„Je suis un vieux romantique enragé ou encroûté“, schrieb Gustave Flaubert noch nach der Veröffentlichung der Madame Bovary im Jahre 1857 an den befreundeten Literaturkritiker Sainte-Beuve. Gerade in seinem berühmtesten Werk sehen viele Literaturwissenschaftler jedoch die „Liquidation der Romantik“ verwirklicht.2 Das Verhältnis des Autors zur Literatur der Romantik, deren Lektüre seine eigenen Jugendjahre geprägt hat, ist widersprüchlich. Flaubert gilt mit seinen Hauptwerken neben Stendhal, Balzac und Zola zwar als Meister des realistischen Romans in Frankreich. Allerdings war nicht nur seine Jugend als Leser geprägt von der Leidenschaft für romantische Autoren wie Hugo, Chateaubriand, Musset und zunächst Lamartine3, über den er jedoch später in einem Brief an Louise Collet schreiben wird: „C'est un esprit eunuque, la couille lui manque, il n'a jamais pissé que de l'eau claire.“4 Auch seine eigenen (bezeichnenderweise erst posthum veröffentlichten) frühen Werke Les Mémoires d’un fou (1838) und Novembre (1842) weisen ihn selbst noch als Erben jener „egozentrischen, weltschmerzhaften, lyrisch-pathetischen und exaltierten Bekenntnisdichtung“ 5, die er später ablehnt. Madame Bovary sollte der erste Roman sein, den Flaubert noch zu Lebzeiten 1856 zur Veröffentlichung freigibt. Das Werk spiegelt im komplexen Umgang mit dem Erbe der Romantik die Hassliebe des Autors zur Literatur seiner Jugend wider. In meiner Arbeit werde ich zunächst konkrete intertextuelle Bezüge aufspüren. Es soll untersucht werden, in welcher Form und Funktion Flaubert Texte oder einzelne Elemente der romantischen Literatur aufgreift und welche Rolle dabei seine besondere Form der polyphonen Erzähltechnik als mögliches Mittel der Ironisierung spielt. Zentraler Bezugspunkt zur Romantik inmitten der realistischen Erzählung ist die Protagonistin, die nicht nur romantische Lektüren verschlingt, sondern das Gelesene auch auf ihr Leben zu übertragen versucht. Es stellt sich die Frage, inwieweit man von ihr als von einer ‚romantischen Heldin’ sprechen kann beziehungsweise wie Flaubert in ihr gerade dieses literarische Modell hinterfragt und ob sich aus der Figur der Emma Bovary die Haltung Flauberts gegenüber der Romantik erschließen lässt. 2 Friedrich (1939), 119. 3 Peyre (1979), 240f. 4 Flaubert, Correspondance, 6.6.1853 (http://www.univ -rouen.fr/flaubert/03corres/conard/lettres/53e.html). 5 Heitmann (1979), 89.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Intertextualität in Madame Bovary
- 2.1. Die Bezugstexte: Emmas Lektüren (Kapitel 1.6.)
- 2.2. Von romantischem Subjektivismus zu moderner Erzählperspektive
- 2.3. Parodie und Pastiche
- 2.3.1. Romantik in der Innenperspektive Emmas
- 2.3.2. Der romantische Diskurs bei Léon und Rodolphe
- 2.3.3. Zwischen Parodie und Pastiche
- 3. Emma Bovary - die Demontage der romantischen Heldin
- 3.1. Der 'bovarysme' als romantisches Leiden
- 3.2. Emma - eine moderne Anti-Heldin
- 3.3. Romantik auf der Metaebene: Emma als romantische Rezipientin
- 3.3.1. Emmas Lebenslüge
- 3.3.2. Emmas Bühnenpartner: Léon und Rodolphe
- 3.4. Letzte Vernichtung der romantischen Illusion: Emmas Tod
- 4. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht das komplexe Verhältnis zwischen Gustave Flauberts Roman "Madame Bovary" und dem Erbe der Romantik. Ziel ist es, die intertextuellen Bezüge aufzuzeigen und die Rolle der romantischen Literatur in der Gestaltung der Figur Emma Bovary und der Erzählperspektive zu analysieren. Die Arbeit beleuchtet, wie Flaubert romantische Elemente aufgreift und gleichzeitig ironisiert.
- Intertextualität und die Rolle romantischer Lektüren in Emmas Leben
- Die Darstellung und Dekonstruktion der romantischen Heldin in der Figur der Emma Bovary
- Flauberts ironische Erzähltechnik und ihre Funktion im Umgang mit romantischen Topoi
- Die Entwicklung der Erzählperspektive von romantischem Subjektivismus zu moderner Erzählweise
- Parodie und Pastiche als Mittel der literarischen Auseinandersetzung mit der Romantik
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung stellt die zentrale These der Arbeit vor: Flauberts "Madame Bovary" zeigt ein komplexes Verhältnis zur Romantik, indem es deren Elemente aufgreift, aber gleichzeitig ironisiert und dekonstruiert. Flauberts eigene Biografie und seine frühen, romantisch geprägten Werke werden kurz beleuchtet, um seinen späteren Bruch mit der Romantik zu kontextualisieren. Die Arbeit kündigt die Analyse der intertextuellen Bezüge und die Untersuchung von Emmas Rolle als romantische Rezipientin an.
2. Intertextualität in Madame Bovary: Dieses Kapitel analysiert die intertextuellen Bezüge zu romantischen Werken in "Madame Bovary". Der Fokus liegt auf Kapitel 1.6, das Emmas Lektüren detailliert beschreibt und als Schlüssel zu ihrem Verhalten und ihrer Psychologie dient. Die Analyse zeigt, wie Emma unreflektiert romantische Ideale in ihr Leben zu übertragen versucht, und wie Flaubert diese naive Rezeption ironisch kommentiert. Der Kapitel untersucht auch die Verwendung von Parodie und Pastiche, um romantische Klischees zu dekonstruieren.
3. Emma Bovary - die Demontage der romantischen Heldin: Dieses Kapitel konzentriert sich auf die Figur der Emma Bovary als Inbegriff der romantischen Heldin und deren "Demontage" durch Flaubert. Es untersucht das "bovarysme" als romantisches Leiden und zeigt, wie Emma als moderne Anti-Heldin dargestellt wird, die an ihren romantischen Illusionen scheitert. Die Analyse beleuchtet Emmas Lebenslüge und ihre Beziehungen zu Léon und Rodolphe im Kontext romantischer Ideale. Schließlich wird Emmas Tod als die endgültige Vernichtung der romantischen Illusion gedeutet.
Schlüsselwörter
Gustave Flaubert, Madame Bovary, Romantik, Intertextualität, Parodie, Pastiche, Emma Bovary, romantische Heldin, Erzählperspektive, Ironie, Realismus, "bovarysme", literarische Lektüre, Identifikation, Illusion, Dekonstruktion.
Madame Bovary: Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht das komplexe Verhältnis zwischen Gustave Flauberts Roman "Madame Bovary" und dem Erbe der Romantik. Sie analysiert die intertextuellen Bezüge und die Rolle der romantischen Literatur in der Gestaltung der Figur Emma Bovary und der Erzählperspektive. Ein Schwerpunkt liegt auf der Darstellung, wie Flaubert romantische Elemente aufgreift und gleichzeitig ironisiert.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit beleuchtet folgende Themen: Intertextualität und die Rolle romantischer Lektüren in Emmas Leben; die Darstellung und Dekonstruktion der romantischen Heldin in der Figur der Emma Bovary; Flauberts ironische Erzähltechnik und ihre Funktion im Umgang mit romantischen Topoi; die Entwicklung der Erzählperspektive von romantischem Subjektivismus zu moderner Erzählweise; Parodie und Pastiche als Mittel der literarischen Auseinandersetzung mit der Romantik.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit und worum geht es in jedem Kapitel?
Die Arbeit gliedert sich in vier Kapitel: Kapitel 1 (Einleitung): Stellt die zentrale These vor – Flauberts "Madame Bovary" zeigt ein komplexes Verhältnis zur Romantik durch Aufgreifen und gleichzeitiges Ironisieren und Dekonstruieren. Flauberts Biografie und frühe Werke werden kurz beleuchtet. Kapitel 2 (Intertextualität in Madame Bovary): Analysiert die intertextuellen Bezüge zu romantischen Werken, insbesondere Kapitel 1.6 (Emmas Lektüren). Untersucht Emmas naive Rezeption romantischer Ideale und Flauberts ironischen Kommentar. Analysiert Parodie und Pastiche. Kapitel 3 (Emma Bovary - die Demontage der romantischen Heldin): Konzentriert sich auf Emma als romantische Heldin und deren "Demontage". Untersucht "bovarysme", Emma als moderne Anti-Heldin, ihre Lebenslüge, Beziehungen zu Léon und Rodolphe und ihren Tod als Vernichtung romantischer Illusionen. Kapitel 4 (Fazit): Zusammenfassung der Ergebnisse.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Gustave Flaubert, Madame Bovary, Romantik, Intertextualität, Parodie, Pastiche, Emma Bovary, romantische Heldin, Erzählperspektive, Ironie, Realismus, "bovarysme", literarische Lektüre, Identifikation, Illusion, Dekonstruktion.
Welche Quellen werden in der Arbeit verwendet?
Die Arbeit bezieht sich explizit auf Kapitel 1.6 von Gustave Flauberts "Madame Bovary" und analysiert Emmas Lektüren als Schlüssel zu ihrem Verhalten und ihrer Psychologie. Weitere romantische Werke werden implizit durch die Analyse der Intertextualität und der Verwendung von Parodie und Pastiche berücksichtigt. Die genauen Quellenangaben fehlen in der gegebenen Vorschau.
Für wen ist diese Arbeit gedacht?
Diese Arbeit ist für ein akademisches Publikum gedacht, das sich mit Gustave Flaubert, "Madame Bovary", der Romantik und der Literaturwissenschaft auseinandersetzt. Die strukturierte und professionelle Analyse der Themen macht sie besonders für Studenten und Wissenschaftler relevant.
- Quote paper
- Katja Hettich (Author), 2005, Gustave Flauberts "Madame Bovary" und das Erbe der Romantik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/37065