Die strikte organisatorische Trennung der Sektoren des deutschen Gesundheitssystems führten bisher zu einem hohen Widerstand an der Schnittstelle zwischen dem stationären und dem ambulanten Bereich. Daraus resultierten sowohl Einbußen in der Versorgungsqualität aufgrund fehlender Versorgungskontinuität als auch unnötige finanzielle Ausgaben. Die „Pflege-Überleitung“ hat sich hier als Konzept zur Bewältigung des genannten Schnittstellenproblems entwickelt.
Das Hauptziel dieser Hausarbeit ist, das Konzept der Pflege-Überleitung vor dem Hintergrund der aktuellen Problemlage im deutschen Gesundheitswesen zu beschreiben sowie die „Beratung“ als einen ihrer integralen Bestandteile vorzustellen.
Die Arbeit besteht aus vier Hauptkapiteln. Im ersten Teil wird zunächst der sektorale Aufbau des deutschen Gesundheitswesens skizziert. Des Weiteren werden bisherige Reformversuche des Gesetzgebers vorgestellt, die die Grenzen zwischen den Sektoren durchbrechen sollten.
Im zweiten Kapitel wird die „Pflege-Überleitung“ in ihren Zielen und Aufgaben definiert. Zudem wird auf die Notwendigkeit hingewiesen, strukturelle Voraussetzungen zu schaffen, um die Wirksamkeit dieser Schnittstellenbewältigung auch langfristig gewährleisten zu können.
Der dritte Abschnitt thematisiert „Beratung“ im Kontext der Pflege-Überleitung. Dabei wird erläutert, was unter Beratung in Abgrenzung zu anderen Begriffen, die häufig im gleichen Zusammenhang verwendet werden, verstanden werden kann.
Im letzten Kapitel wird das Modell der „Pflege- und Krankheitsverlaufskurve“ von Corbin und Strauss als theoretischer Bezugsrahmen für die Pflege-Überleitung von chronisch erkrankten Menschen vorgestellt.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Rahmenbedingungen
1.1 Übersicht über Aufbau und Finanzierung des deutschen Gesundheitswesens
1.1.1 Sektoren der Gesundheitsversorgung
1.1.2 Gesetzliche Rahmenbedingungen und Finanzierung
1.2 Problemperzeption und bisherige Reformen
2. Das Konzept der Pflege-Überleitung
2.1 Definition
2.2 Hauptziele
2.3 Hauptaufgaben
2.3.1 Planung und Moderation der Pflege-Überleitung
2.3.2 Aufbau und Anwendung eines geeigneten Doku-mentationssystems
2.3.3 Kontaktpflege und Vernetzung
2.3.4 Durchführung von Qualifizierungsmaßnahmen
2.4 Voraussetzungen
2.4.1 Institutionelle Einbindung
2.4.2 Neuformulierung der Zuständigkeiten
2.4.3 Finanzierung
3. Beratung als wichtiger Bestandteil der Pflege-Überleitung
3.1 Erläuterungen wichtiger Begriffe
3.1.1 Patientenschulung
3.1.2 Beratung
3.1.3 Beratung in der Pflege
3.2 Beratung in der Pflege-Überleitung
4. Das Modell der „Verlaufskurve“ als theoretischer Bezugsrahmen für die Pflege-Überleitung chronisch Erkrankter
4.1 Der Bezugsrahmen der Pflege- und Krankheitsverlaufs-kurve
4.2 Ein Orientierungsrahmen für die Pflege-Überleitung
Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Anhang
Einleitung
(Maren Sommer & Klaus Reiners)
Die strikte organisatorische Trennung der Sektoren des deutschen Gesundheitssystems führten bisher zu einem hohen Widerstand an der Schnittstelle zwischen dem stationären und dem ambulanten Bereich. Daraus resultierten sowohl Einbußen in der Versorgungsqualität aufgrund fehlender Versorgungskontinuität als auch unnötige finanzielle Ausgaben. Die „Pflege-Überleitung“ hat sich hier als Konzept zur Bewältigung des genannten Schnittstellenproblems entwickelt.
Das Hauptziel dieser Hausarbeit ist, das Konzept der Pflege-Überleitung vor dem Hintergrund der aktuellen Problemlage im deutschen Gesundheitswesen zu beschreiben sowie die „Beratung“ als einen ihrer integralen Bestandteile vorzustellen.
Die Arbeit besteht aus vier Hauptkapiteln. Im ersten Teil wird zunächst der sektorale Aufbau des deutschen Gesundheitswesens skizziert. Des Weiteren werden bisherige Reformversuche des Gesetzgebers vorgestellt, die die Grenzen zwischen den Sektoren durchbrechen sollten.
Im zweiten Kapitel wird die „Pflege-Überleitung“ in ihren Zielen und Aufgaben definiert. Zudem wird auf die Notwendigkeit hingewiesen, strukturelle Voraussetzungen zu schaffen, um die Wirksamkeit dieser Schnittstellenbewältigung auch langfristig gewährleisten zu können.
Der dritte Abschnitt thematisiert „Beratung“ im Kontext der Pflege-Überleitung. Dabei wird erläutert, was unter Beratung in Abgrenzung zu anderen Begriffen, die häufig im gleichen Zusammenhang verwendet werden, verstanden werden kann.
Im letzten Kapitel wird das Modell der „Pflege- und Krankheitsverlaufskurve“ von Corbin und Strauss als theoretischer Bezugsrahmen für die Pflege-Überleitung von chronisch erkrankten Menschen vorgestellt.
1. Rahmenbedingungen (Klaus Reiners)
Gemäß Höhmann et al. (1998) wird die Qualität der Gesundheitsversorgung pflegebedürftiger Menschen wesentlich durch die strukturellen Rahmenbedingungen und die gesetzlichen Handlungsgrundlagen der Akteure bestimmt. In diesem Kapitel soll im Wesentlichen dargestellt werden, wie sich die derzeitigen Rahmenbedingungen im deutschen Gesundheitssystem auf die Kontinuität der Behandlung pflegebedürftiger Menschen auswirken.
1.1 Übersicht über Aufbau und Finanzierung des deutschen Gesundheitswesens
1.1.1 Sektoren der Gesundheitsversorgung
Gesundheit ist nach deutschem Recht keine rein private Angelegenheit, sondern durch die Gesetzgebung auf Grundlage des Sozialstaatsprinzips umfassend reguliert. Dabei soll jeder Bürger unabhängig von der Höhe seines Einkommens Zugang zu einer hochwertigen medizinischen Versorgung haben.
Als Gesundheitswesen wird die Gesamtheit der Einrichtungen und Personen verstanden, welche die Gesundheit der Bevölkerung fördern, erhalten und wiederherstellen sollen. Hierzu gehören staatliche und nicht staatliche Institutionen, wie zum Beispiel der Bund, die Länder, aber auch Krankenkassen, ärztliche Praxen, Krankenhäuser und Gesundheitsämter (Becker-Berke, 1999; Beske & Hallauer, 1999; Bloch & Wolf, 2002).
Das deutsche Gesundheitswesen kann grob in drei Hauptsektoren unterteilt werden, den stationären Sektor, den ambulanten Sektor und den öffentlichen Gesundheitsdienst.
Der öffentliche Gesundheitsdienst nimmt öffentlich-rechtliche Aufgaben des Gesundheitswesens auf Landesebene, aber auch auf kommunaler Ebene wahr. Ferner werden unter ihm alle Einrichtungen des öffentlichen Dienstes verstanden, die an den Aufgabenbereichen Gesundheitsschutz, Gesundheitshilfe sowie Aufsicht über Berufe und Einrichtungen des Gesundheitswesens beteiligt sind, insbesondere die Gesundheitsämter (Becker-Berke, 1999; Beske & Hallauer, 1999).
Stationäre Gesundheitsleistungen werden im Wesentlichen durch Krankenhäuser, Kur- und Rehabilitationseinrichtungen sowie Pflegeheime erbracht. Becker-Berke beschreibt das Krankenhaus als „Einrichtung, in der durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistung Krankheiten, Leiden oder Körperschäden festgestellt, geheilt oder gelindert werden sollen oder Geburtshilfe geleistet wird und die Patienten untergebracht und verpflegt werden...“ (Becker-Berke, 1999, S. 120) Rehabilitation soll durch medizinische, berufsfördernde und ergänzende Maßnahmen körperlich, geistig oder seelisch behinderte Menschen möglichst dauerhaft in Arbeit, Beruf und Gesellschaft integrieren (Becker-Berke, 1999). Pflegeheime im Sinne der gesetzlichen Pflegeversicherung sind stationäre Einrichtungen, die unter Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft ganztägig oder nur tagsüber oder nachts sowohl Unterbringung als auch pflegerische Versorgung anbieten (Klie, 2001).
Im Mittelpunkt der ambulanten Behandlung stehen klassischerweise die niedergelassenen Ärzte, welche ambulante medizinische Leistungen erbringen. In diesem Sinne beschreiben Bloch und Wolf die ambulante Versorgung als diejenige Krankenbehandlung, die keine zeitweise Unterbringung in einer stationären Einrichtung erfordert. Bei den niedergelassenen Ärzten wird weiter zwischen Haus- und Fachärzten unterschieden. Hausärzte übernehmen dabei die allgemeine und fortgesetzte ärztliche Betreuung der Patienten bei Kenntnis seines häuslichen und familiären Umfeldes. Höhmann et al. weisen in diesem Zusammenhang auf die sich aus dem §73 SGB V ergebende zentrale Koordinierungsfunktion des Hausarztes hin, welche die Koordination von Diagnostik, Therapie und Pflege, einschließlich präventiver und rehabilitierender Maßnahmen, die Zusammenführung und Bewertung wesentlicher Befunde und Berichte aus ambulanter und stationärer Versorgung sowie die Integration nicht ärztlicher Hilfen und flankierender Dienste umfasst. Das Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000) am 1. Januar 2000 hat die Stellung des Hausarztes als zentrale Anlaufstelle des Patienten zusätzlich gestärkt. Im Rahmen so genannter „Primärarztmodelle“ sollen Patienten grundsätzlich auf eine direkte Inanspruchnahme von Fachärzten verzichten und zunächst den Hausarzt aufsuchen.
Die ambulante medizinische Versorgung wird noch durch weitere gesundheits- und sozialpflegerische Dienste ergänzt, zum Beispiel durch ambulante Pflegedienste, welche Pflegeleistungen in der häuslichen Umgebung der Patienten erbringen. Seit dem Inkrafttreten des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) am 1. Januar 1993 werden sogar bestimmte Operationen ambulant in Krankenhäusern durchgeführt. Das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) hat dann schließlich zum Januar 2004 das ambulante Leistungsspektrum der Krankenhäuser weiter ausgedehnt. Diese dürfen seitdem ambulante Leistungen bei Unterversorgung, im Rahmen strukturierter Behandlungsprogramme (Disease Management Programme) sowie zur ambulanten Behandlung hochspezialisierter Leistungen, seltener Erkrankungen und Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen erbringen (Becker-Berke, 1999; Bloch & Wolf, 2002; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung – BMGS, 2003; Höhmann et al., 1998).
1.1.2 Gesetzliche Rahmenbedingungen und Finanzierung
Nach Höhmann et al. werden die allgemeinen Prinzipien der Leistungserbringung im deutschen Gesundheitswesen, und damit auch der Handlungsrahmen für die Akteure, sowohl durch das Sozialversicherungsrecht als auch durch das Berufsrecht determiniert. Zentrale Regelungswerke der Gesundheitsversorgung sind die im Sozialgesetzbuch (SGB) festgelegten Grundsätze der Leistungsansprüche und Leistungserbringung. Diese finden sich sowohl im Gesetz zur gesetzlichen Krankenversicherung (SGB V) als auch in der gesetzlichen Pflegeversicherung (SGB XI). Gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung sollen das durch Krankheit oder Pflegebedürftigkeit entstehende finanzielle Risiko absichern. Als wichtige Grundsätze dieser beiden Sozialversicherungen sind der grundsätzliche Vorrang ambulanter vor stationärer Versorgung (§3 SGB XI, §39 SGB V) sowie der Vorrang von Gesundheitsförderung, Prävention und Rehabilitation vor Pflege (§5 SGB XI) zu nennen (Becker-Berke, 1999; Bloch & Wolf, 2002; Höhmann et al., 1998; Klie, 2001; Klie & Stascheit, 2004 ).
Des Weiteren lassen sich Anhaltspunkte für Qualität der Leistungserbringung sowie für Kooperationsbezüge nach Angabe von Höhmann et al. (1998) im Berufsrecht der Gesundheitsberufe finden, zum Beispiel im Krankenpflegegesetz, im Gesetz über die Berufe in der Physiotherapie, in der Bundesärzteordnung, in der Approbationsordnung für Ärzte, im Heilpraktikergesetz sowie im Psychotherapeutengesetz.
Nach Bloch und Wolf (2002) wird etwa die Hälfte der Gesundheitsausgaben in Deutschland von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) getragen, in der ca. 89% der Bevölkerung versichert ist. Der Rest der Ausgaben wird zum Beispiel von den Arbeitgebern (z. B. Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall), von öffentlichen Haushalten (z. B. Universitätskliniken, öffentlicher Gesundheitsdienst oder Sozialleistungen für Menschen, die weder gesetzlich noch privat krankenversichert sind), von Privathaushalten (z. B. Zuzahlungen) oder von den privaten Krankenversicherungen getragen. Etwa 8,7% der deutschen Bevölkerung ist privat krankenversichert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Statistisches Bundesamt (2004)
Die sektorale Trennung des Gesundheitswesens schlägt sich auch auf die Vergütung der Gesundheitsleistungen nieder. So erfolgt zum Beispiel die Vergütung der niedergelassenen Ärzte über die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen). Diese erhalten von den Krankenkassen ein Budget, welches wiederum mit Hilfe bestimmter Verteilungsschlüssel an die Ärzte verteilt wird (Bloch & Wolf, 2002; Lampert & Althammer, 2001; Schulenburg & Greiner, 2000; Wasem, 2002).
Krankenhäuser werden nach dem so genannten „dualistischen Finanzierungssystem“ finanziert. Hierbei werden Investitionskosten, zum Beispiel Kosten für Um- oder Neubauten oder für die Anschaffung von Geräten, von der öffentlichen Hand aus Steuergeldern finanziert. Die Betriebs- und Behandlungskosten dagegen werden hauptsächlich von den Krankenkassen finanziert. Hierzu ist seit dem 1. Januar 2004 ein pauschalierendes Entgeltsystem (DRG-System, Diagnosis Related Groups) nach australischem Vorbild für alle Krankenhäuser verpflichtend. Die Einführungsphase dieses Systems soll im Jahr 2008 beendet sein, so dass alle Krankenhäuser ab 2009 die gleichen Bedingungen haben werden. Ziel des DRG-Systems ist, „...Behandlungsfälle mit vergleichbaren Kosten anhand von Kriterien der medizinischen Zusammengehörigkeit in gemeinsame kostenhomogene Fallgruppen einzuordnen.“ (Hansen & Gloer, 2004, S. 168) Die Einteilung der einzelnen Fallgruppen richtet sich dabei im Wesentlichen nach der medizinischen Diagnose. Diese hat im Einzelfall, dass heißt unter Berücksichtigung von Fallkomplexität und Nebendiagnosen, ein bestimmtes Fallgewicht (Relativgewicht, Bewertungsrelation). Die Multiplikation des Fallgewichts mit dem landeseinheitlichen Basisfallwert ergibt dann den pauschalen Erlös für den einzelnen Fall.
Zu den Folgen der DRG-Einführung schreiben Hansen und Gloer, dass sie zunächst die endgültige Abkehr vom Selbstkostendeckungsprinzip bedeutet, welches die Selbstkosten eines Krankenhauses als Grundlage für die Bemessung der öffentlichen Förderung und der mit den Kassen vereinbarten Pflegesätze vorsah. Aus diesem Grunde müssen Krankenhäuser, die hohe Fallkosten und ein unverändertes Leistungsspektrum aufweisen, mit hohen Erlöseinbußen rechnen. Eine weitere wichtige Folge wird die Verkürzung der Verweildauer sein, da sich die Vergütung nicht mehr nach der Aufenthaltsdauer des Patienten richtet, sondern fallpauschal gezahlt wird. Ferner werden Krankenhäuser zukünftig zur Deckung ihrer Kosten versuchen müssen, die Fallkosten durch optimierte und standardisierte Behandlungsabläufe zu senken (Bloch & Wolf, 2002; Hansen & Gloer, 2004).
Die Vergütung der "außerkrankenhäuslichen" Pflege erfolgt hauptsächlich durch die Krankenkassen, durch die gesetzliche Pflegeversicherung sowie durch Zuzahlungen der Patienten. Die Krankenkassen übernehmen dabei im Wesentlichen die so genannte „Behandlungspflege“ gemäß §37 Abs. 2 SGB V zur Sicherung des ärztlichen Behandlungsziels, aber auch die ambulante Pflege zur Vermeidung oder Verkürzung von Krankenhausaufenthalten gemäß §37 Abs. 1 SGB V. Die Pflegekassen bezahlen den ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen eine leistungsgerechte Pflegevergütung für allgemeine Pflegeleistungen (z. B. Pflegesachleistungen für ambulante Pflege, Kurzzeitpflege oder vollstationäre Pflege) der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung. Grundpflege im Sinne der gesetzlichen Pflegeversicherung bedeutet Hilfeleistungen bei den personenbezogenen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens, die der Betroffene nicht selbst wahrnehmen oder nur mit pflegerischer Unterstützung ausführen kann, zum Beispiel Aktivitäten im Bereich Körperpflege, Ernährung oder Mobilität. Ähnlich der Krankenhausfinanzierung werden auch die Investitionskosten der Pflegeeinrichtungen nicht über die Pflegevergütung abgegolten. Vielmehr sollen die Länder im Sinne der Förderung einer leistungsfähigen „Pflegeinfrastruktur“ entsprechende Unterstützung leisten (Klie, 2001; Klie & Stascheit, 2004).
1.2 Problemperzeption und bisherige Reformen
Zu den Stärken des deutschen Gesundheitssystems zählen unter anderem das Vorhandensein von modernen medizinischen Einrichtungen, die Versorgung ohne Wartelisten, der schnelle und unbürokratische Zugang zu Arzt und Krankenhaus, der umfassende Versicherungsschutz für alle sowie ein einheitlicher und vom Einkommen unabhängiger Leistungsanspruch, der allein durch das medizinisch Notwendige bestimmt wird. Dennoch können dem deutschen Gesundheitssystem im internationalen Vergleich trotz überdurchschnittlich hoher Ausgaben eklatante Qualitätsmängel bescheinigt werden (Bloch & Wolf, 2002; Schulenburg & Greiner, 2000; Wasem, 2002).
Das zentrale Problem des Gesundheitswesens sind die ständig steigenden Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung, denen sinkende Einnahmen gegenüberstehen. Bei den Auslösern dieser Entwicklung unterscheiden Lampert und Althammer zwischen exogenen und endogenen Ursachen. Eine exogene Ursache ist dabei zum Beispiel der Kosten steigernde medizinisch-technische Fortschritt. Laut Lampert und Althammer wird allerdings der durch die Struktur des Gesundheitswesens bedingten endogenen „Schwäche“ des Systems und dem damit einher gehenden Fehlen wirksamer Steuerungsinstrumente für Angebot und Nachfrage eine größere Bedeutung beigemessen (Bloch & Wolf, 2002; Lampert & Althammer, 2001; Schulenburg & Greiner, 2000).
Das im Kontext dieser Arbeit wichtigste Strukturproblem ist die strikte sektorale Trennung im Gesundheitswesen. So berücksichtigt das getrennte Entgeltsystem laut Wasem (2002) weder Leistung noch Qualität der Versorgung, und die Trennungen der Budgets, der Entgeltsysteme sowie der Zuständigkeiten des ambulanten und stationären Sektors führen ferner zu einer Diskontinuität der Versorgung. Des Weiteren geben Bloch und Wolf (2002) an, dass die sektorale Trennung bisher zur Bereitstellung eines Doppelangebots geführt hat, dessen Folge medizinisch unnötige Doppeluntersuchungen sind. Außerdem fordern sie eine Stärkung der Prävention, die allerdings eine funktionierende Koordination der zahlreichen Akteure in Gesundheitswesen erfordert. Höhmann et al. schreiben im Kontext der Versorgungskontinuität von einem „differenzierten System“, in dem in komplexen Versorgungssituationen die beteiligten Akteure nicht aneinander anknüpfen. Das daraus resultierende Fehlen von Behandlungskontinuität führt dann dazu, dass dem eigentlichen Bedarf in komplexen Versorgungssituationen nicht mehr ausreichend Rechnung getragen werden kann. Ferner wird der Prozess der Differenzierung ihrer Meinung nach sowohl an der fachlichen Spezialisierung und Ausdifferenzierung der Gesundheitsberufe und -einrichtungen als auch an der Spezialisierung und Differenzierung der Versorgungsangebote in Bezug auf die Intensität der medizinisch-pflegerischen Betreuung sichtbar. Höhmann et al. sehen in einem anhaltenden Differenzierungsprozess, der auch mit einer Steigerung der Leistungsfähigkeit der einzelnen Teilbereiche verbunden ist, die Gefahr einer „Fragmentierung des Versorgungsprozesses“, die zudem durch die bestehenden Regelungen der Ausbildung und durch die Vergütungsstruktur des Gesundheitswesens noch verstärkt wird (Höhmann et al., 1998).
Als Zwischenfazit kann also gesagt werden, dass die sektorale Trennung im deutschen Gesundheitswesen zu Widerständen an den Schnittstellen und dadurch sowohl zu einer hohen Ausgabenlast als auch zu einer Beeinträchtigung der Versorgungsqualität führt, besonders bei komplexen Behandlungsverläufen, die einen hohen Grad an Versorgungskontinuität benötigen.
Die in der Literatur genannten Forderungen zur Lösung der genannten Schnittstellenproblematik des deutschen Gesundheitswesens zielen fast einheitlich auf integrierte Versorgungsformen mit aufgelockerten Sektorgrenzen ab. So fordert Wasem (2002) eine sektorübergreifende Leistungserbringung, wie sie seiner Meinung nach besonders in der Krebsbehandlung sowie bei fortgeschrittenen Herz- und Kreislauferkrankungen medizinisch sinnvoll wäre. Bloch und Wolf (2002) sprechen sich für eine Integration der einzelnen Versorgungsbereiche aus, um dadurch die Grenze zwischen dem ambulanten und dem stationären Bereich aufzuweichen und kostenintensive Doppeluntersuchungen zu vermeiden. Höhmann et al. (1998) verlangen eine „...Schnittstellenbewältigung, die eine Abstimmung der Versorgungsleistungen über die Grenzen der spezialisierten Gesundheitsberufe und -einrichtungen hinaus sicherstellt, die die Gesundheitsdienste zu einem tragfähigen Netzwerk für die Patienten reintegriert [...].“ (Höhmann et al., 1998, S. 20)
Die ersten „Reformen“ zur Lösung des Kostenproblems in der gesetzlichen Krankenversicherung waren zunächst reine Kostendämpfungsmaßnahmen, die die Ausgabenlast der GKV reduzieren sollten, zum Beispiel das „Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz“ von 1977. Zur ersten wirklichen Strukturreform führte nach Aussage von Bloch und Wolf das „Gesundheitsstrukturgesetz“ von 1993. Es enthielt zwar ebenfalls Maßnahmen zur Kostenreduzierung, versuchte aber auch, durch die Einführung des ambulanten Operierens und der vor- und nachstationären Behandlung im Krankenhaus eine erste Verzahnung des ambulanten mit dem stationären Bereich herzustellen. Weitere wichtige strukturelle Veränderungen brachte das „GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000“ zum 1. Januar 2000. So wurde unter anderem die Einführung des DRG-Systems festgelegt sowie das Modell der „integrierten Versorgung“ (§§140a, b, c und d SGB V) in das Gesundheitswesen implementiert. Die „integrierte Versorgung“ bietet den ambulanten und stationären Leistungsanbietern die Möglichkeit, mit den Krankenkassen Verträge zur Errichtung regionaler, sektorübergreifender Versorgungsnetzwerke abzuschließen. Die Patienten können dabei selbst entscheiden, ob sie an der integrierten Versorgung teilnehmen wollen oder nicht.
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- Quote paper
- Klaus Reiners (Author), Maren Sommer (Author), 2005, Pflege-Überleitung. Schnittstellenprobleme im deutschen Gesundheitswesen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/36795
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