[...] Der römische Bischof erhob sich aus der städtischen Bedeutung und von nun an kann „kein Rechtssatz und kein Buch ohne seine Autorität als kirchenrechtlich verbindlich gelten […].“ Die Abspaltung der oströmischen Kirche und die zunehmende Verweltlichung innerhalb der Kirche hatten zu einem Reformbedarf geführt. Die alten Ordnungen schienen nicht mehr zu gelten und die „einzig wahre“ Kirche erhob nun auch ihren Anspruch, in weltlichen Dingen mitzureden. Dies waren aber nur einige der Ursachen für den so genannten Investiturstreit. Von all den Ereignissen ist der sprichwörtliche: „Gang nach Canossa“ am meisten bekannt. Drei Tage soll Heinrich IV. barfüssig und im Büßergewand vor der Burg Canossa gewartet haben, bis Papst Gregor VII. ihn auf Drängen seines Umfeldes wieder in den Kreis der Christen aufgenommen hat.2 Der Vorfall in den Bergen wäre heute wohl kaum von Interesse, wenn nicht die beiden Großen ihrer Zeit daran beteiligt gewesen wären. Der Konflikt war aber „[…] nicht nur ein kirchenpolitischer[…]“ sondern es wurden „[…] gleichgewichtig Fragen des Reichsrechts und der zwischen König und Fürsten politisch spielenden »gewêre« an rechtlich vielschichtigen Zonen und Schichten der Herrschaft“ ausgetragen.3 „Aus dem ‚Ringen’ zwischen Kaiser und Papst über die ‚rechte Ordnung der Welt’ […], gingen neue Formen und Ebenen von Kommunikationen hervor […]“, um sich so Zustimmung und Unterstützung der wankelmütigen Parteigänger zu sichern.4 In der (parteiischen) Berthold-Chronik kann man lesen, dass der (überaus unfehlbar dargestellte) Papst die „Zeichen seiner [des Kaisers] Unreinheit“ („indicium impuriatis“) erkennen und er „in keiner Weise, seinen Worten vollen Glauben schenken“ konnte.5 [...] 2 Man nimmt heute an, dass Heinrich IV nicht wirklich barfüssig und halb nackt vor der Burg gestanden hat, dennoch war sein Verhalten, als auch der seines „kleinen“ Hofstaates demütig. 3 Kämpf, Hellmut: Vorwort, S. IX in: Kämpf, Hellmut (Hrsg.): Canossa als Wende. Ausgewählte Aufsätze zur neueren Forschung, Berlin 1976. 4 Suchan, Monika: Publizistik im Zeitalter Heinrichs VI. S. 29 in: Hruza, Karel: Propaganda, Kommunikation und Öffentlichkeit (11.-16. Jahrhundert), Wien 2002. 5 Robinson, Ian Stuart: Bertholds und Bernolds Chroniken, Darmstadt 2002, S.132f.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Imperium und Sacerdotium
Von Recht und Unrecht
Civitas Dei und Civitas Terrena
Papst zwischen Macht und Lehre
Beginn eines Wandels der Kirche?
Literatur- und Quellenverzeichnis:
Einleitung
Das 11. Jahrhundert war vor allem ein Jahrhundert der Veränderungen. Der römische Bischof erhob sich aus der städtischen Bedeutung und von nun an kann „kein Rechtssatz und kein Buch ohne seine Autorität als kirchenrechtlich verbindlich gelten […].“[1] Die Abspaltung der oströmischen Kirche und die zunehmende Verweltlichung innerhalb der Kirche hatten zu einem Reformbedarf geführt. Die alten Ordnungen schienen nicht mehr zu gelten und die „einzig wahre“ Kirche erhob nun auch ihren Anspruch, in weltlichen Dingen mitzureden. Dies waren aber nur einige der Ursachen für den so genannten Investiturstreit.
Von all den Ereignissen ist der sprichwörtliche: „Gang nach Canossa“ am meisten bekannt. Drei Tage soll Heinrich IV. barfüssig und im Büßergewand vor der Burg Canossa gewartet haben, bis Papst Gregor VII. ihn auf Drängen seines Umfeldes wieder in den Kreis der Christen aufgenommen hat.[2] Der Vorfall in den Bergen wäre heute wohl kaum von Interesse, wenn nicht die beiden Großen ihrer Zeit daran beteiligt gewesen wären. Der Konflikt war aber „[…] nicht nur ein kirchenpolitischer[…]“ sondern es wurden „[…] gleichgewichtig Fragen des Reichsrechts und der zwischen König und Fürsten politisch spielenden »gewêre« an rechtlich vielschichtigen Zonen und Schichten der Herrschaft“ ausgetragen.[3] „Aus dem ‚Ringen’ zwischen Kaiser und Papst über die ‚rechte Ordnung der Welt’ […], gingen neue Formen und Ebenen von Kommunikationen hervor […]“, um sich so Zustimmung und Unterstützung der wankelmütigen Parteigänger zu sichern.[4] In der (parteiischen) Berthold-Chronik kann man lesen, dass der (überaus unfehlbar dargestellte) Papst die „Zeichen seiner [des Kaisers] Unreinheit“ („indicium impuriatis“) erkennen und er „in keiner Weise, seinen Worten vollen Glauben schenken“ konnte.[5]
So soll hier lediglich versucht werden die (Un-) Rechtmäßigkeit päpstlichen und kaiserlichen Handelns (Absetzung, Exkommunikation, Gnadenverweigerung) zu beurteilen, um sich so einer Debatte anzuschließen, die seit den Lebzeiten der Kontrahenten geführt wird.[6]
Imperium und Sacerdotium
Die Epoche des Investiturstreites umfasst die Zeitspanne von 1056 (Tod des deutschen Kaisers Heinrichs III.) bis 1122 (Wormser Konkordat). Im engeren Sinne bedeutete es aber den Konflikt zwischen Kaiser und Papst über den Modus der Einsetzung von Bischöfen des Reiches, im weiteren Sinne ist es die Auseinandersetzung um die rechte Ordnung der Welt. Anlass für den Streit war die Besetzung des Erzstuhles von Mailand.
Den Grundstein für den Konflikt legte aber schon Flavius Valerius Constantinus (genannt Konstantin der Große). Im Jahre 313 machte er mit dem Toleranzedikt von Mailand das Christentum zur offiziell erlaubten Religion.[7] Viel bemerkenswerter ist aber, dass Konstantin (und die ihm nachfolgenden Kaiser) den Vorsitz auf den kirchlichen Konzilien[8] führte, eine Position die verdeutlicht wer das (zumindest weltliche) Oberhaupt der Kirche war.[9] Den römischen Kaisern lag es vor allem am inneren Frieden des Imperiums und der Kontrolle dieser neuen Religion. Daraus entstand dann die Idee eines christlichen Weltreiches, mit einem weltlichen und einem geistigen Oberhaupt. Eine Idee die durch die großen Völkerwanderungen erst einmal zurückgestellt werden musste.[10]
Im 8. Jahrhundert bricht die katholische (allgemeine) Kirche endgültig mit den oströmischen Kaisern und ernennt – obwohl formell immer noch zur Loyalität dem oströmischen Kaiser (in der Nachfolge der römischen Kaiser) verpflichtet – die Frankenkönige zu ihren Schutzherren.
Rom befand sich nun nicht mehr in der Mitte des alten Imperiums. Grenzkonflikte mit den neuen Westreichen (Süditalien, Istrien und Venedig) sowie der Machthunger einiger adliger Territorialherren hatten das byzantinische Reich geschwächt. Die katholische Kirche brauchte einen garantierten Schutz, und der nach wie vor bestehenden theologisch-politische Anspruch der byzantinischen Kirche „führten folgerichtig zur Kaiserkrönung in Rom am Weihnachtstag des Jahres 800.“[11] Auch wenn es jetzt einen Oberherrn über alle Christen gab, sollte die „überraschende Aktion“ des Papstes den Ursprung für die folgenden Konflikte bilden.[12] Denn jetzt trafen nicht nur germanisch-fränkische Lebensweise auf römisches Alltagsleben, kanonisches auf germanisches Recht, heidnisches Brauchtum auf das Christentum, sondern „die römische Kirche in Gestalt des Papstes, designierte [nun auch] den Kaiser.“[13] Karl der Große verfügte sicherlich über mehr Macht als Papst Leo III., doch legte er den Grundstein für eine neue Abhängigkeit. Die Kaiser waren nun auf die Salbung (kirchliche Legitimation) und der Papst auf den Schutz durch ihre formalen Herren angewiesen. Ein erbbares Kaisertum sollte es dennoch nicht geben.[14] Trotzdem schafften es die deutschen Könige immer wieder, wie Otto I., der „das Oberhaupt der Christenheit, Beschützer und Herr der Kirche“ war, Zugeständnisse einzufordern, die eine Papstakklamation nur noch mit Zustimmung der deutschen Herrscher zuließ.[15]
Dank der guten Zusammenarbeit zwischen weltlicher und kirchlicher Macht, konnten Reformen angesteuert werden, die einer „Verweltlichung und Verderbnis der Sitten“ innerhalb der Kirche entgegenwirken sollten. Für die Durchsetzung dieser Reformen hatte Kaiser Heinrich III. noch Päpste abgesetzt; sein Sohn sollte auf Berufung dieser Reformen von einem Papst abgesetzt werden. Zudem stand der junge Kaiser vor der schweren Aufgabe, die Rechte, die während der Zeit seiner Unmündigkeit (in der er auch Spielball der Großen des Reiches war) usurpiert wurden, wiederzuerlangen.[16]
[...]
[1] Dictatus Papae aus: http://www.uni-tuebingen.de/mittelalter/personen/schmitz/ps0001/quelle5.htm
[2] Man nimmt heute an, dass Heinrich IV nicht wirklich barfüssig und halb nackt vor der Burg gestanden hat, dennoch war sein Verhalten, als auch der seines „kleinen“ Hofstaates demütig.
[3] Kämpf, Hellmut: Vorwort, S. IX in: Kämpf, Hellmut (Hrsg.): Canossa als Wende. Ausgewählte Aufsätze zur neueren Forschung, Berlin 1976.
[4] Suchan, Monika: Publizistik im Zeitalter Heinrichs VI. S. 29 in: Hruza, Karel: Propaganda, Kommunikation und Öffentlichkeit (11.-16. Jahrhundert), Wien 2002.
[5] Robinson, Ian Stuart: Bertholds und Bernolds Chroniken, Darmstadt 2002, S.132f.
[6] Vgl. dazu: Lohmann, Hans Eberhard (Hrsg.): Bruno Merseburgensis. Brunos Buch vom Sachsenkrieg; Nachdr. d. Ausg. Leipzig 1937; Stuttgart 1980; Robinson, Ian Stuart: Bertholds und Bernolds Chroniken, Darmstadt 2002; Caspar, Erich [Hrsg.]: Das Register Gregors VII.[des Siebten]; 3.unveränd. Aufl.; Berlin 1967.
[7] Zur offiziellen Staatsreligion erklärt wurde der christliche Glaube aber erst im Jahre 380 unter Kaiser Theodosius.
[8] Diese Tradition begann mit dem Ersten Konzil von Nicäa.
[9] Inhaltlich gingen die ersten Konzilien vor allem um inhaltlich theologische Fragen.
[10] Eine erste Verwirklichung dieser Idee fand im oströmischen Reich statt. Seit der Trennung 395 regierte der Kaiser des oströmischen Reiches autonom. Immerhin war er bis ins 8.Jahrhundert offizieller Lehns- und Schutzherr des Papstes. Auch nach der Trennung von der römisch-katholischen Kirche (formal 1054) blieb der Kaiser Oberhaupt der orthodoxen Kirche. Das byzantinische Alltagsleben gilt deshalb auch, von Historikern bestätigt, als sehr christlich geprägt.
[11] Rovan, Joseph: Geschichte der Deutschen. Von ihren Ursprüngen bis heute, München 1995, S. 55.
[12] Karl verstand sein Reich dabei als einzigen legitimen Nachfolger des Römischen Imperiums. Ferner hielt Karl enge Verbindungen mit dem geschwächten byzantinischen Hof (griff auch innenpolitisch ein) und es gab immer wieder (auch bei nachfolgenden Kaisern) Ansätze zur Zusammenlegung beider Imperien.
[13] Rovan, Joseph: Geschichte der Deutschen. Von ihren Ursprüngen bis heute, München 1995, S. 55.
[14] Zum Beispiel wurde Otto I. nach 70 Jahren „kaiserloser“ Zeit 962 in Rom zum Kaiser gekrönt.
[15] Im Idealfall waren es Vetter oder enge Vertraute die auf den Stuhl Petri gehoben wurden (Otto I., Gregor V. und Sylvester II.), dadurch konnte, wenigstens für eine kurze Zeit, der Versuch unternommen werden, den „in Frieden vereinten christlichen Völkern eine neue und endgültige Weltordnung“ zu stiften. Vgl. dazu: Rovan, Joseph: Geschichte der Deutschen. Von ihren Ursprüngen bis heute, München 1995, S. 80.
[16] So war Heinrich IV. unter anderem seit 1062 Geißel von Anno II. (Erzbischof von Köln) der das Reich an seiner statt als Reichsverweser regierte.
- Arbeit zitieren
- Diplom Staatswissenschaftler Alexander Salatzkat (Autor:in), 2004, Das Ende des sakralen Imperiums. Papst und Kaiser zwischen Recht und Macht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/36935
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