Was versteht ein Existenzphilosoph unter "Existenz" und wie denkt er darüber nach? Was macht Existenz, Existenzphilosophie und Existenzialismus aus? Dieser Essay soll einen kleinen Einblick in den Existenzialismus sowie die damit verbundene Philosophie liefern und die existenzialistische Methode in ihren Grundzügen darlegen. Dazu werden zunächst die Begriffe Existenzialismus und Existenzphilosophie erläutert. Bevor dann wichtige Begriffe der Existenzphilosophie vorgestellt werden, um zu zeigen, womit sich ein Existenzialist beschäftigt, wird beschrieben, mit welcher Methodik vorgegangen wird. Das Fazit fasst alles noch einmal kurz zusammen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der Existenzialismus und die Existenzphilosophie
3. Die existenzialistische Methode
4. Die Existenz in der Philosophie
5. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die wohl bekannteste philosophische Strömung des 20. Jahrhunderts ist sicherlich die Existenzphilosophie, die sich derart maßgeblich auf die Gesellschaft auswirkte, dass sie darin einen eigenen Stereotypen schufen. Obwohl die Meisten höchst wahrscheinlich ein klares Bild eines Existenzialisten vor Augen haben, wie er schwarz gekleidet im Café sitzt und seinen schwarzen Kaffee schlürft, ist es wohl weitaus weniger klar, womit dieser sich genau beschäftigt und wie er dabei vorgeht während er vor sich hin qualmt; klar ist nur: dreht sich um die Existenz. Doch was versteht ein Existenzphilosoph darunter und wie denkt er darüber nach? Was macht Existenz, Existenzphilosophie und E xistenzialismus aus? Der folgende Text soll einen kleinen Einblick in den Existenzialismus sowie die damit verbundene Philosophie liefern und die existenzialistische Methode in ihren Grundzügen darlegen. Dazu werden zunächst die Begriffe Existenzialismus und Existenzphilosophie erläutert. Bevor dann wichtige Begriffe der Existenzphilosophie vorgestellt werden, um zeigen womit sich ein Existenzialist beschäftigt, wird beschrieben, mit welcher Methodik vorgegangen wird. Das Fazit fasst alles noch einmal kurz zusammen.
2. Der Existenzialismus und die Existenzphilosophie
In einem philosophischen Wörterbuch von 1987 wird der Begriff Existenzialismus als „einflußreiche [sic!] subjektiv-idealistische und irrationalistische Strömung der gegenwärtigen bürgerlichen Philosophie“[1] bezeichnet und ist nicht mehr als ein Synonym für den Begriff der Existenzphilosophie[2]. In gewisser Weise wirkt diese Definition abwertend, doch soll von einer solchen Implikation des Wortes bürgerlich hier abgesehen und als auf den Menschen bezogen verstanden werden, denn der Mensch selbst steht - wie sich im Folgenden zeigen wird - in der Existenzphilosophie im Mittelpunkt. Darüber hinaus sind alle philosophischen Theorien generell subjektiv und an die Ideale des Verfassers gebunden, doch stechen diese Merkmale bei existenzialistischen besonders heraus.
Irrationalistisch ist die Existenzphilosophie, da sie „die menschliche Erkenntnisfähigkeit herab[setzt] […] [und] insbesondere die wissenschaftliche Erkenntnis [herabsetzt]“[3]. Sie beschäftigt sich mit rein metaphysischen Phänomenen und beruht gänzlich auf der Argumentation des Theoretikers, der seine Beobachtungen benannt hat und anhand der aus seiner Analyse hervorgehenden Begriffe die Thesen aufstellt. Dabei bezieht sich der Existenzialist nicht auf bestehende philosophische Theorien[4]. Sie mutet somit regelrecht innovativ an, wenn man bedenkt, dass wissenschaftliche Arbeiten im Allgemeinen eher konservativ sind, da sie sich an dem Bestehenden orientieren und darauf aufbauen und sind dahingehend konservierend, dass sie voran gegangene Theorien ausweiten. Dieser individuelle Ursprung macht die Subjektivität der Existenzphilosophie deutlich. Und auch die Argumentation der Existenzialisten geht - wie sich später noch genauer zeigen wird - immer von der eigenen Sicht der Dinge aus. Der Idealismus und Subjetivismus, werden in Simone De Beauvoirs feministisch geprägten Werk Das andere Geschlecht[5] besonders deutlich. Sie verweist nämlich explizit darauf, dass nur eine Frau selbst den Standpunkt eben dieser verstehen kann, es viel mehr sogar noch will als ein Mann es tun könnte[6] und fordert an dieser Stelle sogar eine subjektive Darlegung des Sachverhaltes. Gabriel Marcel argumentiert sogar, dass keine andere Wahrnehmung der Existenz möglich ist als die rein subjektive[7].
Als Vorbereiter dieser Philosophie „gelten Nietzsche [1844-1900], [sowie sein philosophisches Vorbild Schopenhauer (1788-1860) und] besonders Kierkegaard [1813-1855]“[8], welcher „als deren Begründer [...] gilt“[9]. Die „Hauptvertreter des Existenzialismus sind in Deutschland Heidegger [1889-1976] und Jaspers [1883-1969], in Frankreich Sartre [1905-1980] und Marcel [1889-1973]“[10]. Weibliche Vertreter waren auf deutscher Seite Hannah Arendt (1906-1975) und auf französischer Simone de Beauvoir (1908-1986).
Bevor die existenzialistische Vorgehensweise näher beschrieben wird soll hier noch auf die Bedeutung von Existenzialismus eingegangen werden. Der darin enthaltene Begriff Ismus steht allgemein „ abwertend für bloße Theorie“[11]. Ein Ismus wird aber mittlerweile viel mehr als eine auf Theorien gründende Geisteshaltung verstanden. So ist der Monotheismus der Glaube an einen Gott, der Atheismus die Verneinung der Existenz von Göttern und Physikalismus der Glaube, dass alles physikalisch, sprich mit Hilfe der Naturwissenschaften erklärbaren Vorgängen entspringt. Der Begriff des Existenzialismus sollte also von dem der Existenzphilosophie in dem Sinne unterschieden werden, dass er eine aus den philosophischen Theorien entstehende oder eine solche bildende Weltanschauung bzw. Ideologie ist.
3. Die existenzialistische Methode
Die Grundlage der Existenzphilosophie bildet neben ihrem Kernthema der Existenz die metaphysische Disziplin der Phänomenologie, was wörtlich aus dem Griechischen übersetzt die „Lehre von den Erscheinungen“[12] bedeutet. Die Erscheinungen mit denen sie sich beschäftigt sind aber nicht physischem Charakters, wie beispielsweise die innerhalb der Biologie oder der Chemie, auch wenn sie den Beobachtungen der Umwelt entspringen. So verwendet Kant „das Wort in seiner Naturphilosophie zur Benennung der dort entworfenen Lehre von den empirischen Naturerscheinungen bloß [sic!] als Vorstellungen im Unterschied zur Lehre vom […] Ding an sich[13] “ und Hegel versteht darunter „die Erscheinungsformen des Geistes in der dialektischen und historischen Stufenfolge seiner [immateriellen] Gestalten von den unmittelbaren sinnlichen Gegebenheiten über das Selbstbewusstsein“[14]. Sie befasst sich mit dem, was man beobachten und untersuchen, aber nicht berechnen geschweige denn anfassen kann. Ihre Untersuchungsgegenstände sind beispielsweise anthropo-[15] oder psychologischer[16] Natur, metaphysische Phänomene wie die Angst, die Freiheit und das Nichts; Erscheinungen, die jeder kennt und in irgend einer Weise wahrnimmt und für die Worte von alltäglichem Gebrauch vorhanden, doch nur schwer zu beschreiben sind.
Insbesondere Husserls methodischer Vorschlag, dass in der Phänomenologie die Beschreibung der Erscheinungen und nicht ihre Analyse - der sie manchmal eben erst entsprungen sind - im Vordergrund steht[17], macht sie zu einem wichtigen Bestandteil der Existenzphilosophie. Denn letztere befasst sich ausschließlich mit aktuellen Sachverhalten und Begebenheiten; so beschäftigt sich Sartre mit dem sein des Menschen in Bezug auf die Freiheit des modernen Menschen in einer westlich geprägten Gesellschaft[18] und Simone de Beauvoir speziell die der Frau innerhalb dieser modernen Gesellschaften[19], ein Thema, das zu platonischen Zeiten noch reine Männersache war.
Viele Existenzialisten verweisen in ihren Schriften auf die große Bedeutsamkeit der Phänomenologie. So hebt zum Beispiel Hannah Arendt hebt hervor, dass „in der phänomenologischen Bewußtseinsbeschreibung [sic!] gerade die isolierten, aus ihrem Funktionszusammenhang gerissenen Dinge als Inhalte beliebiger Bewußtseinsakte [sic!] [erfasste] und schien sie durch den „Bewußtseinsstrom“ [sic!] mit dem Menschen wieder zu verbinden“[20],
weshalb sie bestens geeignet ist die existenzphilosophischen Erkenntnisgegenstände zu behandeln. Und auch Heidegger, auf den Maurice Merleau-Ponty sich in seinen existenzialistischen Abhandlungen stützt, geht ausdrücklich phänomenologisch vor[21].
Einen weiteren Teil Der Existenzphilosophie bildet quasi notwendiger Weise die Ontologie, die „Lehre vom Sein“[22]. Mit der Existenz, welche im nun folgenden Kapitel näher Erläutert wird, ist nämlich das Sein des Menschen mit all seinen Qualitäten gemeint. Damit dieses überhaupt verstanden werden kann, muss man sich zuerst mit dem Sein an sich auseinandersetzen, denn ist es unnötig sich mit dem Sein einer explizit bestimmten Entität auseinanderzusetzen, wenn es für sich allein stehend noch nicht ausreichend beschrieben wurde. Die Existenzphilosophie fragt „nach dem Sein als solchem überhaupt […] und dessen Differenziertheit, seine Gliederung in unterschiedliche Seinsweisen zum Thema machen“[23]. Sartre - der wohl berühmteste Existenzphilosoph und Existenzialist - widmete der Synthese von Ontologie und Phänomenologie sogar ein ganzes Buch mit dem Titel Das Sein und das Nichts – Versuch einer phänomenologischen Ontologie, worin er zwischen „drei Seinsweisen [des Seienden]: das An-sich-sein, das Für-sich-sein und das Phänomensein “[24] unterscheidet. Heidegger führt in seinen Schriften ebenfalls ausdrücklich ontologische Untersuchungen durch, in welchen er das Sein mit der Zeitlichkeit verbindet[25].
4. Die Existenz in der Philosophie
Schon rein etymologisch bringt die Existenzphilosophie zum Ausdruck, worum es sich darin dreht. Der Grund warum dieser Kernbegriff Existenz bisher noch nicht erörtert wurde ist der, dass er von den verschiedenen Existenzialisten sehr differenziert behandelt und erarbeitet wird. So unterschiedlich dieser Begriff von den einzelnen Existenzialisten auch aufgefasst wird, bezeichnet er im Grunde immer das selbe Phänomen: das Sein bzw. Dasein des Menschen in seiner gegenwärtigen Umwelt. Des weiteren hat Kierkegaard dessen Bedeutung für die Existenzphilosophie festgelegt, „denn tatsächlich wurde […] [sein] Existenzbegriff in dieser Form von den Späteren [ Existenzphilosophen ] übernommen“[26]. Nach seiner Vorstellung ist die Existenz mehr als nur ein begrenztes und vergängliches Sein, welches dem Menschen widerfährt und mit der Geburt beginnt und dem Tod endet. Für ihn ist das Existieren vielmehr eine
„Lebenskunst im Sinne einer produktiven Tätigkeit […] sein Leben […] nach Maßgabe einer Idealvorstellung von sich selbst [zu gestalten], die primär ästhetisch, ethisch oder religiös orientiert sein kann […] und [er] beschreibt den Vorgang des Existierens qua Sichverhalten als Aneignung oder Durcharbeiten von Möglichkeiten, zu deren Umsetzung man sich im Rahmen seines Selbstentwurfs entschieden hat, in der Innerlichkeit der Subjektivität“[27].
[...]
[1] Buhr & Klaus, Philosophisches Wörterbuch - Band 1, 1987, S. 390.
[2] Vgl.: Buhr & Klaus, Philosophisches Wörterbuch - Band 1, 1987, S. 390.
[3] Buhr & Klaus, Philosophisches Wörterbuch - Band 1, 1987, S. 391.
[4] Vgl.: Buhr & Klaus, Philosophisches Wörterbuch - Band 1, 1987, S. 392.
[5] Eine eher patriarchalische Übersetzung des eigentlichen französischen Titels Le Deuxième Sexe, dessen wörtliche Übersetzung Das zweite Geschlecht lautet, was den gesellschaftlichen Stellwert der Frauen zum Ausdruck bringen soll.
[6] Vgl.: De Beauvoir, Simone; Das andere Geschlecht, 1989, S. 20.
[7] Vgl.: Marcel, Gabriel; Metaphysisches Tagebuch, 1955, S. 427 ff.
[8] Buhr & Klaus, Philosophisches Wörterbuch - Band 1, 1987, S. 391.
[9] Hügli, Anton & Thurnherr, Urs (Hrsg.); Lexikon Existenzialismus und Existenzphilosophie, 2007, S. 87.
[10] Buhr & Klaus, Philosophisches Wörterbuch - Band 1, 1987, S. 391.
[11] Drosdowski, Der Duden – Rechtschreibung der deutschen Sprache, 2006, S. 380.
[12] Buhr & Klaus, Philosophisches Wörterbuch - Band II, 1987, S. 927.
[13] Buhr & Klaus, Philosophisches Wörterbuch - Band II, 1987, S. 928.
[14] Buhr & Klaus, Philosophisches Wörterbuch - Band II, 1987, S. 928.
[15] So hat Simone de Beauvoir eine geschichtliche Herleitung zur aktuellen Situation der Frau erarbeitet (Vgl.: De Beauvoir, Das andere Geschlecht, 1989, S. 69 ff.
[16] Maurice Merleau-Ponty beispielsweise setzt sich in seiner Phänomenologie der Wahrnehmung verstärkt mit psychologischen Phänomenen auseinander (Vgl.: Merleau-Ponty, Phänomenologie der Wahrnehmung, 1966, S. 397-404).
[17] Vgl.: Buhr & Klaus, Philosophisches Wörterbuch - Band II, 1987, S. 929.
[18] Vgl.: Sartre, Das Sein und das Nichts, 1986, S. 753 ff.
[19] Vgl.: De Beauvoir, Das andere Geschlecht, 1989, S. 8 ff.
[20] Arendt, Was ist Existenzphilosophie, 1990, S. 8.
[21] Vgl.: Hügli & Thurnherr, Lexikon Existenzialismus und Existenzphilosophie, 2007, S. 202 ff.
[22] Buhr & Klaus, Philosophisches Wörterbuch - Band II, 1987, S. 890.
[23] Hügli & Thurnherr, Lexikon Existenzialismus und Existenzphilosophie, 2007, S. 221.
[24] Hügli & Thurnherr, Lexikon Existenzialismus und Existenzphilosophie, 2007, S. 224.
[25] Vgl.: Heidegger, Sein und Zeit, 1993, S. 370 ff.
[26] Zimmermann, Einführung in die Existenzphilosophie, 1992, S. 21.
[27] Hügli & Thurnherr, Lexikon Existenzialismus und Existenzphilosophie, 2007, S. 88.
- Arbeit zitieren
- Bennet Ludwig (Autor:in), 2015, Existenzphilosophie und Existenzialismus. Eine kurze Einführung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/370074
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