Der Einfluss des Neoliberalismus und seine Konsequenzen auf das Gesundheitssystem

Eine Analyse und Gegenüberdarstellung der Entwicklungen in den USA und Deutschland


Master's Thesis, 2016

85 Pages, Grade: 1,7


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Methodik

3. Begriffsdefinition Gesundheitssystem

4. Neoliberalismus
4.1 Historischer Hintergrund und Grundlagen
4.2 Milton Friedmans Wirtschaftstheorie und die Entstehung des euroatlantischen Neoliberalismus

5. Das US-amerikanische Gesundheitssystem
5.1 Historischer Hintergrund und Leitbild
5.2 Versicherungssystem und Funktionsweise

6. Das deutsche Gesundheitssystem
6.1 Historischer Hintergrund und Leitbild
6.2 Versicherungssystem und Funktionsweise

7. Auswirkungen des Neoliberalismus auf das Gesundheitssystem
7.1 Diagnosis Related Groups als Instrument des Neoliberalismus
7.2 Veränderung von strukturellen Rahmenbedingungen und Machtverhältnissen
7.3 Resümee

8. Vergleich der neoliberalen Entwicklungen in den USA und Deutschland
8.1 Statistische Darstellung der Versicherungssituation
8.1.1 Analyse und Vergleich
8.1.2 Interpretation
8.2 Statistische Darstellung der Wahrnehmung des individuellen Gesundheitszustandes in der Bevölkerung
8.2.1 Analyse und Vergleich
8.2.2 Interpretation
8.3 Statistische Darstellung der Verteilung von Krankenhausgruppen
8.3.1 Analyse und Vergleich
8.3.2 Interpretation
8.4 Statistische Darstellung der Medizintechnologie sowie Ärzte- und Pflegepersonalverteilung
8.4.1 Analyse und Vergleich
8.4.2 Interpretation
8.5 Statistische Darstellung von Gesundheitsausgaben und Lebenserwartung
8.5.1 Analyse und Vergleich
8.5.2 Interpretation
8.6 Statistische Darstellung der stationären Versorgungssituation
8.6.1 Analyse und Vergleich
8.6.2 Interpretation
8.7 Statistische Darstellung der Hüft- und Kniegelenksersatzoperationen
8.7.1 Analyse und Vergleich
8.7.2 Interpretation
8.8 Statistische Darstellung der Ärztegehälter
8.8.1 Analyse und Vergleich
8.8.2 Interpretation

9. Diskussion

10. Fazit

11. Ausblick

12. Literaturverzeichnis

Anhang

Danksagung

Ich möchte mich an dieser Stelle herzlich bei Michael Ande und Tobias Glatz, B.A. für die konstruktive Kritik und das Korrekturlesen bedanken.

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Stufenmodell des neoliberalen Einflusses.

Tabelle 2: Federal Poverty Guidline 2016

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Gesetz zur Regelung der Arbeiterkrankenversicherung.

Abbildung 2: Graphische Darstellung des Kategorisierungsprozesses innerhalb des DRG-Systems.

Abbildung 3: Versicherungssituation der Bevölkerung im Jahr 2013

Abbildung 4: Entwicklung der privaten Krankenversicherung von 2000 bis 2013

Abbildung 5: Wahrnehmung des eigenen Gesundheitszustandes im Jahr 2013 (oder aktuellste Datenlage)

Abbildung 6: Einkommensabhängige Wahrnehmung des eigenen Gesundheitszustandes im Jahr 2013 (oder aktuellste Datenlage)

Abbildung 7: Prozentuale Verteilung der Krankenhausgruppen in den USA im Jahr 2013

Abbildung 8: Prozentuale Verteilung der Krankenhausgruppen in Deutschland im Jahr 2012.

Abbildung 9: Einsatz von MRT-und CT-Technologie im Jahr 2013 (oder aktuellste Datenlage)

Abbildung 10: Anzahl der praktizierenden Ärzte pro 1000 Einwohner im Jahr 2013 (oder aktuellste Datenlage)

Abbildung 11: Anzahl der Krankenschwestern/Krankenpfleger pro 1000 Einwohner im Jahr 2013 (oder aktuellste Datenlage)

Abbildung 12: Jährliche Anzahl der ärztlichen Beratungsgespräche pro Patient im Jahr 2013 (oder aktuellste Datenlage).

Abbildung 13: Verhältnis von Allgemeinmedizinern zu Fachärzten im Jahr 2013 (oder aktuellste Datenlage)

Abbildung 14: Durchschnittliche Lebenserwartung der Bürger im Jahr 2013 (oder aktuellste Datenlage)

Abbildung 15: Jährliche Gesundheitsausgaben pro Kopf im öffentlichen und privaten Versicherungsbereich im Jahr 2013 (oder aktuellste Datenlage)

Abbildung 16: Entwicklung der Anzahl von Krankenhausbetten pro 1000 Einwohner im Jahr 2000 und 2013 (oder aktuellste Datenlage)

Abbildung 17: Entwicklung der durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von Patienten in stationärer Behandlung in Tagen.

Abbildung 18: Anzahl der Hüft- und Kniegelenksersatzoperationen im Jahr 2013 (oder aktuellste Datenlage)...

Abbildung 19: Darstellung der Ärzteeinkommen in den USA und Deutschland im Jahr 2011 in Euro

1. Einleitung

Die Verhandlungen bezüglich des Transatlantischen Freihandelsabkommens TTIP sollen nach Aussage des europäischen Verhandlungsführers Ignacio Garcia-Bercero bis zum Ende des Jahres 2016 abgeschlossen sein (vgl. Wegner 2016).

Nach Einschätzung von Katharina Reuter könnte die mit TTIP einhergehende Deregulierung der Märkte zu einer Kostensteigerung in der Gesundheitsbranche führen. Des Weiteren befürchtet die „Geschäftsführerin des Bundesverbands der grünen Wirtschaft“ (Rücker et al. 2016) aufgrund der primär marktwirtschaftlichen Prägung des US-amerikanischen Gesundheitssystems eine Zunahme des Privatisierungs- und Kostendrucks innerhalb des deutschen Gesundheitssystems (vgl. Rücker et al. 2016).

Diese von Katharina Reuter prognostizierte Übertragung und Intensivierung neoliberaler Entwicklungen, deren Bedeutung und Inhalte im weiteren Verlauf dieser Arbeit analysiert werden, wurden bereits vor den TTIP-Verhandlungen in das deutsche Gesundheitssystem implementiert (Dohmen & Fiedler 2015, S. A 364 ff.).

Auch wenn die Verhandlungen bezüglich des Transatlantischen Freihandelsabkommens TTIP nicht beendet sind wurde bereits ein Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada verabschiedet. Am 30. Oktober 2016 wurde der Vertrag des Comprehensive Economic and Trade Agreement CETA in Brüssel durch beide Parteien ratifiziert. Dieser Vertragsschluss ermöglicht es US-amerikanischen Unternehmen mit Tochterunternehmen im kanadischen Staatsgebiet den Freihandel nach CETA-Richtlinien zu beeinflussen. Für das Inkrafttreten des beschlossenen Vertrages stehen jedoch noch die Zustimmungen der nationalen Parlamente aus (vgl. Stolper 2016; vgl. Romann 2016).

Die politischen Führungskräfte der USA und Deutschland befürworten weiterhin parallel das Freihandelsabkommen TTIP und setzen sich für seine zeitnahe Ratifizierung ein (vgl. Fried 2016).

Auch bezogen auf Gesundheitsleistungen durch Gesundheitssysteme beziehungsweise den Wert des Gesundheitsbegriffs, vertreten Barack Obama und Angela Merkel eine klare Meinung. So äußert sich Bundeskanzlerin Angela Merkel im Zuge einer Rede während der Jahresversammlung der Weltgesundheitsorganisation WHO im Jahr 2015 folgendermaßen zum Thema Gesundheit (vgl. phoenix 2015):

„Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Abgeordnete, Frau Generaldirektorin, Exzellenzen, meine Damen und Herren. Es gibt eine alte Weisheit aus vorchristlicher Zeit, die sagt: Bevor du redest, unterrichte dich, bevor du krank wirst, sorge für Gesundheit. Manch mahnende Worte haben auch über Jahrtausende hinweg bestand. Es gibt ein Menschenrecht auf Gesundheit und wir alle arbeiten daran, auch in diesem September als eines der nachhaltigen Entwicklungsziele das Recht auf Gesundheit noch einmal neu in der UN zu verankern und deshalb hat die deutsche G7 Präsidentschaft auch einen Schwerpunkt auf das Thema Gesundheit gelegt und wir werden das im Laufe unserer Präsidentschaft auch weiter bearbeiten. Warum? Einmal, weil das Menschenrecht auf Gesundheit nur durchgesetzt werden kann, wenn in allen Ländern der Erde ein nachhaltiges Gesundheitssystem besteht oder entsteht. Und zweitens, weil wir spüren, dass das globale Zusammenwachsen uns alle abhängig macht davon, dass die Gesundheit des Einen auch die Gesundheit des anderen ist […]“ (phoenix 2015).

Auch Präsident Barack Obama bezeichnet im Rahmen der zweiten Präsidentschaftsdebatte in Nashville im Jahr 2008, ähnlich wie Bundeskanzlerin Angela Merkel, Gesundheitsfürsorge als ein Recht, das jedem Amerikaner zustehe (vgl. C-SPAN 2008).

Von Seiten der im Gesundheitssystem tätigen Akteure wird der Wert sowie die Entwicklung des Gesundheitsbegriffs innerhalb dieses durch politische Interessen beeinflussten Systems unterschiedlich wahrgenommen und interpretiert (vgl. Burfeindt & Hoogestraat 2013).

Der Wissenschaftsjournalist Dr. Werner Bartens äußert sich folgendermaßen zu dieser Thematik: „Ich kriege haufenweise Einladungen zu Kongressen für Gesundheitsmarketing wo offensiv […] dafür geworben wird, wie bekommen sie neue Patienten, wie werben sie neue Kunden, neue Klientel ein. Also […] Wirtschaftssprache. Patienten sind das schon lange nichtmehr. Das sind Kunden und Klientel und der Arzt wird zum Verkäufer […]. Ein Kollege hat immer gesagt, das ist wie Crack. Das macht süchtig. Da muss man gar kein schlechter Mensch sein. Wenn ich weiß, ich kriege einen Haufen Geld mehr dafür, dass ich etwas häufiger mache, dann muss ich das gar nicht böswillig machen. Wenn […] ich in diesem Bereich bin, ich brauche beispielsweise 70 Untersuchungen, dann kriege ich 30.000 Euro Bonus und dann bin ich so bei 60 […]. Dann laufen paar übern Gang von denen ich denke naja könnte, muss man aber nicht, aber könnte auch nicht schaden, dann fällt die Entscheidung im Zweifel natürlich dafür aus, das zu machen“ (Burfeindt & Hoogestraat 2013).

Der Kinderarzt Dr. Reinhard Kennermann meint: „Man kann sich schon vorstellen, dass Privatpatienten das auch spüren, dass der Arzt bei ihnen zeitlich nicht begrenzt ist und dass die Zuwendung daher eher möglich ist. Möglicherweise sind auch deshalb Abgeordnete und Politiker gerne privatversichert. Natürlich versucht man das bei Kassenpatienten genauso, allerdings ist es nicht immer so möglich. […] Man kann das wirklich nur auf einige wenige, besonders kranke Patienten beschränken. […] Das ist ein Unterschied, das ist Zwei-Klassen- oder Mehr-Klassen-Medizin“ (Burfeindt & Hoogestraat 2013).

Der Orthopäde Dr. Christian Merettig bewertet die Lage wie folgt: „Vernünftige Medizin ist nur dann machbar, wenn man Zeit hat und sich dem Patienten widmen kann und das ist auch eine Frage der Honorierung und das sollte angemessen und ausreichend sein und das kann nur die Privatversicherung bieten, alles andere ist nicht möglich. […] Die [ZweiKlassen-Medizin] […] ist aber nicht von den Ärzten erfunden worden, die ist erfunden worden von der Poltitik […]“ (Burfeindt & Hoogestraat 2013).

Dr. Eckart von Hirschhausen,ein Kabarettist mit abgeschlossenem Medizinstudium (vgl. Burfeindt & Hoogestraat 2013), hat Vertrauen in „die Solidarität im Gesundheitswesen“ (Burfeindt & Hoogestraat 2013) und meint: „es ist ärgerlich, wenn Kassenpatienten länger auf Termine warten müssen, aber sehen sie es mal so, es gibt den schönen Satz: Medizin ist die Kunst, Patienten die Zeit zu vertreiben, die der Körper braucht um sich selbst zu helfen“ (Burfeindt & Hoogestraat 2013).

Nach Auffassung des Allgemeinmediziners Prof. Gerhard Trabert besteht innerhalb des Gesundheitssystems eine zunehmende Ungleichheit, was den individuellen Behandlungsaufwand betrifft (vgl. Burfeindt & Hoogestraat 2013). „[…] Armut führt dazu, dass die Menschen kränker sind, dass sie später behandelt werden und dass sie früher sterben“ (Burfeindt & Hoogestraat 2013).

Anhand dieser Aussagen lässt sich erkennen, dass der neoliberale Einfluss auf das Gesundheitssystem durch Politiker und Mediziner unterschiedlich wahrgenommen und bewertet wird.

Im weiteren Verlauf dieser Arbeit soll der Begriff des Neoliberalismus mit dem sich daraus ergebenden Einfluss von wirtschaftlichen Interessen im Gesundheitssystem definiert und untersucht werden.

Diese Untersuchung bezieht sich somit auf den Kernbereich des Gesundheitswesens, also den öffentlichen und privaten Versicherungsbereich sowie die ambulante und stationäre Versorgung. Auf die Gesundheitswirtschaft als Produzent von auf das Gesundheitssystem abgestimmten Produkten wird in dieser Analyse nicht näher eingegangen (vgl. Bundesministerium für Gesundheit 2016).

Des Weiteren wird die Funktionsweise der Gesundheitssysteme der Vereinigten Staaten von Amerika und Deutschland dargelegt und bewertet.

Das Ziel dieser Arbeit ist es, zu eruieren, wie der Neoliberalismus die Gesundheitssysteme beider Länder beeinflusst und welche Konsequenzen sich daraus ergeben.

Konsequenzen werden in dieser Arbeit als Auswirkungen und Folgen eines vorangegangenen Ereignisses (der Implementierung des Neoliberalismus in das Gesundheitssystem) interpretiert (vgl. Carstens 2016).

Hierfür sollen die für die zu bearbeitende Thematik relevanten Entwicklungen in den USA und Deutschland analysiert und miteinander verglichen werden.

2. Methodik

Für die Erstellung dieser Arbeit wurde eine Analyse verschiedener Bücher durchgeführt, deren Inhalte durch Dokumentationen und Internetquellen ergänzt wurden. In der verwendeten Literatur sollten folgende Teilaspekte der zu bearbeitenden Thematik behandelt werden:

- Neoliberalismus
- Ökonomie im Gesundheitswesen
- Aufbau und Funktionsweise des Gesundheitssystems in Deutschland
- Aufbau und Funktionsweise des Gesundheitssystems in den USA
- Statistische Daten zur Analyse von neoliberalen Entwicklungen im Gesundheitssystem

Dementsprechend wurde die Kategorie „Bücher“ des Onlineversandhändlers Amazon.com, Inc. und die retrodigitalisierte Büchersammlung Google Books nach geeigneter Literatur durchsucht. Dabei wurden folgende Stichwortverknüpfungen und Suchbegriffe verwendet: „Gesundheitssystem AND Deutschland“, „Gesundheitssystem AND Funktionsweise“, „Chile AND Neoliberalism“, „Governance AND Strategies AND Markets“, „Health AND Policy“, „Gesundheitswesen AND Gesundheitswirtschaft“, „U.S. AND Health Care System“, „Gesundheitsmarkt“, „Diagnosis Related Groups“, „History AND Healthcare AND America“, „Neoliberalismus“, „Medizin AND Ökonomie AND Gesundheit“ und „OECD AND Health“. (vgl. Google Books 2016; vgl. amazon 2016)

Die zur Analyse ausgewählte Primärliteratur sollte nicht vor dem Jahr 2008 veröffentlicht oder neu überarbeitet worden sein.

Zur Erschließung der verschiedenen Teilaspekte der zu bearbeitenden Thematik wurden insgesamt 15 Bücher ausgewählt.

Auf Basis dieser Kriterien wurde zur Erschließung der zu bearbeitenden Thematik wie folgt vorgegangen:

1. Hinführung an die zu bearbeitende Thematik

In der Einleitung sollte aufgezeigt werden, inwieweit globale Ereignisse aktuell durch eine neoliberale Logik beeinflusst werden und dass es sich bei dem Begriff des Neoliberalismus nicht um eine fiktive Theorie handelt. Es sollte durch die Darlegung von belegbaren Fakten eine neutrale Basis für die Bearbeitung der Forschungsfrage unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten geschaffen werden. Des Weiteren sollten die Unterschiede in der Wahrnehmung des Gesundheitsbegriffs durch verschiedene Institutionen dargelegt werden.

Hierzu wurde die von Nicola Burfeindt und Ralf Hoogestraat im Jahr 2013 produzierte Dokumentation „Der Deutschland-Test: Wie gut ist unser Gesundheitssystem?“ analysiert. Des Weiteren wurden Reden von Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel im Zusammenhang mit Internetartikeln über die Freihandelsabkommen TTIP und CETA hinsichtlich des Gesundheitsbegriffs interpretiert.

2. Begriffsdefinition Gesundheitssystem

Hierbei sollte bewusst der Begriff Gesundheitssystem von dem Begriff Gesundheitswirtschaft abgegrenzt werden, da in der Gesundheitswirtschaft von einem ökonomischen Leitbild ausgegangen werden kann. Somit stellt die Beeinflussung durch den Neoliberalismus in diesem Bereich des Gesundheitswesens keinen ethischen und moralischen Konflikt dar, wie es im Gesundheitssystem der Fall ist.

Zur Generierung dieser Informationen wurde das von Andreas J. W. Goldschmidt und Josef Hilbert verfasste Werk „Von der Last zur Chance: Der Paradigmenwechsel vom Gesundheitswesen zur Gesundheitswirtschaft“ analysiert.

3. Entstehung und Definition des Neoliberalismus

In diesem Abschnitt sollte der Begriff des Neoliberalismus definiert werden, um die Beeinflussung des Gesundheitssystems durch eben diesen nachvollziehen zu können. Darüber hinaus sollte durch eine Begriffsdefinition nach wissenschaftlichen Kriterien die politische Neutralität dieser Arbeit gewährleistet werden. Es wurden die Entstehung und die Grundprinzipien der neoliberalen Ideologie erläutert. Des Weiteren wurde auf die Entstehung des euroatlantischen Neoliberalismus eingegangen.

Hierzu wurden die Werke „Die schleichende Revolution - Wie der Neoliberalismus die Demokratie zerstört“ von Wendy Brown sowie „Race and the Chilean Miracle: Neoliberalism, Democracy, and Indigenous Rights“ von Patricia Richards bearbeitet. Die daraus generierten Informationen wurden durch die Dokumentation „Das 1 x 1 der Wirtschaft: Freiheit für den Markt: Neoliberalismus: Folge 8“ von Michael Freund und eine Internetquelle ergänzt.

4. Analyse des US-amerikanischen und deutschen Gesundheitssystems

Hierbei sollte zunächst eine Zusammenfassung historischer Ereignisse erfolgen, um das Leitbild des jeweiligen Gesundheitssystems erkennen zu können. Darauf aufbauend wurde die grundlegende Funktionsweise und der Aufbau des Versicherungssystems des jeweiligen Gesundheitssystems aufgezeigt.

Hierzu wurden die Werke „The History and Evolution of Healthcare in America: The Untold Backstory of Where We've Been, Where We Are, and Why Healthcare Needs Reform“ von Thomas W. Loker; „Jonas' Introduction to the U.S. Health Care System“ von Raymond L. Goldsteen, Karen Goldsteen und Benjamin Z. Goldsteen; „Das deutsche Gesundheitssystem: unheilbar krank?: Wie das Gesundheitssystem funktioniert und wie es erneuert werden muss“ von Hannes Merten; „An Introduction to Health Policy: A Primer for Physicians and Medical Students“ von den Herausgebern Manish K. Sethi und William H. Frist; „Das deutsche Gesundheitssystem verstehen: Strukturen und Funktionen im Wandel“ von Uwe K. Preusker und „Das Gesundheitssystem in Deutschland: Eine Einführung in Struktur und Funktionsweise“ von Michael Simon analysiert. Ergänzt wurde diese Literatur durch diverse Internetquellen.

5. Analyse der Auswirkungen des Neoliberalismus auf das Gesundheitssystem

Zur Analyse der Auswirkungen des Neoliberalismus sollten die Basisinformationen über den Neoliberalismus und das US-amerikanische sowie deutsche Gesundheitssystem kombiniert werden. Hierzu wurden zuerst die grundlegenden Auswirkungen des Neoliberalismus auf das Gesundheitssystem thematisiert. Darauf aufbauend wurde das Diagnosis Related Groups-System behandelt, um strukturelle Veränderungen sowie die Verschiebung von Machtverhältnissen aufzuzeigen.

Zur Generierung dieser Informationen wurden die Werke „Fachkunde für Kaufleute im Gesundheitswesen“ von Anja Grethler; „Geschäftsmodell Gesundheit: Wie der Markt die Heilkunst abschafft“ von Giovanni Maio sowie „Strategies, Markets and Governance: Exploring Commercial and Regulatory Agendas“ von Ralf Boscheck, Christine Batruch,

Stewart Hamilton, Jean-Pierre Lehmann, Caryl Pfeiffer, Ulrich Steger und Michael Yaziji bearbeitet. Diese Literatur wurde durch darauf aufbauende Internetquellen und den Informationen aus bereits analysierter Literatur ergänzt.

6. Vergleich der neoliberalen Entwicklungen im US-amerikanischen und deutschen Gesundheitssystem

Um dem wissenschaftlichen Anspruch dieser Arbeit gerecht zu werden, wurden verschiedene Statistiken aus den beiden Gesundheitssystem auf neoliberale Einflüsse untersucht. Diese statistischen Daten wurden miteinander verglichen und hinsichtlich des Neoliberalismus interpretiert. Zum detaillierten Vergleich der verfügbaren Daten wurden unter Verwendung eines Taschenrechners bekannte Daten in ein mathematisches Verhältnis zueinander gesetzt.

Hierzu wurde das von der Organization for Economic Cooperation and Development veröffentlichte Buch „Health at a Glance 2015: OECD Indicators“ und „Still Broken: Understanding the U.S. Health Care System“ von Stephen M. Davidson bearbeitet und durch diverse Internetquellen und bereits verwendete Literatur ergänzt.

7. Diskussion der erschlossenen Thematik

Um die Thematik des Neoliberalismus im Zusammenhang mit den Gesundheitssystemen der USA und Deutschland kritisch zu bewerten, wurde der rechtliche Aspekt des neoliberalen Einflusses untersucht. Des Weiteren wurde eine Analyse der Effekte, beziehungsweise Effektstärke des Neoliberalismus im Gesundheitssystem, auf gesamtgesellschaftliche Entwicklungen durchgeführt. Es wurde darüber hinaus eine Zusammenfassung der bisherigen Erkenntnisse vorgenommen, um daraus weiterführende Überlegungen abzuleiten. Es wurde hierbei auch auf die Entwicklung des Gesundheitssystems im Hinblick auf den gesundheitswirtschaftlichen Einfluss eingegangen.

Hierzu wurden Informationen aus bereits analysierter Literatur untersucht. Des Weiteren wurden das Buch „Wirtschaftsethik in der Medizin: Wie viel Ökonomie ist gut für die Gesundheit? (Ethische Ökonomie)“ von den Herausgebern Matthias Kettner und Peter Koslowski, sowie diverse Internetquellen bearbeitet.

8. Zusammenfassung der Thematik und davon abgeleitete Zukunftsprognosen in Fazit und Ausblick

In diesem Abschnitt wurden die durch diese Abhandlung generierten Informationen zusammengefasst. Darüber hinaus wurde im Hinblick auf die aktuelle politische Lage eine Entwicklungsprognose des Neoliberalismus im Gesundheitswesen erstellt. Hierzu wurden die aus bereits analysierter Literatur gewonnenen Erkenntnisse durch diverse Internetquellen ergänzt.

Detaillierte Erläuterungen und Informationen zu themenspezifischen Begrifflichkeiten werden im weiteren Verlauf dieser Arbeit vorgenommen.

Die Angaben zu den einzelnen Werken, Dokumentationen und Internetquellen, werden im Kapitel „ 12. Literaturverzeichnis “ dieser Arbeit komplettiert.

3. Begriffsdefinition Gesundheitssystem

Der Begriff Gesundheitssystem umfasst die Gesamtheit aller Prozesse, Regelungen, Organisationen, Einrichtungen und Individuen, deren Verantwortungsbereich dem Erhalt sowie der Förderung von Gesundheit zuzuordnen ist. Dies impliziert die Behandlung von Verletzungen und Krankheiten sowie die Ergreifung präventiver Maßnahmen zur Verletzungs- und Krankheitsverhütung im ambulanten und stationären Bereich. Der Begriff Gesundheitssystem ist vom Begriff Gesundheitswesen abzugrenzen, da dieser auch die Gesundheitswirtschaft als Hersteller von Medizinprodukten und Arzneimitteln sowie die Wellness- und Fitnessbranche miteinschließt (vgl. Goldschmidt & Hilbert 2009, S. 20 ff.).

4. Neoliberalismus

Die in dieser Arbeit angestrebte Analyse des US-amerikanischen und deutschen Gesundheitssystems auf neoliberale Einflüsse und Entwicklungen bezieht sich auf den euroatlantischen Neoliberalismus. Deshalb wird in diesem Kapitel zunächst die Grundlage der neoliberalen Ideologie dargestellt. Darauf aufbauend wird die neoliberale Wirtschaftstheorie von Milton Friedman sowie die Entstehung des euroatlantischen Neoliberalismus erläutert.

4.1 Historischer Hintergrund und Grundlagen

Am 11. September 1973 kommt es in Chile zu einem Militärputsch des Generals Augusto Pinochet gegen den sozialistisch geprägten Präsidenten Salvador Allende. Allende hatte während seiner Amtszeit durch die Verabschiedung einer Agrarreform eine Verstaatlichung der chilenischen Bodenschatzvorkommen erwirkt. Auch die Kohle- und Textilindustrie wurde unter seiner politischen Führung verstaatlicht. Im Zuge dieses Verstaatlichungsprozesses wurden US-amerikanische Unternehmen mit Standorten in Chile enteignet. Diese Entwicklungen missfallen den betroffenen Konzernen. Der US- Geheimdienst CIA interveniert und unterstützt den Putsch von General Augusto Pinochet mit finanziellen Mitteln. Nach dessen Machtergreifung setzt das regierende Militärregime die Abschaffung der sozialistischen Wirtschaftspolitik in Chile durch. Privatisierungsprozesse in der Fischfang-, Kohle-, Textil-, Holz- und Kupferindustrie ersetzen in Kombination mit einer Deregulierung der Märkte das sozialistische Wirtschafsmodell von Salvador Allende. Die Grundlage für die Etablierung dieses neuen Wirtschaftssystems wird durch eine Gruppe von chilenischen Wirtschaftsökonomen, den Chicago Boys, vorbereitet. Die Chicago Boys sind eine Gruppe ehemaliger Absolventen der University of Chicago. Sie orientieren sich an den Lehren des US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlers Milton Friedman und des österreichischen Sozialphilosophen Friedrich August von Hayek. Das Land Chile stellt für die Chicago Boys nach der Machtübernahme durch Augusto Pinochet einen Versuchsstaat dar, in dessen Grenzen die Auswirkungen der Ideologie des sogenannten Neoliberalismus erstmals erforscht werden sollen. Aus der Implementierung des Neoliberalismus in das chilenische Wirtschaftssystem ergibt sich eine Kapitalumverteilung von der unteren Gesellschaftsschicht in die obere Gesellschaftsschicht (vgl. Richards 2013, S.70-133).

Der Neoliberalismus kann grundsätzlich als Ideologie verstanden werden, die alle Lebensbereiche dem Diktat ökonomischer Leitlinien unterstellt (vgl. Brown 2015, S. 15). Der Einflussbereich des Neoliberalismus geht über den eines konventionellen wirtschaftspolitischen Verfahrens hinaus. Er wirkt auf alle Institutionen, Subjekte, Praktiken und Prinzipien innerhalb einer Gesellschaft (vgl. Brown 2015, S. 7). Der neoliberale Einfluss führt somit in nicht ökonomisch geprägten Systemen zu einer Umgestaltung von systemeigen Inhalten und Verhaltensweisen. Dabei werden diese Eigenschaften nicht zwangsweise „ vermarktlicht “, sondern es wird vielmehr die Logik eines Marktmodells auf diese Systeme übertragen (vgl. Brown 2015, S. 32).

Im Zuge dieses Prozesses wird das in dem jeweiligen Bereich vorherrschende Vokabular schrittweise durch ein ökonomisches Vokabular ergänzt beziehungsweise ersetzt (vgl. Brown 2015, S. 37).

Die Handlungen eines Menschen sowie auch der Mensch selbst werden nach ökonomischen Kriterien bewertet. Innerhalb dieses Systems von Normen und Werten wird das Individuum als Homo oeconomicus betrachtet. So entwickelt sich das Individuum zu Humankapital, dessen Aufgabe darin besteht, seine Wettbewerbsfähigkeit innerhalb dieses Systems zu optimieren (vgl. Brown 2015, S. 8).

Der Homo oeconomicus nimmt die Klassifizierung als Humankapital an und verinnerlicht die neoliberale Weltanschauung. Er ist somit aus intrinsischer Motivation heraus bestrebt, seinen Portfoliowert durch permanente Selbstoptimierung in den verschiedenen Lebensbereichen zu steigern (vgl. Brown 2015, S. 35 f.).

Homines oeconomici haben untereinander nicht Gleichheit, sondern Ungleichheit zum Ziel. Dadurch werden Moral und Verantwortungsbewusstsein verändert. Humanistische Ideale, also die Achtung der individuellen Menschenwürde, verlieren an Bedeutung (vgl. Brown 2015, S. 41; vgl. Brown 2015, S. 46).

Die jeweilige Form und Ausprägung des Neoliberalismus unterscheidet sich in den verschiedenen Ländern (vgl. Brown 2015, S. 19).

4.2 Milton Friedmans Wirtschaftstheorie und die Entstehung des euroatlantischen Neoliberalismus

Der Neoliberalismus basiert wie bereits erwähnt auf einer von dem US-Amerikaner Milton Friedman zwischen 1930 und 1970 entwickelten Wirtschaftstheorie. Diese Theorie beinhaltet drei Grundannahmen (vgl. Freund 2008).

1. Der Staat ist nicht effizient, weshalb eine Privatisierung aller Lebensbereiche angestrebt wird (vgl. Freund 2008).
2. Staatliche Einschränkungen und Regeln behindern die Eigen- und Marktinitiative, weshalb staatliche Eingriffe unterbunden werden müssen. Nur der freie Markt kann ein optimales Ergebnis erzielen (vgl. Freund 2008).
3. Eine globale Freihandelszone ermöglicht freien Kapitalverkehr. Das Kapital muss von den Kapital- und Finanzmärkten immer dorthin verlagert werden, wo es die beste Verwendung hat. Der optimale Einsatz des Kapitals führt zu maximalem Wachstum und das maximale Wachstum führt zu einem sozialen Optimum (vgl. Freund 2008).

Somit steigt der Wohlstand einer Gesellschaft, je mehr Eigentum in privater Hand liegt. Besitzunterschiede stehen hierbei für gesunde Konkurrenz sowie die unterschiedlichen Fähigkeiten der Individuen und müssen akzeptiert werden (vgl. Freund 2008). Friedmans Auffassung zufolge stören staatliche Interventionen nicht, wenn sie ökonomischen Interessen entsprechen. Sie stören dort, wo es um soziale Grundrechte, Grundsicherung, Alterssicherung und Gesundheit geht (vgl. Freund 2008). Umverteilung und Vollbeschäftigung werden in Friedmans Wirtschaftstheorie als überflüssig und störend eingestuft. Unterstützende Maßnahmen für sozial schwächere Individuen versteht Friedman als Benachteiligung derer, die von diesen Maßnahmen nicht profitieren. Die Wirtschaft hat somit keine soziale Verantwortung (vgl. Freund 2008). Diese den Neoliberalismus bestimmenden Parameter wurden nach dem Wirtschaftsexperiment in Chile im Verlauf der 1970er weiterentwickelt und für eine Implementierung in das US-amerikanische- und europäische Wirtschaftssystem modifiziert. In den 1980ern wurde die neoliberale Ideologie von der britischen Premierministerin Margaret Thatcher und dem US-amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan adaptiert und somit erstmals politisch im euroatlantischen Raum umgesetzt. Die neoliberale Logik verbreitet sich im Zuge dessen auch in Deutschland (vgl. Brown 2015, S. 19; vgl. Ettel & Zschäpitz 2016; vgl. Richards 2013, S.70-133).

5. Das US-amerikanische Gesundheitssystem

Das Gesundheitssystem der USA in seiner gegenwärtigen Form ist das Produkt eines komplexen Entwicklungsprozesses. Dieser Prozess beginnt in den frühen Jahren des 20ten Jahrhunderts und dauert bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt an (vgl. Wishau 2012). Um das US-amerikanische Gesundheitssystem hinsichtlich neoliberaler Einflüsse und Entwicklungen untersuchen zu können, soll im folgenden Kapitel ein grundlegendes Verständnis des Zusammenhangs von Geschichte, Leitbild, Versicherungssystem und der sich daraus ergebenden Funktionsweise geschaffen werden.

Aufgrund dessen wird bei der Analyse des historischen Hintergrundes lediglich auf für die zu bearbeitende Thematik relevante Ereignisse eingegangen.

5.1 Historischer Hintergrund und Leitbild

- Von 1910 bis 1930

Im Jahr 1910 gehört mit 70000 Mitgliedern die Hälfte aller Ärzte in den USA der 1847 gegründeten American Medical Association an. Damit wird die AMA zur größten Standesvertretung für Ärzte und Mediziner in den USA. Im Jahr 1905 wird die American Association for Labor Legislation gegründet, eine zunächst aus Ökonomen bestehende Interessengemeinschaft, die es sich ab dem Jahr 1912 zur Aufgabe macht, die Etablierung eines nationalen Krankenversicherungssystem zu fördern. Beeinflusst durch die von Bismark in Deutschland etablierte gesetzliche Krankenversicherung und die Verabschiedung des British National Insurance Act, veröffentlicht die American Association for Labor Legislation im Jahr 1915 einen Antrag für ein obligatorisches Krankenversicherungssystem auf nationaler Ebene. Die Idee des Versicherungsmodells basierte auf einer Versicherungspflicht bis zu einer bestimmten Einkommensgrenze. Die entstehenden Kosten sollten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern aufgeteilt werden. Die Bemühungen zur Etablierung eines Systems nach deutsch-britischem Vorbild scheitern aufgrund von Meinungsverschiedenheiten mit der American Medical Association, die im Zuge dessen von einer Unterstützung des Vorhabens absieht. Auch der Beginn des ersten Weltkrieges und die damit einhergehende veränderte Wahrnehmung Deutschlands durch die Vereinigten Staaten von Amerika wirken sich negativ auf das Vorhaben zur Etablierung eines nationalen Krankenversicherungssystems aus. Nach dem ersten Weltkrieg verabschiedet der US-amerikanische Kongress den Entwurf für ein Krankenversicherungssystem, auf dessen Grundlage das spätere Modell der Veterans Health Administration beruht. Im Jahr 1919 fordert die American Medical Association, dass das System der Sach- und Finanzleistung innerhalb der Arzt-Patienten- Beziehung als geschlossen und unantastbar anzusehen ist. Im Verlauf der großen Depression als Folge der Weltwirtschaftskrise, deren Beginn durch den 24. Oktober des Jahres 1929 markiert wird, findet in den USA aufgrund zunehmender Armut innerhalb der Bevölkerung ein Umdenken bezüglich der Etablierung eines Krankenversicherungssystems statt. Ein Großteil der Bevölkerung ist im Krankheitsfall nichtmehr in der Lage hohe Geldsummen für die Behandlung durch einen Arzt aufzuwenden. Deshalb sollen fortan Beiträge in Krankenversicherungen entrichtet werden um eine Inanspruchnahme von umfangreichen Gesundheitsleistungen ohne die Entrichtung hoher Geldsummen zu ermöglichen. Im Zuge dieses Wandlungsprozesses innerhalb der US-amerikanischen Bevölkerung wird 1929 die zunächst nur für Lehrer gedachte Krankenversicherung Blue Cross gegründet (vgl. Loker 2012, S. 59-108).

- Von 1935 bis 1940

Im Jahr 1935 wird unter Präsident Franklin D. Roosevelt mit dem Social Security Act ein Rentenversicherungssystem in den USA etabliert, das in den 1960ern zu einer grundlegenden Veränderung im US-amerikanischen Gesundheitssystem beiträgt. Im Jahr 1939 wird Blue Shield gegründet, eine Krankenversicherung, bei der die Kostenübernahme von Gesundheitsleistungen durch die Zahlung monatlicher Beiträge gewährleistet wird. Sowohl Blue Cross als auch Blue Shield agieren als private Krankenversicherungen, deren Mitgliedschaft optional ist. Sie sind Teil der freien Marktwirtschaft. Zur Zeit des zweiten Weltkriegs wird die Preisbestimmung und Lohnvergütung der Kontrolle eines staatlichen Monopols unterstellt.

Arbeitergewerkschaften nutzten diese Entwicklung, um nach Ende des zweiten Weltkrieges die Etablierung eines Krankenversicherungssystems zu erwirken, bei dem der Arbeitgeber im Krankheitsfall für die Gesundheitsleistungen seiner Angestellten aufkommt. Den Arbeitgebern werden hierfür von staatlicher Seite Subventionen und Fördermittel gewährt (vgl. Loker 2012, S. 109-144).

- Von 1950 bis 2010

Während der 1950er versucht Präsident Harry S. Truman, ein einheitliches Krankenversicherungssystem zu etablieren. Dieses Vorhaben scheitert jedoch aufgrund eines Vetos der konservativen Koalition. Des Weiteren bewertet die American Medical Association in den 1950ern die Bestrebungen der Gründung eines staatlichen Krankenversicherungssystems auf nationaler Ebene als ein durch den Sozialismus beeinflusstes Vorhaben. Diese Einschätzung findet zu Beginn des Kalten Krieges viele Befürworter in der Bevölkerung. Bestrebungen zur Etablierung eines nationalen Krankenversicherungssystems werden als für die freie Marktwirtschaft schädliches Gedankengut diffamiert. In den 1960ern kommt es zu einer grundlegenden Veränderung im Gesundheitssystem der USA. Der US-Präsident Lyndon Baines Johnson verabschiedet im Rahmen einer Erweiterung des Social Security Act von 1935 im Jahr 1965 die Gründung zweier staatlich geförderter Krankenversicherungssysteme. Medicare und Medicaid. Bei Medicare handelt es sich um ein nationales Programm, das US- Bürgern über 65 Jahren, die Rentenbezüge erhalten, eine Versicherung im Krankheitsfall gewährleistet. Das Medicare-Programm ist beitrags- und steuerfinanziert. Bei Medicaid handelt es sich um einen Regierungsplan, der sich an bundesstaatlichen Richtlinien orientiert und den Bürgern unterhalb der Armutsgrenze, die durch kein anderes Versicherungssystem geschützt sind, Versicherungsschutz im Krankheitsfall gewährleistet. Das Medicaid-Programm wird durch Steuereinnahmen finanziert. Die Armutsgrenze wird von den verschiedenen Staaten unterschiedlich definiert. In den späten 1960er Jahren gehen viele Krankenversicherungen dazu über, die Rechte der Versicherten dahingehend zu beschneiden, dass diesen eine freie Arztwahl verwehrt bleibt. Die Versicherten werden durch die Krankenversicherung sogenannten primary- care-physicians zugeteilt. Diese Vertragsärzte sind für die Grundversorgung der jeweiligen Versicherten zuständig und fungieren zusätzlich als gatekeeper, deren Entscheidung es obliegt, die Versicherten in ein Krankenhaus oder zu einem Spezialisten zu überweisen. Des Weiteren nehmen die Krankenversicherungen in den 1960ern dahingehend Einfluss auf die Behandlung der Versicherten, dass sie den Ärzten die jeweilige Behandlungswahl der Versicherten vorgeben und diese somit nichtmehr in den Ermessensspielraum der behandelnden Ärzte fällt. Durch die Verabschiedung des Health Maintenance Organization Act unter der Präsidentschaft von Richard Nixon im Jahr 1973 werden Krankenversicherungen als sogenannte „ Health Maintenance Organizations “ bezeichnet. Diesen „ Health Maintenance Organizations “ werden rechtliche und finanzielle Unterstützungen durch den Staat zuteil. Diese Unterstützungen sind notwendig, da die Kosten für das Gesundheitssystem in den 1970ern stark ansteigen. Dieser Kostenanstieg ist auf eine Wirtschaftsinflation, unerwartet hohe Ausgaben für das Medicare -System und den zunehmenden Gebrauch von neuen Technologien, wie der Magnetresonanztomographie, in der Patientenbehandlung zurückzuführen. Richard Nixons Pläne zur Etablierung eines Krankenversicherungssystems auf nationaler Ebene werden im Zuge dessen von gewerkschaftlichen Vereinigungen als zu hoher Kostenfaktor erachtet und dahingehend nicht umgesetzt (vgl. Loker 2012, S. 145-200). Zwischen 1970 und 1980 ist ein zunehmender Einfluss von privaten Gesellschaftern auf das Gesundheitssystem erkennbar. Aus diesem Einfluss resultiert die Entstehung von Krankenhausketten, deren Struktur auf einem Franchise-System basiert. Im Jahr 1983 wird in in den USA das Diagnosis Related Groups -System eingeführt. Die Systemstruktur basiert auf einem 1967 von R. B. Fetter und J. D. Thompson entwickelten Vergütungssystem zur Patientenklassifikation. Durch die Implementierung dieses Systems sollen die durch das Medicare Programm entstehenden Kosten erfasst werden. In den 1990ern verhindern weiterhin steigende Kosten im Gesundheitssystem, sowie Uneinigkeiten innerhalb der Demokratischen Partei unter Präsident Bill Clinton bezüglich der Realisierung eines Modells zur Schaffung einer nationalen Krankenversicherung, zum Stagnieren dieser Thematik. Die steigenden Kosten im Gesundheitssystem halten auch mit dem Beginn der 2000er an. Medicare wird als untragbares Versicherungssystem erachtet und der demographische Wandel lässt innerhalb der Bevölkerung Zweifel an dem arbeitgeberbasierten Krankenversicherungssystem aufkommen (vgl. Loker 2012, S. 201-329).

- Von 2010 bis Gegenwart

Im Zuge einer Gesundheitsreform wird am ersten Oktober 2013 der Patient Protection and Affordable Care Act (umgangssprachlich „ Obamacare “ ) verabschiedet, dessen Regularien bis zum Anfang des Jahres 2014 vollständig in Kraft treten. Dieses Bundesgesetz soll allen bisherig nicht durch eines der verschiedenen Krankenversicherungssysteme geschützten U.S.-amerikanern Versicherungsschutz im Krankheitsfall gewährleisten. Das Krankenversicherungsmodell basiert auf einer Erweiterung des Medicaid Programms, sowie zusätzlicher Subventionen und Fördermittel für die Arbeitgeber. Durch die Konfiguration des Medicaid Systems sollen alle legal in den USA lebenden Staatsbürger mit einem Familieneinkommen von weniger als 133 Prozent der Bundesarmutsgrenze Versicherungsschutz im Krankheitsfall erhalten (vgl. Hayden 2013; vgl. King 2013).

Die Funktionsweise des auf Prozentangaben basierenden Federal Poverty Guideline- Systems wird im Abschnitt „ 5.2. Versicherungssystem und Funktionsweise “ genauer erläutert.

Durch die Ratifizierung des Patient Protection and Affordable Care Act ergeben sich Änderungen im Gesundheitssystem der Vereinigten Staaten von Amerika, deren Umfang im folgenden Absatz erläutert wird.

Es ist Krankenversicherungen seit Inkrafttreten des Patient Protection and Affordable Care Act verboten, das Mitgliedschaftsersuchen von US-Amerikanern aufgrund bestehender Vorerkrankungen zu verweigern. Krankenversicherungen ist es darüber hinaus nicht erlaubt, bei Versicherungsmitgliedern aufgrund bestehender Vorerkrankungen, erhöhte Beitragszahlungen einzufordern. Des Weiteren müssen die Versicherungspolicen von Krankenversicherungsunternehmen einem vorgeschriebenen Mindestleistungsumfang entsprechen. Bei familienumfassenden Krankenversicherungspolicen erhöht sich die steuerliche Absetzbarkeit. Bis zum Erreichen des 26. Lebensjahres ist es US-Amerikanern erlaubt, im Familienversicherungsmodell der Erziehungsberechtigten mitversichert zu sein. Die Beitragszahlungen älterer Versicherungsmitgliedern einer Krankenversicherung dürfen maximal dem dreifachen Beitragsumfang der jüngeren Versicherungsmitglieder der gleichen Krankenversicherung entsprechen. Bei den durch die Versicherungen angebotenen Policen müssen seit dem Inkrafttreten des Patient Protection and Affordable Care Act die durch Vorsorgeuntersuchungen entstehenden Kosten von der Versicherung übernommen werden, ohne dabei Zusatzzahlungen von den Versicherten einzufordern. Des Weiteren sind die Versicherungsunternehmen durch die Ratifizierung des Patient Protection and Affordable Care Act zu mehr Transparenz verpflichtet. Die Unternehmensbilanzen müssen im Zuge dessen im World Wide Web, inklusive der Verwaltungskosten, für die Öffentlichkeit einsehbar sein. Kleinen Versicherungsunternehmen ist es durch die Versicherungen der Unternehmenseigenen Arbeitnehmer möglich, Steuerermäßigungen zu erwirken. Von einkommenssteuerpflichtigen Personen die keinen Versicherungsschutz im Krankheitsfall vorweisen können wird seit dem Inkrafttreten des Patient Protection and Affordable Care Act eine Strafzahlung in Höhe von zwei Prozent des Einkommens erhoben. Unternehmen deren Arbeiterschaft mehr als 49 in Vollbeschäftigung angestellte Personen umfasst diesen aber keinen angemessenen Versicherungsschutz im Krankheitsfall zur Verfügung stellen müssen pro Angestellten eine Strafzahlung entrichten. Kleinunternehmen die nicht durch das Self-Funded-Health-Care-Programm berücksichtigt werden, können seit dem Inkrafttreten des Patient Protection and Affordable Care Act auf bundesstaatlicher Ebene Krankenversicherungsbörsen einrichten, die es diesen Unternehmen ermöglichen Gruppenversicherungen bei privaten Krankenkassen abzuschließen. Des Weiteren haben US-amerikaner bei denen die an ihre Krankenversicherung zu entrichtenden Beitragszahlungen eine Grenze von 9,5 Prozent des Gesamteinkommens überschreiten seit Inkrafttreten des Patient Protection and Affordable Care Act die Möglichkeit bei staatlichen Behörden diesbezüglich entwickelte Versicherungsprogramme in Anspruch zu nehmen (vgl. Goldsteen et al. 2016, S. 224 ff.).

Bis zum Jahr 2018 sind von Präsident Barack Obama im Zuge des Patient Protection and Affordable Care Act weitere Änderungen im Gesundheitssystem geplant (vgl. Department of Health and Human Services 2016 b).

- Leitbild

Bis zum Wirksamwerden des 2010 verabschiedeten Patient Protection and Affordable Care Act im Jahr 2014 war somit keine generelle Versicherungspflicht der US- amerikanischen Bevölkerung im Krankheitsfall vorgesehen. Der Versicherungsschutz im Krankheitsfall wurde bis zu diesem Zeitpunkt als Privatangelegenheit eines jeden Bürgers erachtet.

Grundsätzlich lässt sich somit im Falle des US-amerikanischen Gesundheitssystems das Leitbild einer freien Marktwirtschaft erkennen. Gesundheitsleistungen sind primär

Dienstleistungen, deren Inanspruchnahme eine finanzielle Vergütung des Dienstleisters erfordert. Die Gesundheitsfürsorge ist nicht primär Aufgabe des Staates sondern ist dem Zuständigkeitsbereich des Individuums selbst zugeordnet. Staatliche Gesundheitsleistungen werden nicht aus humanistischen Beweggründen gewährt, sondern sind auf gesellschaftlichen Druck oder abnehmende Produktivität in der Wirtschaft zurückzuführen.

5.2 Versicherungssystem und Funktionsweise

Das Krankenversicherungssystem der Vereinigten Staaten von Amerika basiert auf einem dualen Konzept von privaten und öffentlichen Versicherungsmodellen. Die öffentlichen Versicherungsmodelle unterliegen entweder staatlicher oder bundesstaatlicher Kontrolle (vgl. Goldsteen et al. 2016, S. 100-110; vgl. Goldsteen et al. 2016, S. 119-126).

- Arbeitgeberbasiertes Krankenversicherungsmodell

Die meisten US-Amerikaner sind auf privater Grundlage durch ihren Arbeitgeber krankenversichert. Die Gewährung eines solchen Versicherungsschutzes seitens des Arbeitgebers, der für die Versicherung seiner Arbeitnehmer staatliche Fördermittel erhält, ist keine Pflicht. Arbeitnehmer haben somit keinen generellen Anspruch auf eine durch den Arbeitgeber bereitgestellte Krankenversicherung. Ausnahmen bilden tarifvertragliche Vereinbarungen. Der Leistungsumfang des Versicherungsschutzes wird durch den jeweiligen Arbeitgeber festgelegt. Die Arbeitgeber übernehmen bei diesem Modell circa 85 Prozent der Beitragszahlungen für ihre Angestellten und circa 75 Prozent der Beitragszahlungen für deren Familienangehörige. Der verbleibende prozentuale Anteil wird durch Bruttoeinkommen des Arbeitnehmers finanziert (vgl. Goldsteen et al. 2016, S. 192 ff.).

8,9 Prozent der US-Amerikaner, sind unabhängig von ihrem Arbeitgeber, durch die Mitgliedschaft in einer Privaten Krankenversicherung im Krankheitsfall abgesichert (vgl. Goldsteen et al. 2016, S. 118 f.).

- Öffentliche Versicherungsmodelle

Die öffentlichen Versicherungsmodelle sind Medicare, Medicaid, TRICARE, S CHIP, IHS und die Veteran ’ s Health Administration (vgl. Kadakia & Mir 2013, S. 209-220).

Das Medicare Programm ist ein single payer system, bei dem alle Versicherten nach dem gleichen Prinzip versichert sind. Medicare versichert alle US-Bürger ab einem Alter von 65 Jahren. Darüber hinaus werden auch behinderte Menschen und Menschen, die aufgrund von Nierenversagen Dialysepflicht sind, durch dieses Programm geschützt. Das Medicare Programm wird in Medicare Part A, Medicare Part B, Medicare Part C und Medicare Part D unterteilt. Medicare Part A ist für US-amerikaner über 65 Jahre kostenlos und deckt die stationäre Versorgung der Versicherten bei einem Krankenhausaufenthalt ab. Medicare Part B deckt die ambulante Versorgung der Versicherten ab. Abgedeckt sind Gesundheitsleistungen und Gegenstände, die zur Diagnose oder Behandlung einer Erkrankung benötigt werden. Des Weiteren werden durch Medicare Part B auf die Krankheitsprävention ausgerichtete Gesundheitsleistungen und Gegenstände abgedeckt. Die zu erbringende Versicherungsleistung orientiert sich hierbei an den für die USA vorgesehenen medizinischen Standards. Medicare Part C ermöglicht es privaten Krankenversicherungen sich am Medicare Programm orientierende Leistungen anzubieten. Dies ermöglicht es Versicherten, dem Medicare Programm entsprechende Leistungen über eine private Krankenkasse zu beziehen. Diese von den privaten Krankenversicherungen angebotenen Programme werden als Medicare Advantage Plans bezeichnet. Medicare Part D deckt im ambulanten Bereich die Versorgung mit verschreibungspflichtigen Medikamenten ab. Dieses Versicherungsmodell wird von privaten Krankenkassen angeboten, die dazu eine Ermächtigung von der bundesstaatlichen Regierung benötigen (vgl. Goldsteen et al. 2016, S. 119-125; vgl. Centers for Medicare & Medicaid Services 2016).

Das Medicaid Programm ist ein durch die Regierung initiiertes Konzept, das sich an bundesstaatlichen Richtlinien orientiert und Menschen mit niedrigen Einkommensverhältnissen aller Altersklassen die den Erhalt von Gesundheitsleistungen im Krankheitsfall ermöglicht (vgl. Goldsteen et al. 2016, S. 125 f.).

Die Eignung für das Medicaid Programm ist von den verschiedenen bundesstaatlichen Armutsgrenzen abhängig. Diese Armutsgrenzen werden als Federal Poverty Level bezeichnet. Das FPL orientiert sich am jährlichen Haushaltseinkommen und der Anzahl der Personen die der jeweilige Haushalt umfasst (vgl. Caroll 2014).

Bei der nachfolgenden Tabelle handelt es sich um die aktuelle Federal Poverty Guideline des Jahres 2016. Für die Bundesstaaten Hawaii und Alaska gelten bundesstaatspezifische Federal Poverty Guidelines (vgl. Department of Health and Human Services 2016 a).

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Excerpt out of 85 pages

Details

Title
Der Einfluss des Neoliberalismus und seine Konsequenzen auf das Gesundheitssystem
Subtitle
Eine Analyse und Gegenüberdarstellung der Entwicklungen in den USA und Deutschland
College
Academy for health and sport
Grade
1,7
Author
Year
2016
Pages
85
Catalog Number
V374384
ISBN (eBook)
9783668515468
ISBN (Book)
9783668515475
File size
1652 KB
Language
German
Keywords
Neoliberalismus, Gesundheitssystem, Soziologie, Trump, Freihandelsabkommen, Gesundheitswirtschaft, Kapitalismus, Konsumismus
Quote paper
Max Ande (Author), 2016, Der Einfluss des Neoliberalismus und seine Konsequenzen auf das Gesundheitssystem, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/374384

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