Die vorliegende Arbeit versucht ein Forschungsdesign zum Thema „Immerwährende Neutralität in Europa“ zu entwerfen. Dieses Thema habe ich aufgegriffen, da am 10. September 2002 die immerwährend neutrale 1 Schweiz in die UNO eingetreten is t. Angesichts dessen stellt sich nun die Frage inwiefern das Konzept der Neutralität in Europa veraltet ist, da nun nach dem Völkerrecht kein europäisches Land mehr als neutral gelten kann. 2 Ich werde in der Arbeit folgendermaßen vorgehen: zuerst (II) werde ich die Fragestellung präzisieren und ihre Relevanz erläutern, das zugrunde liegende Forschungsproblem identifizieren und etwas zu den wissenschaftstheoretischen Vorraussetzungen des Designs sagen. In Abschnitt III werden die Haupthypothese und ihre Variablen vorgestellt, außerdem das verwendete Kausalverständnis erläutert, auf das Akteur-Struktur-Problem eingegangen und schließlich wird der Versuch unternommen, die Variablen zu operationalisieren. Im folgenden Abschnitt (IV) wird das Untersuchungsdesign präsentiert und eine Fallauswahl vorgeschlagen und begründet. Schließlich sollen im letzten Abschnitt das Untersuchungsdesign zusammengefasst und ein paar abschließende Überlegungen angestellt werden. 1 Immer wenn ich nur neutral schreibe, meine ich immerwährend neutral, außer es steht explizit etwas anderes dabei. 2 Hier ist zu überlegen, inwiefern die Schweiz noch als immerwährend neutral gelten kann. Ich denke an ein Szenario eines möglichen 2. „Kriegs“ gegen den Irak mit Zustimmung der UNO, während dem die Schweiz evtl. Überflugrechte oder ähnliches gewähren müsste. (Problem: gilt die UNO dann als „kriegsführende Partei“?)
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Die Fragestellung
III. Die Theorie
1. Die Hypothese und ihre Variablen
2. Das Kausalitätsverständnis
3. Das Akteur-Struktur-Problem
4. Die Operationalisierung der Variablen
IV. Das Untersuchungsdesign und die Fallauswahl
V. Zusammenfassung
VI. Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Die vorliegende Arbeit versucht ein Forschungsdesign zum Thema „Immerwährende Neutralität in Europa“ zu entwerfen. Dieses Thema habe ich aufgegriffen, da am 10. September 2002 die immerwährend neutrale[1] Schweiz in die UNO eingetreten ist. Angesichts dessen stellt sich nun die Frage inwiefern das Konzept der Neutralität in Europa veraltet ist, da nun nach dem Völkerrecht kein europäisches Land mehr als neutral gelten kann.[2]
Ich werde in der Arbeit folgendermaßen vorgehen: zuerst (II) werde ich die Fragestellung präzisieren und ihre Relevanz erläutern, das zugrunde liegende Forschungsproblem identifizieren und etwas zu den wissenschaftstheoretischen Vorraussetzungen des Designs sagen. In Abschnitt III werden die Haupthypothese und ihre Variablen vorgestellt, außerdem das verwendete Kausalverständnis erläutert, auf das Akteur-Struktur-Problem eingegangen und schließlich wird der Versuch unternommen, die Variablen zu operationalisieren. Im folgenden Abschnitt (IV) wird das Untersuchungsdesign präsentiert und eine Fallauswahl vorgeschlagen und begründet. Schließlich sollen im letzten Abschnitt das Untersuchungs-design zusammengefasst und ein paar abschließende Überlegungen angestellt werden.
II. Die Fragestellung
Bevor die Fragestellung konkretisiert werden kann, muss zunächst einmal auf die Form der hier angesprochenen Neutralität eingegangen werden. Nach dem Völkerrecht (§ 149) gibt es drei Typen von Neutralität: als „gewöhnliche“ Neutralität bezeichnet man den Rechtsstatus eines Staates, der sich an einem bestimmten Krieg zwischen zwei anderen Staaten nicht beteiligt. „Immerwährende“ Neutralität bedeutet, dass sich ein Staat auch in allen künftigen Kriegen und im Frieden zur Neutralität verpflichtet. Das heißt eben auch, dass letzterer sich jeglicher Beteiligung an sicherheitspolitischen Zusammenschlüssen enthält. Zu diesen ist auf jeden Fall die NATO, auch die EU (wegen der GASP) zu zählen. Die UNO als solchen zu kategorisieren ist schwierig (s.u.). Die „faktisch dauernde“ Neutralität ist lediglich eine Maxime der Außenpolitik ohne völkerrechtliche Bindung, wie sie heute z.B. in Schweden zu finden ist. In dieser Arbeit werden nur diejenigen europäischen Staaten betrachtet, die zwischen 1955/56 und 2002 immerwährend neutral waren (als da sind: Österreich, Schweden, Finnland und die Schweiz) bzw. (was die osteuropäischen Länder Polen, Tschechoslowakei und Ungarn angeht) es in diesem Zeitraum einmal in Erwägung zogen, neutral zu werden. Dieser zeitliche Rahmen lässt sich dadurch rechtfertigen, dass in diesem Zeitraum sowohl die unabhängige als auch die abhängige Variable stärker variieren als sie das vor (und was die Bedingungsvariable angeht auch nach) dieser Zeitspanne tun. Diese Varianz hilft später bei der Überprüfung der Hypothese.
Die Fragestellung ist also: Ist die immerwährende Neutralität in Europa ein Auslaufmodell und falls ja, warum. Das bedeutet, das Explanandum/die abhängige Variable ist der beobachtete zahlenmäßige Rückgang von Ländern in Europa, die sich nicht nur als immerwährend neutral bezeichnen, sondern dies nach der Festlegung durch das Völkerrecht auch tatsächlich sind. Es ist also ein Problem der Wirklichkeit, und zwar eine unerklärte Beobachtung. Gefragt wird: Warum ist das so? Warum ist es nicht anders? Es soll eine Theorie neu konstruiert werden, die diese Beobachtung erklären kann, denn leider habe ich in der Sekundärliteratur keine Theorien gefunden und dieses Fehlen wird von den Autoren auch bemängelt.[3]
Zudem ist das Thema relevant, da es sich auf aktuelle, noch nicht erklärte Ereignisse bezieht. Zum Beispiel der Entschluss von Tschechien, Polen und Ungarn der NATO beizutreten und der Wunsch von sieben weiteren osteuropäischen Staaten der NATO anzugehören.
Ich erhoffe mir Antworten z.B. darauf, warum die osteuropäischen Staaten, nachdem Anfang der 1990er die Neutralität (sog. „Austrifizierung“ oder „Finnlandisierung“ und die Idee eines „neutralen Gürtels“) für einige von ihnen noch eine Option war, sie das heute aber nicht mehr ist, die NATO also attraktiver geworden ist als die Neutralität.
Auch der Entschluss Österreichs, Finnlands und Schwedens der EU beizutreten, soll erklärt werden.
Ich denke, dass hier der wissenschaftstheoretische Realismus am besten greift, da er annimmt, die Welt existiere unabhängig vom Denken des Menschen, sie ist „real“ und daher mit den Methoden der Wissenschaft (z.B. Beobachtung) erfassbar, was auch bedeutet, dass sich wissenschaftliche Theorien im reifen Stadium auf diese Welt beziehen. Vor allem die Annahme, die den scientific realism mit am deutlichsten vom Positivismus unterscheidet, dass auch Unbeobachtbares „real“ (tatsächlich vorhanden) sein kann und mit Theorien erfasst werden kann und, dass man oft nur durch die Annahme von unbeobachtbaren Mechanismen die Brücke zwischen einer Beobachtung und ihrer Ursache schlagen und so eine lückenlose Kausalkette bauen kann, erscheint mir hier sinnvoll. Da viele Prozesse in den Sozialwissenschaften unbeobachtbar sind, käme ich mit den Annahmen des Positivismus (u. a. Unbeobachtbares ist „unwissenschaftlich“) nicht sehr weit. Zudem genügt mir (als Realist) bloße Korrelation nicht für eine kausale Erklärung, welche für Positivisten die einzig mögliche Erklärungsform ist. Zum Kausalverständnis später aber noch genaueres (siehe Abschnitt III.2).[4]
III. Die Theorie
Es existieren zum Thema Neutralität zwar viele (eher) deskriptive Untersuchungen, wie Neutralität von den verschiedenen neutralen Ländern gehandhabt wurde und teilweise werden die Länder auch untereinander verglichen, aber es wird nirgendwo verallgemeinernd begründet, warum fast alle Neutralen (bis auf die Schweiz) sich nach und nach sowohl begrifflich (z.B. Schweden nennt sich „allianzfrei“, nicht mehr neutral) als auch völkerrechtlich von der Neutralität losgesagt haben. Wie dies in den einzelnen Ländern vor sich ging, wird je nachdem mehr oder weniger detailliert beschrieben, teilweise sogar begründet, warum dies in den jeweiligen speziellen (v. a. innenpolitischen) Umständen so geschah. Eine allgemeine, systematisch vergleichende Theorie, die dann die Gemeinsamkeiten (und Unterschiede) der Neutralen entdeckt, z.B. ähnliche Reaktionen auf bestimmte außenpolitische Herausforderungen, gleiche Gründe für das stückweise Aufgeben der Neutralität etcetera habe ich nicht finden können. Es fehlt sozusagen noch ein Dach über all dem, unter dem man die vorhandenen Ergebnisse summieren und in einen größeren Zusammenhang stellen könnte.
[...]
[1] Immer wenn ich nur neutral schreibe, meine ich immerwährend neutral, außer es steht explizit etwas anderes dabei.
[2] Hier ist zu überlegen, inwiefern die Schweiz noch als immerwährend neutral gelten kann. Ich denke an ein Szenario eines möglichen 2. „Kriegs“ gegen den Irak mit Zustimmung der UNO, während dem die Schweiz evtl. Überflugrechte oder ähnliches gewähren müsste. (Problem: gilt die UNO dann als „kriegsführende Partei“?)
[3] Eine Reihe von Thesen hat Michael Gehler zusammengestellt, aber eine übergreifende Theorie ist nicht herauslesbar. Er meint auch, dass dazu noch einige Grundvoraussetzungen fehlen, wie z.B. die genaue historische Aufarbeitung der Politik der Neutralen und die Politik der anderen Staaten und der internationalen Organisationen etc gegenüber den Neutralen. S. 89 – 100 in: M.G. 2001: Finis Neutralität? ZEI an der Uni Bonn
[4] Russell Keat/John Urry 1975: Social Theory as Science, London/Boston: Routledge & Kegan Paul, S. 32 und 37/38 und Alexander Wendt 1999: Social Theory of International Politics, Cambridge: Cambridge University Press, S. 47 und 51
- Arbeit zitieren
- Julia C. M. Willke (Autor:in), 2003, NEUTRALITÄT IN EUROPA: Ein Forschungsdesign, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/36959
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