen Thesen und Argumente. In der Bewertung kritisiere ich Freuds Methode und stelle einige seiner Argumente in Frage um dann abschließend zu einer möglichen Beurteilung des Wertes von Freuds Religionskritik außerhalb der Anhängerschaft der Psychoanalyse zu kommen. [1]
II. Basis der Thesen Freuds zur Religionsentstehung:
Instanzen der Persönlichkeit
Die Psyche des Menschen teilt sich nach Freud in drei Instanzen: das ICH, das ES und das ÜBER-ICH.
Das ES stellt die Triebe des Individuums dar, die aus dem Unbewussten kommen und schon von Geburt an im Menschen angelegt sind. Die Triebe teilen sich in Sexualtrieb und Todes- bzw. Tötungstrieb. Unser ES ist ausschließlich auf Triebbefriedigung aus und handelt immer nach dem Lustprinzip. Der einzige Grund, dass das ES seine Wünsche nicht immer durchsetzt ist das ÜBER-ICH, das als eine Art Gewissen agiert.
Das ÜBER-ICH bildet sein Gewissen nach Identifikation mit Vorbildern und ist im kleinen Kind noch nicht vorhanden. Es stellt die höchsten Ansprüche an die Einhaltung von Moralprinzipien, Regeln und Normen. Damit steht es in häufigem Konflikt mit dem ES.
Das ICH ist der bewusste Teil der Persönlichkeit, der nach außen orientiert ist und als Vermittler zwischen den beiden unbewussten Persönlichkeitsanteilen ES und ÜBER-ICH handeln muss. Einzig bei den Wünschen, die aus dem ES kommen und die es abwehrt, agiert auch das ICH unbewusst. [2]
Psychosexuelle Entwicklungsphasen
Nach Freud findet die Entwicklung der Libido in fünf Phasen statt:
1. Die orale Phase
2. Anale Phase
3. Phallische Phase
4. Latenzphase
5. Genitale Phase
In der mittleren Phase (phallische Phase), die im 4.-5. Lebensjahr stattfindet, wird der Fokus auf ein Liebesobjekt in seiner nahen Umgebung gelenkt, zumeist auf den gegengeschlechtlichen Elternteil. In dieser Phase ist die Beziehung zu den Eltern vom Ödipus-Komplex beeinflusst. Das Kind begehrt den gegengeschlechtlichen Elternteil und möchte daher den „Rivalen“ um diesen Wunschpartner vernichten.
Das Kind befindet sich dabei in einem Zwiespalt zwischen Eifersucht und dem Wunsch, von beiden Eltern geliebt zu werden.
In dieser Phase kommt es auch zur Entwicklung des ÜBER-ICH.
III. Freuds Herangehensweise an die Religionskritik
Ziel:
Freud formuliert die Frage die er sich stellt gleich zu Beginn seiner Arbeit:
Nachdem er sich eine Zeitlang mit der eigenen Kultur, deren Ursprung und Entwicklung beschäftigt hat interessiert es Freud jetzt „..welches fernere Schicksal dieser Kultur bevorsteht und welche Wandlungen durchzumachen ihr bestimmt ist.“[3]. Er erklärt, was er unter Kultur versteht und kommt recht bald zur Erkenntnis, „dass jede Kultur auf Arbeitszwang und Triebverzicht beruht“.[4]
Freud widmet sich danach ausführlicher dem für ihn „bedeutsamsten Stück des psychischen Inventars einer Kultur“[5], den religiösen Vorstellungen. Es wird deutlich, dass sein Ziel darin besteht, darauf aufmerksam zu machen, dass ein Fortschritt der Menschheit nur dann erfolgreich sein wird, wenn sie sich von den Illusionen der Religion löst und damit ihrer kindlichen Phase entwächst. Gereift zu vernunftgesteuerten Erwachsenen braucht es dann nur noch den Intellekt, um sich an die Spielregeln eines vernünftigen Zusammenlebens zu halten.
Methodologie:
Die Methode, nach der Freud in „Die Zukunft einer Illusion“ argumentiert, beschreibt er gegen Ende seiner Schrift selbst so:
„Nehmen Sie doch meinen Versuch für das, was er ist. Ein Psychologe, der sich nicht darüber täuscht, wie schwer es ist, sich in dieser Welt zurechtzufinden, bemüht sich, die Entwicklung der Menschheit nach dem bißchen Einsicht zu beurteilen, das er sich durch das Studium der seelischen Vorgänge beim Einzelmenschen während dessen Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen erworben hat.“[6]
Die „Erkenntnis“, die er daraus gewonnen hat formuliert Freud selbst zuvor ist „ein Eindruck“, den er durch seine Beschäftigung mit der Entwicklung der Menschheit gewonnen hat. Sehr vorsichtig formuliert er einige Feststellungen mit „es scheint“ statt sie ausführlich zu begründen.
Freud will aber mehr:
„.. die Untersuchungsmethoden der Psychoanalyse weit weg von ihrem Mutterboden auf die mannigfaltigsten Geisteswissenschaften anzuwenden. Ja selbst die psychoanalytische Arbeit an den Kranken mahnte unaufhörlich an diese neue Aufgabe, denn es war unverkennbar, daß die einzelnen Formen der Neurose die stärksten Anklänge an die höchstwertigen Schöpfungen unserer Kultur vernehmen ließen.“[7].
Diese Untersuchungsmethoden bestehen aus strukturierten Gesprächen in denen die unterbewussten Anteile von Gefühlen, Reaktionen oder Handlungen eines Patienten herausgearbeitet und bewusstgemacht werden sollen. Diese Erfahrungen mit einzelnen Menschen überträgt Freud auf die gesamte Menschheit und schließt daraus:
„.. daß die Geschehnisse der Menschheitsgeschichte, die Wechselwirkungen zwischen Menschennatur, Kulturentwicklung und jenen Niederschlägen urzeitlicher Erlebnisse, als deren Vertretung sich die Religion vordrängt, nur die Spiegelung der dynamischen Konflikte zwischen Ich, Es und Über-Ich sind, welche die Psychoanalyse beim Einzelmenschen studiert, die gleichen Vorgänge, auf einer weiteren Bühne wiederholt.“[8]
Thesen/Argumente:
Freud stellt in seinem Text häufig Behauptungen auf, die durch keine Argumente gestützt sind. Trotzdem finden sich einige Thesen, zu deren Beweis sich auch Argumente finden lassen. Einige dieser Thesen und Argumente möchte ich hier ausführen:
1. Die Entstehung der Gottesvorstellung als Vaterfigur:
Freud argumentiert, dass in allen Religionen eine Ambivalenz zur väterlichen Gottesfigur zu finden ist[9] – ebenso wie diese Ambivalenz zum Vater im Kind in der phallischen Phase zu finden ist. Die Hilflosigkeit des Menschen der Natur gegenüber lässt ihn reagieren wie das ängstliche Kind, das den Vater zwar fürchtet, sich aber auch Schutz und Hilfe von ihm erwartet.
An anderer Stelle wird er zu diesem Thema noch deutlicher:
„Die Psychoanalyse hat uns den intimen Zusammenhang zwischen dem Vaterkomplex und der Gottesgläubigkeit kennen gelehrt, hat uns gezeigt, daß der persönliche Gott psychologisch nichts anderes ist als ein erhöhter Vater, und führt uns täglich vor Augen, wie jugendliche Personen den religiösen Glauben verlieren, sobald die Autorität des Vaters bei ihnen zusammenbricht. Im Elternkomplex erkennen wir so die Wurzel des religiösen Bedürfnisses;“[10]
In einem späteren Kommentar zu seiner Schrift „Die Zukunft einer Illusion“ betont Freud nochmals, dass es ihm nicht um die tiefsten Quellen des religiösen Gefühls ging, als um das, „was der gemeine Mann unter seiner Religion versteht, ..dass eine sorgsame Vorsehung über sein Leben wachen und etwaige Versagungen in einer jenseitigen Existenz gutmachen wird. Diese Vorsehung kann der gemeine Mann sich nicht anders als in der Person eines großartig überhöhten Vaters vorstellen.“[11]
2. Die Seele kann Fortschritte machen und reifen:
Um das Ziel zu erreichen, das Freud mit seiner Religionskritik verfolgt, muss es eine Möglichkeit für die Menschen geben, sich aus der phallischen Phase der Kindheit weiterzuentwickeln. Freud sieht hier bereits einen ersten Schritt in der Entwicklung vollzogen: die Triebe des Inzests und des Kannibalismus sind bei so gut wie allen Menschen bereits unterdrückt. Freud sieht hier die gleiche Entwicklung wie die des Kindes, das langsam von Vorbildern lernt, bestimmte moralische Anforderungen in sein Über-Ich zu übernehmen. Die Menschheit müsste also weitere moralische Kulturanforderungen in diese Kontrollinstanz des Selbst übernehmen, dann bedarf es keiner Religion mehr, die diese Triebe durch Drohungen oder Versprechungen unterdrückt.
[...]
[1] Vgl. Hall et al., Theorien der Persönlichkeit, 52-54
[2] Vgl. ebd. 66-75
[3] Vgl. Freud, Die Zukunft einer Illusion, 85
[4] Vgl. ebd. 90
[5] Vgl. ebd. 94
[6] Ebd. 132
[7] Freud, Gesammelte Werke, Bd.XII, 327
[8] Ebd., Bd. XVI, 32
[9] Vgl. Freud, Die Zukunft einer Illusion, 104
[10] Freud, Gesammelte Werke, Bd. VIII, 195
[11] Freud, Gesammelte Werke, Bd.XIV, 431
- Arbeit zitieren
- Ingrid Cip (Autor:in), 2016, Freuds "Die Zukunft einer Illusion". Eine schlüssige Religionskritik?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/374408
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