Horoskope genießen als Textsorte aus wissenschaftlicher Sicht kein besonders hohes Ansehen. Sie werden meistens mit Astrologie und Aberglauben assoziiert und demzufolge oft verächtlich behandelt und belächelt. Sie gelten als banal, billig und trivial. Jedoch bei einer genaueren Untersuchung stellt sich heraus, dass in ihnen ein großes Potenzial steckt, was nicht nur in der vorliegenden Arbeit zu zeigen versucht wird, sondern wovon auch die in den letzten Jahren zu diesem Thema entstandene Literatur zeugt. Sie wurden über einen langen Zeitraum vernachlässigt, jedoch ungerecht. Auch die Tatsache, dass sie in fast jeder Zeitung oder Zeitschrift erscheinen, bedeutet, dass sie ein fester Bestandteil der Massenmedien sind und gern gelesen werden. Es gibt viele Menschen, die sich nach ihrem Inhalt richten, genauso wie nach einer Wettervorhersage.
Im ersten Teil wird der theoretische Hintergrund mit Hilfe entsprechender Fachliteratur genauer beleuchtet. Dabei wird auf begriffliche Grundlagen sowie verschiedene Theorieansätze eingegangen, wie sich die Entwicklung der Textlinguistik vollzogen hat, von ihrer transphrastischen, über kommunikativ-pragmatische bis zur kognitivistischen Phase. Es werden vor allem die Grundbegriffe wie Text, Textsorte und Textfunktion erklärt. Der weitere Teil erläutert den Begriff des Horoskops und versucht die Eigenschaften zu beschreiben, die es zu einer Pressetextsorte ausmachen. Anschließend wird der bisherige Forschungsstand präsentiert, dafür wurden einige wissenschaftliche Arbeiten ausgewählt, die zu diesem Thema entstanden sind. Im empirischen Teil werden Horoskope unter verschiedenen Kriterien untersucht.
INHALTSVERZEICHNIS
1. Einführung
2. Theoretische Grundlagen
2.1. Text als Untersuchungsgegenstand der Textlinguistik
2.2. Textsorten und ihre Klassifikation
2.3. Textfunktion
3. Linguistische Analyse Horoskope als Pressetextsorte
3.1. Theoretische Grundlagen für Untersuchungskriterien
3.1.1. Begriffsbestimmung »Horoskop«
3.1.2. Horoskope als Pressetexsorte
3.1.3. Zum Forschungsstand
4. Sprachliche Analyse
4.1. Situationalität
4.1.1. Die Produzenten von Pressehoroskopen.
4.1.2. Die Rezipienten von Horoskopen
4.1.3. Die materielle Textgestalt
4.2. Funktionalität
4.2.1. Horoskop als Informationstext
4.2.2. Horoskop als Appelltext
4.2.3. Horoskop als Kontakttext
4.3. Thematizität
4.4. Formulierungsadäquatheit
4.4.1. Formulierungsmuster
4.4.2. Textsortenspezifische Lexeme und Wortgruppen
4.4.2.1. Personenbezeichnungen
4.4.2.2. Objektbezeichnungen
4.4.2.3. Bezeichnungen für den Bezug auf die Sterne
4.4.3. Zeitausdrücke
4.4.4. Modalität
4.4.5. Syntaktische Charakteristika
5. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
1. Einführung
Horoskope genießen als Textsorte aus wissenschaftlicher Sicht kein besonders hohes Ansehen. Sie werden meistens mit Astrologie und Aberglauben assoziiert und demzufolge oft verächtlich behandelt und belächelt. Sie gelten als banal, billig und trivial. Jedoch bei einer genaueren Untersuchung stellt sich heraus, dass in ihnen ein großes Potenzial steckt, was nicht nur in der vorliegenden Arbeit zu zeigen versucht wird, sondern wovon auch die in den letzten Jahren zu diesem Thema entstandene Literatur zeugt. Sie wurden über einen langen Zeitraum vernachlässigt, jedoch ungerecht. Auch die Tatsache, dass sie in fast jeder Zeitung oder Zeitschrift erscheinen, bedeutet, dass sie ein fester Bestandteil der Massenmedien sind und gern gelesen werden. Es gibt viele Menschen, die sich nach ihrem Inhalt richten, genauso wie nach einer Wettervorhersage.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der sprachlichen Analyse der Textsorte Horoskop. Sie ist in theoretischen und empirischen Teil gegliedert.
Im ersten Teil wird der theoretische Hintergrund mit Hilfe entsprechender Fachliteratur genauer beleuchtet. Dabei wird auf begriffliche Grundlagen sowie verschiedene Theorieansätze eingegangen, wie sich die Entwicklung der Textlinguistik vollzogen hat, von ihrer transphrastischen, über kommunikativ-pragmatische bis zur kognitivistischen Phase. Es werden vor allem die Grundbegriffe wie Text, Textsorte und Textfunktion erklärt. Der weitere Teil erläutert den Begriff des Horoskops und versucht die Eigenschaften zu beschreiben, die es zu einer Pressetextsorte ausmachen. Anschließend wird der bisherige Forschungsstand präsentiert, dafür wurden einige wissenschaftliche Arbeiten ausgewählt, die zu diesem Thema entstanden sind.
Im empirischen Teil werden Horoskope unter verschiedenen Kriterien untersucht. Als erstes wird das situativ-kommunikative Umfeld vorgestellt. Insbesondere werden die Produzenten und Rezipienten von Horoskopen in Betracht gezogen, von wem sie geschaffen werden, ob es überhaupt den Lesern bekannt ist, und wer als Adressatenkreis fungiert. Dazu werden verschiedene Forschungsergebnisse dargestellt. Auch ihr Layout rückt hier in den Fokus. Diese kurzen Texte, obwohl sie stark strukturiert sind, sehen je nach Zeitung/Zeitschrift anders aus, jedoch ist diese Textsorte für den Leser sofort als Horoskop zu erkennen. Weiterhin werden die Funktionen der Horoskope überprüft, denn sie sind polyfunktional erfasst. Es wird die Frage beantwortet, welche ihrer Funktionen sich als dominierende auffassen lässt und von welchen sie gestützt wird. Im weiteren Schritt wird auf das Thema des Horoskops zurückgegriffen, weil sie die wichtigsten Themen des Alltags ansprechen, wie Beruf, Liebe oder Gesundheit. Abschließend wird zur Analyse der lexikalischen und syntaktischen Charakteristika übergangen, also mit Hilfe welcher lexikalischer Mittel sie geschaffen werden als auch wie sich die Syntax in den verschiedenen Zeitungen bzw. Zeitschriften heranbildet. Diese relativ kurzen Texte, die meistens aus einigen Sätzen besten, zeichnen sich durch wunderbare Mannigfaltigkeit von sprachlichen Mitteln, um verschiedene Aspekte zu beschreiben, wie Objekte, Personen oder Bezug für die Sterne, dabei bleiben sie für den Leser verständlich.
Die vorgenommene Analyse der Horoskope wird mithilfe verschiedener Methoden durchgeführt. Einerseits werden untersuchte textsortenspezifische Merkmale aus dem gesamten Korpus herausgezogen, andererseits, wo es scheint, am produktivsten zu sein, werden Horoskope aus den einzelnen Zeitungen und Zeitschriften miteinander verglichen. Die Analyse basiert also auf der Vergleichsmethode. Damit wird jedes Kriterium, jeder bestimmte Faktor der einzelnen Horoskope und ihre Relationen herausgebracht, um im weiteren Verlauf der Analyse die auftretenden Merkmale der Textsorte Horoskop zu veranschaulichen.
2. Theoretische Grundlagen
Mit Texten befassen sich zahlreiche wissenschaftliche Disziplinen, wie beispielsweise die Literaturwissenschaft oder die Rhetorik. Seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts sind sie aber Gegenstand einer relativ neuen Teildisziplin der Linguistik – der Textlinguistik. Sie setzte sich mit dem Paradigmenwechsel durch, also mit dem Übergang von der systemorientierten zur kommunikations- und funktionsbezogenen Sprachbetrachtung (vgl. Fix/Poethe/Yos 2003, S. 11). Nicht mehr der Satz, wie bisher, sondern der Text gilt ab jetzt als oberste linguistische Einheit, „da sich Kommunikation – wenn sie sprachlich ist – immer in Texten, nicht in isolierten Sätzen oder Wörtern vollzieht” (vgl. Helbig 1988, S. 155 zit. nach Bachmann-Stein 2004, S. 25). Folglich sollte zunächst erklärt werden, was in der vorliegenden Arbeit als Text aufgefasst wird. Eine allgemein akzeptierte Definition des Textes gibt es aber nicht. Im Bereich der Textlinguistik funktionieren viele unterschiedliche Textdefinitionen, obwohl diese Forschungsdisziplin der Sprachwissenschaft relativ jung ist. In diesem Kapitel werde ich einige davon näher betrachten.
2.1. Text als Untersuchungsgegenstand der Textlinguistik
Der Textbegriff wurde erst in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts in den Mittelpunkt der sprachwissenschaftlichen Betrachtung genommen. Allein durch die Tatsache, dass die Menge von Textdefinitionen ungezählt ist, wurde der Text zu einem Phänomen. Anfangs war man daran interessiert, Merkmale von Textualität zu unterscheiden und damit Texte von Nicht-Texten abzugrenzen. Um zu klären, was sprachliche Äußerungen texthaft ausmacht, wurden unterschiedliche methodische Vorgehensweisen unternommen (vgl. Furthmann 2006, S. 64). Allgemein unterscheidet man drei Hauptphasen in der Entwicklung der Textlinguistik:
- den transphrastischen Ansatz,
- den kommunikativ-pragmatischen Ansatz,
- den kognitivistischen Ansatz.
Initiativen zur Entwicklung der Textlinguistik im deutschsprachigen Raum stammen unter anderem von Hartmann. Es gab auch wesentliche Impulse von ostdeutschen Linguisten wie Isenberg oder Agricola. In einer für die Entwicklung der Textlinguistik grundlegenden Arbeit definiert Harweg den Text als „ein durch ununterbrochene pronominale Verkettung konstituiertes Nacheinander sprachlicher Einheiten” (Harweg 1968, S. 148, zit. nach Schoenke 2000, S.124). Der Text wird also als eine kohärente Folge von Sätzen definiert. Dadurch wird der Satz in der Hierarchie sprachlicher Einheiten weiterhin angesehen und gilt als die Struktureinheit des Textes. Der für die Textlinguistik zentrale Begriff der Textkohärenz wird hier rein grammatisch gefasst. Er bezeichnet in dieser textlinguistischen Forschungsrichtung ausschließlich die syntaktisch-semantischen Beziehungen zwischen Sätzen bzw. zwischen sprachlichen Elementen (Wörtern, Wortgruppen usw.) in aufeinanderfolgenden Sätzen (vgl. Brinker 20056, S.14). Das theoretische Grundkonzept wurde also dadurch nicht verändert, nur die „Domäne” der Grammatik (vgl. Heinemann/Viehweger 1991, S. 26).
Mit Beginn der 70er Jahre kommt es in der Textlinguistik zur so genannten pragmatischen Wende. Die syntaktisch-semantischen Sequenzen von Sätzen wurden als Bedingung für die Textualität nicht mehr hinreichend. Ab jetzt wird die kommunikative Funktion des Textes von Linguisten in Betracht gezogen. Die erste allgemeine Bestimmung stammt von Hartmann, der sagt: „Mit ,Text´ kann man alles bezeichnen, was an Sprache vorkommt, da es Sprache in kommunikativer oder wie immer sozialer, d.h. partnerbezogener Form ist” (Hartmann 1964, S. 17, zit. nach Heinemann/Heinemann 2002, S. 95). Auch Brinker integriert neue Forschungsansätze in seine Textdefinition. Er berücksichtigt die kommunikative Kompetenz und bezeichnet den Text in seiner Definition als „eine begrenzte Folge von sprachlichen Zeichen, die in sich kohärent ist und die als Ganzes eine erkennbare kommunikative Funktion signalisiert” (Brinker 20056, S.17). In der vorliegenden Definition sind zwei Aspekte von großer Wichtigkeit: der Umfang, also was unter „Folge von sprachlichen Zeichen” zu verstehen ist, und die Funktion des Textes. In Anknüpfung an den ersten Aspekt weist Brinker darauf hin, dass auch kleinere sprachliche Gebilde wie Ein-Wort-Äußerungen (z.B. Feuer!, Hilfe!) oder Ein-Satz-Äußerungen (z.B. Das Betreten der Baustelle ist verboten!) unter bestimmten situativen Bedingungen als Texte im kommunikativen Sinne gelten können. In der von Brinker vorgeschlagenen Definition spielt die kommunikative Funktion des Textes eine bedeutende Rolle, weil Texte als Instrumente des intentionalen menschlichen Handelns angesehen werden, und dies kann sowohl schriftlich, als auch mündlich vorkommen. Jedoch wird dabei die Kommunikationsrichtung auf dem monologischen Text (ein Schreiber bzw. Sprecher) eingeschränkt (vgl. Brinker 20056, S.18ff.). Mit der Entwicklung der Kognitionswissenschaften erhielt auch die Textlinguistik neue wichtige Impulse. Die kognitiven Prozesse der Wissensverarbeitung bei Textproduktion und Textrezeption stehen in diesem Ansatz an zentraler Stelle. Eine textlinguistische Betrachtung dieser Theorie stellen 1981 de Beaugrande und Dressler dar. Das Ziel ihrer Überlegungen war herauszufinden „welche Kriterien Texte erfüllen müssen, wie sie erzeugt und aufgenommen werden können, wie sie in einem gegebenen Kontext gebraucht werden können usw.” (de Beaugrande/Dressler 1981, S. 3) Sie definieren den Text als „eine kommunikative Okkurrenz, die sieben Kriterien der Textualität erfüllt“ (ebd.). Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass nach den beiden Wissenschaftlern, wenn eines dieser Kriterien nicht erfüllt wird, der Text als nicht kommunikativ gilt und dadurch als Nicht-Text behandelt wird. Diese Kriterien lassen sich in zwei Gruppen aufteilen: text-zentrierte, deren Operationen direkt das Textmaterial betreffen (Kohäsion und Kohärenz) und verwender-zentrierte, welche die Aktivität der Text-Kommunikation angehen (Intentionalität, Akzeptabilität, Informativität, Situationalität und Intertextualität). Als erstes Kriterium nennen de Beaugrande und Dressler Kohäsion. Sie verstehen darunter „die Art, wie die Komponenten des OBERFLÄCHENTEXTES, d.h. die Worte, wie wir sie tatsächlich hören oder sehen, miteinander verbunden sind.” (vgl. 1981, S. 3f) Sie weisen dabei darauf hin, dass diese Oberflächenkomponenten voneinander durch grammatische Formen und Konventionen abhängen, also beruht Kohäsion auf grammatischen Abhängigkeiten. Das nächste Kriterium ist die Kohärenz. Es ist für sie die Grundlage des dem Text zugrundeliegenden Sinnzusammenhangs, wobei es das Ergebnis kognitiver Prozesse ist, bei denen eigenes Wissen verarbeitet wird (vgl. Schoenke 2000, S. 125). Als drittes Kriterium erwähnen sie Intentionalität. Darunter wird die Einstellung des Textproduzenten verstanden, der einen kohäsiven und kohärenten Text erschaffen will, um seine Ziele zu erreichen. Das vierte Kriterium bezieht sich ebenso auf einen kohäsiven und kohärenten Text, aber diesmal wird er vom Text-Rezipienten erwartet, weil er für ihn nützlich oder relevant ist. Dieses Kriterium heißt Akzeptabilität. Das weitere Kriterium lautet Informativität und damit wird das Ausmaß der Erwartetheit bzw. Unerwartetheit oder Bekanntheit bzw. Unbekanntheit/Ungewißheit der dargebotenen Textelemente gemeint (vgl. de Beaugrande/Dressler 1981, S. 8-11). Das sechste Kriterium, Situationalität, ist ein Kriterium, das sich auf die „Außen-Faktoren” in einer bestimmten Situation bezieht, in der mit dem Text gehandelt wird. Das letzte, der von de Beaugrande und Dressler angegebenen Kriterien, ist die Intertextualität. Dieses Kriterium beruft sich auf die allgemeine Tatsache, dass Texte mit anderen Texten in Verbindung stehen (vgl. Fix 2008, S.24ff.).
Einige von den von de Beaugrande und Dressler dargestellten Kriterien für Textualität wurden aber von anderen Wissenschaftlern kritisch hinterfragt. Vater kritisiert einige der Textualitätskriterien, und zwar Intentionalität und Akzeptabilität. Seiner Meinung nach ist Intentionalität eine allgemeine Voraussetzung für eine bewusste kommunikative Handlung, deswegen kann sie nicht als textspezifisch gelten, wie das de Baugrande und Dressler annehmen. Auch Akzeptabilität ist seines Erachtens eher eine Grundlage für erfolgreiche Kommunikation als ein Kriterium für Textualität. Im Zentrum dieser Betrachtung steht die Annahme, dass Akzeptabilität in starkem Maße subjektiv ist. „Gehört sie mit zu den Textualitäts-Kriterien, dann müßte ein und dasselbe Gebilde von einem Rezipienten als Text aufgefasst werden, von einem anderen nicht” (vgl. Vater 1994² S. 50ff). Gansel und Jürgens haben das Kriterium der Informativität einer näheren Betrachtung unterzogen und haben festgestellt, dass es sich mehr um den Informationswert des Textes handelt, als um den „Ausmaß der Erwartetheit bzw. Unerwartetheit oder Bekanntheit bzw. Unbekanntheit/Ungewißheit der dargebotenen Textelemente”, wie es de Beaugrande und Dressler meinen. Sie deuten zwar darauf hin, dass besonders geringe Informativität störend wirkt, weil sie Langeweile verursacht und damit zur Ablehnung des Textes führt, aber doch nicht zur Ablehnung des Textes als Text (vgl. Gansel/Jürgens 2002, S. 26). Texte, die an Handlungen beteiligt sind, müssen als Elemente des Handelns auch unter dem Gesichtspunkt ihrer Produktion und Rezeption betrachtet werden. In diesem Zusammenhang spielen folgende Kriterien eine wichtige Rolle: Intentionalität, Akzeptabilität, Informativität und Situationalität.
Eines der größten theoretischen Probleme liegt sowohl in der Verschiedenheit der verwendeten Ansätze als auch im Phänomen Text selbst. Es scheint nicht möglich zu sein, klare Grenzen zwischen Texten und Nicht-Texten zu setzen. Vielmehr geht es darum, bestimme Basismerkmale, die mal weniger und mal mehr passen, zu kennzeichnen, also die universalen Textmerkmale, die sich auf verschiedene Kategorien beziehen könnten. Zur Erklärung des Phänomens des Textes wurde bekanntlich eine ganze Reihe teilweise höchst unterschiedlicher Theorieansätze entwickelt. Die frühen grammatischen Auffassungen vom Text waren unzureichend. Die neueren textlinguistischen Forschungen sind auf den kommunikativ-kognitiven Ansatz zurückzuführen. In dieser Hinsicht definieren Gansel und Jürgens den Text als „eine in sich kohärente Einheit der sprachlichen Kommunikation mit einer erkennbaren kommunikativen Funktion und einer in spezifischer Weise organisierten Struktur” (vgl. Gansel/Jürgens 2002, S. 47). Funktion und Struktur sind ihres Erachtens die entscheidenden Parameter für die textlinguistische Analyse und deren Zusammenhang rückt in den Blickpunkt wobei die Textstruktur funktional erklärt wird. Sie gehen davon aus, „daß sprachliche Ausdrücke bestimmten Zwecken oder kommunikativen Aufgaben dienen und daß ihre Form funktional [Hervorhebung – d. Vff.], also im Hinblick auf diese Aufgaben zweckdienlich” (vgl. Zifonun 1994, S. 2, zit. nach Gansel/Jürgens 2002, S47f). Auch Heinemann/Heinemann (vgl. 2002, S.110) machen aufmerksam auf die kommunikative Funktion und erfassen den Text als die von Handelnden in einer bestimmten interaktionalen Situation produzierten und rezipierten Grundeinheiten der sprachlichen Kommunikation mit einer spezifischen kommunikativen Funktion.
In den letzten Jahren wird die Problematisierung des Textbegriffs lebhaft diskutiert. Den Anlass dazu gaben zahlreiche Entwicklungen, darunter vor allem die „Emanzipation des mündlichen Diskursbegriffs, die Entwicklung von Hypertexten, der prozessuale Textbegriff der Schreibforschung, die kognitivistische Konzeption des >Texts im Kopf< … oder der schillernde Begriff der >Intertextualität< …” (vgl. Antos 1997, S. 43, zit. nach Furthmann 2006, S. 70). In diesem Zusammenhang wird mehrfach gefordert, Methoden anderer Wissenschaftsdisziplinen zu integrieren oder die Textlinguistik auf eine übergreifende „Textwissenschaft” (de Beaugrande 1997, S. 9) oder „textuelle Handlungswissenschaft” (Kron 2002, S. 283) auszudehnen. In gewissem Ausmaß lässt sich feststellen, dass diese Forderung berechtigt ist, da Textlinguistik immer auf andere Wissenschaften, die sich auch mit Texten befassen, wie beispielsweise Literaturwissenschaft, Psychologie, Soziologie oder Semiotik, bezogen werden muss und darin ihre Praktikabilität und Leistungsfähigkeit beweist (vgl. Furthmann 2006, S 70).
In der vorliegenden Arbeit gilt Text in Anlehnung an Furthmann (vgl. 2006, S.90) als ein relativ weit gefasster Begriff, denn er macht nicht nur eine grammatisch-strukturell organisierte und thematisch kohärente Einheit sprachlicher Kommunikation aus, sondern er wird als eine vielschichtige komplexe Einheit sprachlicher Kommunikation miteinander interagierender, sozial kompetent handelnder Menschen gefasst, die sprachliche, kommunikativ-situative und kognitive Merkmale miteinander kombiniert und sie flexibel und dynamisch aufeinander bezieht.
Im nächsten Schritt wird festgestellt, was unter dem Begriff der Textsorte zu verstehen ist. Weiterhin wird die Klassifikation von Textsorten dargestellt, denn sie wird gebraucht, um eine richtige Zuordnung der Pressehoroskope zu der konkreten Textsorte zu ermöglichen.
2.2. Textsorten und ihre Klassifikation
Das Begriffsfeld der Textsorten ist ebenso wie das Begriffsfeld des Textes sehr facettenreich. Ein vielfältiges Spektrum an diesem Phänomen wird mit verschiedenen Ansätzen in der Entwicklung der Textlinguistik verbunden und es spiegelt sich in den Kennzeichnungen von Textsorten wider. Es ist bereits sehr viel zu diesem Thema geschrieben und geäußert worden. Für die vorliegende Arbeit sind zwei Modelle zur Beschreibung der Textsorte von besonderer Bedeutung. Das erste Modell ist von Heinemann erarbeitet worden und das zweite von Brinker. Es kommt oft vor, dass die Bezeichnungen Textsorte und Textmuster wechselweise verwendet werden. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die beiden Begriffe abzugrenzen. Heinemann deutet an, dass unter Textmuster etwas Idealtypisches zu verstehen ist, also ein abstraktes Modell, in dem atypische Elemente keinen Platz haben. Die Textsorten dagegen sind im Alltagsverständnis immer durch konkrete Textexemplare bedingt, die meist auch atypische Merkmale aufweisen können (vgl. Heinemann 2000, S. 516). Und dementsprechend definiert Heinemann den Terminus Textsorte als Sammelbegriff für eine finite Menge von Textexemplaren mit spezifischen Gemeinsamkeiten. Seines Erachtens werden Textsorten durch Zuordnungsoperationen einer Menge invarianter stereotyper Parameter auf niederer Abstraktionsebene zu konkreten Texten konstituiert. Dabei sind diese Merkmale aufeinander bezogen und bilden je charakteristische komplexe Ganzheiten, wobei die sprachlich-strukturellen Merkmale – bei pragmatischer Einbettung – dominieren. Er geht davon aus, dass Textsorten das kommunikative Handlungsfeld/Textsortenfeld im Sinne von steuernden Orientierungshilfen strukturieren (vgl. Heinemann 2000, S. 519). Berücksichtigt man diesen Gesichtspunkt, so wird deutlich, dass Textsorten sich nicht auf einer Ebene bestimmen lassen. Für die Konstitution müssen immer Merkmale mehrerer Ebenen zusammenwirken. Diese Mehrdimensionalität entsteht aus folgenden Ebenen/Dimensionen: Funktionalität, Situativität, Thematizität und Formulierungsadäquatheit (vgl. Heinemann/Heinemann 2002, S. 134). Dieses Klassifikationsmodell basiert auf der hierarchischen Strukturierung von Textsortenklassen, Textsorten und Textsortenvarianten, die die unten angeführte Abbildung darstellt:
Textsortenklasse
Textsorte
Textsortenvariante
Hierarchische Stufung von Textklassen nach Heinemann
Einem mehrdimensionalen Modell folgt auch Brinker, aber im Gegensatz zu Heinemann/Heinemanns fordert er keine hierarchische Stufung von Textsorten, Textklassen und Texttypen. Sie sind nach seiner Position gleichbedeutend. Seine Bestimmung von Textsorten lautet:
Textsorten sind konventionell geltende Muster für komplexe sprachliche Handlungen und lassen sich als jeweils typische Verbindungen von kontextuellen (situativen), kommunikativ-funktionalen uns strukturellen (grammatischen und thematischen) Merkmalen beschreiben. Sie haben sich in der Sprachgemeinschaft historisch entwickelt und gehören zum Alltagswissen der Sprachteilhaber; sie besitzen zwar eine normierende Wirkung, erleichtern aber zugleich den kommunikativen Umgang, indem sie den Kommunizierenden mehr oder weniger feste Orientierungen für die Produktion und Rezeption von Texte geben. (Brinker6 2005, S. 144)
Die Grundlage seiner Klassifikation besteht unter anderem in der Textfunktion. Sie wird zum Basis Kriterium der folgenden fünf Textklassen:
- Informationstexte (Nachricht, Bericht, Sachbuch, Rezension…),
- Appelltexte (Werbeanzeige, Kommentar, Gesetz, Antrag…),
- Obligationstexte (Vertrag, Garantieschein, Gelöbnis…),
- Kontakttexte (Danksagung, Kondolenzschreiben, Ansichtskarte…),
- Deklarationstexte (Testament, Ernennungsurkunde).
Besondere Aufmerksamkeit wird auch auf zwei andere Kriteriengruppen, die eng mit dem Basiskriterium Textfunktion verbunden sind, gelenkt und zwar auf die kontextuellen (situativen) und strukturellen (thematischen) Kriterien. Die kontextuellen Kriterien beziehen sich auf die weiteren Analysekategorien, nämlich Kommunikationsform und Handlungsbereich. Brinker unterscheidet fünf Formen der Kommunikation durch das Medium: Face-to-face-Kommunikation, Telefon, Rundfunk, Fernsehen und Schrift. Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Textsorte Pressehoroskop, und daher wird die Beschreibung von oben genannten Kommunikationsformen nur auf die Kommunikationsform Schrift reduziert. Für diese Kommunikationsform ist eine monologische Kommunikationsrichtung charakteristisch, das zeitliche und räumliche Getrenntsein der Kommunikationspartner und auch die geschriebene Sprache. Brinker weist auch darauf hin, dass die Kommunikationsformen multifunktional sind, während die Textsorten nach seiner Definition eher mit einer dominierenden kommunikativen Funktion verknüpft sind. Deshalb betont er, dass es sinnvoll zu sein scheint, die Unterscheidung von Textsorten im Rahmen von Kommunikationsformen auszuführen (vgl. Brinker 20056, S. 147f). An die angesprochene Multifunktionalität von Kommunikationsformen wird im empirischen Teil der vorliegenden Arbeit näher eingegangen, in dem Pressehoroskope u.a. als Informations-, Appell- und Kontakttexte untersucht werden. Als das zweite kontextuelle Kriterium wurde der Handlungsbereich erwähnt. Es wird angenommen, dass die Kommunikationssituationen, die die Textsorten bestimmen, unter bestimmten gesellschaftlichen Bereichen eingereiht sind. Es handelt sich beispielsweise um folgende Bereiche wie Alltagswelt, Welt der Wissenschaft, des Rechts, der Kunst, der Religion, der Wirtschaft, der Presse, usw. Diese Bereiche werden nicht inhaltlich bestimmt, sondern die Verhältnisse zwischen den Kommunikationspartnern rücken in den Fokus. Demzufolge ist von privatem, offiziellem und öffentlichem Handlungsbereich die Rede. Im privaten Bereich kommunizieren Emittent und Rezipient in privaten Rollen miteinander, also als Privatpersonen wie Familienangehörige oder Freunde. Für den offiziellen Bereich ist die offizielle Funktion (Rolle) charakteristisch, d.h. die Kommunizierenden treten im Wesentlichen als Amtspersonen oder Institutionen auf, z.B. Behörden, Firmen oder Geschäftspartner usw. Der öffentliche Bereich macht das Gegenteil zum privatem aus. Der Terminus „öffentlich“ wird vor allem auf die Massenmedien, wie Presse, Funk oder Fernsehen bezogen (vgl. Brinker 20056, S. 148ff). Dem letzten Bereich werden Horoskope zugeordnet (vgl. Heinemann 2000, S. 610). Die strukturellen Kriterien beschäftigen sich bei der Textsortendifferenzierung mit den thematischen Kategorien Textthema und Themenentfaltung. Zu der ersten Kategorie Textthema gehören zwei allgemeine Aspekte: Die zeitliche Fixierung des Themas relativ zum Sprechpunkt, also temporale Orientierung und die Relation zwischen dem Emittenten bzw. Rezipienten und Thema, also lokale Orientierung. Horoskope sind eine Textsorte, die Brinker zur informativen Textsortenklasse zählt, sie sind durch eine unterschiedliche temporale Orientierung des Themas charakterisiert (vgl. Brinker 20056, S. 151). Die Kategorie der Themenentfaltung wird wesentlich durch kommunikative und situative Faktoren, wie Kommunikationsintention und Kommunikationszweck, Art der Partnerbeziehung usw. beeinflusst. Dementsprechend gibt es verschiedene Möglichkeiten einer Themenentfaltung, aber über diese Zusammenhänge ist noch wenig bekannt (vgl. Brinker 20056, S. 61).
Wie bereits bemerkt, lassen sich die Textsorten nicht auf eine Ebene bestimmen. Ein Text kann Merkmale verschiedener Textsorten aufweisen. Diese Tatsache steht im engen Zusammenhang mit der Funktion des Textes, die in dem folgenden Kapitel analysiert wird.
2.3. Textfunktion
Mit der pragmatischen Wende rückt die kommunikative Funktion des Textes in den Fokus.Texte werden als Mittel des sprachlichen Handels betrachten, also sie werden mit bestimmten Zwecken, Intentionen, Absichten und Zielen produziert. Die Funktion des Textes gilt in dieser Zeit als eine der wichtigsten Eigenschaften der Texte. Sie wird von vielen Autoren, u.a. Große (1976), W. Schmidt (1980), Brinker (1983, 1985) als Basiskriterium für eine Textsortenklassifikation angesehen (vgl. Rolf 1993, S.61). Die Vorstellungen davon, was man unter Textfunktion zu verstehen hat, sind vielfältig und differenziert, aber für den gegenwärtigen Forschungstand sind zwei von großer Bedeutung: Das Illokutionsstrukturkonzept und der textfunktionale Ansatz. In dem Illokutionsstrukturkonzept wird der Text als hierarchisch strukturierte Abfolge von elementaren illokutiven Handlungen erfasst. Diese Annahme stellt fest, dass die illokutive Handlung als Grundeinheit für die Textkonstitution gilt. Das Gesamtziel des Textes wird von einer dominierenden illokutiven Handlung bezeichnet, die von den anderen Handlungen gestützt wird (vgl. Brinker 20056, S.97). In Hinblick darauf muss auch betont werden, dass sprachliche Handlungen nicht nur intentional, sondern auch konventionell sind. Also um ein Text oder eine Äußerung richtig verstehen zu können, müssen die einzelnen Sprachteilhaber in ihrem Sozialisationsprozess mehr oder weniger die Regeln vollkommen erlernen, nach denen sprachliche Handlungen innerhalb einer Sprachgemeinschaft vollzogen werden. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass eine sprachliche Handlung eher als Realisierung eines bestimmten Sprechhandlungstyps realisiert und aufgefasst wird, denn die Termini „Befehl”, „Ratschlag”, „Versprechen” usw. bezeichnen nicht konkret vorkommende sprachliche Handlung, sondern Typen von Sprechhandlungen. Die verschiedenen Äußerungen, wie z. B. Ich verspreche es dir, morgen zu kommen; ich komme morgen; ich werde morgen bestimmt kommen; dann bis morgen drücken den gleichen Handlungstyp aus – in diesem Fall: den des Versprechens.Es gibt eine ganze Reihe konventionell geltender sprachlicher Mittel, die dazu dienen, den Typ einer sprachlichen Handlung anzuzeigen und sie werden als Illokutionsindikatoren genannt (vgl. Brinker 20056, S.91-95). Geht es jedoch um die Pressehoroskope, kann die Art der Illokution oftmals nicht eindeutig identifiziert werden, was bedeutet, dass ihnen mehrere Handlungszwecke zugeschrieben werden können. Das Pressehoroskop ist eine ungewöhnliche Textsorte, in der der Rezipient selbst entscheidet, was für ein Handlungszweck, bzw. Handlungszwecke er ihnen zuschreibt, z.B. eine Empfehlung könnte gleichzeitig eine Warnung sein, dann könnte eine Warnung möglicherweise als eine Art Tadel verstanden werden (vgl. Furthmann 2006, S.177 ff). Es hängt mit hohem Anonymitätsgrad zusammen, denn „ihre Hersteller wissen in der Regel nicht, wer als Rezipient in Erscheinung tritt, ihre Rezipienten erfahren in der Regel nicht, wer als Produzent fungiert hat.“ (Rolf 1993, S.174)
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- Arbeit zitieren
- Kamila Torba (Autor:in), 2015, Sprachliche Analyse der Textsorte Horoskop, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/369367
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