Diese Arbeit stellt Chancen und Herausforderungen dar, die sich für SchülerInnen, Lehrende und die Institution Schule aus der Methode Skills-Lab im Pflegeunterricht ergeben.
Auszubildende in Pflegeberufen werden durch die Vermittlung theoretischer und praktischer Kompetenzen dazu befähigt, Pflegehandlungen durchzuführen. Der Erwerb praktischer Fertigkeiten erfolgt vermehrt in der Praxis. Diese bietet den Lernenden jedoch weder einen geschützten Rahmen noch ausreichend Anleitung und Begleitung. Aus diesem Grund ist der Einsatz von Skills-Lab in der Ausbildung von PflegeschülerInnen sinnvoll.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretischer Rahmen.
3. Hintergründe zum Skills-Lab-Modell
4. Skills-Lab in der Medizin
5. Erste Umsetzungen von Skills-Lab in deutschen Pflegeschulen
6. Methodische Vorgehensweise
7. Ergebnisse
7.1 Ergebnisse hinsichtlich der Chancen für Lernende
7.2 Ergebnisse hinsichtlich der Herausforderungen für Lernende
7.3 Ergebnisse hinsichtlich der Chancen für Lehrende
7.4 Ergebnisse hinsichtlich der Herausforderungen für Lehrende.
7.5 Ergebnisse hinsichtlich der Chancen für Institutionen
7.6 Ergebnisse hinsichtlich der Herausforderungen für Institutionen
8. Diskussion
9. Fazit.
10. Quellenverzeichnis
Anhang
Anhang A) Checkliste für OSCE-Stationen
Anhang B) Handlungsplan: Atmung
Anhang C) Handlungsbewertungsliste: Zählung der Atmung
Abstract
Hintergrund: Auszubildende in Pflegeberufen werden durch die Vermittlung theoretischer und praktischer Kompetenzen dazu befähigt, Pflegehandlungen durchzuführen. Der Erwerb praktischer Fertigkeiten erfolgt vermehrt in der Praxis. Diese bietet den Lernenden jedoch weder einen geschützten Rahmen, noch ausreichend Anleitung und Begleitung. Aus diesem Grund ist der Einsatz von Skills-Lab in der Ausbildung von PflegeschülerInnen sinnvoll.
Ziel: Die vorliegende Arbeit stellt Chancen und Herausforderungen dar, die sich für SchülerInnen, Lehrende und die Institution Schule aus der Methode Skills-Lab im Pflegeunterricht ergeben.
Methode: Ausgewählte Studien der Datenbank PubMed und Publikationen aus Fachzeitschriften dienten der Ergebnisrecherche. Es wurden sowohl deutsch- als auch englischsprachige Texte berücksichtigt.
Ergebnisse: Anhand der Resultate werden vielfältige Chancen aber auch einige Herausforderungen ersichtlich. Skills-Lab bieten ein geschütztes Lernumfeld, in denen Auszubildende in kleinen Gruppen und unter Anleitung von ExpertInnen Fertigkeiten trainieren, ohne PatientInnen zu gefährden. Nicht zu unterschätzen sind jedoch die sich ergebenden finanziellen, organisatorischen und personellen Herausforderungen.
Diskussion: Die Vorteile von Skills-Lab scheinen im Vergleich zu den Schwierigkeiten zu überwiegen. Dennoch muss berücksichtigt werden, dass ein Skills-Lab die Realität nicht ersetzen kann.
Abstract
Background: Trainees in the caring professions are through the mediation of theoretical and practical skills enabled to perform fosterage maintenance actions. Practical skills are acquired increasingly in practice. However, this provides students with neither a protected environment, nor sufficient guidance and support. For this reason, Skills-Lab is used for the training of student nurses.
Aim: This thesis presents the chances and challenges for students, teachers and schools, which arise out of Skills-Lab in nursing education.
Method: Selected studies of the PubMed database and publications in scientific journals were analyzed to identify the results. German and English texts were considered.
Results: Based on the results are a variety of opportunities but also some challenges apparent. Skills-Lab offers a protected learning environment in which trainees can train their skills in small groups under the guidance of experts and without endangering patients. However, the resulting financial, organizational and personnel challenges should not be underestimated.
Discussion: The benefits of Skills-Lab seem to predominate compared to the difficulties. Nevertheless, it must be considered that Skills-Lab cannot replace the reality.
Eidesstattliche Erklärung
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Verwendete Suchbegriffe zur Identifikation der Studien in PubMed (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed?otool=idesublib). Zeitpunkt der Suche: Dezember 2014…..
Tabelle 2: Chancen für Lernende…..
Tabelle 3: Herausforderungen für Lernende…
Tabelle 4: Chancen für Lehrende…..
Tabelle 5: Herausforderungen für Lehrende…
Tabelle 6: Chancen für Institutionen.
Tabelle 7: Herausforderungen für Institutionen…...
Tabelle 8: Chancen durch Skills-Lab hinsichtlich der Kompetenzdimensionen…...
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Pflegeberufliche Handlungskompetenz (Wittneben 1999, S. 8)….
Abbildung 2: Phasen des Skills-Trainings (Schroeder 2008, S. 32)
Abbildung 3: Checkliste für OSCE-Stationen (Schultz et al. 2008, S. 671)
Abbildung 4: Handlungsplan: Atmung (Schewior-Popp 2005, S. 149)
Abbildung 5: Handlungsbewertungsliste: Zählen der Atmung (Muijsers 1997, S. 50)
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Berufliches Handeln kann man nicht nur erlernen, indem man darüber spricht,
sondern indem man es tut.
(Muijsers 1997, S. 2)
1. Einleitung
Der Erwerb praktischer Kompetenzen stellt für Auszubildende in Pflegeberufen eine Herausforderung dar. Nicht besetzte Stellen oder auch der Fachkräftemangel im Krankenhaus können sich nachteilig auf das Erlernen von Fertigkeiten auswirken (Deutsches Krankenhausinstitut e.V. 2013, S.19f.). Examinierte Pflegekräfte haben durch das hohe Arbeitspensum wenig Zeit, sich der Ausbildung von SchülerInnen zu widmen (Thomseth et al. 2012, S. 3).
Die Relevanz der Beherrschung von Fertigkeiten wird in einem Zitat von Riedl (2008, S. 4) deutlich: „Die übergeordnete Zielvorstellung einer zeitgemäßen beruflichen Bildung manifestiert sich im Begriff der Handlungskompetenz.“ Damit ist die „berufliche Fähigkeit und Bereitschaft des Menschen, in beruflichen Situationen sach- und fachgerecht, persönlich durchdacht und in gesellschaftlicher Verantwortung eigenverantwortlich zu handeln“ (Bader 2000, S. 39) gemeint. Handlungskompetenz beinhaltet die Dimensionen Fachkompetenz, sozial-kommunikative Kompetenz, Methodenkompetenz und Personalkompetenz (Riedl 2008, S. 4). Für die Vermittlung der genannten Kompetenzen sind einerseits die Institution Schule, in der vorwiegend theoretische Inhalte vermittelt werden und andererseits die Praxisorte verantwortlich, in denen der Erwerb praktischer Fertigkeiten im Vordergrund steht (Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz 2003, S. 5f.).
Aus konstruktivistischer Sicht bedeutet Lernen, „sich aktiv und intensiv mit dem Lerngebiet auseinander zu setzen.“ (Riedl 2008, S. 3) Passive Informationsaufnahme wirkt sich somit nachteilig auf den Wissenserwerb aus. Dahingegen schafft situierter Unterricht eine Umgebung, in der Auszubildende sich aktiv an der Gestaltung ihres Lernens beteiligen können. Lehrende erfüllen in diesem Zusammenhang eine beratend-unterstützende Funktion. Die Hauptmerkmale dieser Lerntheorie sind:
- die aktive Beteiligung am Unterrichtsgeschehen, um die Motivation zu steigern und das Interesse der Lernenden zu wecken
- die Selbststeuerung der Lernprozesse
- die Berücksichtigung des Ausbildungsstandes der SchülerInnen
- das Lernen in einem realen Kontext
- die positive Fehlerkultur – Fehler werden als lehr- und hilfreich angesehen
- die Gestaltung des Lernens als interaktives Geschehen
- die Möglichkeit der Selbstevaluation für Auszubildende (Riedl 2008, S. 3).
Lernen erfolgt somit „situiert und anhand authentischer Bezüge.“ (ebd.) Dies entspricht nicht immer dem Unterricht, der an Schulen des Gesundheitswesens durchgeführt wird. Vermittelt werden vor allem theoretische Kenntnisse bezüglich pflegerischer Maßnahmen. Diese befähigen die Lernenden jedoch noch nicht zu einer praktischen Durchführung dieser Maßnahmen (Darmann 2004, S. 198 & 200).
„Pflegepraxis in ihrer gesamten Komplexität können die Auszubildenden nur in der Pflegepraxis erfahren.“ (ebd., S. 202) Um jedoch Pflegehandlungen Schritt für Schritt und in einer geschützten Umgebung zu erlernen, eignet sich die Realität nur begrenzt. Gerade BerufsanfängerInnen sind mit dem abrupten Übergang in die pflegerische Praxis oft überfordert. Zudem fungieren PatientInnen unweigerlich als Übungsmodell, was aus ethischen und sicherheitstechnischen Gründen ausgeschlossen werden muss (Muijsers 1997, S. 11).
Aus diesem Grund scheint das Skills-Lab-Modell vielversprechend.
Unter Skills-Lab wird im Allgemeinen eine zentrale Trainingseinrichtung verstanden, in denen spezifische (meist ärztliche) Fertigkeiten und Fähigkeiten vermittelt werden. Der Begriff kommt aus dem Englischen und setzt sich aus den beiden Worten „skill“ (= Können, Geschick) und der Abkürzung „Lab“ für „laboratory“ (= Untersuchungsraum) zusammen. (Fichtner 2013, S. 106)
„Ziel dieser didaktischen Konzeption und des methodischen Vorgehens ist das Erreichen von Handlungskompetenzen bereits vor dem ersten Kontakt mit dem Patienten.“ (Schroeder 2008, S. 32)
Ursprünglich stammt diese Art des Kompetenzerwerbs aus der Luft- und Raumfahrt sowie der Ausbildung an Polizeiakademien (Schewior-Popp 2005, S. 19).
Im medizinischen Bereich wird das Skills-Lab-Modell erstmals 1970 in Amerika und den Niederlanden genutzt (Loewenhardt et al. 2014, S. 65), wobei mittlerweile eine pflegerische Etablierung in Belgien, den Niederlanden, Luxemburg, Skandinavien und der Schweiz stattgefunden hat (Schewior-Popp 2005, S. 19).
Die Implementierung des Modells steht in deutschen Pflegeschulen noch am Anfang. Schewior-Popp (2005, S. 19) begründet dies mit dem vorherrschenden „Selbstverständnis der räumlichen Trennung von „Theorie“ und „Praxis“.“ Zudem erschweren die mangelnden Ressourcen in den Schulen den Einsatz solcher Trainingszentren (ebd.). In der Medizin hingegen ist das Modell deutschlandweit „etabliert und an fast jeder medizinischen Fakultät in unterschiedlicher Form und Größe vorhanden.“ (Fichtner 2013, S. 106)
Die Intention von Skills-Lab ist „die Kluft zwischen Theorie und Praxis, zwischen Denken und Handeln zu minimalisieren.“ (Schewior-Popp 2005, S. 20) Dabei werden von dem Simulations-Netzwerk Ausbildung und Training in der Pflege (SimNAT Pflege) folgende Ziele festgelegt:
- Ermöglichung der Aneignung von Fertigkeiten und Wissen in einer risikofreien Lernumgebung
- Verbesserung der Güte pflegerischen Handelns
- Förderung der Sicherheit der PatientInnen und der eigenen Handlungen (Loewenhardt et al. 2014, S. 65)
Ob und in welchem Umfang sich diese Ziele realisieren lassen, wird Inhalt dieser Arbeit sein. Dazu wird der Frage nachgegangen:
Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich bei der Anwendung von Skills-Lab für die pflegerische Ausbildung?
Die Beantwortung dieser Frage erfolgt mittels einer Literaturrecherche. Im folgenden Kapitel wird der Kompetenzbegriff beleuchtet und seine Relevanz sowie dessen Dimensionen innerhalb der Pflegeausbildung aufgezeigt. Dabei wird das Konzept der Schlüsselkompetenzen nach Roth mit dem Oelkes verglichen, um daraufhin den Begriff der beruflichen Handlungskompetenz zu fokussieren. Darüber hinaus verweist das Kapitel auf implizites Wissen und Könnerschaft in Relation zu den Stufen der Pflegekompetenz nach Benner.
Anschließend werden die Grundsätze und konkreten Umsetzungsmöglichkeiten von Skills-Lab beschrieben. Dabei wird vorerst Bezug zu medizinischen Trainingszentren genommen, da diese die Anfänge der Methode im gesundheitlichen Bereich beschreiben. Im fünften Kapitel wird anhand eines exemplarischen Modells die Implementierung pflegerischer Skills-Lab in Deutschland vorgestellt.
Die darauffolgenden Kapitel zeigen die Ergebnisse der recherchierten Publikationen und ausgewählten Studien auf. Diese geben einen Überblick über mögliche Chancen und Herausforderungen bei der Anwendung von Skills-Lab in der Pflegeausbildung. Dabei wird zwischen den Chancen und Herausforderungen für Lernende, Lehrende und die Institution Schule unterschieden.
Im Diskussionsteil werden die Ergebnisse kritisch reflektiert und in Bezug zum theoretischen Rahmen gesetzt. Das Fazit gibt einen finalen Überblick über die vorliegende Arbeit und einen Ausblick auf die Implementierung pflegerischer Skills-Lab in Deutschland.
2. Theoretischer Rahmen
Im Folgenden wird der Kompetenzbegriff erläutert und in Bezug zur pflegerischen Ausbildung gesetzt. Diesbezüglich wird eingangs der Begriff der Schlüsselqualifikationen mit seinem Ursprung in den siebziger Jahren und seinem Wandel hin zum heutigen Prinzip der umfassenden beruflichen Handlungskompetenz erläutert. Daran schließt sich Benners Modell der Stufen zur Pflegekompetenz an, an dem deutlich gemacht wird, auf welche Weise sich Könnerschaft entwickelt und implizites Wissen eine Rolle im Pflegeberuf einnimmt.
Das Krankenpflegegesetz legt den Kompetenzerwerb als grundlegendes Ziel der pflegerischen Berufsausbildung gesetzlich fest (Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz 2003, S. 5).
Der Begriff „Kompetenz“ wird heutzutage vielseitig verwendet, was eine einheitliche Definition erschwert. Im sozial- und erziehungswissenschaftlichen Bereich verweist „er auf Qualitäten menschlichen Denkens und Tuns.“ (Klieme & Hartig 2008, S. 12) In der Pflege gelten die Wörter „Leistung“ und „Effizienz“ als Synonyme für Kompetenz. Zudem wird der Begriff hier „als Gütekriterium herangezogen.“ (Olbrich 2010, S. 15) Der Deutsche Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (DQR) definiert den Kompetenzbegriff folgendermaßen:
Damit wird das zentrale Ziel aller Bereiche des deutschen Bildungssystems zum Ausdruck gebracht, den Lernenden den Erwerb einer umfassenden Handlungsfähigkeit zu ermöglichen. Es geht nicht um isolierte Kenntnisse und Fertigkeiten, sondern um die Fähigkeit und Bereitschaft zu fachlich fundiertem und verantwortlichem Handeln. (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2015, o. S., Hervorhebung durch Verfasserin)
Das Krankenpflegegesetz orientiert sich an den vier Schlüsselqualifikationen nach Oelke, bei denen eine Einteilung in die Bereiche fachliche, sozial-kommunikative, personale und methodische Kompetenz vorgenommen wird (Oelke & Meyer 2013, S. 343).
Schlüsselqualifikationen haben in den letzten Jahren einen großen Stellenwert eingenommen, wobei darauf hinzuweisen ist, dass diese von dem Begriff der umfassend beruflichen Handlungskompetenz abgelöst werden, da in diesem die grundlegenden Kompetenzen für berufliches Handeln zusammengefasst sind.
Bevor näher auf die komplexe berufliche Handlungsfähigkeit eingegangen wird, werden zunächst der Ursprung der Schlüsselqualifikationen und deren Rolle in der Pflegeausbildung dargestellt.
Kompetenztheoretisch gesehen bezeichnen Schlüsselqualifikationen die allgemeine Fähigkeit, konkrete Handlungen (als Tun, Sprechen, Denken) jeweils neu situationsgerecht zu generieren (erzeugen) bzw. zu aktualisieren. Schlüsselqualifikationen bezeichnen also gegenüber den bisherigen normativen Vorgaben der Berufsausbildung durch „Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten“eine Form beruflicher Handlungsfähigkeit. (Reetz 1990, S. 17f.)
Roth teilt die Schlüsselqualifikationen bereits in den siebziger Jahren in sechs Systeme ein. In seinen Ausführungen zur „Pädagogischen Anthropologie“ schildert er diese für die Lehr- und Erziehungsprozesse relevanten Kategorien, die im Folgenden beschrieben werden (Roth 1971, S. 173ff.).
Das Orientierungssystem beinhaltet den fachlichen Kompetenzerwerb, also das „Wissen von Fakten, Begriffen, Prinzipien, Regeln, Ideen, Systemen usw.“ (Roth 1971, S. 175) Dieses System ist eng an die fachliche Kompetenz nach Oelke geknüpft, in der es sich ebenfalls um den Erwerb dieser Fähigkeiten handelt. Im Fokus steht hier außerdem der Bezug zu wissenschaftlichen Erkenntnissen, die die Basis der fachlichen Kompetenz ausmachen (Oelke & Meyer 2013, S. 343). Das zweite von Roth genannte System (Antriebssystem) bezieht sich auf die Antriebe beziehungsweise Motivationen der Menschen bezogen auf das Lernen sowie die „Selbstverwirklichung und Selbstbestimmung.“ (Roth 1971, S. 175)
Diese Fähigkeiten lassen sich in den Bereich der personalen Kompetenz nach Oelke einordnen, in der die Stärkung der Persönlichkeit im Mittelpunkt steht (Oelke & Meyer 2013, S. 344).
Zwei weitere Lernbereiche, welche der personalen aber auch der methodischen Kompetenzen zugeordnet werden können, stellen die Lern- und Steuerungssysteme nach Roth dar. Dabei sind Prozesse notwendig, die das „ Erlernen des Lernens “ (Roth 1971, S. 187) und den Wandel von der „Fremdbestimmung zur Selbstbestimmung“ (ebd.) ermöglichen. Oelke greift diese Kompetenzen wieder auf und stellt sie in den Bezug zur Pflege. Beispielsweise thematisiert sie die Notwendigkeit des lebenslangen Lernens, um auf die Anforderungen des Pflegeberufes reagieren zu können (Oelke & Meyer 2013, S. 344). Des Weiteren nennt sie die Fähigkeit eine „Balance zwischen Nähe und Distanz“ (ebd.) zu entwickeln und misst der Entwicklung von Selbstvertrauen einen hohen Stellenwert bei (ebd.).
In dem von Roth genannten Wertungssystem werden gesellschaftliche Normen und Werte sowie soziales Verhalten entwickelt. Oelke verweist im Bereich der sozial-kommunikativen Kompetenz auf den Aufbau von Beziehungen und auf die Entwicklung von Empathie. Auch die Bewältigung von Konflikten mit KollegInnen oder PatientInnen und die „Kritikfähigkeit und Frustrationstoleranz“ (Oelke & Meyer 2013, S. 343) werden dieser Dimension zugeschrieben (ebd.).
Methodische Kompetenzen nach Oelke beinhalten Fertigkeiten wie das Treffen von Entscheidungen, das Priorisieren und das Lösen von Problemen (ebd., S. 344). Hier werden Parallelen zu einem weiteren Lernbereich Roths erkennbar. Dieser ordnet das „Einüben von Fertigkeiten“ (Roth 1971, S. 175) und die Entwicklung „kritisch produktiver Handlungsfähigkeit“ (ebd.) in das Wirksystem ein.
Der Erwerb aller aufgeführten Bereiche bestimmt die menschliche Handlungsfähigkeit und ist für die Entwicklung eines Menschen hin zu einer verantwortungsvoll handelnden Person entscheidend (Roth 1971, S. 175). Reetz (1999, S. 22) resümiert: „Das System der Handlungskompetenz bedarf eines entwickelten Antriebs-, Wertungs- und Orientierungssystems, die wiederum im Steuerungs- und Lernsystem auf sich selbst und auf das Handelnkönnen zurückbezogen sind.“
Laut Handreichung der Kultusministerkonferenz (KMK) wird Handlungskompetenz „verstanden als die Bereitschaft und Befähigung des Einzelnen, sich in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen sachgerecht durchdacht sowie individuell und sozial verantwortlich zu verhalten. Handlungskompetenz entfaltet sich in den Dimensionen von Fachkompetenz, Humankompetenz und Sozialkompetenz.“ (Sekretariat der Kultusministerkonferenz 2007, S. 10)
Der von Wittneben geprägte Begriff der pflegerischen Handlungskompetenz umfasst die Schlüsselqualifikationen Methoden-, Selbst-, Fach-, Sach- und Personenkompetenz. Diese können nur unter Voraussetzung bereits entwickelter formaler Kompetenzen erworben werden, die sich wiederum auf kognitive, sprachlich-kommunikative, soziale, moralische, psychomotorische und emotionale Fähigkeiten beziehen (siehe Abb. 1) (Wittneben 1999, S. 5ff.).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Pflegeberufliche Handlungskompetenz (Wittneben 1999, S. 8)
Der Kompetenzerwerb erfolgt mit Hilfe des Sach- beziehungsweise Fachwissens und des Handlungswissens. Der reine Bezug zu theoretischen Inhalten, die das Sach- und Fachwissen generieren, genügt nicht, um eine Handlungsfähigkeit in der Praxis zu gewährleisten oder anders gesagt: „Wissen kann nicht als „Ursache“ des Könnens gelten.“ (Neuweg 2004, S. 11) Dafür ist mitunter das Handlungswissen notwendig. „Die Pflege braucht, […], eine Ausbildung in der auch anwendungsrelevantes Handlungswissen vermittelt und erworben wird.“ (Wittneben 1999, S. 9)
Um über eine komplexe pflegeberufliche Handlungskompetenz verfügen zu können, müssen verschiedene Stufen zur Pflegekompetenz durchlaufen werden. Erst dann kann sich eine Könnerschaft herausbilden (Benner 1994, S. 41-52). Benner unterscheidet hier fünf Phasen, vom Neuling über fortgeschrittene AnfängerInnen, kompetente Pflegende, erfahrene Pflegende bis hin zur/zum PflegeexpertIn. Sie beschreibt, dass Kompetenzen mit Hilfe zweier Komponenten entstehen. Einerseits ist das theoretische Wissen, das „Know-that“ bedeutsam, andererseits darf das „Know-how“, also das Wissen um die praktische Umsetzung der theoretischen Erkenntnisse nicht fehlen. Benner bezieht sich dabei auf die Theorie Polanys, der darauf hinweist, dass sich „ein Teil des praktischen Wissens dem wissenschaftlich faßbaren [sic!] Know-that [entzieht]“ (Benner 1994, S. 26, Einschub durch Verfasserin), aber andererseits theoretische Annahmen ohne Bezug zur Praxis entwickelt werden können. Für die angestrebte Könnerschaft ist eine Erweiterung des praktischen Wissens unter Berücksichtigung des theoretischen Wissens erforderlich. Genauso obligat ist die Bezugnahme des „Know-how“ bei Verwendung des „Know-that“. Hier liegt der Unterschied zwischen einer/einem NovizIn und einer/einem ExpertIn (ebd., S. 26f.).
Den Neuling kennzeichnet seine fehlende Erfahrung. Ihm werden „Informationen über die objektiven Attribute wie Gewicht, Flüssigkeitsaufnahme und -ausscheidung, Blutdruck, Puls und andere derartig objektivierbare, meßbare [sic!] Anzeichen für den Zustand eines Patienten [gegeben]“ (Benner 1994, S. 41, Einschub durch Verfasserin.), mit denen er seine Aufgaben bewältigt. Sein Verhalten wird durch klare Regeln bestimmt, wobei auf unabsehbare Ereignisse nicht reagiert werden kann (ebd.).
Die zweite Stufe wird erreicht indem bereits Situationen erlebt wurden und nicht mehr allein auf das kontextfreie Wissen zurückgegriffen werden muss. Fortgeschrittenen AnfängerInnen gelingt es jedoch nicht immer, Prioritäten zu setzen. Sie orientieren sich an Anweisungen und Vorgaben, der „Blick für das Wesentliche“ (ebd., S. 45) ist nicht ausgereift. Aus diesem Grund benötigen Auszubildende in dieser Phase viel Unterstützung und Aufmerksamkeit. Benner rät in diesem Zusammenhang zu PraxisbegleiterInnen.
Kompetente Pflegende zeichnen sich dadurch aus, dass sie auf komplexe Situationen angemessen reagieren können. Das Setzen von Prioritäten und die zielgerichtete Planung von Pflegeinterventionen stellen für die Betroffenen keine Herausforderungen dar. Sie arbeiten zwar noch nicht so zeiteffizient wie erfahrene Pflegekräfte, sind aber in der Lage kompetent zu handeln.
Die vierte Stufe zum erfahrenen Pflegenden ist erreicht, sobald Situationen als Ganzes begriffen werden. Ein bewusstes Nachdenken und Abwägen von Entscheidungen ist in dieser Phase nicht mehr notwendig, da alle Prozesse „auf der Grundlage früherer Erfahrungen spontan begriffen [werden].“ (Benner 1994, S. 47, Einschub durch Verfasserin)
Bei PflegeexpertInnen handelt es sich um Personen mit einem umfangreichen Erfahrungsschatz. Sie sind fähig, auf alle Situationen angemessen zu reagieren, können intuitiv handeln und arbeiten dabei höchst zeiteffizient. Das Erreichen dieser Stufe ist nur mit einer langjährigen Berufserfahrung möglich (ebd., S. 41-52).
Benners Modell weist einige Schwachstellen auf, die nicht unbenannt bleiben sollen. Beispielsweise verläuft der Übergang zu der nächsthöheren Stufe fließend und nicht abrupt. Zudem ist es durchaus möglich in einem Teilbereich der pflegerischen Gesamttätigkeit über ExpertenInnenwissen zu verfügen und parallel dazu NovizIn in einem anderen Tätigkeitsfeld zu sein (Benner 1994, S. 42). Auch ist nicht garantiert, dass eine Pflegekraft durch langjährige Erfahrung automatisch zu einer/einem ExpertIn wird. Die mangelnde Unterscheidung bezüglich der Reflexion vergangener und gegenwärtiger Handlungen wird ebenfalls kritisiert. Angesichts der unterschiedlichen Ausbildungskonzepte im Bereich der Pflege wird der Aufstieg vom Neuling in die nächste Kompetenzstufe von Land zu Land unterschiedlich stark gefördert. In Deutschland gelingt der Aufstieg zur/zum fortgeschrittenen AnfängerIn teilweise bereits vor dem Examen, was durch den hohen Praxisanteil der pflegerischen Lehrzeit ermöglicht wird. Dies lässt die Ausbildung anderer Nationen nicht immer zu, da theoretische Anteile überwiegen und praktische Erfahrungen nur durch Praktika erworben werden (Holoch 2002, S. 107f.).
Ebenso wird der Begriff der Intuition zur Begründung pflegerischer Entscheidungen in Frage gestellt, da „ihm etwas Magisches, nicht Erklärbares“ (ebd., S. 110) anhaftet.
Neuweg (2004, S. 3) legt dar, dass ExpertInnen über implizites Wissen verfügen, welches auch als „sprachloses Können“ (ebd.) bezeichnet wird. Damit ist die Fähigkeit gemeint, Handlungen durchzuführen ohne sie im Einzelnen beschreiben, beziehungsweise begründen zu können (ebd., S. 5). Dabei gelangt eine Person zu Kompetenz (Können), indem sie implizit integriert, also mit Hilfe der Wahrnehmung einzelner Aspekte eine Situation in ihrer Ganzheitlichkeit erfasst, ohne sich der Betrachtung der Einzelheiten bewusst zu sein (ebd., S. 204).
Neuro- und SinnesphysiologInnen verstehen unter einem expliziten (deklarativen) Gedächtnis „die bewusste Widergabe von Fakten und Ereignissen“ (Birbaumer & Schmidt 2006, S. 408) und schreiben dem impliziten (prozeduralen) Gedächtnis unter anderem „das Erlernen von Fertigkeiten und Gewohnheiten [zu].“ (ebd., S. 408f., Einschub durch Verfasserin)
ExpertInnen gelingt die Vernetzung von vorhandenem Wissen und bereits erlebter Erfahrungen. Sie sind in der Lage, individuelle Situationen mittels erlernter Regeln und durchlebter vergleichbarer Ereignisse zu meistern (Darmann 2004, S. 198). Somit entsteht
Könnerschaft durch Konfrontation und Auseinandersetzung mit realen Praxissituationen, […] sowie durch die Beobachtung von und der Interaktion mit Pflegenden, die ihrerseits bereits über Könnerschaft verfügen […]. Könnerschaft entsteht also durch Tun und nicht durch das Auswendiglernen der Beschreibung des Tuns oder durch die Anwendung von zuvor erlernten Regeln. (ebd.)
Diese Feststellung darf während der pflegerischen Berufsausbildung nicht ignoriert werden und macht in Hinblick auf das Erlernen prozeduraler Fertigkeiten die Notwendigkeit eines handlungsorientierten Unterrichts deutlich. Dabei sollte der Fokus jedoch auch auf der Reflexion pflegerischen Handelns liegen, damit implizites Wissen erklärbar und begründbar wird. „Allein die Fähigkeit zum intuitiven Urteilen bzw. impliziten Integrieren bedeutet noch lange nicht, dass die Urteile auch wahr oder richtig sind.“ (Darmann 2004, S. 199) Pflegende müssen sich ihrer Handlungen bewusst sein, was dadurch ermöglicht wird, indem Handlungen und Handlungsalternativen verbalisiert sowie evaluiert werden.
In den folgenden Kapiteln wird die Methode Skills-Lab vorgestellt und deren Chancen und Herausforderungen bezüglich der Pflegeausbildung beleuchtet. Dabei wird im Ergebnisteil insbesondere der mögliche Kompetenzgewinn untersucht und die Möglichkeit eines Aufstiegs vom Neuling zur/zum fortgeschrittenen AnfängerIn überprüft.
3. Hintergründe zum Skills-Lab-Modell
Nachdem im vorangegangen Kapitel der Kompetenzbegriff erläutert wurde, stellt dieser Abschnitt die Hintergründe der Methode Skills-Lab vor. Eingangs wird die theoretische Grundlage des Konzepts benannt. Daraufhin werden Rahmenbedingungen und Hinweise zur Durchführung des Fertigkeitentrainings aufgezeigt. Die Darstellung der Phasen sowie der Einsatz- und Evaluationsmöglichkeiten von Skills-Lab gibt einen Überblick über das Modell.
Für die Planung von Lernsituationen ist die Berücksichtigung verschiedener Gesichtspunkte relevant. Erstens spielt der zu erwartende Kompetenzgewinn eine Rolle. Es muss demzufolge der Erwerb fachlicher, sozialer, personaler und methodischer Kompetenzen absehbar sein. Zweitens sollte die Lernsituation handlungsorientiert sein. Von zentraler Bedeutung ist hier das „Lernen für Handeln und Lernen durch Handeln.“ (Schewior-Popp 2005, S. 11) Drittens ist eine Lernfeldorientierung erforderlich, die eine Entwicklung „konkreter Lernsituationen unter Berücksichtigung der Angemessenheit von Zielen, Inhalten und methodischen Arrangements“ (ebd.) vorsieht.
Hinsichtlich der Handlungsorientierung eignen sich Lernangebote, „in denen theoretische Erkenntnis und Begründung mit praktischer Erfahrung verknüpft und unmittelbar wieder auf die Theorie zurückgekoppelt wird.“ (ebd., S. 19) Dabei hat das Skills-Lab-Konzept das Ziel, durch die Verbindung theoretischen und praktischen Lernens den Theorie-Praxis-Transfer zu erleichtern.
Skills-Lab werden im Unterricht genutzt, um Auszubildende auf die pflegerische Praxis vorzubereiten. Für den erfolgreichen Einsatz dieser Unterrichtsmethode sind einige Rahmenbedingungen erforderlich. Die Räume, in denen diese Unterrichtmethode angewendet wird, sind idealerweise mit Modellen, Demonstrationspuppen, Computern und anderen Lern- und Lehrmaterialien ausgestattet. Des Weiteren werden geeignete Lehrkräfte benötigt, die als AnleiterInnen und BeraterInnen fungieren (Schewior-Popp 2005, S. 19 & S. 148). Außerdem muss ausreichend Zeit zur Verfügung stehen, um das intensive Training der Fertigkeiten zu ermöglichen (ebd., S. 150).
Es gelten einige Grundsätze bei der Durchführung von Skills-Lab. Schewior-Popp weist auf eine Objektseite und auf eine Subjektseite der Handlungsorientierung im Skills-Lab-Unterricht hin. Erstere beinhaltet die theoretische Auseinandersetzung mit den zu erlernenden Fertigkeiten. Dabei werden Handlungsabläufe zunächst beschrieben und deren Durchführung im Detail erläutert, bevor die Subjektseite, also die selbstständige Ausführung berücksichtigt wird (Schewior-Popp 2005, S. 147). Die zuständige Lehrperson hat demnach den Auftrag, die Handlungsschritte im Vorfeld zu erläutern und zu begründen. Fragen seitens der SchülerInnen müssen beantwortet werden, bevor das eigentliche Skills-Training beginnt. Außerdem ist die Erstellung eines Handlungsplans den praktischen Übungen vorangestellt. „Handlungspläne „zerlegen“ die jeweilige komplexe pflegerische Handlung in einzelne Schritte.“ (Schewior-Popp 2005, S. 148) Diese Schritte dienen als Standard für die durchzuführende Handlung, wobei sie in der Praxis individuell an die/den jeweilige/n PatientIn adaptiert werden muss. Ein solcher Handlungsplan beschreibt vorerst allgemeine Aspekte der Handlung und daraufhin die genaue Durchführung dieser. Am Beispiel des Trainings einer atemvertiefenden Maßnahme bedeutet dies, dass den SchülerInnen der Nutzen einer solchen Durchführung aufgeführt wird. Im Folgenden dient die schrittweise Beschreibung der unterstützenden Handlung als Orientierung (ebd., S. 148f.) (siehe Anhang S. 52). Ähnliche Pläne werden von Muijsers beschrieben, die in dem Buch „Fertigkeitenunterricht für Pflege- und Gesundheitsberufe“ (1997) veröffentlicht wurden. Von ihm werden 19 verschiedene Pläne dargestellt, die von ihm als Handlungsbewertungslisten definiert werden. In diese Listen werden der Name der beobachteten Person, deren Kurs und das Datum eingetragen. Des Weiteren sind allgemeine Hinweise zur durchzuführenden Handlung auf den Listen beschrieben. Am Beispiel der Handlungsbewertungsliste zur Atemzugzählung wird eingangs darauf hingewiesen, dass dies ohne das Wissen der/des PatientIn geschehen muss, da die/der Betroffene ansonsten die eigene Atmung kontrolliert. Daraufhin erfolgt, wie bei Schewior-Popp, die Beschreibung der Handlung von der Vorbereitung über die Durchführung bis zur Nachbereitung. Die einzelnen Schritte der Durchführung können von der/dem BeobachterIn abgehakt (G = Gut; F = Falsch; N = Nicht beurteilbar) werden. Dabei wird jeder einzelne Schritt des Ablaufes bewertet (siehe Anhang S. 53). Die Beobachtung berücksichtigt dabei nicht nur die eigentliche Handlung, sondern auch den sozialen Umgang mit der/dem PatientIn. Am Ende der Liste können weitere Bemerkungen notiert werden (Muijsers 1997, S. 50).
Der Skills-Lab-Unterricht wird in fünf Schritte unterteilt. Die Vorbereitung, in der sich die Auszubildenden theoretisch mit den zu erlernenden Fertigkeiten auseinandersetzen, bildet die erste Phase. Hierzu erhalten die SchülerInnen einen Orientierungsauftrag und eine Handlungsbewertungsliste (Muijsers 1997, S. 23). Die theoretischen Inhalte bilden die Grundlage für die praktische Umsetzung (Schewior-Popp 2005, S. 149).
In der zweiten Phase stellt die Lehrperson Informationen zur Verfügung, die die Notwendigkeit und den Anwendungsbereich der Fertigkeit beschreiben (Muijsers 1997, S. 23). Diese können in Form eines LehrerInnenvortrages, im Plenum oder in Gruppenarbeiten vermittelt beziehungsweise angeeignet werden (Schewior-Popp 2005, S. 149). Daraufhin erfolgt in der dritten Phase eine Vorführung des Handlungsablaufes durch die Lehrkraft. Dies kann beispielsweise durch einen Film (Muijsers 1997, S. 24) oder durch die Demonstration der Lehrkraft erfolgen (Schewior-Popp 2005, S. 148).
In Phase vier üben die Lernenden die pflegerische Handlung vorerst in kleinen Schritten, bis sie die komplette Fertigkeit als vollendete Handlung beherrschen. Die letzte Phase dient der selbstständigen Wiederholung der Fertigkeit (Muijsers 1997, S. 24ff.; Schewior-Popp 2005, S. 148).
LehrerInnen stehen den Auszubildenden mit Verbesserungsvorschlägen zur Seite und korrigieren gegebenenfalls die Maßnahmen. „[D]er Bezug zur realen Pflegesituation wird hergestellt, Variationsmöglichkeiten benannt.“ (Schewior-Popp 2005, S. 149f.)
Teilweise wird eine Gliederung des Skills-Lab in drei Phasen vorgenommen: die Orientierungsphase, die Übungsphase und die Beherrschungsphase. Diese beinhalten weitere Teilschritte, die die Schilderungen Muijsers‘ und Schewior-Popps um die Evaluation und das Training in der Praxis erweitern (Schroeder 2008, S. 32).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Phasen des Skills-Trainings (Schroeder 2008, S. 32)
Pflegerische Tätigkeiten können im Skills-Lab auf unterschiedliche Weise trainiert werden. Für die erste praktische Durchführung bietet sich das Üben an einem Modell oder einer Puppe an. Daraufhin können die Lernenden sich gegenseitig als Trainingsmodell nutzen. Dabei nimmt ein/e MitschülerIn die Perspektive der/des PatientIn ein und simuliert die vorgegebene Situation, in der die Pflegekraft tätig werden muss (Muijsers 1997, S. 22). Die/Der SimulantIn erfüllt in ihrer/seiner Rolle zwei Funktionen: zum einen spielt sie/er PatientIn, zum anderen gibt sie/er Feedback (Pesl et al. 2010, S. 401).
Um eine möglichst praxisnahe Situation simulieren zu können, muss die einzunehmende Rolle im Vorfeld beschrieben werden. Dazu gehören Informationen bezüglich der Biographie, der Krankengeschichte und der vorhandenen Symptome (Muijsers 1997, S. 13).
Mögliche Einsatzbereiche für Skills-Lab sind die Mundpflege und Ganzwaschung im Bett, das An- und Ausziehen einer/eines PatientIn, die Blutdruckmessung, der Verbandwechsel und der Wechsel einer Redonflasche, die Durchführung eines Beratungsgesprächs, die Verabreichung einer subkutanen Injektion, die Vorbereitung einer Infusion, das Ziehen von Fäden, die Entfernung von Klammern oder das Legen einer Magensonde (Muijsers 1997, S. 44f).
Das Fertigkeitentraining ist in Form eines Stationsmodells möglich. Dieses sieht vor, dass mehrere LehrerInnen parallel je eine Gruppe von höchstens sechs Lernenden während der Übungen betreuen. Zu diesem Zweck wird für jede Gruppe ein Raum eingerichtet, in dem eine bestimmte Handlung erlernt und geübt wird. Dies kann beispielsweise das Legen einer Magensonde oder die Vorbereitung einer Infusion sein. Während des Trainings ist immer eine Lehrkraft im Raum. Die Gruppen rotieren bis jede Station einmal durchlaufen wurde (ebd., S. 27).
Die Evaluation des Skills-Lab erfolgt über unterschiedliche Möglichkeiten. Zum einen dienen die bereits genannten Handlungsbewertungslisten der Rückmeldung. Zudem kann mit Hilfe von Videoaufzeichnungen einzelne Schritte des Trainings evaluiert werden (ebd., S. 13). Die Simulationen werden mit den Auszubildenden und den Lehrkräften besprochen und kritisch reflektiert (ebd., S. 29 ff.).
4. Skills-Lab in der Medizin
Im dritten Kapitel wurden allgemeine Informationen bezüglich des Skills-Lab-Modells aufgezeigt. Die folgenden Seiten beschreiben die Methode und deren Ursprung im medizinischen Bereich. Es werden einige Argumente aufgezeigt, die die Implementierung des Fertigkeitentrainings in der Medizin begründen. Das Skills-Lab der Universität Heidelberg dient als Musterbeispiel zur Veranschaulichung dieses Konzepts im ärztlichen Tätigkeitsfeld. Am Ende des Kapitels werden die Vorteile eines Simulationsnetzwerkes aufgeführt.
1975 gründet die Universität Maastrich das erste Skills-Lab an einer medizinischen Fakultät (Nikendei et al. 2005, S. 1134). Mittlerweile sind 38 Simulationszentren an verschieden medizinischen Universitäten der Niederlande, Schweiz und Deutschland implementiert und als „Lehrform zwischen Theorie und Krankenbett“ (Damanakis et al. 2013, S. 2) anerkannt.
Studien ergeben, dass sich der Einsatz von Skills-Lab im medizinischen Bereich rentiert. Eine im Jahr 2005 durchgeführte Untersuchung ergibt beispielsweise, dass MedizinstudentInnen, die mit Hilfe von Skills-Lab unterrichtet wurden, deutlich bessere Ergebnisse im OSCE-Test[1] erzielten, als die Studierenden, die ihre medizinischen Fertigkeiten ohne Training direkt an PatientInnen erlernten (Jünger et al. 2005, S. 1015).
Eine weitere Studie überprüft den Lerntransfer von StudentInnen, die die Anlage einer Venenverweilkanüle während einer Simulation einüben. Mit Hilfe des Skills-Lab sind die Lernenden in der Lage, die Kanüle in kürzerer Zeit, einwandfreier und professioneller anzulegen, als die Kontrollgruppe, die diese Fertigkeit am PatientInnenbett einübt. Zudem empfinden die PatientInnen die TeilnehmerInnen der Interventionsgruppe kompetenter als die der Kontrollgruppe (Lund et al. 2012, S. 7). Ein systematisches Review, welches 44 randomisiert kontrollierte Studien der Jahre 1998 bis 2006 berücksichtigt, untersucht die Effektivität von Skills-Lab. 32 Studien (70%) zeigen eine Verbesserung der klinischen Fertigkeiten durch das Skills-Training auf (Lynagh et al. 2007, S. 883). Weitere Studien beschreiben den positiven Effekt des Feedbacks, der sich aus den Rückmeldungen der SimulationspatientInnen oder der Lehrenden ergibt (Issenberg et al. 2005, S. 22; Ortwein & Fröhmel 2002, S. 5).
Die Medizinische Universitätsklinik Heidelberg nimmt 2002 das Skills-Lab-Modell in ihr Curriculum auf, um die praktische Ausbildung der angehenden MedizinerInnen zu optimieren. Seither wird der Nutzen dieses Fertigkeitentrainings kontinuierlich überprüft. „Die Untersuchungen zeigen, dass ein spezifisches Training von ärztlichen Basisfertigkeiten sowohl subjektiv als auch objektiv zu einer signifikanten Verbesserung von klinischen Handlungskompetenzen führt.“ (Nikendei et al. 2005, S. 1133)
Mögliche Trainingsbereiche von Skills-Lab in der Medizin sind zum Beispiel körperliche Untersuchungen, intravenöse Blutentnahmen, der Umgang mit Infusionssystemen, das Schreiben und Analysieren von Elektrokardiogrammen oder die Anlage einer Magensonde (ebd., S. 1136).
Anhand des Skills-Lab der Universität Heidelberg wird im Folgenden aufgezeigt, auf welche Weise die praktische Implementierung dieses Konzepts realisiert werden kann. Es handelt sich hierbei um ein sehr umfangreiches und bereits erfolgreich integriertes Modell, welches regelmäßig evaluiert wird (Nikendei et al. 2005, S. 1135).
Das Skills-Training wird von den Studierenden des sechsten und siebten Semesters im Modul Innere Medizin durchlaufen. Ihnen steht dabei eine Lehrperson zur Seite, die sowohl die theoretischen Inhalte, als auch die Übung der praktischen Fertigkeiten unterrichtet beziehungsweise begleitet. Der Skills-Unterricht umfasst zwölf Wochen mit insgesamt zehn Doppelstunden Fertigkeitentraining. Dabei werden Handlungen aus sechs verschiedenen internistischen Themengebieten eingeübt. Die Lernziele werden transparent gemacht, indem Lernzielkataloge die zu erlernenden Fertigkeiten auflisten. Diesen werden Zahlen zwischen eins und vier zugeordnet. „1“ steht für die theoretische Beherrschung der Fertigkeit, „2“ dafür, dass die Handlung beobachtet wurde, „3“ für die selbstständige Durchführung und „4“ für das Vorhandensein einer Routine bei der Verrichtung der Handlung.
Neben den praktischen Tätigkeiten wie Blutentnahmen und Untersuchungen, werden kommunikative Fähigkeiten wie die PatientInnenaufklärung oder -beratung trainiert.
Der materielle Kostenaufwand belief sich anfangs auf ungefähr 130 000 Euro, wobei die laufenden Kosten pro StudentIn und Semester bei etwa 100 Euro liegen. Zur Unterstützung der Lehrkraft wird ein/e medizinisch technische/r AssistentIn und wissenschaftliche Hilfskräfte eingesetzt, die im Durchschnitt 20 Stunden pro Monat aushelfen.
Die Wirksamkeit von Skills-Lab konnte bereits nach Einführung des Modells mittels OSCE belegt werden. Außerdem wird der subjektive Nutzen für die Studierenden ermittelt, indem nach jedem zwölfwöchigen Durchlauf eine Befragung bezüglich der Motivation, der didaktischen Vorgehensweise und der Relevanz stattfindet (Nikendei et al. 2005, S. 1134-1137).
Darüber hinaus werden jeweils zu Beginn und am Ende des Semesters die subjektiven Kompetenzeinschätzungen anhand von 12 beispielhaften Maßnahmen wie dem Abnehmen von Blut, dem Legen intravenöser Zugänge oder dem Schreiben von EKGs usw. erfragt. Die Kompetenzeinschätzungen können zwischen den Polen 1 (niedrige Kompetenzeinschätzung) und 6 (hohe Kompetenzeinschätzung) angegeben werden. (ebd., S.1135)
Nikendei konstatiert, dass das „Skills-Lab-Konzept ein gutes Modell für die Vernetzung von Theorie und Praxis darstellt und die Ausbildung wirksam verbessert.“ (ebd., S. 1137)
[...]
[1] OSCE= Objective Structured Clinical Examination. OSCE ist ein Prüfverfahren, das neben den theoretischen Kenntnissen die Durchführung praktischer Fertigkeiten beurteilt. Dabei durchlaufen die PrüfungsteilnehmerInnen unterschiedliche Stationen, an denen sie mit Hilfe von SimulationspatientInnen ihre manuellen und kommunikativen Fähigkeiten zeigen. An jeder Station beurteilt ein/e PrüferIn anhand einer Checkliste (siehe Anhang S. 51) die Leistung der PrüfkandidatIn (Schultz et al. 2008, S. 669ff.).
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- Sarah Sander (Author), 2015, Skills-Lab in der Pflegeausbildung. Chancen und Herausforderungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/374275
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